2. Wortbildungsmodelle im
Deutschen
• Zusammensetzung, f. (Komposition, f.)
• Ableitung, f. (Suffixableitung, f., Derivation, f.)
• Präfixbildung, f. (Präfigierung, f.)
• Konversion, f.
• Kurzwortbildung, f.
• Reduplikationsbildung, f.
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Die ältesten
Wortbildungsmodelle,
bereits seit dem
Urindogermanischen
Eine intensive
Entwicklung
erst seit der 2.
Hälfte des 20.
Jhd.
Eine Randerscheinung
Charakteristisch für
schwach flektierende
Sprachen.
Hat sich aus
der
Komposition
Entwickelt.
3. Die Ableitung
• Bezeichnungen für den Wortbildungsprozess:
Ableitung, f., Suffixableitung, f., Derivation, f.
• Bezeichnungen für die Wortbildungsprodukte:
Ableitung, f., Suffixableitung, f., Derivat, n.
Serbische Bezeichnungen:
• für den Wortbildungsprozess:
извођење, деривација
• für die Wortbildungsprodukte:
изведеница, дериват
Die Ableitung als Wortbildungsmodell war bereits im
Urindogermanischen vertreten. Dieses Wortbildungsmodell ist
so alt, dass seine Herkunft nicht geklärt werden konnte.
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4. Subklassen der Ableitung
• Explizite Ableitung, f. (explizite Derivation, f., Suffixderivation, f.)
(serb. експлицитно извођење, експлицитна деривација)
• Implizite Ableitung, f. (implizite Derivation, f.)
(serb. имплицитно извођење, имплицитна деривација)
• Rückbildung, f.
(serb. ретроградно извођење)
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8. Unmittelbare Konstituenten
bei der Ableitung
Unmittelbare
Konstituenten
ein
selbstständiges
Element
ein
Wortbildungs-
morhem
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die
Ableitungsbasis
das
Ableitungselement
11. Das Ableitungselement
Als Ableitungselemente bei expliziten Derivaten dienen:
• Suffixe (serb. суфикс)
/klug/ + /-heit/ /klugheit/
• Suffixoide (serb. суфиксоид)
/rechnung/ + /-wesen/ /rechnungswesen/
• diskontinuierliche Konstituenten (aus einem Präfix und einem
Suffix) (serb. дводелна/двокомпонентна конституента)
/arzt/ + /ver-…-en/ /verarzten/
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12. Die Funktionen der Suffixe
Semantische
und/oder
syntaktische
Umwandlung
Suffixe
Suffixoide
Suffixe
im Rahmen von
diskontinuierlichen
Konstituenten
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Modifikation
und
Transposition
13. Modifikation und Transposition
Die Funktionen der Suffixe umfassen:
I. semantische Modifikation
(= „semantische Abwandlung bei gleichzeitigem Erhalt der Wortart“)
Tisch Tischchen/Tischlein
Dichter Dichterling
Mensch Menschheit
rund rundlich
II. syntaktische Transposition
(= „semantische und syntaktische Umwandlung in eine andere Wortart“ oder in
eine andere Bedeutungsklasse)
weich Weichling
Tugend tugendlich
Tasche Täschner / Taschner (südd., österr.)
(Quelle: Doerfert, Regina 1994)
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Das Movierungssuffix –in und die
Diminutivsuffixe (-chen und –lein)
können ausschließlich
die Funktion
der semantischen Modifikation
ausüben!
ODER:
Semantische
Modifikation
+
syntaktische
Transposition
14. Merkmale von Suffixen
• Im Unterschied zu den freien/lexikalischen Morphemen:
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1. können die Suffixe nicht
selbstständig gebraucht
werden;
2. haben die Suffixe eine
kategorielle und keine
lexikalische Bedeutung;
3. müssen die Suffixe
reihenbildend sein;
15. Explizite Ableitungen –
ein Klassifikationsversuch
• Typische explizite Ableitung, f.
(serb. типично експлицитно извођење)
• Präfix-Suffix-Bildung, f.
(serb. префиксално-суфиксално извођење)
• Zusammenbildung, f.
