Insulinwirkung und Therapie.
Insulinansprechbarkeit und Insulinanpassung.
ICT und angepasste Ernährung mit entsprechendem
Insulinbedarf.
Weitergabeskript
24 Pädiatrische Notfälle.Notfallschema und Kruppsyndrom
06.08 Insulinwirkung und Therapie.Uni Köln, Insulinansprechbarkeit und Insulinanpassung
1. Michael Faust
Klinik II und Poliklinik für Innere Medizin
Kompetenzfeld Diabetes Teil III
Insulintherapie
2. Seite 2
Kompetenzfeld Diabetes mellitus Teil III
Dr. Michael Faust1, Dr. Jan Matthes2
Lernziele:
Die Studierenden des 6. klinischen Semesters sollen am Ende
des Kompetenzfeldes in der Lage sein:
- die Wirkprofile der wichtigsten Insulinarten zu benennen
- eine Insulintherapie zu initiieren und zu modizifzieren
- die Grundzüge der intensivierten Insulintherapie zu
verstehen
- Wirkweisen neuer Therapieprinzipien beim Typ 2 Diabetes
(GLP1-System) zu benennen
1: Klinik II und Poliklinik für Innere Medizin
2: Institut für Pharmakologie
3. Seite 3
Kompetenzfeld Diabetes mellitus III
Ablauf:
Dienstag 29.04.2008
LFI HS 3 09.15 – 10.45 Uhr Insulintherapie M. Faust
- Mittwoch 30.04.2008
LFI HS 3 09.15 – 10.00 Uhr Insulintherapie M. Faust
LFI HS 3 10.00 – 10.45 Uhr GLP-1 System J. Matthes
- Montag 05.05.2008
LFI HS 1 16.15.-17.00 Uhr Klausur
4. Seite 4
F.B. männlich, 27 Jahre
- kommt wegen zunehmender Schwäche in die Notaufnahme
- Grösse 181cm , Gewicht 62 kg
- seit Wochen Gewichtsabnahme von ca. 12 kg
- Polydipsie und Polyurie
- mukokutane Kandidose
- Blutzucker 632 mg/dl, BGA: leichtgradige metabolische Azidose
- C-Peptid vermindert, GAD-AK: positiv
- Diagnose:
Erstmanifestation eins Diabetes mellitus Typ 1
5. Seite 5
„Der Diabetes ist eine rätselhafte
Erkrankung.“
„Diabetes ist ein furchtbares Leiden,
nicht sehr häufig beim Menschen, ein
Schmelzen des Fleisches und der Glieder
zu Harn... Das Leben ist kurz,
unangenehm und schmerzvoll, der Durst
unstillbar, ... und der Tod
unausweichlich.“
Aretaios (Aretäus)
(* 80 oder 81 in Kappadokien in Kleinasien)
6. Seite 6
1869 beschreibt Paul Langerhans in seiner Dissertation
die Inselzellen im Gewebe des Pankreas
7. Seite 7
1889 entfernt Oskar Minkowski Hunden das Pankreas um die
Prinzipien des Fettsäurestoffwechsels zu erforschen. Er
entdeckt dabei, dass die Hunde einen Diabetes mellitus
entwickeln.
1889 Oskar Minkowski
14. Seite 14
Wozu dient die basale Insulinproduktion ?
• Hemmung der Gluconeogenese und Glykogenolyse
• Hemmung der peripheren Lipolyse
• Hemmung der Carnitin-Palmityl-Transferase und damit der
Ketogenese
19. Seite 19
NPH-Insulin subcutan
Wirkung auf den Blutzucker:
Beginn: nach ca. 2 Stunden
Maximum: nach ca. 4-6 Stunden
Dauer: ca. 8-12 Stunden
NPH-
Insulin
23. Seite 23
F.B. männlich, 27 Jahre
- kommt wegen zunehmender Schwäche in die Notaufnahme
- Grösse 181cm , Gewicht 62 kg
- seit Wochen Gewichtsabnahme von ca. 12 kg
- Polydipsie und Polyurie
- mukokutane Kandidose
- Blutzucker 632 mg/dl, BGA: leichtgradige metabolische Azidose
- C-Peptid vermindert, GAD-AK: positiv
- Diagnose:
Erstmanifestation eins Diabetes mellitus Typ 1
24. Seite 24
Mittlerer Insulinbedarf eines
gesunden Menschen
0,7 I.E./kgKG
0,7 x 60 = 42 I.E.
Da der Insulinbedarf morgens höher ist als abends, sollten ca. 2/3
eines Mischinsulins morgens und 1/3 abends gegeben werden:
z.B. Actraphane 30: 28-0-14 I.E.
