Die Akteur-Netzwerk-Theorie - Eine Techniktheorie für das Lernen und Lehren m...
Erwachsenen- und Weiterbildung - Technologieeinsatz beim Lernen und Lehren mit Erwachsenen
1. Erich
Herber,
Bernhard
Schmidt-‐Hertha,
Sabine
Zauchner
und
Severin
Kierlinger-‐Seiberl
Erwachsenen- und Weiterbildung
Technologieeinsatz beim Lernen und Lehren mit Erwachsenen
Das
Lernen
mit
Technologien
kommt
der
allgemeinen
Forderung
der
Erwachsenenbildung,
mehr
Selbst-‐
steuerung,
AnwendungsorienDerung
und
Flexibilität
bei
der
Gestaltung
von
Lehr-‐/Lern-‐Arrangements
in
unterschiedlichen
beruflichen,
privaten
und
gesellschaIlichen
Kontexten
zu
ermöglichen,
nach.
Auch
im
lebenslangen
Lernprozess
einer
erwachsenen
Person
nimmt
der
technologiebasierte
Wissenserwerb
einen
immer
größeren
Stellenwert
ein.
Dennoch
spielen
Technologien
in
der
Erwachsenen-‐
und
Weiterbildung
bislang
nur
in
spezifischen
Disziplinen
(zum
Beispiel
in
der
beruflichen
Fortbildung)
eine
wesentliche
Rolle.
Die
Ursachen
finden
sich
meist
in
den
bestehenden
Vorbehalten
gegenüber
computergestützten
Lernan-‐
geboten,
den
zunehmenden
mediendidakDschen
Herausforderungen,
oder
in
den
fehlenden
insDtuDo-‐
nellen
Rahmenbedingungen
zum
Technologieeinsatz
in
der
Erwachsenen-‐
und
Weiterbildung.
Mit
den
neuen
Möglichkeiten
des
Web
2.0,
den
zahlreichen
internetbasierten
Wissensressourcen,
der
immer
be-‐
deutenderen
Rolle
der
NetzgeneraDon
in
der
Erwachsenenbildung
und
der
sich
abzeichnenden
Universali-‐
sierung
der
Erwachsenen-‐
und
Weiterbildung
auf
insDtuDoneller
Ebene
scheint
allerdings
auch
eine
Be-‐
wegung
in
Richtung
einer
technologiebasierten
Erwachsenen-‐
und
Weiterbildung
in
Gang
zu
kommen.
Gründen
technologiebasierte
Erwachsenenbildungsangebote
derzeit
meist
noch
auf
IniDaDven
einzelner
BildungsinsDtuDonen,
so
zeigen
Länder
wie
England,
dass
naDonale
Rahmenregelungen
zum
Technologie-‐
einsatz
in
der
Erwachsenen-‐
und
Weiterbildung
zu
einer
weiteren
Entwicklung
verhelfen
können.
Quelle:
Pat
Wiliams,
URL:
hFp://www.flickr.com/photos/cletch/4588650165/
[2011-‐01-‐01]
#erwachsenenbildung
#spezial
#bildungssektor
Version
vom
1.
Februar
2011
Für
dieses
Kapitel
wird
noch
ein
Pate
gesucht,
Jetzt Pate werden! mehr
InformaDonen
unter:
hFp://l3t.eu/patenschaI
2. 2
—
Lehrbuch
für
Lernen
und
Lehren
mit
Technologien
(L3T)
tigkeit vorliegt, während Erwachsenenbildung den
1. Einleitung
Bogen etwas weiter spannt und auch Bildungswege
Malcolm Knowles, der die Andragogik (die Wissen- einschließt, denen keine erste Bildungsphase vor-
schaft der Bildung Erwachsener) insbesondere in den angeht (beispielsweise die Basisbildung und Alphabe-
USA deutlich prägte, erkannte bereits Ende der tisierung von Erwachsenen).
