1. C Betriebsformen-Gesellschaften, Vereine, Stiftungen
C2 Gesellschaften, Vereine, Stiftungen
Freie Orchester
Strukturen, Risiken, Lösungen
Dr. Carsten Markfort, Lic. en droit
Rechtsanwalt und Partner der Medienrechtssozietät Scheuermann Westerhoff
Strittmatter, Berlin (www.sws-law.com) Fachanwalt für Urheber- und Medien-
recht
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Inhalt Seite 2.12
S. 1
1. Einleitung 3
2. Freie Orchester – ein Musikerleben aus arbeits-, steuer– und
sozialversicherungsrechtlicher Perspektive 5
2.1 Arbeitsrecht 6
2.2 Sozialversicherungsrecht 9
2.3 Steuerrecht 12
2.4 Fazit 15
3. Gesellschaftsrechtliche Strukturierung 15
3.1 Eingetragener Verein (e. V.) 16
3.2 Strukturvarianten 16
3.3 GmbH 17
3.4 Limited oder Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) 17
3.5 Eingetragene Genossenschaft (eG) 18
3.6 Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) 18
3.7 e. V. beauftragt GbR 18
3.8 Fazit 19
Prüfungskriterien des BAG zur Abgrenzung von Arbeits-
und freien Dienstverhältnissen 9
Prüfungskriterien des BSG zur Abgrenzung von
Beschäftigungsverhältnissen und selbständiger Tätigkeit 12
Prüfungskriterien des BFH zur Abgrenzung von
nichtselbständiger zu selbständiger Tätigkeit 14
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2. C Betriebsformen-Gesellschaften, Vereine, Stiftungen
C2 Gesellschaften, Vereine, Stiftungen
Freie Orchester gehen ungewöhnliche Wege. Das gilt nicht nur für manche Pro-
grammgestaltung, sondern auch im Hinblick auf ihre rechtlichen Strukturen.
Fernab von tarifvertraglichen Bindungen, arbeitet ein Großteil der Klangkörper
mit freien Musikern. Wie diese Praxis aus dem Blickwinkel von Arbeits-, Sozial-
versicherungs- und Steuerrecht zu beurteilen ist, will dieser Aufsatz näher be-
leuchten. Der zweite Teil beschäftigt sich vor diesem Hintergrund mit Grundla-
gen und Varianten denkbarer Rechtsformen eines freien Orchesters, ausgehend
vom typischen Beispiel eines eingetragenen Vereins.
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2.12
S. 2
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3. C Betriebsformen-Gesellschaften, Vereine, Stiftungen
C2 Gesellschaften, Vereine, Stiftungen
1. Einleitung
Die Orchesterlandschaft in Deutschland ist einzigartig. Den guten Ruf deutscher
Orchester begründeten in erster Linie die großen städtischen oder Staatsorchester
und die vor allem nach dem 1. und 2. Weltkrieg gegründeten Rundfunkklangkör-
per – die öffentlichen Kulturorchester1. Ausgestattet mit erheblichen Subventio-
nen ihrer Träger, reichten die Mittel, um höchstqualifizierte Musiker aus der
ganzen Welt und ebensolche Dirigenten zu verpflichten und eine ganze Saison
mit regelmäßigen Konzerten oder Opern zu gestalten.
Liegt es daran, dass die Blütezeit der subventionierten Kultur verblasst? Bringt C
unsere Gesellschaft immer mehr Musiker hervor? Oder wollen mehr und mehr 2.12
Musiker sich aus tarifvertragsbedingten Bequemlichkeiten befreien und stattdes-
sen experimentieren? Man kann jedenfalls feststellen, dass die Zahl an Orches- S. 3
tern in freier Trägerschaft in den vergangenen 20 Jahren erheblich zugenommen
hat. Allein unter dem Stichwort „Kammerphilharmonie“ wirft Google etwa
405.000 Links aus.2 Hier finden sich auf den ersten Seiten ganz unterschiedliche
Zusammenschlüsse, wie die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen, die Westfä-
lische Kammerphilharmonie Gütersloh, die Kammerphilharmonie Amadé oder
die erst jüngst gegründete Jüdische Kammerphilharmonie. Das beweisen aber
auch ebenso plakativ – und sicherlich etwas fundierter – die Statistiken, die der
Deutsche Musikrat zu den Neugründungen von Ensembles für Alte und Neue
Musik veröffentlicht hat.3 Diese haben ab Mitte der Achtziger Jahre deutliche
Zuwächse zu verzeichnen. Etwas mühsamer, aber nicht minder instruktiv ist es,
wenn man sich die beim Deutschen Musikrat geführten Listen der in Deutschland
tätigen professionellen Kammerorchester ansieht. Von 81 gelisteten Klangkörpern
wurden 35 in den letzten zwanzig Jahren gegründet.4 Bei den freiberuflich tätigen
Orchestermusikern verzeichnet die Statistik für die Jahre 2002 bis 2005 einen
Zuwachs von 33,5 %.5 Demgegenüber reduzierten sich die Planstellen in den
Kulturorchestern seit 1992 um gut 17 %.6
Freie Orchester treten in unterschiedlichen Rechtsformen an die Öffentlichkeit.
