1. Controlling-Audit
Controlling-Audit
von Alexander Großhäuser, Hartmut Ibershoff,
Hans Jochen Kluetsch, Thilo Knuppertz,
Heinz Schlagner, Adryan Villalobos und Dieter Wäscher
„Der von Dieter Wäscher geleitete und seit trachten sich selbst als hocheffizient im Hin- • praktische Erfahrungen aus der Controller-
1977 bestehende AK West I steht seit Jahren blick auf wenigstens zwei der genannten drei Welt müssen so berücksichtigt werden, dass
für Innovationen in Sachen Controlling. Er hat Ziele (Performance, Wachstum, Risiken), wäh- die Anwendbarkeit auch für KMU’s möglich
mit den Statements Prozeßkosten-Manage- rend sich alarmierende 50 % in keinem der drei und verständlich ist;
ment (1994) und Kundenorientiertes Vertriebs- Aufgabenbereiche wirklich effektiv finden. • methodische Kriterien sollen das Controlling-
controlling (2002) innovatives Neuland be- Überfrachtet von zuviel Administration, von ge- Audit „anspruchsvoll“ genug machen, um ein
schritten”. setzlichen und steuerlichen Vorgaben, schaffen ganzheitliches und nachhaltiges Verständnis
es die Controlling-Verantworlichen kaum, aus von Controlling sicherzustellen.
Durch das Controlling müssen bei der Ge- der Datenflut die versteckten Informationen für
schäftsführung von Unternehmen wesentliche zukünftiges Wachstum und Innovationspoten- Die in der einschlägigen Literatur wie auch der
Erkenntnisse über Performance, Rationa- tiale zu identifizieren. Wesentliche Ursache da- DIN Spec 10862 beschriebenen Grundsätze
lisierungspotentiale, Wachstum und Po- für sind offensichtlich: und Anforderungen an den Controlling-Pro-
tentiale, aber auch mögliche Risiken be- zess sowie die Controller-Funktion bilden den
reitgestellt werden. Aufgabe des Controlling • fehlende einheitliche Prozesse im Controlling, strukturellen Rahmen für die systemische
ist es, über eine korrekte und transparente • fehlende Standards und Regeln zur Vereinfa- Festlegung der ausgewählten Audit-Felder –
Unternehmensberichterstattung hinaus im chung der Prozesse; sowie deren Bewertung bezogen auf Control-
Rahmen einer dynamischen Analyse des Un- • fehlende Reduzierung der Anzahl von IT- ling-Instrumente.
ternehmensgeschehens, angereichert mit ex- Plattformen und -technologien auf ein sinn-
ternen Marktdaten, Entscheidungsgrundlagen volles Maß, d. h. fehlende Standardisierung
für das Management zu erstellen und die kon- der System-Landschaft; Zielsetzung
sequente Umsetzung der Entscheidungen si- • fehlender oder unzureichender Einsatz von
cherzustellen. Key Performance Indicators mit Reduzierung Das vom Arbeitskreis West I entwickelte Con-
auf ein integriertes System für Budgetierung trolling-Audit will helfen, vorhandene Mög-
Bisher beschäftigen sich das Controlling und und Reporting. lichkeiten zur Verbesserung des Controlling
dort tätige Leiter und Mitarbeiter mit Verände- als Führungsfunktion zu erkennen und die
rungen im Finanzwesen, von der Transaktions- Daraus ergibt sich die Herausforderung, die Leistungsfähigkeit entsprechend gezielt zu
verarbeitung bis hin zur Entscheidungsunter- Effektivität und Effizienz von Controlling steigern. Damit besteht erstmals die Möglich-
stützung. In den 90er Jahren wurden im Fi- nachhaltig steigern zu müssen. Welche In- keit, systematisch den Einsatz von Control-
nanz-und Controllingbereich eingesetzte ERP- strumente und Ansätze stehen dafür aktuell zur ling-Instrumenten in Unternehmen anhand
Systeme kompakter mit schlankeren Verfahren Verfügung? Diese Frage stellte sich der Ar- eines ganzheitlich orientierten Kriterienkata-