1980er-Jahre, dass sich die Computertechnologien im Erwachsenen- und Weiterbildung stellt die wich-
21. Jahrhundert zu einer Kraft entwickeln würden, tigste Form der Weiterqualifizierung im lebenslangen
die das Lernen Erwachsener entscheidend beeinflusst Lernprozess eines Menschen dar und umfasst unter-
(Knowles et al., 2007). Auch aktuelle Untersu- schiedliche Bildungsbereiche, wie die allgemeine (per-
chungen bestätigen, dass technologische Kompe- sönliche), betriebliche (berufliche) und politische (ge-
tenzen einen wesentlichen Beitrag zu den Innovati- sellschaftliche) Bildung. Als wohl facettenreichste
onsprozessen im Berufs- und Alltagsleben der Ge- Disziplin der Weiterbildung erfährt sie heute eine
genwart und Zukunft leisten: „Spätestens in 10 starke Universalisierung auf institutioneller und tech-
Jahren werden mehr als 95% der erwachsenen Bevöl- nologischer Ebene. Waren es bisher die traditionellen
kerung in Europa und den USA das Internet und Weiterbildungsinstitute oder organisationsinterne
seine Dienste aktiv und regelmäßig nutzen“ – so Weiterbildungsprogramme, denen diese wichtige Bil-
eines der zentralen Ergebnisse der internationalen dungsfunktion übertragen wurde, so übernehmen
Delphi-Studie 2030 (Münchner Kreis et al., 2009). heutzutage immer mehr Bildungsträger außerhalb der
Unumstritten ist, dass der technologische Wandel traditionellen Institutionen (private Bildungshäuser,
Einfluss auf die Erwachsenen- und Weiterbildung regionale Kommunikations- und Kulturzentren, so-
nimmt und ihr neue Möglichkeiten und Wege er- ziale Einrichtungen, Bibliotheken bis hin zu Reisever-
öffnet, sie zugleich aber auch vor neue Herausforde- anstaltern und Handelsunternehmen usw.) diese
rungen stellt. Es stellt sich die Frage, in welchem Aufgabe. Zusätzlich bietet das Internet immer mehr
Ausmaß und in welcher Form Technologien heute in und bessere Zugänge zu Wissensressourcen unter-
der Erwachsenen- und Weiterbildung tatsächlich zum schiedlichster Inhalte und Qualitäten (Internet-Enzy-
Einsatz kommen, inwieweit sich durch sie für die klopädien wie Wikipedia, Themengruppen zahl-
Lehrenden, Lernenden und Bildungsinstitutionen reicher Business-Netzwerke wie Xing, Open Educa-
eine Rollenveränderung ergibt und welche Medien tional Resources usw.) und stellt damit eine relevante
und Technologien sich in der Bildungspraxis der Ge- Informationsquelle für technologiegestützte Weiter-
genwart sowie Zukunft als besonders geeignet für das bildung dar. Diese Entwicklungen erfordern ein Um-
Lernen Erwachsener herausstellen. Auf diese Fragen denken in Hinblick auf Bildungsangebote, Bildungs-
wollen wir in diesem Kapitel Antwort geben. institutionen, Bildungskonzepte und -technologien.
In engem Zusammenhang mit der Erwachsenen-
2. Technologieunterstütztes
Lernen
bei
Erwachsenen
und Weiterbildung ist auch der Begriff des selbstge-
Seit einigen Jahren wird die Entwicklung flexibler steuerten Lernens zu sehen, welcher bildungspoliti-
und innovativer Bildungswege in der Erwachsenen- schen Diskussionen Ende der 1960er-Jahre folgend
und Weiterbildung stark thematisiert und von techno- insbesondere für die moderne Erwachsenenbildung
logischen Themen begleitet. Dabei sind der Erwach- Relevanz hat.
senen- und Weiterbildung jene Formen der Bildung
zuzuordnen, die sich mit dem Lernen Erwachsener Selbstgesteuertes
Lernen
versteht
die
einzelne
Person
beschäftigen.
! nicht
als
passive
RezipienDn
oder
passiven
Rezipi-‐
enten
im
Lernprozess,
sondern
nimmt
sie/ihn
als
In
der
Fachliteratur
wird
Erwachsenenbildung
häufig selbstgesteuerte
Person
wahr,
die
bereits
eine
Lern-‐
! synonym
mit
dem
Begriff
der
Weiterbildung
ver-‐
wendet
und
versteht
die
Fortsetzung
oder
Wiederauf-‐
biographie
und
Lernstrategien
mitbringt.
Lernen
wird
als
akDver
Prozess
verstanden,
bei
dem
Lernende
ihr
nahme
organisierten
Lernens
nach
Abschluss
einer Wissen
selbst
konstruieren
und
nicht
bloß
instruiert
unterschiedlich
ausgedehnten
ersten
Bildungsphase werden
(Neubert
et
al.,
2001).
