Poser: Rechtsprechungsübersicht zu Verkehrssicherungs- und Betreiberpflichten...
Posselt: Der (Kultur-) Verein in Krise und Insolvenz — Teil II
1. C Betriebsformen-Gesellschaften, Vereine, Stiftungen
C2 Gesellschaften, Vereine, Stiftungen
Der (Kultur-) Verein in Krise und
Insolvenz — Teil II
Die Haftung des Kulturvereins und seiner Organe in der Krise und
Perspektiven zur Risikominimierung
Dr. Jens-Christian Posselt
Rechtsanwalt, Wirtschaftsmediator, Fachanwalt für Handels- und Gesellschafts-
recht und Partner der Sozietät Dierkes Partner, Hamburg
C
2.17
Inhalt Seite S. 1
1. Einleitung 2
2. Steuerliche Auswirkungen von Krise und Insolvenz auf den
gemeinnützigen Kulturverein 2
2.1 Steuerunschädliche Auslaufphase? 2
2.2 Verlust der Gemeinnützigkeit 3
3. Die Haftung im Kulturverein 7
3.1 Grundlagen des Haftungsrechts 7
3.2 Organhaftung, § 31 BGB 8
3.3 Haftung der Organe gegenüber dem Verein 10
3.4 Haftung des Vorstandes im Steuerrecht 13
3.5 Reformvorhaben zur Haftung 18
3.6 Haftung im Insolvenzfall 19
3.7 Haftung der Mitglieder 20
Haftungsklausel bei Zuwendungsbestätigungen 14
54 Kultur & Recht Juli 2011
2. C Betriebsformen-Gesellschaften, Vereine, Stiftungen
C2 Gesellschaften, Vereine, Stiftungen
1. Einleitung
Im ersten Teil des Beitrages haben wir die Ursachen und Auswirkungen einer
Krise des Kulturvereins sowie die Insolvenz des Kulturvereins und den Ablauf
des Insolvenzverfahrens dargestellt.
In der Krise des Vereins können sowohl der Verein als auch Dritte (z. B. Mitglie-
der, Kunden und Lieferanten) einen wirtschaftlichen Schaden erleiden, insbeson-
dere im Fall einer Insolvenz. Dann stellt sich oft die Frage nach der Verantwor-
tung für einen solchen Nachteil und es wird nach dem „Schuldigen“ im Verein
C gesucht. Welcher zumeist ehrenamtlich tätige „Helfer“ denkt aber schon bei Be-
2.17 ginn seiner Tätigkeit an die Möglichkeit einer persönlichen Haftung mit teils
weitreichenden Konsequenzen?
S. 2
Im zweiten Teil des Beitrags sollen daher insbesondere Fragen der Haftung der
Organe des Vereins sowie Perspektiven und Maßnahmen zur Risikominimierung
aufgezeigt werden. Dem Praktiker sollen Ratschläge an die Hand gegeben wer-
den, um die verschiedenen Problemstellungen zur Haftung des Kulturvereins und
seinen (ehrenamtlich) tätigen Organen sowie den (negativen) steuerlichen Folgen
für seinen Verein zu erkennen und entsprechende Prophylaxe zu betreiben.
Ein weiterer wichtiger Aspekt sind die steuerlichen Auswirkungen der Krise und
Insolvenz auf den Verein und seine Organe. Steuern und Krise stehen in einer
Wechselbeziehungen: Steuern können die Ursache einer Krise sein, eine Krise
kann steuerliche Konsequenzen haben. Dieses Wechselspiel soll anhand prakti-
scher Beispiele dargestellt werden.
2. Steuerliche Auswirkungen von Krise und
Insolvenz auf den gemeinnützigen
Kulturverein
Aufgrund der Gemeinnützigkeit und der damit verbundenen Rechte und Pflichten
des Vereins und seiner Organe ergeben sich vor allem aus steuerrechtlicher Sicht
Besonderheiten, wenn es um die Folgen einer wirtschaftlichen Krise oder Insol-
venz geht.
2.1 Steuerunschädliche Auslaufphase?
Die Bedeutung dieses Begriffs soll an einem Beispiel erläutert werden:
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3. C Betriebsformen-Gesellschaften, Vereine, Stiftungen
C2 Gesellschaften, Vereine, Stiftungen
Der satzungsmäßige gemeinnützige Zweck eines Kulturvereins ist die
Förderung der Erhaltung und Pflege eines Kunstdenkmals. Die Verbind-
lichkeiten führen dazu, dass der Vorstand Insolvenzantrag stellt. Das Insolvenz-
verfahren wird eröffnet und ein Insolvenzverwalter bestellt, der die Aufgabe hat,
die bestehenden Verbindlichkeiten im Rahmen seiner Möglichkeiten aus dem
noch vorhandenen Vermögen des Vereins zu begleichen.