der Transaktionsverarbeitung und mehr Ge- beitskreis West I im ICV. Dabei kam eine er- logs zu prüfen und damit eine Standortbe-
wicht auf Leistungsmanagement fokussiert. staunliche Erkenntnis zum Tragen: Zur syste- stimmung für den Einsatz des Controllings in
Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang matischen Beurteilung der Leistungsfähigkeit Unternehmen vorzunehmen. Ein ganzheit-
das Ergebnis einer Untersuchung von IBM- des Controlling stehen brauchbare Instrumente licher Blick auf das Controlling und seine In-
Consulting-Services1 (eine Befragung von 889 nur in Ansätzen zur Verfügung. Aus dieser Situ- strumente soll den Controlling-Kunden nahe-
Finanz-und Controlling-Verantwortlichen aus ation entstand die Idee zur Entwicklung gebracht werden, damit diese Werkzeuge
74 Ländern): Obwohl im Controlling eine Fülle eines Controlling-Audits. nutzbringend eingesetzt werden und zu Ver-
von Daten verfügbar sind, fällt es 70 % der änderungen hin zum Besseren führen. Das
Unternehmen schwer, eindeutige Aussa- Dieses angedachte Controlling-Audit sollte da- Controlling-Audit schärft die Sicht auf eine
gen über Performance, Wachstum und bei insbesondere zwei wesentliche Bedin- Management-Unterstützung in der Weise,
78 mögliche Risiken zu treffen. Nur 13 % be- gungen erfüllen: dass das Controlling mit seinen Instrumenten
2. CM Mai / Juni 2011
die richtigen Dinge richtig tut und damit Effek-
tivität und Effizienz von Unternehmen sichert.
Das Controlling-Audit stellt und beantwortet die
Standortbestimmung des Controlling in den
einzelnen Unternehmen über Fragen aus Eigen-
sicht und aus Fremdsicht (siehe Abbildung 1):
• Status – Wo stehen wir aktuell mit dem
Controlling (im Vergleich zur Zielsetzung, zu
vergleichbaren Unternehmen)?
• Zielsetzung – Wo wollen wir hin? Welche
größeren Verbesserungen sind mit wenig
Aufwand erreichbar? Welche Veränderungen
sind notwendig? Abb. 1: Auswertung-Diagramm über Stärken und Handlungsbedarf
• Benchmark – Wie effektiv und effizient ist
das eigene Controlling in Bezug auf ver- impliziert dann als Spiegelbild auch eine wertungs-Ziffern 1 und 5) formuliert. Diese Be-
gleichbare Unternehmen (ähnlicher Größen- Steigerung der Wirksamkeit des Control- wertungshilfen ermöglichen es dann auch fest-
ordnung oder aus derselben Branche)? lings. zulegen, in welcher Ausprägung welche Instru-
mente für welche Art von Unternehmen sinnvoll
Für die Durchführung des Controlling Audit wer- • Verbesserung der Effektivität und Effizienz im sind, um dieses effizient zu führen (Zielsetzung,
den dazu zusammengefasste Bewertungsbe- Unternehmen – der höhere Reifegrad des siehe Abbildung 1).
reiche – und in diesen Einzelkriterien – zur Eva- Controlling sollte im nächsten Schritt auch
luation zur Verfügung gestellt. Abbildung 1 zeigt die Leistungsfähigkeit des Unternehmens ge- Dazu ein Beispiel für ein Kriterium mit der Be-
eine grafische Auswertungsmöglichkeit der Be- nerell steigern. Natürlich ist nicht auszu- wertungsziffer 10 aus dem Bereich Tooling:
reiche, die bereits auf den ersten Blick Stärken schließen, dass Unternehmen im Einzelfall „Das Target Costing hat wesentlichen Einfluß
und Schwächen sowie Abweichungen zur Ziel- auch bei einem reifen Controlling in Schwierg- auf die Entscheidung des Managements in Be-
setzung und zu Benchmarks aufzeigen. Die Be- keiten geraten können. zug auf Einführung und Weiterentwicklung von
reiche werden in Kapitel 4 weiter beschrieben. Produkten. Die Fachabteilungen Konstruktion,
Einkauf, Produktion und Vertrieb sind eingebun-
Für jedes Unternehmen besteht damit die Mög- Konzept und Vorgehensweise den und Wertanalysen werden durchgeführt.”