(Fuchs
&
Reuter,
2000,
125).
Aus der Perspektive der Erwachsenen- und Wei-
Möchte man diese Begriffe getrennt betrachten, so terbildung geht es insbesondere darum, neues Wissen
kann von Weiterbildung insbesondere dann ge- (aus dem Hintergrund des bisherigen Wissens) im je-
sprochen werden, wenn eine Erstausbildung abge- weiligen beruflichen, privaten oder gesellschaftlichen
schlossen ist und bereits eine Phase der Berufstä- Kontext eines Erwachsenen differenziert und anwen-
3. Erwachsenen-‐
und
Weiterbildung.
Technologieeinsatz
beim
Lernen
und
Lehren
mit
Erwachsenen
—
3
dungsorientiert zu verarbeiten (Kuwan, 2006). Tech- einfach übergangen werden können. Der sichere
nologie wird dieser konstruktivistischen Betrach- Umgang mit dem Medium und die Einsicht in
tungsweise und dem Wunsch nach Selbststeuerung deren Mehrwert im Hinblick auf den eigenen
gerecht, indem sie zu mehr Flexibilität in der Ge- Lernprozess sind hier wesentliche Voraussetzung
staltung von Lehr-/Lern-Arrangements verhilft. Sie für die Bereitschaft, sich auf technologiegestützte
ist Vermittler in diesem Prozess, der jederzeit und Lernumgebungen einzulassen.
überall Zugang zum Lernen gewährt und individuelle ▸ Drittens setzt ein sinnvoller Technologieeinsatz in
Lernwege unterschiedlich unterstützt. Lernszenarien ein hohes Maß an Medienkompe-
tenz auf Seiten der Lehrenden beziehungsweise
Kursleiter/innen voraus. In der Erwachsenen-
Was
halten
Sie
von
der
Vorstellung,
dass
Erwachsene bildung, die als am wenigsten professionalisierter
? ihr
Lernen
selbst
kontrollieren?
Erörtern
Sie,
welche
Unterstützung
Technologien
dabei
leisten
können.
Bildungsbereich angesehen werden muss, kann
Stellen
Sie
Ihre
Überlegungen
anhand
einer
persön-‐
von diesen Kompetenzen auf Seiten der oft ne-
lichen
Erfahrung
an,
die
das
Prinzip
„selbstgesteuertes benberuflich oder ehrenamtlich tätigen Dozen-
Lernen“
bestäDgt.
tinnen und Dozenten keineswegs generell ausge-
gangen werden.
Es könnte angenommen werden, zunehmende Auf die beiden letztgenannten Punkte wird im Fol-
Selbststeuerung durch Lernende und die weitläufige genden genauer eingegangen. Betrachtet man die ty-
Verfügbarkeit webbasierter Medien und Techno- pischen Nutzer/innen technologiegestützter An-
logien würden automatisch eine Zunahme der gebote in der Erwachsenenbildung, so kristallisiert
Nutzung neuer Medien und Technologien in der Er- sich das Bild eines jungen, überdurchschnittlich gebil-
wachsenen- und Weiterbildung bedeuten. Tatsächlich deten und technikaffinen Klientels heraus. Die Ent-
spielt computergestütztes Lernen in der Erwach- wicklung von in Abhängigkeit vom individuellen Bil-
senen- und Weiterbildung bislang allerdings nur in dungsstand unterschiedlichen Mediennutzungskul-
spezifischen Bereichen (zum Beispiel bei beruflichen turen zeichnet sich bereits im Jugendalter ab (MPFS,
Fortbildungen zu Informationstechnologien oder 2010). Allerdings gehören digitale Medien und In-
Fernlehrgängen) eine wesentliche Rolle (Rosenbladt ternet inzwischen auch in der Gruppe der Haupt-
& Bilger, 2008). Der zurückhaltende Einsatz von schüler/innen zum medialen Alltag, sodass zu-
Computer und Internet kann auf unterschiedliche mindest von einem angstfreien Umgang mit digitalen
Ursachen zurückgeführt werden. Medien bei jungen Menschen aller Bildungsgruppen
▸ Erstens können rein computerbasierte Szenarien ausgegangen werden kann. Dagegen scheint die
die Interaktion der Lernenden von Angesicht zu Grenze zwischen routinierten Nutzer/innen mo-
