Lange: Die Stellung der Kulturschaffenden und -verwerter in der Insolvenz – Die neue Insolvenzordnung
1. B Urheber- und Leistungsschutzrechte sowie Verwertungsgesellschaften
B3 Das Recht der Verwertungsgesellschaften
Die Stellung der Kulturschaffenden und
-verwerter in der Insolvenz
Rechte nutzen und Pflichten beachten
Klaus-Philipp Lange B
Rechtsanwalt mit den Schwerpunkten Straf-, Wirtschafts- und Insolvenzrecht in 3.4
Gießen; Zulassung als vereidigter Buchprüfer; praktische Erfahrungen als S. 1
Sequester und Konkursverwalter; Dozent für Wirtschaftsrecht
Inhalt Seite
1. Die neue Insolvenzordnung (InsO) 3
1.1 Allgemeiner Überblick und Forderungsanmeldung 3
1.2 Insolvenzeröffnung 5
1.3 Forderungsprüfung und Quote 6
2. Urheberrechte in der Insolvenz des Urhebers 8
2.1 Zwangsvollstreckung in Urheberrechte 8
2.2 Zwangsvollstreckung in Nutzungsrechte des Urhebers 9
2.3 Folgerecht und Beteiligungsanspruch 10
2.4 Absicherung einer Vorschußzahlung 10
3. Lizenzvertrag und Insolvenz 12
3.1 Das Wahlrecht des Insolvenzverwalters gem. § 103 InsO 12
3.2 Risiko des Lizenznehmers bei Insolvenz des Lizenzgebers 12
3.3 Risiken bei Insolvenz des Lizenznehmers 13
3.4 Sicherungsabtretung der Rechte aus dem Lizenzvertrag 13
3.5 Kündigungsklauseln in Lizenzverträgen für den Insolvenzfall 14
4. Die Verwerter-GmbH und ihr Geschäftsführer in der
Insolvenz 15
4.1 Überschuldung als Insolvenzgrund 15
4.2 Insolvenzantragspflicht des Geschäftsführers 16
4.3 Insolvenzrelevante Straftatbestände 17
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2. B Urheber- und Leistungsschutzrechte sowie Verwertungsgesellschaften
B3 Das Recht der Verwertungsgesellschaften
Checkliste für den Gläubiger 7
Die Insolvenz hat gravierende Folgen für alle dabei Beteiligten. Das gilt insbe-
sondere für Kulturschaffende, da die Insolvenzordnung keine spezifischen urhe-
berrechtlichen Regelungen enthält. Daher ist die Lösung vieler Rechtsfragen noch
unklar, woraus sich entsprechende Risiken für die Beteiligten ergeben. Lesen Sie,
B welche Vorsorge Sie für den Insolvenzfall treffen können und welche Rechte und
3.4 Pflichten sich aus dem Gesetz ergeben, wenn der Fall eingetreten ist.
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3. B Urheber- und Leistungsschutzrechte sowie Verwertungsgesellschaften
B3 Das Recht der Verwertungsgesellschaften
1. Die neue Insolvenzordnung (InsO)
1.1 Allgemeiner Überblick und Forderungsanmeldung
Seit dem 01.01.1999 hat die InsO die bisherige Konkursordnung (KO) und Ver-
gleichsordnung (VglO) abgelöst. Durch die InsO ist die bisherige Trennung in
Vergleichs- und Konkursverfahren beseitigt. Es gibt nur noch ein einheitliches B
Insolvenzverfahren. Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist es einzel- 3.4
nen Gläubigern des Schuldners verwehrt, in das von der Insolvenz erfaßte Ver-
S. 3
mögen des Schuldners zu vollstrecken. Ziel des Insolvenzverfahrens ist es näm-
lich, die Insolvenzgläubiger gemeinschaftlich aus dem Vermögen des Schuldners
zu befriedigen.
Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens verliert der Schuldner das Recht, dass
zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu Verwalten und über das Vermögen
zu verfügen. Soweit im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung Verträge noch nicht
vollständig erfüllt sind (z. B. Lizenzverträge) hat der Insolvenzverwalter ein
Wahlrecht gem. § 103 InsO. Er kann entscheiden, ob er den Vertrag weiter erfüllt
oder nicht (vgl. Kap. 3).
Die praktischen Probleme entstehen dadurch, dass das Urheberrechtsgesetz
(UrhG) keine eigenen insolvenzrechtlichen Vorschriften enthält. Das UrhG ent-
hält in den §§ 113 bis 119 lediglich spezielle Vorschriften für die Zwangsvollstre-
ckungen in Urheberrechte.
