Poser: Rechtsprechungsübersicht zu Verkehrssicherungs- und Betreiberpflichten...
Ulrich Poser: Die beschränkte Steuerpflicht ausländischer Künstler
1. E Steuerrecht
E1 Die Besteuerung des Künstlers
Die beschränkte Steuerpflicht ausländi-
scher Künstler und Produktionsgesell-
schaften der §§ 1 Abs. IV, 49 ff. EStG
Ulrich Poser
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Hamburg
Inhalt Seite
1. Die beschränkte Steuerpflicht 2
1.1 Die Systematik der beschränkten Steuerpflicht 2
1.2 Die relevanten Einkünfte des § 49 Abs. 1 EStG 3
1.3 Begriff der Darbietung 4
1.4 Der Verwertungstatbestand 5
1.5 Steuerabzug nur beim Rechtekauf 5 E
1.6 Leistungen im Zusammenhang mit einer dem Steuerabzug 1.5
unterliegenden Vergütung 6 S. 1
1.7 Der Steuerabzug: Haftungs- und Steuerschuldner 6
1.8 Die Steuerbescheinigung 7
1.9 Verfahren des Steuerabzugs 7
1.10 Der Steuerabzug bei hintereinander geschalteten beschränkt
Steuerpflichtigen 8
1.11 Die Steuersätze und die Bemessungsgrundlage für den Steuer-
abzug (§ 50a Absatz 2 und 3 EStG) 8
1.12 Formulare zur Steueranmeldung 9
1.13 Haftung und Nachforderung 12
1.14 Zuständigkeit und Verfahren für den Quellensteuerabzug 12
2. Entlastung vom Steuerabzug auf Grund von
Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) und § 50 Abs. 4 Nr. 1
und 2 EStG 13
2.1 Einschränkung des Besteuerungsrechts aufgrund von DBA 13
2.2 Ausnahme: DBA Deutschland-USA 13
2.3 Abgrenzung zwischen Tätigkeitsvergütungen und Lizenzgebühren 14
2.4 Der Steuererlass in besonderen Fällen (Kulturorchester u.a.) 15
2.5 Weitere Freistellungsmöglichkeiten aufgrund DBA 18
3. Praxisbeispiele 21
57 Kultur & Recht April 2012
2. E Steuerrecht
E1 Die Besteuerung des Künstlers
1. Die beschränkte Steuerpflicht
Das Thema „Beschränkte Steuerpflicht ausländischer Künstler und Produktions-
gesellschaften“ (in der Branche auch kurz als „Ausländersteuer“ bezeichnet)
beschäftigt die Veranstaltungsbranche seit vielen Jahren. Aufgrund massiver
Proteste aus den Kreisen der Veranstaltungswirtschaft wurde der Steuersatz in
den vergangenen Jahren zunächst von 25 % auf 20 % gesenkt; heutzutage ist er in
den meisten Fallkonstellationen auf 15 % gesunken. Verfahren vor dem EuGH
(z.B. die Rechtssache C-290/04 – FKP Scorpio./.Finanzamt Hamburg-Eimsbüttel)
haben dazu geführt, dass mittlerweile bei EU- und EWG-Künstlern der Abzug
von Werbungskosten und Betriebsausgaben zugelassen ist, sofern diese durch
Belege nachgewiesen werden können. In allen Fällen ist darüber hinaus der Ab-
zug von tatsächlich angefallenen Fahrt- und Übernachtungskosten von der Be-
messungsgrundlage der „Ausländersteuer“ möglich.
Das Bundesministerium der Finanzen hat zu der gesamten Problematik zum
ersten Mal seit dem letzten einschlägigen BMF-Schreiben aus dem Jahre 1996
E umfassend mit BMF-Schreiben vom 25. November 20101 Stellung genommen2.