Angesicht nicht ersetzen. Selbst bei einer routi- derner Kommunikationstechnologien und digitalen
nierten Nutzung digitaler Kommunikationskanäle Laien eher zwischen Altersgruppen beziehungsweise
erreicht die Beziehung der Lernenden unterein- Generationen zu verlaufen. Zumindest unter den
ander und die Beziehung zu den Lehrenden keine über 50-Jährigen gibt es heute noch einen relativ
vergleichbare Qualität wie im Rahmen einer Prä- großen Anteil an Nicht-Nutzer/innen von Computer
senzveranstaltung. Allerdings können Blended- und Internet (Initiative D21, 2010, Tabelle 1). Ältere
Learning-Konzepte hier eben einen Königsweg
zur Verbindung der Vorteile von traditionellen
und computergestützten Lernszenarien bilden
(Schmidt 2004). „Blended Learning“ werden Ver- 14-‐29 30-‐49
Jahr 50+
Jahre
Jahre Jahre
anstaltungskonzepte genannt, in denen Phasen mit
Präsenzveranstaltungen abgewechselt werden mit 2001 63,4
% 48,0
% 15,6
%
reinen Online-Phasen, in denen die Interaktion 2005 82,8
% 71,2
% 30,5
%
und das selbstgesteuerte Lernen über E-Mail und
2009 94,5
% 85,0
% 44,9
%
Webanwendungen stattfindet (siehe Kapitel #ein-
fuehrung). Hoher
Anteil
an
Nicht-‐Nutzer/innen
unter
den
50+.
▸ Zweitens gibt es gerade unter den älteren Erwach- Allerdings:
größter
Zuwachs
bei
60-‐
bis
69-‐Jährigen.
senen aber auch unter den eher medienaffinen
jüngeren Erwachsenen Vorbehalte gegenüber Tabelle
1:
Internetnutzung
in
Deutschland
(nach
computergestützten Lernangeboten, die nicht Altersgruppen)
.
Quelle:
Initiative
D21,
2010
4. 4
—
Lehrbuch
für
Lernen
und
Lehren
mit
Technologien
(L3T)
sind zum Teil unsicherer im Umgang mit modernen einer stärker lerner/innenorientierten Gestaltung von
Medien oder stehen diesen zumindest nicht unkri- Lehr-/Lern-Arrangements diskutiert (Freynet, 2008),
tisch gegenüber und bedürfen daher spezifischer di- wobei die Lehrenden zunehmend die Rolle von Lern-
daktischer Szenarien, wenn es um die Heranführung begleitern und Moderatoren übernehmen. Ebenso
an technologiegestützte Lernformen geht. Dies gilt verringert sich im Kontext technologiegestützter Er-
insbesondere dann, wenn die Lernenden vorwiegend wachsenenbildungsangebote die Verantwortlichkeit
auf traditionelle Lernbiografien zurückblicken. Die der Lehrenden für die Übermittlung von Inhalten,
ansonsten hohe Offenheit gegenüber generationen- während sich gleichzeitig Anforderungen hinsichtlich
übergreifenden Bildungsangeboten weicht hier bei der Unterstützung und Begleitung der Lernenden
vielen Älteren einem Gefühl der Unterlegenheit ge- während des Lernprozesses erhöhen. Die Rolle
genüber technikaffinen Jüngeren und dem Wunsch des/der Lernbegleiters/-in erfordert nicht nur ein
nach altershomogenen Kursen (Schmidt et al., 2009). Umdenken der in der Erwachsenenbildung Tätigen,
Jedoch ist auch bei jüngeren Gruppen die alltägliche sondern verlagert die an sie gerichteten Kompe-
Nutzung von Computer und Internet nicht gleichzu- tenzanforderungen hin zu mediendidaktisch-lernme-
setzen mit einem hohen Maß an Offenheit für den thodischen Kompetenzen. Nur entsprechend ge-
Medieneinsatz in Lehr- und Lern-Situationen. schulte, professionell agierende Weiterbildner/innen
Hier spielen unter anderem milieuspezifische können bestehenden und zukünftigen Formen des
Lerngewohnheiten und Bildungsinteressen eine Rolle. Medieneinsatzes in der Erwachsenenbildung einen di-
Das Milieu der „Modernen Performer“ gilt in der daktischen Mehrwert abringen.
