Dr. Achim Gmilkowsky: Vertragsgestaltung für Fotografen, Teil 1
Benclowitz: Die Kunst ist frei!? Teil I: Tendenzschutz im Betriebs- und Personalrecht
1. D Arbeits- und Personalrecht
D4 Kollektives Arbeitsrecht
Die Kunst ist frei?
Teil I: Tendenzschutz im Betriebs- und Personalrecht
Joachim Benclowitz
Seit 1986 Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht; seit 1991 Geschäftsfüh-
rer und Syndikus des Landesverbandes Nord im Deutschen Bühnenverein mit
Sitz in Hamburg; Dozent an der Hochschule für darstellende Kunst und Musik,
Hamburg
Inhalt Seite
D
1. Grundlagen der Mitbestimmung 2 4.1
2. Das Betriebsverfassungsgesetz 3
S. 1
2.1 Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten 9
2.2 Mitbestimmung in personellen Angelegenheiten 10
2.3 Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten 12
3. Übersicht über das Personalvertretungsrecht 13
3.1 Organe der Personalvertretung 14
3.2 Grundsätze der Mitbestimmung der Personalvertretungen 14
4. Tendenzschutz im Betriebs- und Personalvertretungsrecht 16
4.1 Überblick über die Problematik des Tendenzschutzes im
Betriebsverfassungs- und Personalvertretungsrecht 16
4.2 Verfassungsrechtliche Bindungen des Tendenzschutzes 19
5. Tendenzschutz im Betriebsverfassungsgesetz 19
Die Arbeitnehmermitbestimmung ist Regelungsinhalt im Betriebsverfassungs-
und Personalvertretungsrecht. Das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) regelt die
betriebliche Mitbestimmung für die in der Privatwirtschaft tätigen Mitarbeiter.
Die Beteiligung der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes an den Entscheidun-
gen der Dienststelle bzw. des Arbeitgebers regelt das Personalvertretungsrecht
des Bundes und der Länder (PersVG). Für Zündstoff innerhalb der Arbeitneh-
mermitbestimmung sorgt, im Rahmen des Tendenzschutzes für künstlerische
Betriebe, die Beschränkung von Arbeitnehmermitbestimmungsrechten zum
Schutz der Freiheit eines Unternehmens, seine künstlerischen Ziele zu bestimmen
und zu verwirklichen. Der Beitrag berücksichtigt die Reform zum Betriebsverfas-
sungsgesetzes, die am 25.9.2001 in Kraft getreten ist.
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2. D Arbeits- und Personalrecht
D4 Kollektives Arbeitsrecht
1. Grundlagen der Mitbestimmung
Kulturunternehmen verfolgen ihrer Bestimmung gemäß künstlerische Ziele. Sie
genießen die Freiheit, ihre künstlerischen Ziele zu bestimmen und zu verwirkli-
chen. Möglicherweise wird die Freiheit des Unternehmens durch betriebliche
Arbeitnehmermitbestimmungsrechte beeinträchtigt. Vor die schwierige Aufgabe
gestellt, diese konkurrierenden Interessen gegeneinander abzuwägen und eine
Lösung zu finden, entwickelte der Gesetzgeber den Tendenzschutz. Der Tendenz-
schutz für künstlerische Betriebe (Tendenzunternehmen) schützt mit der Be-
schränkung von Arbeitnehmermitbestimmungsrechten die Freiheit eines Unter-
nehmens, seine künstlerischen Ziele zu bestimmen und zu verwirklichen.
Da der Tendenzschutz – als Ausgleich zwischen Arbeitnehmermitbestimmung
und Freiheitsrechten bestimmter Unternehmen – im Ergebnis eine Modifizierung
D der Geltungsbereiche des Betriebs- und Personalvertretungsrechts bewirkt, ist es
4.1 zunächst erforderlich, die Grundlagen der Mitbestimmung im Betriebs- und Per-
S. 2 sonalvertretungsrecht aufzuzeigen.
– Verfassungsrechtliche Grundlagen
Unter Mitbestimmung versteht man im Allgemeinen die Teilnahme der ab-
hängig Beschäftigten an der Gestaltung der Arbeits- und Wirtschaftsbedin-
gungen. Diese Teilhabe ist durch das Grundrecht der Koalitionsfreiheit in Ar-
tikel 9 Abs. 3 GG erfassungsrechtlich abgesichert.
