Ohde, Brendler-Lodigkeit: Steuerliche Aspekte im Hospitality- Bereich, Teil 2
Antonella Tanca: „Lebenslanges Lernen“ - Das Museum als Lernort
1. H 2.22
Das Museum als Lernort
„Lebenslanges Lernen“ als Marketing-Aufgabe
Antonella Tanca
Museen konkurrieren mit Einrichtungen auf dem Freizeit-, Bildungs- und Kulturmarkt – ein Kon-
kurrenzdruck, der sich nicht auf die Bindung und Gewinnung von (potenziellen) Besuchern be-
schränkt, sondern auch den Wettbewerb um öffentliche sowie private Fördergelder betrifft. Folglich
muss sich das Museumsmanagement strategisch positionieren hinsichtlich der eigenen Tätigkeiten
und einer konsequenten Besucherorientierung, um bestehende Märkte zu durchdringen und neue
Märkte zu erschließen. Der nachfolgende Beitrag verknüpft grundlegende Elemente für lebenslan-
ges Lernen mit nachhaltigen Marketingstrategien, um informelle Lernsettings als Profilierungs-
möglichkeiten aufzuzeigen. Diese bieten den Museen eine notwendige, realistische und auch
durchaus faszinierende Perspektive zur Sicherung ihrer kultur- und bildungspolitischen Bedeutung,
gleichzeitig ist es eine Möglichkeit, das eigene Image um eine wichtige Facette zu ergänzen sowie
neue Kooperationen zu schmieden, die ihrerseits wiederum neue Potenziale hinsichtlich Bekannt-
heitsgrad und Zielgruppenerweiterung aufzeigen.
Gliederung Seite
1. Einleitung 2
2. Lebenslanges Lernen im Kontext der europäischen Kulturpolitik 3
3. Erwachsenenbildung und Museumsaufgaben 7
3.1 Museale Vermittlungsarbeit 12
3.2 Generische Lernresultate 13
4. Lebenslanges Lernen und Museumsmarketing 15
4.1 Markt- und Marketinganalyse 18
4.2 Museumspositionierung 21
4.3 Marketingstrategien 22
4.4 Marketing-Mix 25
5. Der Flow-Effekt 27
6. Fazit 29
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2. H 2.22 Marketing, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Marketingkonzepte
1. Einleitung
Lebenslanges Lernen Die persönliche Entfaltung des Individuums sowie die Teilnahme an
allen Bereichen der modernen Gesellschaft mit ihrer raschen techno-
logischen Entwicklung setzen den kontinuierlichen und ständig aktua-
lisierten Erwerb von Wissen, Kompetenzen und Fertigkeiten voraus;
deshalb gehört in vielen Ländern die Erwachsenenbildung und
-weiterbildung zu den zentralen sozialpolitischen Zielen. Lebenslan-
ges Lernen ist somit fester Bestandteil unserer heutigen Gesellschaft.
In der pädagogischen Psychologie hat sich die Erkenntnis durchge-
setzt, dass Lernen ein das ganze Leben begleitender Prozess ist. Wis-
senserwerb beschränkt sich nicht nur auf formale Lernsituationen, die
in der Regel zu anerkannten Abschlüssen führen, sondern findet auch
in unterschiedlichen anderen Ausprägungen statt.
Wissensgesellschaft Eng verknüpft mit diesen Konzepten ist der Begriff Wissensgesell-
schaft, der seit dem Lissabonner Gipfel der Europäischen Union im
Jahr 2000 zum wiederkehrenden Schlagwort im politischen Kontext
geworden ist. Die heutige Gesellschaft basiert auf Wissen, das dadurch
– neben den traditionellen Faktoren Arbeit und Kapital – zu einem
immer wichtigeren Produktionsfaktor und Markt wird. Nicht nur An-
bieter im Bildungsbereich haben das Potenzial dieses Marktes erkannt,
sondern auch Freizeit- und Kultureinrichtungen, wobei sich Museen
genau im Spannungsfeld zwischen Erlebnis-1 und Lernorten befinden.
Mit erlebnisorientierten Lernorten sind hier hybride Strukturen ge-
meint, die sich im Schnittfeld von Bildung, Unterhaltung und Konsum
befinden.
Besonderes Interesse gilt dabei der Fragestellung, ob die Verknüpfung
allgemeiner Erkenntnisse über die Erwachsenenbildung und das le-
benslange Lernen mit dem Bildungspotenzial und der Vermittlungs-
aufgabe von Museen eine über den bisherigen Ansatz des Besucher-
services hinausgehende Verbindung von Museumsdidaktik und Muse-
umsmarketing herstellen könnte: Worin besteht die Verknüpfung von
ganzheitlichen Lernprozessen in der Erwachsenenbildung, sozialem
Zusammenhalt, Lebensqualität und strategischer Museumsausrichtung?
Das Gerüst dieses Beitrages bilden die gesellschaftlichen Funktionen
von Museen, lernfördernde Bedingungen und Lernbarrieren2, die sich
daraus ergebenden generischen Lernresultate als Beurteilungskriterien
der Lernergebnisse eines Vermittlungsangebots in Museen und Aus-
stellungen3, die Qualitätskriterien der Bildungs- und Vermittlungsar-
beit in Museen4 sowie das Antreten des psychischen Flow-Effekts von
Motivation und Wohlbefinden während der Handlungssituation in der
Ausstellung5.