(serb. сложено-суфиксална творба)
• Ableitung, f. mittels Suffixoid
(serb. суфиксоидно извођење)
• Ableitung, f. mit einem Konfix als Ableitungsbasis
(serb. конфиксално извођење)
• Explizite Ableitung, f. mit einem unikalen Element als Ableitungsbasis
(serb. изведенице са уникалном базом)
• Explizite Ableitung, f. mit Basiskürzung
(serb. скраћено-суфиксална творба)
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17. Präfix-Suffix-Bildung
• Ableitungsbasis:
ein Lexem
(ein freies Morphem oder eine Wortbildungskonstruktion)
• Ableitungselement:
eine Kombination aus Präfix und Suffix
Beispiele:
/schuld/ + /an- ... -igen/ /anschuldigen/
/weit/ + /er- ... -ern/ /erweitern/
/gott/ + /ver- ... -en/ /vergöttern/
/land/ + /ge- ... –e/ /gelände/ (das Gelände)
/mal/ + /ge- ... –de/ /gemälde/ (das Gemälde)
/heul/ + /ge- ... –e/ /geheule/ (das Geheule)
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Die produktivsten
Präfixe bei der
Präfix-Suffix-Bildung:
be-, ver-, ent-
und
Ge-
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In der deutschen Gegenwartssprache werden
durch Präfix-Suffix-Bildung
in erster Linie
Verben aus Substantiven und Adjektiven
sowie Substantive aus Verben
gebildet.
24. /Ge- …-t/, /Ge- … -st/…
• /Ge-...-t/:
Gehöft, n. (имање, мајур) ← Hof, m. (газдинство, двориште),
Gewicht, n. (тежина) ← wiegen (тежити, бити тежак);
• /Ge-...-st/:
Geschwulst, f. (тумор, израслина) ← schwellen (отећи/отицати),
Gespinst, n. (пређа) ← spinnen (прести);
• /Ge-...-de/:
Gebäude, n. (зграда) ← bauen (градити/саградити),
Gemälde, n. (слика) ← malen (сликати/насликати);
• /Ge-...-ter/:
Gelächter, n. (смех) ← lachen (смејати се);
• /Ge-...-sel/:
Geschreibsel, n. (шкработина) ← schreiben (писати/написати)
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25. Zusammenbildung
• Ableitungsbasis:
eine Wortgruppe
(meist eine substantivische Wortgruppe)
• Ableitungselement:
ein Suffix
Beispiele:
/blaue Augen/ + /-ig/ /blauäugig/
/zwei Spuren/ + /-ig/ /zweispurig/
/vier Beine/ + /-ig/ /vierbeinig/
/vier Beine/ + /-er/ /vierbeiner/ (der Vierbeiner)
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Besonders produktiv:
1. das Suffix –ig im
adjektivischen
Bereich
2. das Suffix –er im
substantivischen
Bereich
26. Ableitung mittels Suffixoid
• Ableitungsbasis:
ein Lexem
(ein freies Morphem oder eine Wortbildungskonstruktion)
• Ableitungselement:
ein Suffixoid
Beispiele:
-wesen: Staatswesen, Verlagswesen, Verwaltungswesen,
Steuerwesen, Zollwesen, Bibliothekswesen...
-werk: Backwerk, Blattwerk/Blätterwerk, Netzwerk, Schuhwerk,
Laubwerk...
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Besonders
produktiv:
die Suffixoide
-wesen und
–werk.
27. Ableitung mit einem Konfix als
Ableitungsbasis
• Ableitungsbasis:
ein Konfix
• Ableitungselement:
ein Suffix
Konfixe – lexikalische Morpheme aus klassischen Sprachen, die im
Deutschen nicht selbstständig gebraucht werden
Beispiele:
Universum, n., universal, universell, Universität, f., Universalie, f.,
Universalist, m., Universalität, f. ...
Logik, f., logisch, Logiker, m., Logizismus, m., logizistisch...
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28. Ableitung mit einem unikalen
Element als Ableitungsbasis
• Ableitungsbasis:
ein unikales Morphem
• Ableitungselement:
ein Suffix
Böschung, f. (= Steilhang) Bosch/Bösch (= Busch) + -ig
böschen (= unregelmäßig abfallendes Erdreich abschrägen und
befestigen) Bosch/Bösch (= Busch)
Innung, f. (= freiwillige Vereinigung selbstständiger Handwerker
zu einer Körperschaft) innon (= aufnhemen) + -ung
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29. Ableitung mit Basiskürzung
• Ableitungsbasis:
ein abbreviiertes Lexem
• Ableitungselement:
ein Suffix
/fundamentalist/ + /-i/ /fundi/ (der Fundi)
/realist/ + /-o/ /realo/ (der Realo)
/kugelschreiber/ + /-i/ /kulli/ (der Kulli)
/pulover/ + /-i/ /puli/ (der Puli)
/trabant/ + /-i/ /trabbi/ (der Trabbi)
/vater/ + /-i/ /vati/ (der Vati)
/prolet/ + /-o/ /prolo/ (der Prolo)
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29
Besonders
produktiv:
-i (-y) und -o
Wortbildungs-
Konstruktionen:
In der Regel
umgangssprachlich
31. Implizite Ableitung - Definition
„Eine implizite Ableitung ist ein freies Morphem oder eine freie
Morphemkonstruktion ohne Ableitungssuffix, das nicht durch
zwei unmittelbare Konstituenten, sondern als Ganzes durch
seine semantische und formale Beziehung auf ein anderes freies
Morphem oder eine Morphemkonstruktion motiviert ist. Es liegt
eine Transformation in eine andere Wortart vor.“
(Fleischer 1971)
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32. Eigentliche implizite Ableitung
• Dieses Wortbildungsmuster war für ältere Sprachstufen
charakteristisch, heute ist es unproduktiv.