Mitbestimmung im engeren Sinne ist die Beteiligung der Arbeitnehmer an
Entscheidungen der Betriebe, der Unternehmen oder der Dienststelle. Zwar
gibt es hierfür im Grundgesetz keine ausdrückliche verfassungsrechtliche
Garantie. Indes gibt das im Grundgesetz in Art. 20 Abs. 1 GG verankerte So-
zialstaatsprinzip dem Gesetzgeber das Recht, für die abhängig Beschäftigten
Mitbestimmungsrechte zu gewährleisten und diese gesetzlich auszugestalten.
Hierbei hat der Gesetzgeber die Grundrechte, auch die der Arbeitgeber, zu
beachten.1
– Gesetzliche Regelungen
Für die in der Privatwirtschaft tätigen Arbeitnehmer wird die betriebliche
Mitbestimmung im Betriebsverfassungsgesetz 2 geregelt. Das Betriebsver-
fassungsgesetz (BetrVG) gilt, soweit der Rechtsträger (Arbeitgeber) des Be-
triebs oder Unternehmens eine natürliche oder juristische Person des Privat-
rechts ist, (vgl. § 130 BetrVG) und mindestens 5 ständig wahlberechtigte
Arbeitnehmer, von denen drei wählbar sind, in der Regel beschäftigt werden
(§ 1 BetrVG).
Für den Bereich des öffentlichen Dienstes ergibt sich aus dem Personalvertre-
tungsrecht eine weitgehend dem Betriebsverfassungsgesetz entsprechende Betei-
ligung der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes an den Entscheidungen der
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3. D Arbeits- und Personalrecht
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Dienststelle bzw. des Arbeitgebers. Zu den Beschäftigten gehören dort nicht nur
die Arbeiter und Angestellten, sondern auch die Beamten. Für die Dienststellen
des Bundes und der bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftun-
gen des öffentlichen Rechts, gilt das Bundespersonalvertretungsgesetz.3 Für die
Dienststellen der Länder und der sonstigen juristischen Personen des öffentlichen
Rechts, insbesondere für die Gemeinden und Gemeindeverbände, wird die Perso-
nalvertretung durch Landespersonalvertretungsgesetze 4 kodifiziert, wofür das
Bundespersonalvertretungsgesetz bestimmte Rahmenvorschriften enthält.
Mitbestimmung
Privatwirtschaft Öffentlicher Dienst
D
4.1
Betriebsverfassungs- Personalvertretungsrecht S. 3
gesetz (BetrVG)
Bundespersonal- Länderpersonal-
vertretungsgesetz vertretungsgesetze
BPersVG)
Abb. 1: Regelung der Arbeitnehmermitbestimmung in der Privatwirtschaft und im
Öffentlichen Dienst
2. Das Betriebsverfassungsgesetz
Einführung in die wesentlichen gesetzlichen Änderungen des neuen
Betriebsverfassungsgesetzes
Am 25.09.2001 ist das Gesetz zur Reform des Betriebsverfassungsgesetzes in
Kraft getreten.5 Die Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes hat auch in
den hier zu untersuchenden Bereich zum Teil zu einer erheblichen Ausweitung
der kollektiven Mitbestimmung durch Schaffung immer neuer und erweiterter
Mitbestimmungsrechte geführt. Dies unter gleichzeitiger Bildung neuer Gremien,
verbunden mit zusätzlichen Verzögerungen unternehmerischer Entscheidungen
sowie Zunahme der Kostenbelastung, sprich mehr Reglementierung.
Erste negative Auswirkungen für Institute mit kultureller Ausrichtung sind zu-
nächst schon in den allgemeinen Bestimmungen zu erblicken (vgl. Beitrag D 2.5).
Als wesentlich zu nennen sind hier die neuen betriebsverfassungsrechtlichen
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