2
3. Marketing, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit H 2.22
Marketingkonzepte
Die Berücksichtigung der erwähnten Faktoren zum Aufbau einer lern-
förderlichen Struktur im Museum soll seitens der Besucher die Einstu-
fung des Museumserlebnisses als sinnvolle Erfahrung erleichtern, die
sie gegebenenfalls zum Wiederbesuch bewegen kann.
Diese Darstellung konzentriert sich auf informelle Lernsituationen in Erwachsene
der Erwachsenenbildung, wobei den folgenden Ausführungen die lernen anders
Verbindung von Grundlagentheorien der Kognitionswissenschaft,
deren Gegenstand die Untersuchung von geistigen Prozessen ist6, mit
denen der Museumspädagogik sowie des Museumsmarketings zug-
rundeliegt – denn aus pädagogisch-psychologischer Sicht weichen
Motive, Besuchsanlässe sowie Wissenserwerbsprozesse von Kindern
und Jugendlichen von jenen lernender Erwachsene stark ab.7
2. Lebenslanges Lernen im Kontext der
europäischen Kulturpolitik
Im Jahre 2006 hat die Europäische Kommission einen Referenzrah-
men erstellt, in dem die Schlüsselkompetenzen benannt werden, über
die jeder Bürger verfügen sollte. Dabei wurde ein besonderes Augen-
merk auf das Kulturbewusstsein und die kulturelle Ausdrucksfähigkeit
gelegt. Im darauffolgenden Jahr wurde zudem ein Aktionsplan erstellt,
der die Steigerung der Beteiligung am lebenslangen Lernen als einer
der prioritären Bereiche der europäischen Bildungspolitik ermittelt.
In der Politikdebatte auf europäischer Ebene versteht man unter le-
benslangem Lernen
„alles Lernen während des gesamten Lebens, das der Verbes- Definition
serung von Wissen und Qualifikationen dient und im Rahmen Lebenslanges Lernen
einer persönlichen, bürgergesellschaftlichen, sozialen bzw. be-
schäftigungsbezogenen Perspektive erfolgt“.8
Dies umfasst auch den Bereich der Erwachsenenbildung sowohl in
formalen Lernstrukturen (Schule, Universität, Berufsschule etc.) als
auch als nicht-formales (das nicht auf Erwerb von Zertifikaten abge-
zielte) und informelles Lernen, das außerhalb einer Lernbeziehung
und meist unbeabsichtigt geschieht. In diesem Bereich hat die EU-
Kommission die Teilnahme von mindestens 15 % der Erwachsenen-
bevölkerung am lebenslangen Lernen als Benchmark bis 2020 verein-
bart.9
Bereits mit der sogenannten „Lissabon-Strategie“, die bis 2010 galt, Programm zum lebens-
erhielten alle EU-Mitgliedsstaaten vom Europäischen Rat den Auftrag, langen Lernen (PLL)
lebenslanges Lernen für Alle zu ermöglichen. Das zum 1. Januar 2007
gestartete „Programm zum lebenslangen Lernen“ (PLL) fördert unter-
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4. H 2.22 Marketing, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Marketingkonzepte
schiedliche Projekttypen zur Umsetzung der europäischen Bildungs-
politik. In der Strategie „Europa 2020“, der Nachfolgerin der Lissabon
Strategie, zählt der Bildungsbereich zu den Triebkräften der Reaktion
Europas auf die aktuellen sozio-ökonomischen Herausforderungen
und die Stärkung ihrer Wettbewerbsfähigkeit.10
Lebenslanges Lernen – Unter dem Oberbegriff lebenslanges Lernen differenziert die Europäi-
eine Begriffserklärung sche Kommission drei Kategorien11:
Formelles Lernen Lernen, das üblicherweise in einer Bildungs- oder
Ausbildungseinrichtung stattfindet, (in Bezug auf
Lernziele, Lernzeit oder Lernförderung) strukturiert
ist und zur Zertifizierung führt. Formales Lernen ist
aus der Sicht des Lernenden zielgerichtet.
Nicht-formelles Lernen, das nicht in Bildungs- oder Berufsbil-
Lernen dungseinrichtung stattfindet und üblicherweise
nicht zur Zertifizierung führt. Gleichwohl ist es
systematisch (in Bezug auf Lernziele, Lerndauer
und Lernmittel) und aus der Sicht der Lernenden
zielgerichtet.
Informelles Lernen Lernen, das im Alltag, am Arbeitsplatz, im Famili-
enkreis oder in der Freizeit stattfindet. Es ist (in
Bezug auf Lernziele, Lernzeit oder Lernförderung)
nicht strukturiert und führt üblicherweise nicht zur
Zertifizierung. Informelles Lernen kann zielgerich-
tet sein, ist jedoch in den meisten Fällen nichtin-
tentional, sondern ungeplant und beiläufig.
Abb. H 2.22-1 Kategorien des lebenslangen Lernens12
Diese Differenzierung macht deutlich, dass die Bandbreite der Organi-
sationen, die die Anforderungen des lebenslangen Lernens erfüllen,
indem sie verschiedenartige Bildungsangebote für Erwachsene anbie-
ten, sehr groß ist.
Vier Dimensionen Unter Berücksichtigung dieser Prämissen und mit Rückblick auf die
des Lernens oben aufgeführte Definition von lebenslangem Lernen stellt sich an
dieser Stelle die Frage: In welchem Ausmaß kann lebenslanges Lernen
das soziale, in Hinblick auf die Entwicklung wesentlicher individuel-
ler Schüsselkompetenzen, und wirtschaftliche Wohlergehen Europas
beeinflussen? Und außerdem: Welche Rolle können Museen in diesem
Prozess einnehmen?
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