• Nur im verbalen Bereich vertreten.
• Nach diesem Wortbildungsmuster wurden kausative und
faktitive Verben gebildet.
Beispiele:
fallen fällen neigen nicken
liegen legen reißen ritzen
schwimmen schwemmen schneiden schnitzen
sinken senken stechen sticken
sitzen setzen ziehen zucken
trinken tränken
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33. Implizite Ableitung
bei den Substantiven
• Die Substantive, die heute als implizite Ableitungen gelten,
sind eigentlich noch im Urindogermanischen durch explizite
Derivation entstanden.
• Im Laufe der Zeit sind die ursprünglichen vokalischen Suffixe
jedoch durch das Nullsuffix abgelöst worden (d. h. sie konnten
sich nicht halten).
• Heute erinnern solche Substantive daher auf den ersten Blick
stark an Rückbildungen – was sprachhistorisch betrachtet aber
nicht stimmt.
Beispiele:
brechen der Bruch
schwingen der Schwung
Fallen der Fall u. v. a. m.
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34. Implizite Ableitung
mit dem Ablaut
• Sprachhistorisch betrachtet handelt es sich bei dieser Gruppe
um Ableitungen mit dem sog. qualitativen Ablaut oder mit
dem e/i-Wechsel. Diese Lautenverschiebungen lassen sich bis
heute deutlich erkennen.
Beispiele:
schießen der Schuss
schneiden der Schnitt
schreiten der Schritt
wachsen der Wuchs
fließen der Fluss
finden der Fund
genießen der Genuss
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35. Implizite Ableitung
ohne den Ablaut
• Sprachhistorisch betrachtet handelt es sich bei den impliziten
Ableitungen ohne den Ablaut eigentlich um Ableitungen mit
dem sog. quantitativen Ablaut. Diese Lautverschiebung lässt
sich heute jedoch nicht mehr erkennen bzw. sie hat keinerlei
Spuren hinterlassen.
Beispiele:
schlagen der Schlag
fallen de Fall
fangen der Fang
raten der Rat
laufen der Lauf
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36. Analogiebildungen
• In Analogie zu den ursprünglichen substantivischen impliziten
Derivaten sind in den neueren Phasen der Sprachentwicklung
auch einige weitere Substantive gebildet worden.
Beispiele:
kaufen der Kauf
ausdrücken der Ausdruck
einführen der Einfuhr
ersetzen der Ersatz
verlegen der Verlag
u. v. a. m.
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37. Substantivische implizite Derivate
- Morphologische Charakteristika
• Substantivische implizite Derivate sind in der Regel Maskulina,
nur ausnahmsweise Neutra.
• Im Genitiv Singular haben sie die Endung –(e)s.
• Im Plural haben sie die Endung –e.
• Der Plural wird außerdem oft durch den Umlaut
gekennzeichnet.
springen der Sprung des Sprung(es) die Sprünge
ziehen der Zug des Zug(e)s die Züge
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38. Substantivische implizite Derivate
- Semantische Charakteristika
Substantivische implizite Derivate gehören meist zu einer der
folgenden beiden Bedeutungsgruppen von Substantiven:
• Nomina Actionis
(Substantive, die ein Geschehen bezeichnen)
• Nomina Acti
(Substantive, die das Ergebnis eines Geschehens bezeichnen)
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40. Rückbildung
• Alternative Bezeichnungen: retrograde Bildung, inverse
Bildung
• Bei der Rückbildung wird ein Suffix nicht hinzugefügt, sondern
getilgt.
• In der deutschen Sprache unterliegt meist das adjektivische
Suffix –ig einer solchen Tilgung.
• Dieser Prozess ist nur sprachhistorisch nachzuweisen.
Beispiele:
blödsinnig das Blödsinn
großmütig die Großmut
kleinmütig der Kleinmut
freimütig de Freimut
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41. Literaturverzeichnis
• Doerfert, Regina (1994). Die Substantivableitung mit –heti/-
keit, -ida, -i im Frühneuhochdeutschen. Berlin: Walter de
Gruyter.
• Fleischer, Wolfgang (1971). Wortbildung der deutschen
Gegenwartssprache. Leipzig: Akademie Verlag.
• Kostić-Tomović, Jelena (2013). Tvorba reči u savremenom
nemačkom jeziku. Beograd: FOKUS.
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