Medienforschung als guter Indikator für zukünftige
Entwicklungen im Mediennutzungsverhalten breiter Verschiedene
Zielgruppen
sind
unterschiedlich
offen
Bevölkerungsschichten. Auch in Studien zum Weiter-
bildungsverhalten in sozialen Milieus haben sich diese
? für
den
Technologieeinsatz
in
der
Erwachsenen-‐
bildung
und
verfügen
über
mehr
oder
weniger
Vor-‐
Vertreter der jungen Avantgarde als besonders aufge- wissen
im
Umgang
mit
modernen
Medien.
Wie
schlossen gegenüber technologiegestützten Lernar- könnten
technologiegestützte
Bildungsangebote
für
eher
medienferne
Gruppen
aussehen?
rangements gezeigt, allerdings keineswegs als einziges
Milieu. Auch andere moderne Milieus, wie die Expe-
rimentalisten, Hedonisten oder Postmateriellen sind 3. Technologie-‐
und
Medieneinsatz
in
der
Erwachsenen-‐
gegenüber virtuellen Lernumgebungen überdurch- und
Weiterbildung
schnittlich aufgeschlossen (Barz & Tippelt, 2004). Eine verbesserte Ausstattung der Bildungsinstitu-
tionen mit vernetzten und internetfähigen Com-
Auf
Seiten
der
Lehrenden
in
der
Erwachsenenbildung
putern oder das Bereitstellen von Online-Infor-
! ist
eine
fundierte
Medienkompetenz
ebenso
grundle-‐
gende
Voraussetzung
für
die
Betreuung
hochwerDger
mation alleine, wie es in der Bildungspraxis bereits
weitläufig der Fall ist, führt noch nicht zwangsläufig
Angebote
technologiegestützten
Lernens,
wie
auch zu Erfolgen. Häufig problematisiert wird die didak-
Wissen
und
Bewusstsein
über
die
in
medialen
Lern-‐ tische Qualität der Medienkonzepte bestehender An-
szenarien
veränderte
Rolle
der
Lehrenden.
gebote, im Besonderen in Hinblick auf eine Über-
schätzung der Medien- und Selbststeuerungskom-
Zur Medienkompetenz von den in der Erwachse- petenz erwachsener Lernender sowie das Fehlen von
nenbildung Tätigen gibt es bislang wenig empirisches Lernsteuerungsmechanismen bei einfachen Online-
Material. Die vorliegenden Studien verweisen aller- Lernangeboten. Ebenfalls kann es nicht genügen,
dings darauf, dass diese nicht als vorrangiges Thema einzelne Werkzeuge wie Lernmanagementsysteme,
angesehen wird. Zumindest zeigen diese Studien, Informationsportale oder Online-Lerninhalte isoliert
dass medienbezogene Fortbildungen für das pädago- einzuführen oder Technologien nur punktuell an den
gische Personal weder bei den Betroffenen selbst administrativen Schwellen einzusetzen.
noch bei deren Vorgesetzten besondere Priorität ge-
nießen (von Hippel & Tippelt, 2009). Der professio-
nelle Einsatz von Technologien in Lernarrangements Auf
insDtuDoneller
Ebene
erfordern
tragfähige
Stra-‐
erfordert Medienkompetenz und bringt auch ein ver- ! tegien
zur
Gestaltung
des
Lernens
in
der
Erwach-‐
senen-‐
und
Weiterbildung
ein
umfassendes
technolo-‐
ändertes Verhältnis von Lehrenden und Lernenden
gisches und
mediendidakDsches
Konzept,
welches
der
mit sich. In der Erwachsenenbildung wird – ähnlich VerschiedenarDgkeit
von
LernsituaDonen
und
kogni-‐
wie in der Hochschuldidaktik bereits seit längerem Dven
Fähigkeiten
von
erwachsenen
Lernern
gerecht
(Schmidt, 2008) – ein Paradigmenwechsel hin zu wird
(Knowles
et
al.,
2007).
5. Erwachsenen-‐
und
Weiterbildung.
Technologieeinsatz
beim
Lernen
und
Lehren
mit
Erwachsenen
—
5
In der Praxis: Unterschiedliche Konzepte im Einsatz
In
der
Weiterbildungspraxis
sind
Blended-‐Learning-‐Konzepte grammen
zu
Themen
wie
Arbeitssicherheit,
Verkaufstraining
beispielsweise
im
Bereich
der
Management-‐
oder
Fremd-‐ oder
SoIwareschulung.