25. Seite 25
Michael Berger † 2002
70er Jahre: Entwicklung der Intensivierte,
konventionellen Insulintherapie (ICT)
28. Seite 28
The Effect of Intensive Treatment of Diabetes on the
Development and Progression of Long-Term Complications
in Insulin-Dependent Diabetes Mellitus
The Diabetes Control and Complications Trial Research Group
Volume 329:977-986 September 30, 1993
29. Seite 29
DCCT - Design
1441 Typ 1 Diabetiker
Konventionelle Behandlung
Intensivierte Behandlung
726 ohne
Retinopathie
715 mit milder
Retinopathie
mittel: 6,5 Jahre
30. Seite 30
DCCT - Design
Konventionelle Therapie
1 bis 2 fest dosierte
Insulininjektionen (in
der Regel Mischinsuline)
Tägliche Urinzuckerkontrolle
Diätberatung
Intensivierte Therapie
≥ 3 berechnete
Insulininjektionen
Blutzuckerselbstmessung
Diätberatung
34. Seite 34
Einfluss einer intensivierten Insulintherapie (ICT)
auf die Progression einer diabetischen Retinopathie
Anteil
Patient
[%]
Studienverlauf [Jahre]
RRR: -54%
35. Seite 35 Studienverlauf [Jahre]
Anteil
Patient
[%]
Einfluss einer ICT auf die diabetische Nephropathie
Primär-Präventionsgruppe (keine Retinopathie)
> 40mg Albumin/24h
> 300mg
Albumin/
24h
-34% RRR
36. Seite 36
Einfluss einer ICT auf die diabetische Nephropathie
Sekundär-Interventionsgruppe (mit Retinopathie)
Anteil
Patient
[%]
Studienverlauf [Jahre]
> 40mg Albumin/24h
-43 % RRR
40. Seite 40
F.B. männlich, 27 Jahre
- kommt wegen zunehmender Schwäche in die Notaufnahme
- Grösse 181cm , Gewicht 62 kg
- seit Wochen Gewichtsabnahme von ca. 12 kg
- Polydipsie und Polyurie
- mukokutane Kandidose
- Blutzucker 632 mg/dl, BGA: leichtgradige metabolische Azidose
- C-Peptid vermindert, GAD-AK: positiv
- Diagnose:
Erstmanifestation eins Diabetes mellitus Typ 1
41. Seite 41
Grundsätze der intensivierten Insulintherapie
- Es erfolgt eine Trennung zwischen basaler
Insulinversorgung (Basis) und den Bolusgaben
- Die basale Insulinversorgung wird mit langwirksamen
Insulinen abgedeckt
42. Seite 42
Beispiel Basalinsulin bei Patient F.B.
- Gesamtinsulinbedarf 0,7 x 60 = 42 I.E.
- Ca. 50% entfallen auf den basalen Insulinbedarf: 42:2= 21 I.E.
- Bei Verwendung eines NPH-Insulins kann mit einer
Wirkdauer von ca. 8 Stunden gerechnet werden. Um 24
Stunden abzudecken werden also 3 Injektionen im Abstand
von ca. 8 Stunden benötigt
• 07.00 Uhr: 7 I.E. Protaphane
• 15.00 Uhr: 7 I.E. Protaphane
• 23.00 Uhr: 7 I.E. Protaphane
43. Seite 43
Berechnung des Insulin-Bolus
- Der Bolus soll den Anstieg des Blutzuckers nach einer
Mahlzeit verhindern (Mahlzeiten-Faktor)
- Der Bolus dient auch der Korrektur erhöhter Blutzuckerwerte
(Korrektur-Faktur)
44. Seite 44
Berechnung des Insulin-Bolus
- Der Bolus soll den Anstieg des Blutzuckers nach einer
Mahlzeit verhindern (Mahlzeiten-Faktor)
• Die Aufnahme von Kohlenhydraten führt zu einem
Blutzuckeranstieg
• Der Diabetiker muss also den Kohlenhydratgehalt der
Mahlzeit schätzen, die er gleich zu sich nehmen wird
• Als Schätzeinheit dienen die Begriffe „Broteinheit“ (BE) oder
„Kohlenhydrateinheit“ (KHE)
• 1 BE/KHE steht für etwa 10-12 g verwertbarer Kohlenydrate
45. Seite 45
Berechnung des Insulin-Bolus
- Der Bolus soll den Anstieg des Blutzuckers nach einer
Mahlzeit verhindern (Mahlzeiten-Faktor)
• Bei einem Gesamtkalorienbedarf von ca. 2.400 kcal/d sollten
ca. 50% in Form von Kohlenhydraten zugeführt werden
• Dies entspricht etwa 24 BE (z.B. 8-8-8)
• Die Insulinempfindlichkeit schwankt im Tagesverlauf. Sie ist
morgens am geringsten und nachts am stärksten
• Insofern ist der Insulinbedarf pro BE unterschiedlich zu den
verschiedenen Tageszeiten
46. Seite 46
Berechnung des Insulin-Bolus
- Der Bolus soll den Anstieg des Blutzuckers nach einer
Mahlzeit verhindern (Mahlzeiten-Faktor)
• Die Insulinmenge, die benötigt wird, damit es bei Aufnahme
von einer BE nicht zu einem Blutzuckeranstieg kommt, wird
BE-Faktor genannt
• Eine typische Verteilung von BE-Faktoren wäre:
Morgens: 2 I.E./BE
Mittags: 1 I.E. /BE
Abends: 1,5 I.E./BE
47. Seite 47
Beispielberechnung der Boli
• Bei einer Verteilung von 3 x 8 BE/Tag und einer typischen
BE-Faktor-Verteilung ergäben sich folgende Bolusmengen:
• Morgens 8 BE, Faktor 2/BE = 16 I.E.