lichkeit, das Controlling-Audit im Sinne einer
Reifegradanalyse anzuwenden und insbeson- Abbildung 2 zeigt eine Übersicht über den Auf- Alle Kriterien des Controlling-Audits bilden in
dere folgende Schritte zur Verbesserung der bau und die Methodik des Controlling-Audit. der Gesamtheit den Kern eines effektiven und
Unternehmenssteuerung festzulegen: Ausgehend von sehr komplexen Unternehmen effizienten Controllings. Eine durchgängig
haben wir im Controlling-Audit die Anwendung hohe Bewertung der Kriterien impliziert,
• Festlegung eines unternehmensspezisch op- aller denkbaren Controlling-Instrumente vorge- dass das Controlling einen maßgeblichen
timalen Controllings – nicht für alle Aspekte sehen und diese zu 8 Bereichen zentralisiert. Einfluß auf Entscheidungen des Manage-
des Controllings kann in einem Unternehmen Diese Bereiche fassen als Module gleichartige ments hat.
ein idealer Zustand zweckmäßig oder gar er- Controlling-Audit-Kriterien zusammen, um
reichbar sein. Die Aufgabe besteht darin, systematisch Stärken, Schwächen und
machbare und zielführende Schwerpunkte Handlungsbedarf innerhalb der Bereiche Audit-Bereiche und Verständnis
zu setzen im Sinne einer unternehmenspezi- übergreifend auszuwerten.
fischen Vorgehensweise. Die Zielsetzung des Controlling liegt insbeson-
In den einzelnen Bereichen werden mehr als 10 dere darin, durch Bennennung aller relevanten
• Ableitung von Verbesserungsmaßnahmen Einzelkriterien hinzugezogen. Die Bewertung und wesentlichen Kriterien eine hohe Wirksam-
(u.a. Priorisierung) – aus dem Audit lassen erfolgt jeweils anhand einer 10-stufigen Skala keit des Controllings aufzuzeigen und Nachhal-
sich für jedes Kriterium und jeden Bewer- von 1 (niedrig) bis 10 (hoch). Dabei haben wir tigkeit zu gewährleisten. Dazu wurden – wie
tungsbereich mögliche Verbesserungsmaß- im Sinne eines Reifegradmodells für jedes In- bereits erwähnt – alle gefundenen und im Ar-
nahmen definieren. strument sowohl die maximale Bewertung (Be- beitskreis erarbeiteten Kriterien zu 8 Bereichen
wertung 10 für die Anwendung des Controlling- gruppiert. Diese stellen wir nachfolgend mit ei-
• Erhöhung der Wirksamkeit des Controllings Instruments in der komplexesten Ausprägung) nigen Kernfragen und Aspekten der Reifegrad-
– ein höherer „Reifegrad“ des Controllings als auch die reduzierteren Ausprägungen (Be- bewertung beispielhaft vor! 79
3. Controlling-Audit
und Integrität und einer besonderen Verhal-
tenspartnerschaft geprägt.
° Tooling – Standardisierte Methoden und
Werkzeuge sind angemessen im Unterneh-
men im Einsatz. Dazu gehören u.a. strate-
gische und operative Werkzeuge, die das
Controlling für eine erfolgreiche Anwendung
Abb. 2: Übersicht über den Aufbau und die Methodik des Controlling-Audit benötigt (z. B. Instrumente zum Controlling
von Kosten wie „Target Costing“). Gleichfalls
° Strategiebegleitung – Controlling unter- begleitet diese für alle Informationszielgrup- werden Tools zum Controlling von Unterneh-
stützt die Strategieentwicklung und -umset- pen erfolgreich. Mit den Kriterien des Be- mensbereichen und spezifischen Steue-
zung im Unternehmen. Dafür werden Instru- reiches Interaktion werden insbesondere rungsfeldern (z. B. Investitionscontrolling) im
mente aus den zwei Gesichtspunkten der Aspekte der Kommunikationseffektivität Audit berücksichtigt.
