Dr. Achim Gmilkowsky: Vertragsgestaltung für Fotografen, Teil 1
Eckart Achauer, Marc Grandmontagne: Kultur als Organisationsaufgabe. Organisation einer Gesellschaft zum Betrieb der Kulturhauptstadt Europas 2010
1. Organisation und Personal E 1.3
Aufbau- und Ablauforganisation
Kultur als Organisationsaufgabe
Organisation einer Gesellschaft
zum Betrieb der Kulturhauptstadt Europas 2010
Eckart Achauer, Marc Grandmontagne
Im Oktober 2006 bestätigte der Rat der Europäischen Union das Jury-Votum: Das Ruhrgebiet wird
Kulturhauptstadt Europas 2010! Mit dieser Entscheidung verbunden waren Freude; andererseits
stellten sich viele Fragen. Wie kann das Jahr 2010 gut vorbereitet werden? Wie können Strukturen
geschaffen werden, die der Herausforderung einer Kulturhauptstadt, die aus 5,3 Mio. Menschen in
53 Städten und Gemeinden besteht, Rechnung trägt? Wie kann ein effizientes Team aufgebaut wer-
den, das groß genug ist, um die anstehenden Aufgaben zu meistern, gleichzeitig aber die Anforde-
rungen an ein „lean management“ erfüllt? Auf den Punkt gebracht: Wie organisiert man eine Kul-
turhauptstadt Europas? Trotz der Einmaligkeit des Projekts können allgemeingültige Erfahrungs-
werte abgeleitet werden.
Gliederung Seite
1. Kontext der Organisation 2
1.1 Die Entstehung der Gesellschaft 2
1.2 Gesellschafter und finanzielle Ausstattung 2
2. Aufbauorganisation 4
2.1 Grundsätzliche Fragestellungen 4
2.2 Hierarchische Struktur 5
2.3 Funktionale Organisationsform 7
2.4 Die Funktionsbereiche der RUHR.2010 8
3. Ablauforganisation 11
3.1 Prozesslandschaft der RUHR.2010 12
3.2 Prozesstypen 13
3.3 Projektmanagement als Prozess 15
4. Personal 19
4.1 Allgemeines 20
4.2 Die Personalplanung 21
4.3 Beispiel Leitung Marketing und Kommunikation 23
4.4 Strukturelle Besonderheiten: Das Beispiel des Programmkoordinators 27
4.5 Der Prozess der Personalsuche und -auswahl 28
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2. E 1.3 Organisation und Personal
Aufbau- und Ablauforganisation
1. Kontext der Organisation
1.1 Die Entstehung der Gesellschaft
Die RUHR.2010 GmbH wurde im Dezember 2006 durch Unterzeich-
nung des Gesellschaftsvertrages aus der Taufe gehoben und als
gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung zur Vorberei-
tung und Durchführung des Projekts Kulturhauptstadt Europas
RUHR.2010 konzipiert1.
Zeitliche Befristung, Die Gesellschaft ist daher untrennbar mit dem Kulturhauptstadtjahr
aber Möglichkeit 2010 verbunden. Ihre Existenz ist zeitlich befristet (bis Ende 2012).
der Fortführung Trotz dieser engen Ausrichtung an dem einmaligen Projekt besteht die
Möglichkeit, die Arbeit auch nach 2010 bzw. 2012 fortzuführen. Die
Formulierung des Gesellschaftsvertrages in § 2 zeigt, dass bereits über
das Jahr 2010 hinaus weitergedacht wurde. So heißt es in § 2 Absatz
2: Zweck der Gesellschaft ist die Förderung der Kunst und Kultur mit
dem Ziel einer Fortentwicklung der kommunalen und regionalen Kul-
turstrukturen. Erst Absatz 3 nimmt dann Bezug zum Kulturhauptstadt-
jahr: Der Satzungszweck wird verwirklicht insbesondere durch die
Realisierung des Projekts „Essen für das Ruhrgebiet – Europäische
Kulturhauptstadt 2010“ […].
