1. im fokus:
Das neue Leitbild
In lebhaften Diskussionen wie beim Leitbild-Workshop in Feldafing oder dem der Führungskräfte in Montabaur ist
das Leitbild gewachsen, durch Gespräch und Austausch soll es auch im Unternehmen Wurzeln schlagen.
LEITBILDVERMITTLUNG
ZWISCHEN WUNSCH UND
WIRKLICHKEIT
Jetzt geht es darum, das Leitbild im Unternehmen zu verankern. Auf die Führungskräfte
kommt es dabei besonders an.
D
ass Unternehmen von einem eigenen Leitbild
profitieren, ist mittlerweile Konsens: Einer bran-
chenübergreifenden Studie der Unternehmens-
beratung Kienbaum aus dem Jahr 2011 zufolge
haben immerhin 87 Prozent der Unternehmen ein entspre-
chendes Dokument. Aber was ist ein Leitbild wert? Prägen
Vision, Mission und Leitlinien tatsächlich den Arbeitsalltag
oder fristen sie ihr Dasein gut verstaut in der Schublade?
Die Kienbaum-Studie gibt darauf eine eher ernüchternde
Antwort: Nur 40 Prozent der Befragten glauben, dass das
Leitbild zu den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern durch-
dringt und sich diese mit ihm identifizieren.
nach der Verabschiedung des Leitbilds die entscheidende
Die entscheidende Etappe Etappe erst noch vor uns liegt – nämlich wenn es um die
Andrea Goll aus der Personalentwicklung, die gemeinsam Verankerung im Unternehmen geht. Denn wir wollen ein
mit Angela Helfer aus der Unternehmenskommunikation Leitbild haben, das für alle Mitarbeiterinnen und Mitar-
das Leitbildteam leitet, ist sich dieser Herausforderungen beiter im Arbeitsalltag relevant ist. Das erreichen wir nur,
bewusst und überzeugt, dass es besser geht: „Wir wissen, dass indem wir alle aktiv werden.“ Zunächst müsse das Leitbild
10 Zeitschrift für GIZ-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter | wir : 01_2012
2. interview:
„Wie die Wurzeln
eines Baumes“
bekanntgemacht werden. Helfer: „Es reicht nicht, das Un- Dr. Christian Abegglen, Gründungsdirektor und Geschäfts-
ternehmensleitbild in Papierform zu verteilen, wir wollen es
führender Direktor der St. Galler Business School, über
vielmehr im persönlichen Austausch nachvollziehbar machen
und konkretisieren, so dass es Orientierung für jede Einzelne Sinn und Bedeutung von Leitbildern
und jeden Einzelnen gibt.“ Dazu sind verschiedene Veran-
staltungen geplant. Den Startschuss gab die Veranstaltung Herr Dr. Abegglen, warum ist ein
zum ersten Geburtstag der GIZ, mit der das Leitbild offiziell gemeinsames Werteset wichtig für ein
in Kraft getreten ist. Unternehmen?
Für Goll und Helfer kommt es im nächsten Schritt vor Ein Werteset beeinflusst Sinn, Visionen
allem auf die Führungskräfte an. Wichtig sei jetzt, dass und Verhalten eines Unternehmens. Erst
sich diese mit dem Leitbild aktiv auseinandersetzen und es wenn man weiß, wer man ist und wofür
anschließend überzeugend an ihre jeweiligen Mitarbeiter/ man steht – und das gilt für Menschen
innen vermit- und Organisationen gleichermaßen –
teln und es kann man festmachen, wohin die Unter-
gemeinsam „Eine Kultur ist nichts, was man nehmensreise gehen soll, welcher Sinn
mit ihnen für dahintersteckt, welche Etappen die Reise
den jeweiligen sich einfach überstreift, umfassen wird, wie man miteinander
Verantwor- sondern eher etwas, in das man umgeht. Damit wird allen Führungskräften und Mitarbeitern ein
tungsbereich Korridor für das zukünftig von ihnen erwartete Verhalten signalisiert,
ausgestalten. gemeinsam hineinwächst.“ dieses Werteset wirkt quasi als „Autopilot“. Man könnte auch sagen:
Goll: „So „Werte sind wie die Wurzeln eines Baumes, die Wind und Wetter
wollen wir standhalten.“
sicherstellen, dass unser gemeinsam erarbeitetes Leitbild
erst gar nicht in einer unbeachteten Schublade landet, Wie entwickelt man und wie pflegt man einen gemeinsamen Geist im
sondern präsent bleibt und nach und nach ein Stück gelebte Unternehmen?
Unternehmenskultur der GIZ wird.“ Dies könne nur ge- Ein gemeinsamer Geist kann nicht verordnet werden, er entwickelt
lingen, wenn sich auch wirklich alle Mitarbeiter/innen sich oftmals über Jahrzehnte im Sozialisationsprozess evolutorisch.
damit auseinandersetzen, ergänzt Angela Helfer. „Die Zeit, Der Führung kommt bei der Entwicklung und Pflege einer Un-
die dieser Weg braucht, die wollen wir uns als Unternehmen ternehmenskultur eine außergewöhnlich prägende Rolle zu. Dies
auch nehmen. Eine Kultur ist schließlich nichts, was man beginnt bei der Formulierung von Visionen, Vorstellungen, Werten
sich einfach überstreift, sondern eher etwas, in das man und Normen. In der weiteren Entwicklung werden Kulturen durch
gemeinsam hineinwächst.“ Einen ersten Pegelstand hierzu Vorbild und Vorleben der Führung für alle sichtbar stark beeinflusst.
wird die für April dieses Jahres geplante Mitarbeiterbefra- Kulturveränderungen etwa verlangen von Anfang an eine eindeutige
gung geben. <<< CT und einheitliche Identifikation aller Führungskräfte mit veränderten
Werten und Normen.
Was ist beim Thema Unternehmenskultur Aufgabe des Einzelnen?
Jeder Einzelne ist sowohl Teil als auch Multiplikator von Unterneh-
menskultur. Jeder Mitarbeiter prägt Facetten der Kultur mit und ist
auch dafür mitverantwortlich, diese zu vermitteln. Unternehmen
durchwandern in ihrer Geschichte viele Berge und Täler. Dabei ein
gemeinsames „Set der Problemlösung“ oder „Rituale idealer Ereignis-
bewältigung“ zu schaffen und zu überliefern, z. B. in Form von viel-
fältigen Geschichten (story telling), ist Sache eines jeden Mitarbeiters.
Die Fragen stellte Jörg Hilger
wir: 01_2012 | Zeitschrift für GIZ-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter 11