Strategieentwicklung und Methoden zur und -effizienz überprüft.
Strategieumsetzung benötigt. Dazu gehören ° Informationsgenerierung – Für die Unter-
z. B. Fragen, inwieweit das Controlling eine ° Organisation – Das Controlling ist inte- nehmenssteuerung relevante Kennzahlen
gezielte Standortbestimmung des Unterneh- graler und akzeptierter Bestandteil der Un- sind vorhanden. Dieser Kriterienbereich
mens und seines Umfeldes ermöglicht. Von ternehmensorganisation. Kriterien, die hier stellt mit den beschriebenen Anforderungen
Interesse für die Reifebewertung ist auch die berücksichtigen werden, sind u.a. die sicher, dass dem Controlling ein effizientes
Frage, ob langfristige Ziele transparent für Handhabung von Controlling-Prozessen Reporting aller festgelegten Informationen
die Steuerung und die nachfolgende opera- (Ablauforganisation) wie auch die Aufbau- gelingt (vgl. Abbildung 3).
tive Ebene zur Verfügung stehen. perspektive. Weiterhin ist es wichtig, die
Aufgabeninhalte des Controllings in Bezug ° Informationsverwendung – Ein standar-
° Planung – Controlling initiiert und koordi- auf die Ausführung und Wirksamkeit zu disiertes, empfängerorientiertes, konsis-
niert den Planungsprozess und stellt langfris- untersuchen. Ein weiteres Bündel von Kri- tentes und zeitnahes Reporting-System ist
tige und operative Pläne zur Steuerung des terien beschäftigt sich mit Fragen nach vorhanden. Controlling muss sich mit we-
Unternehmens zur Verfügung. Dabei wer- den Ressourcen für Controlling und deren sentlichen Kriterien gleichfalls daran mes-
den u.a. Fragen hinsichtlich der Verbindung Handhabung. sen lassen, ob die Verwendung von Infor-
zwischen strategischer und operativer Pla- mationen effizient erfolgt. Dazu gehört z. B.
nung als Kriterium bewertet. Ein weiteres ° Kompetenzen – Die mit Controlling-Aufga- die Frage, ob das bestehende Reporting
Beispiel ist die Aussagefähigkeit und Um- ben betrauten Mitarbeiter verfügen über empfängerorientiert aufgebaut ist oder hier
setzbarkeit der aufgestellten Budgets als notwendige Fähigkeiten und Kenntnisse. Im Nachholbedarf besteht.
das Ergebnis der Planung. Bereich „Kompetenzen“ wird die Zusam-
menarbeit des Controllings mit dem Ma-
° Interaktion – Das Controlling adressiert nagement insbesondere durch ein adä- Anwendung und Einsatz
systematisch alle für die Führung erforder- quates positives Verhalten des Controllings
lichen Kommunikationsanforderungen und mit einem hohen Maß an Glaubwürdigkeit Das Controlling muss als Anforderung sowohl
bei der Durchführung des Audits als auch hin-
Autoren sichtlich der Ergebnisbetrachtung eine prak-
tische Handhabung ermöglichen. Für die Durch-
führung ergeben sich unterschiedliche Einsatz-
szenarien je nach Anwendungsziel im Unterneh-
men, die in Abbildung 4 aufgezeigt sind:
• Selbstbewertung – das Controlling Audit
wird als Standard-Anwendung im Sinne
einer schnellen Durchführung vom Unterneh-
men selbst angewendet. Dazu ist von der
Ausschuss des Arbeitskreises West I des Internationalen Controller Verein (ICV) Arbeitsgruppe vorgesehen, einen Internet-
Dipl.-Kfm. Heinz Schlagner, Dipl.-Kfm. Alexander Großhäuser, Dipl.-Kfm. Dieter Wäscher, basierten Zugang zur Bewertung zu benut-
Dipl.-Kfm. Hartmut Ibershoff, Dipl.-oecc. Hans Jochen Kluetsch, Dipl.-Kfm. Thilo Knuppertz zen. Die Ergebnisse werden dann per mail
80 oder online zur Verfügung gestellt. Vorteil ist