Sie
realisieren
in
etwa
Kunden-‐Wikis
sprachenausbildung
bereits
verbreitet
(speziell
in
den
städD-‐ für
Projekt-‐
oder
Industriepartner,
Wikis
für
Mitar-‐
schen,
regionalen
und
naDonalen
BildungsinsDtuDonen,
bei beiter/innen
(zum
Beispiel
Auszubildende)
oder
elektro-‐
Verlagen
oder
Bibliotheken).
Hier
finden
auch
Formen
der nische
Einschulungsmappen.
Auch
experimentellere
Formate
Online-‐Betreuung
und
Online-‐Schulung
in
virtuellen
Klassen-‐ von
Web-‐2.0-‐Lösungen
bis
hin
zu
3-‐D-‐Welten
im
Second
Life
zimmern,
sogenannte
„Webinare“,
immer
mehr
Akzeptanz. werden
erprobt
und
vereinzelt
eingesetzt.
Als
erfolgreich
er-‐
Online-‐Lehrgänge
gibt
es
auch
für
den
zweiten
Bildungsweg weisen
sich
Konzepte
in
der
Praxis
vor
allem
dann,
wenn
ein
(zum
Beispiel
StudienberechDgung,
Berufsreife
oder
Basis-‐ Mix
an
Lernmethoden
und
Medien
zum
Einsatz
kommt
(bei-‐
bildung).
Im
Bereich
der
Industrie
und
beruflichen
Weiter-‐ spielsweise
SimulaDonen,
Podcasts,
Webcasts
in
Verbindung
bildung
gebräuchlich
sind
Lernplauormen
(die
Open-‐Source-‐ mit
Präsenzeinheiten),
ein
kollaboraDver
Arbeitsprozess
ent-‐
Lernpauorm
Moodle
hält
einen
hohen
Anteil)
in
Verbindung steht
und
nachhalDge
KommunikaDons-‐
und
Vernetzungs-‐
mit
fachspezifischen
Wiki-‐Systemen
oder
Online-‐Lernpro-‐ möglichkeiten
über
das
Internet
angeboten
werden.
Erfolgreiche Bildungskonzepte setzen Medien und führen wird und das Lernen verändert, beschäftigt
Technologien daher differenziert auf mehreren insti- die Erwachsenenbildung. Anwendung finden mobile
tutionellen und didaktischen Ebenen ein. Neben her- Lernszenarien heute vereinzelt beispielsweise in der
kömmlichen Lerntechnologien kommen insbe- Geschäftswelt oder im Sprachunterricht. In Ver-
sondere die Technologien des Web 2.0, beispielsweise bindung mit Konzepten der erweiterten Realität
Soziale Online-Netzwerke, Wikis oder Blogs, der For- („augmented reality“), die Informationen, Medien
derung nach, der erwachsenen lernenden Person und Wissen auf dem mobilen Endgerät zu ganz
Möglichkeiten zur selbstgesteuerten Lernerfahrung in neuen interaktiven Lernanwendungen verknüpfen,
Form flexibel anwendbarer Lernwerkzeuge zu bieten. scheinen mobile Lerntechnologien zusätzliche Mög-
Auch vernetzte Formen des Lernens im Web 2.0, bei- lichkeiten im Umgang mit der Wissensvermittlung zu
spielsweise das „Peer-Learning“ (das Lernen durch bieten. Interessant sind sie speziell für die berufliche
Wissens- und Erfahrungsaustausch in gleichrangigen Aus- und Weiterbildung (zum Beispiel Informationen
Gruppen), bieten gute Ansätze, wenn sie zielgerichtet zur Steuerung einer komplexen Maschinenanlage
eingesetzt und sinnvoll in Blended-Learning-Kon- können am Live-Bild des Mobiltelefons eingeblendet
zepte integriert werden. Entgegen der landläufigen werden), eine weitläufige Verwendung gibt es heute
Annahme, dass internetbasierte Netzwerke über- allerdings noch nicht.