• Mittags 8 BE, Faktor 1/BE = 8 I.E.
• Abends 8 BE, Fakor 1,5/BE = 12 I.E.
48. Seite 48
Korrekturfaktor
• Bei einem Insulin-empfindlichen Menschen senkt eine
Einheit Insulin den Blutzucker um ca. 30 mg/dl
• Wenn der Blutzucker also 130mg/dl beträgt, muss 1 Einheit
Normalinsulin gegeben werden, um ihn auf 100 mg/dl zu
senken
• Mit dem Diabetiker soll ein Zielwert vereinbart werden.
Dieser Zielwert soll i.d.R. normnah liegen, z.B. bei 100 mg/dl
• Vor der Mahlzeit soll der Diabetiker seinen aktuellen
Blutzucker kontrollieren. Überschreitet der aktuelle
Blutzucker den vereinbarten Zielwert, soll er pro 30 mg/dl
Überschreitung zusätzlich 1 I.E. Normalinsulin spritzen
(so genannte 30er-Regel)
50. Seite 50
Beispiel Bolusberechnung
- vor dem Frühstück
- BZ: 193 mg/dl
- 4 BE sollen gegessen werden
- BE-Faktor: 2
- Zielwert 100 mg/dl
- Korrektur nach 30er Regel
Mahlzeitenfaktor:
4 (BE) x 2 (BE-Faktor) = 8 (I.E.)
Korrekturfaktor:
193 (BZ aktuell)
- 100 (Zielwert)
93 : 30 (30er Regel)
= 3,1 (abgerundet 3,0)
Gesamtbolus: 8 + 3 = 11
51. Seite 51
Beispiel Bolusberechnung
- vor dem Abendessen
- BZ: 270 mg/dl
- 6 BE sollen gegessen werden
- BE-Faktor: 4,5
- Zielwert 90 mg/dl
- Korrektur nach 15er Regel
Mahlzeitenfaktor:
6 (BE) x 4,5 (BE-Faktor) = 27 (I.E.)
Korrekturfaktor:
270 (BZ aktuell)
- 90 (Zielwert)
180 : 15 (15er Regel)
= 12
Gesamtbolus: 27 + 12 = 39
52. Seite 52
Beispiel Bolusberechnung
- vor dem Mittagessen
- BZ: 90 mg/dl
- 4 BE sollen gegessen werden
- BE-Faktor: 0,75
- Zielwert 120 mg/dl
- Korrektur nach 40er Regel
Mahlzeitenfaktor:
4 (BE) x0,75 (BE-Faktor) = 3 (I.E.)
Korrekturfaktor:
90 (BZ aktuell)
- 120 (Zielwert)
-30
= - 1 Einheit
Gesamtbolus: 3 – 1 = 2
53. Seite 53
Der Spritz-Ess-Abstand (SEA)
• Da die Wirkung des Normalinsulins erst nach 15-20 Minuten
einsetzt (wenn es subkutan injeziert wird), die Kohlenhydrate
aber rasch ins Blut aufgenommen werden, ist es notwendig
einen Abstand zwischen Injektion und Beginn der Mahlzeit
einzuhalten, um prostprandiale Blutzuckerspitzen zu
vermeiden
• Der SEA liegt normalerweise bei 15-20 Minuten
• Wenn der BZ vor der Mahlzeit niedrig ist, sollte der SEA
verkürzt werden
• Wenn der BZ vor der Mahlzeit sehr hoch ist, sollte der SEA
verlängert werden
• Wenn postprandialen Spitzen vermieden werden sollen,
sollte der SEA verlängert werden (z.B. Schwangerschaft)
54. Seite 54
1979: Erste gentechnische Herstellung eines
Humaninsulins
• Bis Ende der 70er Jahre Verwendung von hochgereinigtem
Rinder- oder Schweineinsulin
• Da sich die Aminosäuresequenz beim Schweineinsulin an
einer, bei Rinderinsulin an zwei Stellen vom humanen Insulin
unterscheidet, konnten in manchem Fällen Antikörper gegen
diese Insuline gebildet werden
• Die Antikörper konnten eine Bindung an den Rezeptor
verhindern, welshalb häufig hohe Dosen gespritzt werden
mussten
• Da die Bindung reversibel war, konnten in der Folge auch
schwere, langdauernde Hypoglykämien auftreten.
