Grundbegriffe der Textlinguistik: Text und Textlinguistik, strukturalistische Textlinguistik, Kohäsion und Kohärenz, funktional-pragmatische Textlinguistik, Brinkers integrativer Textbegriff
Betriebswirtschaftslehre (B.Sc.) an der Universität Duisburg Essen
Text und Textlinguistik
1. Einführung in die linguistische Textanalyse
Text und Textlinguistik
Teil 1
Germanistische Linguistik 7 Prof. Dr. Jelena Kostić-Tomović
2. Was ist eigentlich ein Text?
Bei dem Begriff ´Text´ handelt es sich um einen
vorwissenschaftlichen Begriff (genauso wie bei dem Begriff
´Wort`).
Die Linguistik verfügt über keine einheitliche, allgemein
akzeptierte Textdefinition.
Einen Überblick über unterschiedliche Textdefinitionen in der
germanistischen Linguistik zwischen 1970 und 2000 bietet
Kostić 2003 (http://philologia.org.rs/Files/broj_1.pdf, S. 21-29).
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3. Versuch einer Textdefinition
„Ein Text ist eine funktionale und finale, aber auch eine
traditionsbedingte Einheit. Es gibt dialogische und monologische,
geschriebene und gesprochene Texte. Intuitiv kann man unter
einem Text als alltäglich erfahrbarer Gegebenheit eine Folge von
Sätzen/Äußerungen verstehen, die thematisch und in ihren
Bedeutungen sinnvoll zusammenhängen und einen erkennbaren
Anfang und ein Ende haben. Man möchte an einem solchen Text
eine kommunikative Funktion erkennen, und man will in einer
bestimmten Sorte bzw. einem Typ von Texten zuordnen können.“
(Lewandowski 1990)
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4. Mit anderen Worten 1
Der Textbegriff umfasst alle sprachliche Strukturen, die aus
mehr als einem Satz / einer Äußerung bestehen und dabei
einen deutlich ausgeprägten strukturellen und funktionalen
Zusammenhang aufweisen.
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5. Mit anderen Worten 2
Der Textbegriff umfasst:
monologische und dialogische Texte,
geschriebene und gesprochene Texte und
Texte mit oder ohne Bildmaterial oder andere non-verbale Elemente
(sogar dann, wenn das Bildmaterial quantitativ dominiert).
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6. Mit anderen Worten 3
Eine Aneinanderreihung von sprachlich korrekten Sätzen
ergibt noch lange keinen sprachlich korrekten Text!
Um einen normgerechten Text zu verfassen, muss sich der
Autor neben den orthografischen, morphologischen,
syntaktischen, semantischen und stilistischen Regeln auch an
die spezifischen textuellen Regeln halten.
Und daraus folgt:
Die höchste Stufe der linguistischen Analyse ist nicht der Satz,
sondern der TEXT.
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7. Textuelle Regeln –
Ein Beispiel
Ein normgerechter Text
ist keine bloße Ansammlung
von sprachlich korrekten Sätzen!!!
Es gibt Regeln, die bestimmen,
wie Sätze/Äußerungen
miteinander zu kombinieren sind,
um satzübergreifende Strukturen,
d. h. Texte zu erstellen.
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8. Textlinguistik
Die Textlinguistik ist diejenige Teildisziplin der
Sprachwissenschaft, die sich auf suprasyntaktische
(satzübergreifende) sprachliche Strukturen (= Texte) fokussiert.
Ihre Aufgabe besteht darin, Texte im Hinblick auf ihre Struktur
und ihre Funktion zu analysieren, zu beschreiben und zu
klassifizieren.
Zur Struktur eines Textes gehören sowohl die verbalen als
auch die non-verbalen Elemente.
Unter der Funktion eines Textes versteht man dessen
kommunikativen Zwek sowie dessen Rolle in der sozialen
Interaktion im Allgemeinen.
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9. Versuch einer Definition
„Die linguistische Textanalyse setzt sich zum Ziel, die Struktur, d. h. den
grammatischen und thematischen Aufbau, sowie die kommunikative
Funktion konkreter Texte transparent zu machen und nachprüfbar
darzustellen. (...) Die Textlinguistik sieht es als ihre Aufgabe an, die
allgemeinen Bedingungen und Regeln der Textkonstitution, die den
konkreten Texten zugrunde liegen, systematisch zu beschreiben und ihre
Bedeutung für die Textrezeption zu erklären.“
(Brinker 1992: 8)
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10. Textlinguistik – Zwei unterschiedliche Ansätze
Die Textlinguistik eine verhältnismäßig junge
sprachwissenschaftliche Disziplin.