wiegend von jungen Leuten genutzt werden, geht aus Ein erhöhtes Ausmaß an Technologienutzung in
Studien hervor, dass (bei einem Durchschnittsalter der Erwachsenen- und Weiterbildungspraxis ist vor
von 23 bis 47 Jahren) auch die Teilnahme Erwach- allem in jenen Ländern festzustellen, in denen es
sener in sozialen Online-Netzwerken bereits sehr langfristige nationale Rahmenregelungen zur Techno-
hoch ist und mit dem Heranwachsen der Netzgene- logieinnovation in der Erwachsenen- und Weiter-
ration massiv zunimmt (Palfrey & Gasser, 2008; Pri- bildung gibt, wie sie in England bereits seit längerer
cewaterhouseCoopers, 2008; siehe Kapitel #netzge- Zeit existieren (Becta, 2009a). Eine 2009 in England
neration). In der aktuellen Weiterbildungspraxis sind durchgeführte Studie zur technologiebasierten Wei-
diese Potenziale allerdings noch weitgehend unge- terbildung stellt fest, dass 24 Prozent der befragten
nutzt. Ansätze scheitern daran, dass fachliches Weiterbildungsanbieter die Möglichkeiten des techno-
Wissen, soziale Kompetenzen oder Kommunikati- logiebasierten Unterrichts bereits nutzen (Becta,
onsstrukturen und -kulturen in diesen Netzwerken 2009). Vorwiegend setzen sie Kombinationen von
meist noch unzureichend entwickelt sind, um im Lernplattformen, digitalen Lern- und Wissensres-
selbstgesteuerten Prozess Qualität und Effektivität sourcen (vorwiegend selbst produziert), elektroni-
beim Lernen zu sichern. schen Whiteboards und kollaborativen Online-Tools
Auch die gegenwärtige Diskussion, ob und in ein. Die Mehrheit der Anbieter gibt an, elektronische
welcher Form die Verwendung von immer mehr mo- Prüfungsmethoden („E-Assessment“) einzusetzen,
bilen Geräten in Alltag, Beruf und Gesellschaft (zum und in etwa ein Drittel der Anbieter nutzt mobile
Beispiel Netbooks, Smartphones oder Tablets) zu Lerntechnologien im Unterricht.
einer Entwicklung von mobilen Formen des Lernens
6. 6
—
Lehrbuch
für
Lernen
und
Lehren
mit
Technologien
(L3T)
Bezüglich der technologiebasierten Erwachsenen-
Wenn
Sie
technologiegestützte
Selbstlernphasen
und
und Weiterbildung in Ländern, in denen ver-
gleichbare Rahmenregelungen fehlen, gibt es bislang ? Präsenzphasen
miteinander
vergleichen:
Welche
Stärken
sehen
Sie
jeweils
im
Zusammenhang
mit
der
nur wenig empirisches Material. Allerdings kann in Erwachsenen-‐
und
Weiterbildung?
der Weiterbildungspraxis festgestellt werden, dass der
Einsatz der Technologien in vergleichbar geringerem Literatur
Ausmaß erfolgt und vorwiegend noch in technischen ▸ Barz, H. & Tippelt, R. (2004). Weiterbildung und soziale Mi-
Fachbereichen Anwendung findet. Hier bilden die lieus in Deutschland. Band 2: Adressaten- und Milieuforschung
Effizienz- und Ökonomieinteressen einzelner innova- zu Weiterbildungsverhalten und -interessen. Bielefeld: Ber-
tiver Weiterbildungsinstitutionen noch eine wichtige telsmann.
treibende Kraft für die weitere Entwicklung des ▸ Becta (2009a). Harnessing Technology: Annual Sector Survey
Technologie- und Medieneinsatzes in der Erwach- of FE Colleges 2008/09: Report. Coventry: Becta, URL:
senen- und Weiterbildung. Es ist allerdings zu ver- http://publications.becta.org.uk/download.cfm?resID=41329
muten, dass aus dem Hintergrund demographischer, [2010-12-06].
technologischer und gesellschaftlicher Veränderungen ▸ Becta (2009b). Next Generation Learning. The implementation
langfristig auch politische, didaktische und inhaltliche plan for 2009-2012: Technology strategy for further education,
Ziele an Bedeutung gewinnen und einen weiteren skills and regeneration. Coventry: Becta, URL: http://feands-
Entwicklungsschub bewirken können (Döring, 2002): kills.becta.org.uk/display.cfm?resID=40494 [2010-12-06].