Da auch die Insolvenzordnung keine spezifischen urheberrechtlichen Regelungen
enthält, ist die Lösung vieler Rechtsfragen noch unklar, woraus sich entsprechen-
de Risiken für die Beteiligten ergeben.
Hat ein Schriftsteller gegen einen Verlag durch ein rechtskräftiges Urteil einen
vollstreckbaren Titel über 100.000 Euro erlangt, so kann er ab der Insolvenz-
eröffnung aus diesem Titel gegen den Verlag nicht mehr vollstrecken. Er muß statt
dessen seine Forderung bei dem Insolvenzverwalter (bisher bei dem Konkursgericht)
anmelden. Name und Anschrift des Insolvenzverwalters werden vom Gericht veröf-
fentlicht bzw. den bekannten Gläubigern direkt vom Gericht mitgeteilt.
Zuständiges Insolvenzgericht ist das Amtsgericht, welches für den jeweiligen
Landgerichtsbezirk als Insolvenzgericht bestimmt ist und in dessen Bezirk der
Schuldner seinen Sitz hat. Die Anmeldung hat schriftlich zu erfolgen. Der An-
meldung sollen die Urkunden, aus denen sich die Forderung ergibt (z. B. das
Urteil) beigefügt werden. Das Vorliegen eines vollstreckbaren Titels ist aber nicht
Voraussetzung für eine Anmeldung. Angemeldet werden können alle Forderun-
gen, also auch solche, die noch nicht durch ein rechtskräftiges Urteil tituliert sind.
In diesen Fällen sind die Rechnungen, Verträge etc. der Anmeldung beizufügen,
weil sich aus diesen der Grund und die Höhe der Forderung jeweils ergibt. Der
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B3 Das Recht der Verwertungsgesellschaften
Grund und der Betrag der Forderung sind in der Anmeldung anzugeben. Die
Anmeldung einer Forderung zur Insolvenztabelle unterbricht die Verjährung
(§ 209 Abs. 2 Nr. 2 BGB).
Textvorschlag für eine Forderungsanmeldung
„Betr.: Insolvenzverfahren über das Vermögen der Firma Glücklos GmbH,
Hamburg - Az. (falls bekannt):
B
3.4 Sehr geehrte(r) Herr/Frau Insolvenzverwalter(in),
S. 4
laut Vertrag vom 05.01.2005 steht mir gegen die Schuldnerin ein Honorar in
Höhe von 50.000 Euro zu, welches am 05.02.2005 fällig war. Eine Kopie des
Vertrages sowie meine Rechnung vom 20.1.2005 füge ich in der Anlage bei. Ich
melde hiermit den Betrag von 50.000 Euro zur Insolvenztabelle an.“
Sollen Verzugszinsen auch geltend gemacht werden, so müssen diese bis zum
Tag der Eröffnung des Insolvenzverfahrens berechnet und ebenfalls mit ange-
meldet werden. Liegt bereits ein vollstreckbarer Titel (Urteil oder Vollstreckungsbe-
scheid) vor, so ist eine Kopie dieses vollstreckbaren Titels der Anmeldung beizufü-
gen. In der Anmeldung ist jener Betrag aufzuführen, der sich aus dem Urteil bzw.
dem Vollstreckungsbescheid ergibt. Die dem Schuldner durch Kostenfestsetzungs-
beschluss des Gerichts auferlegten Gerichtskosten sind in der Anmeldung ebenfalls
anzugeben. Der Kostenfestsetzungsbeschluss ist in Kopie beizufügen.
Ein praktisches Problem für die Gläubiger ist häufig, wie sie von der Eröffnung
eines Insolvenzverfahrens Kenntnis erlangen.
- Für die im Zuständigkeitsbereich des jeweiligen Insolvenzgerichts ansässigen
Gläubiger genügt die regelmäßige Lektüre der Lokalzeitungen.
- Gläubiger, die außerhalb dieses Zuständigkeitsbereiches ansässig sind, müs-
sen den Bundesanzeiger lesen.
- Allerdings dürfte auch die Lektüre des Wirtschaftsteils einer überregionalen
Tageszeitung genügen. Diese veröffentlichen, allerdings mit einem gewissen
Zeitverzug gegenüber der Veröffentlichung im Bundesanzeiger, die in der
Bundesrepublik eröffneten Insolvenzverfahren.
- Soweit der Gläubiger allerdings bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens be-
reits bekannt ist (weil er z. B. in einer Offenen-Posten-Liste geführt wird),
wird er von dem Insolvenzgericht direkt unterrichtet.
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