Daher ist sie von zahlreichen unterschiedlichen Ansätze
geprägt,
Diese Ansätze lassen sich allerdings den folgenden zwei
Hauptrichtungen zuordnen :
1. die sprachsystematisch ausgerichtete Textlinguistik
(die strukturalistische Textlinguistik) und
2. die kommunikationsorientierte Textlinguistik
(die funktional-pragmatische Textlinguistik).
(Brinker 1992: 12-17)
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11. Zwei Hauptrichtungen der TL
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Linguistische
Pragmatik:
linguistische Teildisziplin,
die den funktionalen
Aspekt der Sprache
untersucht und
beschreibt.
12. Der strukturalistische Ansatz
Die strukturalistische Textlinguistik hat sich auf der Basis der
strukturalistischen Grammatik entwickelt.
Sie ist als eine Art Ergänzung zur strukturalistischen Syntax zu
verstehen.
Ihr Ziel: die Textbildung (d. h. die Textproduktion) auf die
gleiche Art und Weise zu beschreiben und zu erklären, wie die
strukturalistische Grammatik die Wort- oder die Satzbildung
darstellt und erklärt.
Für die strukturalistische Textlinguistik ist der Text daher in
erster Linie eine kohärente Folge von Sätzen, eine
„grammatisch verknüpfte Satzfolge“.
(Brinker 1992: 12-14)
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13. Kohäsion und Kohärenz
Im Zentrum der strukturalistischen Textlinguistik stehen
folgende zwei Begriffe:
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14. Kohäsion
Die Kohäsion ist ein Phänomen formaler Natur.
Darunter versteht man den Einsatz von bestimmten
lexikalischen und grammatischen Mitteln (z. B. Pronomina,
Adverbien, Tempora), um dadurch den inneren Zusammenhalt
eines Textes zu gewährleisten und zu markieren.
Beispiel:
Manfred Schmidt wurde in Bielefeld geboren. Dort besuchte er auch die
Grundschule und das Gymnasium. Danach studierte er Jura in Berlin und
Hamburg. Seine spätere Frau lernte er bei einem Praktikum kennen. Sie
war ebenfalls Jura-Studentin...
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15. Kohärenz
Die Kohärenz ist ein Phänomen inhaltlicher Natur.
Darunter versteht man den inhaltlichen und funktionalen
Zusammenhang in einem Text.
Friseurin attackiert unzufriedene Kundin mit Pfefferspray
Auf die Frage, ob sie mit ihrem Haarschnitt zufrieden sei, hat eine
Kundin im US-Bundesstaat New Jersey offenbar die falsche Antwort
gegeben. Dann wurde es schmerzhaft für sie.
Nach Angaben der Polizei sprühte eine Friseurin Pfefferspray in
das Gesicht der Frau, anschließend stürmte sie aus deren Wohnung. Die
Kundin wurde leicht verletzt.
Die Polizei der Stadt Bloomfield ergriff die 35-jährige
Tatverdächtige, die ihre Dienste im Internet anbietet und bei ihren Kunden zu
Hause verrichtet. Sie wird der schweren Körperverletzung sowie eines
Waffendelikts beschuldigt.
(Quelle: www.spiegel.de)
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16. Wenn die Kohäsion und die Kohärenz fehlen...
Windows 10 ist noch immer halbwegs neu, doch schon bald soll sich
das Betriebssystem noch neuer anfühlen – mit einer frischen
Version, die kommenden Frühling veröffentlicht werden soll. Der
Eindringling entriss dem Angestellten demnach dessen Messer und
fügte im eine Schlitzwunde im Gesicht zu. Ich persönlich bin auch
der Meinung, dass die Algorithmen transparenter sein müssen,
sodass interessierten Bürgern auch bewusst ist, was eigentlich mit
ihrem Medienverhalten und dem anderen passiert. Der Angeklagte
habe den Mord mit seinem Schwiegersohn, dem Mann der Tochter,
geplant und dem Opfer im vergangenen Februar nach einem
Kneipenbesuch mit Messer und Pistole aufgelauert...