▸ Politische Ziele: Erwachsenenbildung erfüllt ▸ Deutscher Bildungsrat (1970). Empfehlungen der Bildungs-
einen wichtigen Bildungsauftrag. Sie muss Zu- kommission Strukturplan für das Bildungswesen. Stuttgart:
gänge zur Bildung ermöglichen, Zugangsbarrieren Klett.
schließen, und unterprivilegierte Zielgruppen inte- ▸ Döring, N. (2002). Online-Lernen. In: L. J. Issing (Hrsg.), In-
grieren. Technologiebasierte Lehr-/Lern-Arrange- formation und Lernen mit Multimedia und Internet: Lehrbuch
ments tragen bedeutend zur Erfüllung dieses Bil- für Studium und Praxis, Weinheim: Beltz.
dungsauftrags bei. ▸ Freynet, P. (2008). Modern Processes of Production, Distri-
▸ Ökonomische Ziele: Technologiebasierte Lehr-/ bution and Use of Knowledge. In: E. Nuissl & S. Lattke
Lern-Arrangements erhöhen die Gestaltungs- und (Hrsg.), Qualifying adult learning professionals in Europe, Bie-
Kostenflexibilität. Zugleich lassen sie sich be- lefeld: Bertelsmann, 21-32.
deutend flexibler in den privaten oder beruflichen ▸ Fuchs, H.-W. & Reuter, L. R. (2000). Bildungspolitik in
Alltag integrieren und machen es möglich, Weg- Deutschland: Entwicklungen, Probleme, Reformbedarf.
oder Leerlaufzeiten sowie Ausfallzeiten am Ar- Opladen: Leske + Budrich.
beitsplatz drastisch zu reduzieren. ▸ Hippel, A. von & Tippelt, R. (2009). Fortbildung der Weiter-
▸ Didaktische Ziele: Ein Mix an Medien und bildner/innen - eine Analyse der Interessen und Bedarfe aus
Technologien bietet Anlass zu spezifischen Refle- verschiedenen Perspektiven. Weinheim: Beltz.
xions-, Produktions-, Kommunikations- und Kol- ▸ Initiative D21 (2010). Onliner Altlas 2009. Eine Topographie
laborationsprozessen direkt im jeweiligen persön- des digitalen Grabens in Deutschland. URL: http://www.initia-
lichen, beruflichen oder gesellschaftlichen tived21.de/wp-
Kontext. Das ermöglicht effektiveres, effizienteres content/uploads/2009/06/NONLINER2009.pdf [2010-12-
und anwendungsorientiertes Lernen. 06].
▸ Knowles, M. S.; Holton III, E. F.; Swanson, R. A. & Jäger, R. S.
▸ Inhaltliche Ziele: Technologie verleiht der Ver-
(2007). Lebenslanges Lernen - Andragogik und Erwachsenen-
mittlung von Lerninhalten neue didaktische Mög-
bildung. München: Spektrum Akademischer Verlag.
lichkeiten und erweitert das inhaltliche und metho-
▸ Kuwan, H. (2006). Weiterbildung von „bildungsfernen Er-
dische Spektrum. Zugleich fördert sie wichtige
werbstätigen“: Neue Chancen durch arbeitsintegrierte Kon-
Kompetenzen im lebenslangen Lernprozess, bei-
zepte. In: G. Fellermayer; E. Herbrich, E. & LernNetz Berlin -
spielsweise die Medienkompetenz, die Selbstlern-
Brandenburg e. V. (Hrsg.), Lebenslanges Lernen für alle. Her-
kompetenz und die soziale Kompetenz.
ausforderungen an die Bildungsberatung, Berlin: Karin Kramer
Verlag.
Wenn
Sie
selbst
an
einem
technologiebasierten
Wei-‐ ▸ MPFS - Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest
? terbildungsangebot
teilnehmen
würden:
Welche
Er-‐
wartungen
häFen
Sie
selbst
an
die
DozenDn/den
Do-‐
(2010). JIM-Studie 2009: Jugend, Information, (Multi-) Media.
zenten?
Wie
würden
Sie
sich
eine
opDmale
Lernbe-‐ Basisuntersuchung zum Medienumgang 12- bis 19-Jähriger.
gleitung
vorstellen? URL: http://www.mpfs.de/index.php?id=161 [2010-12-06].
7. Erwachsenen-‐
und
Weiterbildung.
Technologieeinsatz
beim
Lernen
und
Lehren
mit
Erwachsenen
—
7
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