Dem Insolvenzverwalter stellt sich die Frage, ob sich die Eröffnung des Insol-
venzverfahrens auch auf den satzungsmäßigen Zweck des Kulturvereins aus-
wirkt, d. h. der Verein weiter gemeinnützig ist oder nicht. Da der Zweck des
Vereins im Stadium der Insolvenz hauptsächlich bzw. ausschließlich noch darauf
gerichtet ist, die vorhandenen Verbindlichkeiten zu begleichen („Vermögensver- C
waltung“), könnte dies im Umkehrschluss heißen, dass der eigentliche Satzungs- 2.17
zweck – die Förderung und Erhaltung des Kunstdenkmals – aufgegeben wird und S. 3
somit der Status der steuervergünstigenden Gemeinnützigkeit hinfällig wird.
Ob ein von einem Insolvenzverfahren betroffener Verein die sich theoretisch
zusätzlich – aus dem Verlust der Gemeinnützigkeit – ergebenden erhöhten steuer-
lichen Verbindlichkeiten im Laufe des Insolvenzverfahrens tragen muss, oder ob
dem Verein eine sogenannte steuerunschädliche Auslaufphase zusteht, ist bislang
in der Wissenschaft und Rechtsprechung unterschiedlich bewertet worden.
Der Bundesfinanzhof1 hat entschieden, dass eine Körperschaftssteuerbefreiung
endet, sofern die eigentliche steuerbegünstigende Tätigkeit eingestellt und über
das Vermögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet wird. So war in
dem entschiedenen Fall ausschlaggebend, dass die tatsächliche Geschäftsführung
gemäß § 63 Abs. 1 AO während des Insolvenzverfahrens nicht mehr den sat-
zungsmäßigen Bestimmungen hinsichtlich der Steuervergünstigung entspricht,
somit keine steuerlich begünstigte Abwicklungsphase zugebilligt werden konnte.
Nach dieser Entscheidung dürfte etwaig anderslautenden unter-instanzlichen
Entscheidungen2 und den teilweise in der Literatur vertretenen Ansichten3 der
Boden entzogen sein.
2.2 Verlust der Gemeinnützigkeit
Als Auslöser für eine wirtschaftliche Krise oder gar Insolvenz ist das Risiko eines
Verlustes der Gemeinnützigkeit zu berücksichtigen, verbergen sich doch gerade
hier wesentliche finanzielle Pflichten für den Kulturverein.
Für die Aberkennung bzw. den Verlust des Status der Gemeinnützigkeit kommen
sowohl Verstöße gegen die formelle als auch Verstöße gegen die materielle Ge-
meinnützigkeit in Betracht.4 Vor allem im Bereich der gemeinnützigen Unbe-
denklichkeit der Vereinssatzung, § 59 AO, als auch bei Verstößen der tatsächli-
chen Geschäftsführung, der Begründung eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs
oder einer überwiegend wirtschaftlichen Betätigung des Kulturvereins ergeben
sich die praktischen Anwendungsfälle des in Rede stehenden Problemkreises.
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4. C Betriebsformen-Gesellschaften, Vereine, Stiftungen
C2 Gesellschaften, Vereine, Stiftungen
Beispiele für den Verlust der Gemeinnützigkeit
Änderung des Satzungszwecks:
Der ausschließliche Satzungszweck einer gemeinnützigen Körperschaft
besteht in der Förderung der Kunst und Kultur. Seit vier Jahren wird je-
doch stattdessen Wissenschaft und Forschung gefördert, ohne dass die Änderung
des Zwecks durch die Mitglieder des Vereins beschlossen und eine Satzungsände-
rung in das Vereinsregister eingetragen wurde. Bei der Bearbeitung der Steuerer-
klärung im Finanzamt fällt dieser Umstand auf.
C Folge:
2.17
S. 4 In dem Fall ist damit zu rechnen, dass die Gemeinnützigkeit aberkannt wird und
die Finanzverwaltung über die sich daraus ergebenen Konsequenzen zu entschei-
den hat.5 Liegt nur ein geringfügiger Verstoß vor, so sind Nachbesteuerungen
nicht zwingend. Bei nicht nur geringfügigen – hier besteht ein Wertungsspielraum
der Finanzverwaltung – Verstößen hingegen kommt schon eine Nachbesteuerung
für einzelne Veranlagungszeiträume in Betracht. Sollte ein qualifizierter Verstoß
als Grund für die Aberkennung der Gemeinnützigkeit vorliegen, so kommt es zu
einer Rückversteuerung über einen Zeitraum von bis zu zehn Jahren.
Aufhebung der Vermögensbindung
Ein Verein unterhält einen Theaterbetrieb auf einem Kulturdampfer und
hat in seiner Satzung die Bestimmung über die Vermögensbindung nach-
träglich so geändert, dass bei Auflösung des Vereins das Vermögen an eine ge-
werbliche Theatergesellschaft übertragen wird. Die Satzungsänderung wird ins
Vereinsregister eingetragen.
Folge:
In dem Fall wurde dem Verein die Gemeinnützigkeit nicht entzogen, sondern er
hat sie selbst aufgegeben. Im Wirtschaftsjahr der Eintragung der Satzungsände-
rung in das Vereinsregister gilt der Theaterbetrieb steuerrechtlich als von Anfang
an nicht gemeinnützig. Somit kommt es gegebenenfalls zu einer Nachbesteuerung
für die letzten zehn Jahre.6
Aktuelle Praxisfälle:
Weitere Praxisfälle auch außerhalb des Kulturbetriebes machen die Brisanz deut-
lich.
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