Es gibt eingetragene Vereine, die als Trägerverein eines Orchesters fungieren. Es
gibt Orchestervereine. Es gibt gemeinnützige GmbHs, deren Orchestermitglieder
allesamt Gesellschafter sind. Es gibt Musiker, die sich in einer Gesellschaft bür-
gerlichen Rechts (GbR) zusammenfinden. Und es gibt diejenigen, die sich bislang
noch nicht viele Gedanken um die rechtliche Form ihrer Zusammenarbeit ge-
macht haben oder aus anderen Gründen keine Angaben zu ihrer Rechtsform ma-
chen.
Die Mehrzahl der beim Deutschen Musikrat geführten Kammerorchester ist ver-
einsrechtlich organisiert. Immerhin ein Drittel macht keine besonderen Angaben
zur Rechtsform.7
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4. C Betriebsformen-Gesellschaften, Vereine, Stiftungen
C2 Gesellschaften, Vereine, Stiftungen
Nicht immer ist den Mitwirkenden klar, in welcher Rechtsform sie tatsächlich
zusammenarbeiten und welche Folgen dies in rechtlicher Hinsicht haben kann.
Einig sind sich alle Vertreter der Spezies „Freies Orchester“ meist jedoch in ei-
nem mehr oder weniger stark ausgeprägten basisdemokratischen Verständnis
ihrer Arbeit und dem Willen, frei von Fremdbestimmung ihr Programm, ihren
künstlerischen Leiter und ihre Orchesterkollegen selbst auswählen zu können.
Solche Orchester haben es gemeinhin schwer. Mit dem Verkauf von Eintrittskar-
ten allein lässt sich die Arbeit nicht finanzieren. Subventionen sind rar und Spon-
soren sind nicht einfach zu finden, geschweige denn zu binden. Fördervereine
bieten mehr moralische als substantielle finanzielle Unterstützung. Die Mitglieder
C eines solchen Orchesters gehen daher fast immer auch noch anderen Tätigkeiten
2.12 nach. Sie sind Musikschullehrer, Professoren, sonstwie freischaffend oder auch
S. 4 hauptberufliches Mitglied eines subventionierten Kulturorchesters. Ein fester
Stamm, der einen Großteil der Projekte eines freien Orchesters bestreitet, schält
sich gleichwohl immer heraus.
So unterschiedlich, wie die Beweggründe, Strukturen und die Praxis bei jedem
Orchester im Einzelnen sind, so unterschiedlich stellen sich auch die rechtlichen
Fragen und Probleme dar. Diese liegen in erster Linie im Arbeits- und Sozialver-
sicherungsrecht.
Die nachfolgenden Ausführungen wollen die üblichen Fragen und Schwierigkei-
ten, die sich vor diesem Hintergrund stellen, anreißen und die Bandbreite an
rechtlichen Einschätzungen und strukturellen Möglichkeiten verdeutlichen. Eine
typische Struktur ist dabei das regel- oder unregelmäßige Engagement von Musi-
kern durch einen Orchesterträger, meist einen eingetragen Verein.8 Es ist keines-
wegs so, dass bei der Zusammenstellung eines solchen freien Orchesters gleich
mit jedem Musiker ein Arbeits- bzw. Beschäftigungsverhältnis entsteht.9 Um das
beurteilen zu können, müssen jedoch eine Reihe von Aspekten berücksichtigt
werden. Die wesentlichen Kriterien aus arbeits-, steuer- und sozialversicherungs-
rechtlicher Sicht werden deshalb nachfolgend dargestellt.10
In einem zweiten Teil erfolgt ein Überblick über strukturelle Gestaltungsmög-
lichkeiten am Beispiel eines vereinsrechtlich organisierten Orchesters, in dem
Varianten der Zusammenarbeit erörtert werden.
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