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Prof. Dr. Werner Heinrichs: Strategisches Kulturmanagement. Frühzeitig Potenziale für den Erfolg von morgen schaffen
1. Planung und Steuerung D 1.1
Strategie und Entwicklung
Strategisches Kulturmanagement
Frühzeitig Potenziale für den Erfolg von morgen schaffen
Prof. Dr. Werner Heinrichs
Der Beitrag enthält eine grundlegende Einführung in das strategische Kulturmanagement anhand
zahlreicher praktischer Beispiele. Es wird ein Einblick in die verschiedenen Analysetechniken ge-
geben, die als Werkzeug zur Ermittlung strategischer Alternativen im Einzelnen vorgestellt werden.
Schließlich wird die Umsetzung von Strategien in Planungen und Handlungsschritte behandelt.
Gliederung Seite
1. Wovon die Rede sein soll … 2
2. Zur Theorie des strategischen Managements 3
2.1 Strategisches und operatives Management 3
2.2 Strategisches Management im Kulturbetrieb 5
3. Elemente und Schrittfolgen des strategischen Kulturmanagements 7
3.1 Externe Faktoren 7
3.2 Interne Faktoren 9
3.3 Strategisches Kulturmanagement als Prozess 10
4. Techniken der strategischen Analyse 12
4.1 Produktlebenszyklus-Analyse 13
4.2 Portfolio-Analyse 14
4.3 Stärken-Schwächen-Analyse 17
4.4 SWOT-Analyse 21
4.5 Szenariotechnik 22
4.6 Balanced Scorecard 25
5. Strategische Alternativen und strategische Entscheidungen 26
6. Operative Umsetzung strategischer Planung 29
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2. D 1.1 Planung und Steuerung
Strategie und Entwicklung
1. Wovon die Rede sein soll …
Erfolg im Kulturmanagement hängt nicht nur von der Fähigkeit ab,
ein Projekt unmittelbar umsetzen zu können und gegebenenfalls mit
Improvisationsgabe auf kurzfristig auftretende Herausforderungen
flexibel zu reagieren, sondern mindestens in gleichem Maße auch von
der Fähigkeit, frühzeitig Potenziale zu schaffen, die langfristig einen
Erfolg sichern.
Strategisches Während man die unmittelbare Umsetzung von Zielen in konkreten
Kulturmanagement Projekten und zeitnahen Handlungen als operatives Kulturmanage-
ment bezeichnet, spricht man in der längerfristigen Perspektive von
einem strategischen Kulturmanagement.
Als strategisches Kulturmanagement bezeichnet man den Entwurf
und die Gestaltung von Umwelt zur Schaffung und Sicherung von Po-
tenzialen, die die Grundlagen für die Erfolge von morgen bilden kön-
nen.
Zwar ist jedes strategische Management – im Kulturbetrieb wie in
jedem anderen Managementbereich – langfristig angelegt, doch ist der
zeitliche Aspekt nicht das entscheidende Kriterium. Die mehrjährige
Vorbereitung einer Kunstausstellung ist zwar eine langfristige Aufga-
be, zählt deshalb aber noch nicht zum strategischen Kulturmanage-
ment. Dagegen ist der Bau einer neuen Stadthalle mit entsprechenden
Vorrichtungen für kulturelle Veranstaltungen eindeutig Bestandteil des
strategischen Managements, weil hier eine neue Umwelt geschaffen
wird, deren Potenziale (Bühne, Technik, Sach- und Personalressourcen
usw.) sich zu einem späteren Zeitpunkt als Grundlagen operativer
Erfolge erweisen dürften. Die langfristig geplante Ausstellung ist eine
konkrete und singuläre Veranstaltung und damit durchgehend eine
operative Aktion. Der Stadthallenbau dagegen betrifft noch keine kon-
krete Veranstaltung, er bildet lediglich die Basis für eine künftige Be-
lebung des örtlichen Kulturangebots.
Relevanz für die Damit wird deutlich, dass es im strategischen Bereich immer um
gesamte grundsätzliche Entscheidungen geht, die für die gesamte Kulturinstitu-
Kultureinrichtung tion von erheblicher Tragweite sind und keinesfalls nur einen einzel-
nen Arbeitsbereich betreffen. Gerade wer Leitungsfunktionen in einem
öffentlichen, gemeinnützigen oder privatwirtschaftlichen Kulturbe-
trieb wahrnimmt oder anstrebt, sollte sich deshalb intensiv mit strate-
gischem Kulturmanagement befassen.