Mit dieser Konzeption konnten zwei Ziele zur gleichen Zeit verwirk-
licht werden. Zum einen wurde eine Organisation geschaffen, die als
zentrale Koordinierungsstelle die Aktivitäten für das konkrete Kultur-
hauptstadtjahr organisiert. Zum anderen („Fortentwicklung der kom-
munalen und regionalen Kulturstrukturen“) wird die Existenzberechti-
gung vom konkreten Anlass abstrahiert und deutlich gemacht, dass das
Jahr 2010 nur ein weiterer Schritt für die Entwicklung der Region von
einem industriellen Ballungsgebiet hin zu einer polyzentrischen Kul-
turmetropole ist. Um diese tiefgreifende organische Veränderung
schaffen zu können, bedarf es der Mobilisierung großer Kräfte. Dem
trägt auch die Konstellation der „Stakeholder“ Rechnung.
1.2 Gesellschafter und finanzielle Ausstattung
Gesellschafter der RUHR.2010 GmbH sind – nach der Reihenfolge
ihrer Einlage – der Regionalverband Ruhr, das Land Nordrhein-
Westfalen, die Stadt Essen und der Initiativkreis Ruhrgebiet.
Regionalverband Ruhr Der Regionalverband Ruhr spielt als supraregionale Verwaltungsein-
heit und Mehrheitsgesellschafter eine zentrale identifikatorische Rolle:
Er ist die einzige rechtlich-administrative Institution, welche die Met-
ropole Ruhr organisch vertritt. Das Ruhrgebiet als Gesamtheit besitzt
nämlich weder ein zentrales Rathaus, noch einen Marktplatz und auch
keine gemeinsame Vertretung – außer eben den Regionalverband, der
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3. Organisation und Personal E 1.3
Aufbau- und Ablauforganisation
mit der Verbandsversammlung und dem Regionaldirektor Vertreter
aller 53 Städte und Gemeinden vereint. Das Ruhrgebiet ist keine na-
türliche Einheit, es hat keine eindeutigen
politischen Grenzen, es ist politisch fragmen-
tiert. Seine Existenz verdankt es nichts weni-
ger als seiner Vergangenheit der letzten 150
Jahre, in denen es das Zentrum der deutschen
Kohle- und Schwerindustrie sowie des Berg-
baus war und als grauer, schmutziger und Den Beitrag „Die GmbH als geeignete Rechts-
auch kulturloser „Pott“ galt. Die weltliche form“ (C 2.7) finden Sie im Handbuch Kultur &
und geistige Herrschaft über das so genannte Recht, Ausgabe 2005.
Revier teilen sich heute neben den 53 Kom-
munen und vier Landkreisen drei Bezirksre-
gierungen (Düsseldorf, Münster und Arnsberg), zwei Landschaftsver-
bände (Rheinland und Westfalen-Lippe), vier Bistümer (Essen2, Köln,
Münster und Paderborn) und zwei Landeskirchen (Evangelische Kir-
che im Rheinland und die Evangelische Kirche Westfalen).
Die Stadt Essen ragt aus dem Geflecht der 53 Rathäuser an der Ruhr Stadt Essen
deswegen heraus, weil sie die Bannerträgerin der Bewerbung war3.
Während der Bewerbungsphase für den Kulturhauptstadttitel wurde
beim Regionalverband Ruhr (damals noch Kommunalverband Ruhr-
gebiet) ein Bewerbungsbüro eingerichtet, das – gesteuert vom Regio-
nalverband und der Stadt Essen – die Kampagne „Essen für das Ruhr-
gebiet“ ins Leben rief und unter diesem Slogan stellvertretend für das
gesamte Ruhrgebiet ins Rennen zog.
Seine Rolle als Gesellschafter hat das Land Nordrhein-Westfalen auf Land
mehr oder weniger natürliche Weise erlangt: Als Kompetenzträger für Nordrhein-Westfalen
den Bereich Kultur im föderalen Deutschland und als Geldgeber bot
sich eine Beteiligung des Landes auf diese Weise an.
Der Initiativkreis Ruhrgebiet als vierter Gesellschafter deckt schließ- Initiativkreis Ruhrgebiet
lich als einziger Beteiligter das Feld der privaten Wirtschaft ab. Er
wurde 1988 ins Leben gerufen, um den Strukturwandel und die Stär-
ken des Ruhrgebiets zu bündeln sowie öffentlich bewusst zu machen.