1.5
S. 2 1.1 Die Systematik der beschränkten Steuerpflicht3
Die „Ausländersteuer“ gehört sachlich zur Einkommen- und Körperschaftssteuer;
die entsprechenden gesetzlichen Regelungen finden sich im Einkommensteuerge-
setz (§§ 49 ff. EStG). Für juristische Personen und Körperschaften gelten die
Vorschriften über die beschränkte Steuerpflicht gem. der Verweisung in § 2
Nummer 1, § 8 Absatz 1 KStG gleichfalls.
Natürliche Personen4, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen
Aufenthalt (vgl. §§ 8, 9 Abgabenordnung, AO) haben, sind im Inland gemäß § 1
EStG unbeschränkt einkommensteuerpflichtig, d. h. sie versteuern hier ihr Welt-
einkommen. Dieser Umstand wird als Welteinkommensprinzip bezeichnet.
Praxisbeispiel 15: Der deutsche Schlagerstar J.D. (Wohnsitz im Inland)
erhält für einen Auftritt im mallorquinischen „Oberbayern“ ein Honorar
i.H.v. 5.000,00 Euro. Diese Einnahme hat er in seiner Jahreseinkommensteuerer-
klärung in Deutschland zu erklären.
Bereits im Hinblick auf die Vorschriften der AO ist Vorsicht geboten: Gemäß § 9
Satz 2 AO ist als gewöhnlicher Aufenthalt stets und von Beginn an ein zeitlich
zusammenhängender Aufenthalt von mehr als 6 Monaten Dauer anzusehen; kurz-
fristige Unterbrechungen bleiben nach dem Gesetz unberücksichtigt.
Praxisbeispiel 2: Rockstar R verlegt seinen Wohnsitz auf Rat eines
Freundes „um Steuern zu sparen“ von Berlin nach Monaco. In Deutsch-
land erklärt er keine Einkommensteuern mehr. Gleichwohl lebt er tatsächlich in
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3. E Steuerrecht
E1 Die Besteuerung des Künstlers
einer Villa in München Grünwald bei seiner Frau und seinem Sohn. Die Steuer-
fahndung postiert einen verdeckten Ermittler vor dem Haus des R in einem VW-
Bus mit abgedunkelten Scheiben; beginnend am 1.1.2011. Nach 184 aufeinander-
folgenden Tagen, also am 3. Juli 2011 wird R festgenommen. Er hat eine strafba-
re Steuerhinterziehung begangen, da er aufgrund seines ständigen Aufenthaltes
im Inland unbeschränkt steuerpflichtig war, seine Einkünfte aber nicht erklärt hat.
1.2 Die relevanten Einkünfte des § 49 Abs. 1 EStG
Neben der unbeschränkten Steuerpflicht gibt es noch die beschränkte Steuer-
pflicht.
Die Frage der beschränkten Steuerpflicht stellt sich, wenn inländische Vertrags-
partner (z.B. Veranstalter, Hallenbetreiber oder Gastspieldirektionen) Zahlungen
an ausländische Künstler vornehmen, die keinen Wohnsitz und keinen ständigen
Aufenthalt im Inland haben. Das Gleiche gilt für Zahlungen an ausländische
Produktionsgesellschaften (z.B. eine Ltd. oder eine BV), die keine Betriebsstätte
im Inland haben. E
1.5
Gemäß § 1 Abs. 4 EStG sind natürliche Personen, die im Inland weder einen
S. 3
Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt gemäß den §§ 9 und 9 AO haben,
unter gewissen Voraussetzungen beschränkt einkommensteuerpflichtig, wenn sie
inländische Einkünfte im Sinne des § 49 Abs. 1 EStG haben.