(Zusammengestellt aus diversen Texten auf www.spiegel.de.)
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17. Funktional-pragmatische Textlinguistik
Die funktional-pragmatische Textlinguistik geht bei der Analyse
und bei der Beschreibungvon der Funktion eines Textes aus.
Die formalen und inhaltlichen Charakteristika eines Textes
resultieren aus dessen kommunikativen Funktion.
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18. Funktional-pragmatische Textlinguistik
Die Grundlage der funktional-pragmatischen Textlinguistik bildet die
linguistische Pragmatik (= Pragmalinguistik).
Die linguistische Pragmatik untersucht und beschreibt eine Sprache im
Hinblick auf ihre kommunikative und soziale Funktion.
(Quelle: Ernst 2002)
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19. K. Brinkers integrativer Textbegriff
„Die beiden ... Grundpositionen der Textlinguistik, der
sprachsystematisch ausgerichtete und der
kommunikationsorientierte Ansatz, sind nicht als alternative,
sondern als komplementäre Konzeptionen zu betrachten und eng
aufeinander zu beziehen. Eine adäquate linguistische Textanalyse
erfordert die Berücksichtigung beider Forschungsrichtungen,
wobei der kommunikativ-pragmatische Ansatz ... Die theoretisch-
methodologische Bezugsgrundlage bilden muss.“
(Brinker 1992)
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20. Prof. Dr. Jelena Kostić-Tomović
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Quelle:Duden.BriefeundE-Mails…2010
21. Prof. Dr. Jelena Kostić-Tomović
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Quelle:Duden.BriefeundE-Mails…2010
22. Text – Sprache - Kultur
Die Regeln für die Textproduktion und –rezeption sind
sprachspezifisch.
Die Regeln für die Textproduktion und – rezeption sind darüber
hinaus kultur- und gesellschaftsspezifisch.
Textuelle Regeln können rein sprachlicher Natur sein, können
sich aber auch auf die Textgestaltung oder andere nicht-
sprachliche Textelemente beziehen.
Textuelle Regeln können inoffiziell, halboffiziell oder offiziell
festgelegt werden.
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23. Prof. Dr. Jelena Kostić-Tomović
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Einladung zur Hochzeit: Serbien
24. Prof. Dr. Jelena Kostić-Tomović
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Einladung zur Hochzeit: Serbien
25. Prof. Dr. Jelena Kostić-Tomović
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Einladung zur Hochzeit: Deutschland
26. Prof. Dr. Jelena Kostić-Tomović
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Einladung zur Hochzeit: Deutschland
27. Prof. Dr. Jelena Kostić-Tomović
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Ärztliches Rezept Deutschland
Ärztliches Rezept Serbien
28. Text – Sprache - Kultur
Aus der Tatsache, dass Texte sprach-, kultur- und
gesellschaftsspezifisch sind, ergibt sich, dass sie die textuellen
Regeln auch mit der Zeit ändern (können).
Dies betrifft sowohl die Texte im privaten Bereich, als auch die
Texte im halböffentlichen und öffentlichen Bereich.
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29. Prof. Dr. Jelena Kostić-Tomović
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Geburtsanzeige Deutschland 1914
30. Prof. Dr. Jelena Kostić-Tomović
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Geburtsanzeige Deutschland
1997 bzw. 2003
32. Literaturverzeichnis
Brinker, Klaus 1992. Linguistische Textanalyse. Eine Einführung
in Grundbegriffe und Methoden. 3., durchgesehene und
erweiterte Auflage. Berlin: Erich Schmidt Verlag.
Duden 2010. Briefe und E-Mails gut und richtig schreiben.
Mannheim: Dudenverlag.
Ernst, Peter 2002. Pragmalinguistik. Grundlagen. Anwendungen.
Probleme. Berlin: Walter de Gruyter.
Kostić, Jelena 2003. Tekst u germanističkoj lingvistici između
1970. i 2000. U Philologia 1, 21-29.
Lewandowski, Theodor 1990: Linguistisches Wörterbuch. 5.,
überarbeitete Auflage. Heidelberg: Quelle & Meyer.
(http://tinyurl.com/jmxxd32)
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