Er vereinigt mittlerweile 70 führende Großunternehmen der Region,
die einen erheblichen Beitrag zum kulturellen und gesellschaftlichen
Leben im Ruhrgebiet leisten4. Der Initiativkreis Ruhrgebiet erbringt
seinen Beitrag auf der Basis des direkten Projektsponsorings. Die
RUHR.2010 GmbH macht sich auf diese Weise die Positionierung des
Initiativkreises als wirtschaftliche Dachorganisation zunutze, unter
deren Vermittlung sie den direkten Kontakt zu den Unternehmen fin-
den kann.
Neben den Gesellschaftern ist auch der Bund im Wesentlichen Geld-
geber. Die Kulturhauptstadt Europas vertritt im Jahre 2010 die Bun-
desrepublik Deutschland.5
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4. E 1.3 Organisation und Personal
Aufbau- und Ablauforganisation
Insgesamt beläuft sich das finanzielle Engagement auf eine Basissum-
me von 52 Mio. €. Diese auf den ersten Blick hohe Summe relativiert
sich, wenn man sich die Dimensionen vor Augen führt: Das Ruhrgebiet
ist die flächenmäßig größte und bevölkerungsreichste Kulturhauptstadt,
die es je in der Europäischen Union gab. Auf einer Fläche von etwa
160 km Länge und 60 km Breite wohnen in 53 Städten und Gemeinden
5,3 Mio. Menschen aus über 150 Nationen. Zum Vergleich: Linz 2009
hat ein Basisbudget von 60 Mio. €. für etwa 160.000 Menschen und
Liverpool 2008 hat bei knapp 500.000 Einwohnern sogar um die 100
Mio. €. zur Verfügung. Es besteht also noch dringender Handlungsbe-
darf, die finanziellen Mittel für die Kulturhauptstadt Europas 2010 zu
erhöhen. Eine der Hauptaktivitäten in diesem Zusammenhang wird die
Akquise von Sponsorengeldern werden.
2. Aufbauorganisation
2.1 Grundsätzliche Fragestellungen
Bei der Entwicklung der Aufbauorganisation6 eines Unternehmens
spielen zahlreiche Überlegungen eine wichtige Rolle. Für die Organi-
sation einer Gesellschaft, die zum Zweck des Betriebs einer „Kultur-
hauptstadt Europas“ gegründet wird, gelten zunächst die allgemeinen
Grundsätze, wie sie auch für andere Unternehmen mit vergleichbarem
Gesellschaftszweck (Projektgeschäft) Gültigkeit haben. Aufgrund
ihrer spezifischen Anforderungen jedoch – beispielhaft seien hier die
zeitliche Begrenzung der Gesellschaft oder der „künstlerische Betrieb“
genannt – sind einige Besonderheiten zu beachten, die bei der Organi-
sation zu berücksichtigen sind.
Ziele und Aufgaben Die Aufbauorganisation einer Gesellschaft ist zunächst an ihren Zielen
und Aufgaben zu spiegeln. Dabei ist zu eruieren, welche Funktionen
bzw. Funktionsbereiche (auch Organisationseinheiten genannt) erfor-
derlich sind, um die gestellten Aufgaben wahrzunehmen und die defi-
nierten Ziele zu erreichen. Bei dieser Fragestellung wird zunächst
noch keine Aussage über Inhalt und Qualität der einzelnen Funktions-
bereiche gemacht. Dies ist vergleichbar mit der Zubereitung einer
Speise. Auch hier ist zunächst zu fragen, welche Zutaten benötigt
werden, um die Speise zu erstellen. Erst im zweiten Schritt ist über die
Beschaffenheit der Zutaten zu befinden.
Zweck der Aufbauorganisation ist es ferner, eine sinnvolle arbeitsteili-
ge Gliederung und Ordnung der betrieblichen Handlungsprozesse
durch die Bildung und Verteilung von Aufgaben zu schaffen7. Sie
beantwortet unter anderem Fragen wie:
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