Einkünfte i.S.d. § 49 Abs. 1 EStG sind in den hier relevanten Bereichen:
(…)
2. Einkünfte aus Gewerbetrieb,
a) für den im Inland eine Betriebsstätte unterhalten wird oder ein ständiger
Vertreter bestellt ist, (...)
d) die, soweit sie nicht zu den Einkünften im Sinne der Nummern 3 und 4 gehö-
ren, durch im Inland ausgeübte oder verwertete künstlerische, sportliche, ar-
tistische, unterhaltende oder ähnliche Darbietungen erzielt werden, ein-
schließlich der Einkünfte aus anderen mit diesen Leistungen zusammenhän-
genden Leistungen, unabhängig davon, wem die Einnahmen zufließen, (…)
3. Einkünfte aus selbständiger Arbeit (§18), die im Inland ausgeübt oder verwer-
tet wird oder worden ist, oder für die im Inland eine feste Einrichtung oder eine
Betriebsstätte unterhalten wird,
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4. E Steuerrecht
E1 Die Besteuerung des Künstlers
4. Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19), die
a) im Inland ausgeübt oder verwertet wird oder worden ist, (…)
Dem Steuerabzug unterliegen somit die Einkünfte aus im Inland ausgeübten
künstlerischen, sportlichen, artistischen, unterhaltenden und ähnlichen Darbie-
tungen einschließlich der Einkünfte aus anderen mit diesen Leistungen zusam-
menhängenden Leistungen, wozu auch Entgelte aus Werbeeinahmen, Ausrüs-
tungsverträgen, Autogrammstunden, die im Zusammenhang mit der Darbietung
stehen, gehören6.
1.3 Begriff der Darbietung
Das Tatbestandsmerkmal der Darbietung i. S. d. § 50a Absatz 1 Nummer 1 EStG
ist weit auszulegen liegt nach dem BMF vor, wenn etwas aufgeführt, gezeigt oder
vorgeführt wird, z. B. Ausstellungen, Konzerte, Theateraufführungen, Shows,
Turniere oder Wettkämpfe sowie nichtöffentliche Auftritte und Studioaufnahmen
E für Film, Funk, Fernsehen oder zur Herstellung von Bild- und Tonträgern fallen
1.5 hierunter ebenso wie z. B. Talkshows, Quizsendungen, besonders choreogra-
phisch gestaltete Modenschauen sowie Feuerwerke und Lasershows7.
S. 4
Die Darbietung muss im Inland erfolgen. Das ist der Fall, wenn die Tätigkeit
tatsächlich im Inland ausgeübt wird. Ort der Darbietung ist bei Filmaufnahmen
der Ort der Dreharbeiten, bei Tonaufnahmen der tatsächliche Aufnahmeort8.
Praxisbeispiele 39: Der ausländische Rockstar R.W. tritt in der O2 Arena
in Hamburg auf. Er hat seinen Konzertvertrag direkt mit dem inländischen
Veranstalter V geschlossen. R.W. erzielt beschränkt steuerpflichtige Einkünfte
aus selbständiger Arbeit, die im Inland ausgeübt wird i.S.d. § 49 Abs. 1 Nr. 3
EStG. V ist zum Steuerabzug verpflichtet.
Die „größte Rockband der Welt“ R.S. schließt einen Tourneevertrag mit
einer englischen Ltd. (Produktionsgesellschaft). Die englische Ltd. „ver-
kauft“ ein Konzert der Tour an den örtlichen Veranstalter Ö in Deutschland. Der
Konzertvertrag wird zwischen der englischen Ltd. und Ö geschlossen. Die engli-
sche Ltd. erzielt beschränkt steuerpflichtige Einkünfte aus Gewerbebetrieb gem.
§ 49 I Nr. 2 d EStG. Ö ist als Vergütungsschuldner zum Steuerabzug verpflichtet.
Das inländische Konzerthaus L aus Hamburg verpflichtet für sein Orches-
ter den französischen Violinisten V für 5 Monate. Der Violinist wird als
Arbeitnehmer fest angestellt. Er erzielt beschränkt steuerpflichtige Einkünfte
i.S.d. § 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG. L hat V entsprechend zu veranlagen.
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