56. Seite 56
Überprüfung des Basalinsulins
• Die Aufgabe des Basalinsulins ist es, den Blutzucker gleich
zu halten
• Die Dosis ist dann korrekt, wenn der Blutzucker in Phasen,
in denen keine Nahrung zugeführt wird, und kein
Normalinsulin gespritzt wird, gleich bleibt.
• Entscheidend für die korrekte Dosis ist also der prä-
prandiale Wert
• Tagsüber kann die korrekte Dosis nur anhand von Essen-
Auslassversuchen getestet werden.
63. Seite 63
Problem des hohen Nüchternblutzuckers
oder „Viele Wege führen nach Rom“
64. Seite 64
22 24 2 4 6 8
Physiol.
NPH
Problem der nächtlichen Insulinversorgung
65. Seite 65
Ursachen hoher BZ-Werte am Morgen
0
50
100
150
200
250
23.00 02.00 07.00
Uhrzeit
BZ [mg/dl]
66. Seite 66
Bed-Time Regel
Sinn: Vermeidung nächtlicher Hypoglykämien
• BZ vor dem Schlafen < 100 mg/dl: + 1 BE essen
• BZ vor dem Schlafen < 80 mg/dl: + 2 BE essen und
Kontrolle
Auch zusätzliche BEs und nächtliche Kontrolle bei
• Konsum größerer Mengen Alkohol
• Sport am Abend
67. Seite 67
Dawn-Phänomen
• Anstieg des Blutzucker in den frühen Morgenstunden
• Grund: Wirkung der kontrainsulinären Hormone,
insbesondere Wachstumshormon
• Lösungsansätze:
• Länger wirkende Insuline
• Verzögerungsinsulin abends später spritzen
• Kleine Menge Normalinsulin in den frühen Morgenstunden
• Insulinpumpe
81. Seite 81
Kurzwirkende Insulinanaloga
Wirkung auf den Blutzucker:
Beginn: sofort
Maximum: nach ca. 2 Stunden
Dauer: ca. 2-4 Stunden
Lilly: Lispro (Humalog)
Novonordisk: Insulin aspart (NovoRapid)
Aventis: Glulisin (Apidra)
82. Seite 82
Vorteile kurzwirksame Insulinanaloga
• Kein Spritz-Ess-Abstand mehr nötig
• Weniger „späte Hypoglykämien“
• Häufigere Mahlzeiten und Korrekturen möglich
• Möglicherweise geringer postprandiale Hyperglykämien
83. Seite 83
Nachteile kurzwirksame Insulinanaloga
• Sie sind teurer
• Keine überzeugenden Studien zur besseren HbA1c-Senkung
• Veränderte Aminosäurenstrukuter – Langzeitwirkung ?
• Möglicherweise bald keine Erstattung mehr durch die GKV
84. Seite 84
2001: Mit Insulin Glargin kommt das erste
langwirksame Insulin auf den Markt
85. Seite 85
Langwirkende Insulinanaloga
Wirkung auf den Blutzucker:
Glargin (Lantus)
Beginn: nach ca. 2 Stunden
Maximum: keins
Dauer: bis 30 Stunden
Detemir (Levemir):
Beginn: nach ca. 2 Stunden
Maximum: keins
Dauer: ca. 12-16 Stunden
Glargin/
Detemir
91. Seite 91
Das „finnische“ Konzept
• Patient erhät basale Schulung mit Anleitung zur
Insulininjektion und BZ-Selbstmessung
• Patient nimmt seine oralen Antidiabetika am Tag weiter und
beginnt mit einer abendlichen Injektion von 10 Einheiten
langwirksamen Insulin
• Patient misst den Nüchternblutzucker
• Liegt der Nüchternblutzucker an drei aufeinanderfolgenden
Tagen über 100 mg/dL, erhöht der Patient die Insulindosis
um 2 Einheiten