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3. Planung und Steuerung D 1.1
Strategie und Entwicklung
2. Zur Theorie des strategischen
Managements
Strategie und strategische Planung sind Begriffe aus der Militärspra-
che.1 Nach der Kriegslehre entwirft der Stratege den Verlauf einer
künftigen Schlacht, d. h., er hat es mit einer
Umwelt zu tun, die es in Wirklichkeit (noch)
nicht gibt. Damit der Stratege die ihm noch
unbekannte Umwelt genau „gestalten“ und
die Erfolgspotenziale effektiv setzen kann,
benötigt er eine Fülle von möglichst präzisen
Informationen. Das ist im strategischen Ma-
nagement der Unternehmensführung nicht Ziel- und Leistungsvereinbarungen
anders. Doch während der Militärstratege
Spione, Kundschafter, Aufklärer usw. ein- Strategisches Management erfordert verlässli-
setzt, beschränkt sich der unternehmerische che Strukturen und Prozesse. Mehr und mehr
Stratege auf möglichst wirkungsvolle Analy- ermöglichen öffentliche Träger ihren Kulturein-
seinstrumente. Die Qualität der Analyse ent- richtungen ein strategisches Management über
scheidet in hohem Maße über den Erfolg Ziel- und Leistungsvereinbarungen. Diese ba-
eines strategischen Managements. sieren auf dem „Neuen Steuerungsmodell“, das
den öffentlichen Kultureinrichtungen mehr de-
zentrale Ressourcen-Verantwortung überträgt.
2.1 Strategisches und operatives
Management
Es klang bereits an, dass vom strategischen das operative Management Unterschied
zu unterscheiden ist. Wenn sich ein Theater dazu entschließt, die vor-
handene kleine Gruppe von Tänzerinnen und Tänzern zu einem selbst-
ständigen Ballettensemble zu erweitern, um nicht nur Tanzeinlagen in
Opern und Operetten, sondern auch abendfüllende Ballettaufführun-
gen anbieten zu können, so handelt es sich um einen Teil des strategi-
schen Managements. Dagegen ist die Vorbereitung und Durchführung
eines Ballettabends Teil des operativen Managements.
Mit der Einrichtung des Ballettensembles wird die Umwelt der Thea-
teraktivitäten verändert. Gleichwohl entsteht allein durch die Schaf-
fung des Ensembles noch kein unmittelbarer Erfolg; ganz im Gegen-
teil sind damit ausschließlich Kosten verbunden. Aber es besteht die
Chance künftiger Erfolge, d. h., es wird ein Potenzial für die Erfolge
von morgen geschaffen.
Damit wird deutlich, dass strategische Entscheidungen immer lang-
fristig angelegt sind; man braucht gleichsam einen langen Atem, bis
sie Wirkung zeigen. Dagegen zeigt sich der Erfolg einer einzelnen
Veranstaltung sehr schnell. Noch am gleichen Tag weiß man, ob die
Sache gelungen oder gescheitert ist.
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4. D 1.1 Planung und Steuerung
Strategie und Entwicklung
Strategische Strategische Entscheidungen sind von so weitreichender Bedeutung,
Entscheidungen sind dass sie immer eine Aufgabe der Unternehmensleitung sein müssen.
Leitungsaufgaben Das strategische Management betrifft das Unternehmen bzw. die Insti-
tution als Ganzes; nicht selten haben strategische Entscheidungen
erhebliche Auswirkungen auf die Entwicklung und Positionierung der
gesamten Unternehmung.
Zusammenfassend sind in der folgenden Tabelle die wichtigsten Un-
terscheidungskriterien zwischen einem strategischen und operativen
Management aufgelistet:
Tab. D 1.1-1 Unterscheidungskriterien strategisches und operatives Management
Strategisches Management Operatives Management
entwirft und gestaltet Umwelt bearbeitet Umwelt
schafft zukünftige Erfolgspotenziale führt unmittelbar zu Erfolg oder Misserfolg
betrifft grundsätzliche und längerfristig wirkende betrifft aktuelle und kurzfristig wirkende Ziele
Ziele, häufig von unternehmenspolitischer Bedeu-
tung
hat Einfluss auf die Institution bzw. Unternehmung hat nur Einfluss auf einen begrenzten Arbeitsbe-
in ihrer Gesamtheit reich
ist eine Aufgabe der Betriebsleitung ist eine Aufgabe eines Sachbearbeiters
ist generalistisch ausgerichtet erarbeitet planerisch die Einzelprobleme, die in
der strategischen Planung nicht erfasst werden
konnten
ist auf Effektivität ausgerichtet (die richtigen Dinge ist auf Effizienz ausgerichtet (Dinge richtig tun)
tun)
bildet den Input für die operative Ebene sichert den effizienten Vollzug der strategischen
Planung
Effektivität und Effizienz Die Abgrenzung zwischen strategischem und operativem Management
ist eine gute Gelegenheit, um sich den Unterschied zwischen Effekti-
vität und Effizienz klarzumachen. Im strategischen Management geht
es immer darum, die richtigen Entscheidungen zu treffen (Effektivi-
tät), während es im operativen Management darauf ankommt, strategi-
sche Entscheidungen richtig umzusetzen (Effizienz).
Die letzte Zeile sollte nicht übersehen werden. Sie verdeutlicht, dass
strategisches und operatives Management nicht losgelöst nebeneinan-
der stehen, sondern in starkem Maße voneinander abhängen. Nur ein
professionelles strategisches Management kann ein Input für die ope-
rative Ebene sein, denn schlechte strategische Vorgaben lassen sich
auch in einem guten operativen Management nicht Erfolg verspre-
chend umsetzen. Umgekehrt nützen auch die besten strategischen
Planungen nichts, wenn man der Qualität des operativen Manage-
ments zu wenig Aufmerksamkeit widmet.
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