1. Das Business steuert den Bedarf
Informatiktrends in der Logistik werden durch die Bedürfnisse des Business, das sich am Markt orientiert und mit seinen
Erträgen Unterstützungsfunktionen wie die IT finanziert, gesetzt, nicht durch die technologische Machbarkeit.
Um Unternehmensbedürfnisse zu lösen,
sind innovative Technologien zwar wichtig,
letztendlich sind sie aber nur Mittel zum
Zweck. Denn die Trends in der logistik-
unterstützenden Informatik, heute
Logismatik genannt, werden von den
gegenwärtigen und künftig geltenden
Markt- und Rahmenbedingungen beein-
flusst. Identifiziert werden Informatiktrends
«top down», das heisst durch die Analyse
der Märkte und ihrer Gegebenheiten, oder
«bottom up» auf der Basis empirischer
Umfragen und Studien. Aus diesem Grund
arbeiten erfolgreiche Unternehmen eng mit
Persönlichkeiten aus Theorie und Praxis
zusammen. Offene oder geschlossene
Netzwerke wie Erfahrungsgruppen, Fach-
beiräte oder fachspezifische Service-Clubs
dienen dem Gedanken- und Interessen-
austausch. Besonders wichtig sind die
Aussagen kompetenter Marktteilnehmer, in
der Regel auf Geschäftsleitungsebene, aus
denen sich ein verlässliches Gesamtbild
zusammenfügen lässt. In der Logismatik
stehen heute verschiedene, hoch aktuelle
Themen zur Diskussion: der intensivierte
Wettbewerb, die Individualisierung der
Kundenbedürfnisse bei sinkender Kunden-
loyalität und steigenden Kundenan-
sprüchen, die Vernetzung von Unter-
nehmen und das Bilden strategischer
Allianzen, das Ausschöpfen der Potenziale
neuer Informationstechnologien und letzt-
lich auch das Erschliessen und Nutzen des
im Unternehmen schlummernden Wissens.
Logistik und Spedition: Eine «Comet»-Themenzeitung22
noch kein Wert geschaffen – ausser für die
Systemlieferanten und Berater. Deshalb
gilt: Das Management der IT muss in der
eigenen Firma bleiben oder durch neutrale
Vertrauensleute sichergestellt werden – ein
Know-how-Verlust kann letztlich die
Existenz des Unternehmens gefährden.
Wie läuft es in der Praxis ab?
In der Firma werden Evaluationen für neue
IT-Lösungen durchgeführt. Die Ziele sind
bekannt, die Problemfelder identifiziert, die
Anforderungen definiert. Die Vertreiber
technischer Neuerungen versprechen, die
vorhandenen Probleme mittels komplexer
Massnahmen zu lösen. Man glaubt ihnen.
Auf dieser Basis versuchen die
Unternehmen, durch den technischen
Fortschritt und Produktivitätsverbes-
serungen an die wirtschaftliche Spitze zu
gelangen. Bereits in der Konzeptphase zei-
gen sich erste Erkenntnisse: Abläufe inner-
halb der Kernprozesse verändern sich,
neue Funktionen werden geschaffen. Der
Silberstreifen am Horizont zeigt, dass vie-
les anders wird. Aber wird es auch besser?
Spätestens in der Abschlussphase kommt
die ernüchternde Bilanz, bei immer wieder
gleichen Resultaten. Rein technisch wur-
den die aus dem Tagesgeschäft entwach-
senen Wünsche zwar realisiert, sie ziehen
aber Probleme nach sich: finanzielle, weil
zu komplexe Prozesse abgebildet werden
mussten, und durch die fehlende Akzep-
tanz der Benutzer auch personelle, weil
diese jetzt den Durchblick verloren haben.
Was eine Firma wirklich braucht
Zum Beurteilen, welche direkten Folgen in
den Prozessen entstehen können, wenn ein
neues System entwickelt und eingeführt
wird, benötigt das Unternehmen Experten.
Sie müssen Logistik und Informatik als
ganzheitliches System verstehen und ver-
binden können. Die Firma braucht qualifi-
zierte Vertrauensleute oder Mitarbeitende,
die in der Logismatik ausgebildet sind. Das
Fachgebiet ist jung, wird aber zunehmend
wichtiger. In der Schweiz gibt es eine
Logismatikausbildung, die mit dem
geschützten Titel «dipl. Logistik-IT-Leiter»,
einer BBT-anerkannten höheren Fachprü-
fung abgeschlossen werden kann.
Fachgebiet mit hohen Anforderungen
Für das Berufsbild des Logistikers /
Logismatikers sind exzellente Fach-
kenntnisse und eine wirkungsvolle
Führungsausbildung notwendig. Im Bereich
der Fachkenntnisse sind die Gebiete
Supply Chain Management, Logistik-Tech-
nologie, logistikunterstützende Informatik
von hoher Bedeutung. Daneben erfordert
die betriebswirtschaftliche Seite Know-how
in strategischer Planung, Projektmanage-
ment und BWL/Controlling. Im Rahmen der
Ausbildung werden verschiedene Logis-
matikdisziplinen gelehrt. Dazu gehören E-
Commerce/Internet, Enterprise Ressource
Planning (ERP), Stammdaten/Produkt-
daten-Management, Prognose-Systeme,
Advanced Planning and Scheduling (APS),
Infosysteme/Data-Warehouse, spezielle
Logistikanwendungen sowie weitere aktu-
elle Themenbereiche. Und in Anbetracht
der zunehmenden Globalisierung spielen
interdisziplinäre Kenntnisse, Fremdspra-
chen und Soft-Skills eine wichtige Rolle.
Für Letztere benötigt der Logis-
matiker analytisches und ganzheitliches
Denken, Organisationstalent, Teamorien-
tierung, Mobilität, Kreativität und Integrität,
im Idealfall gepaart mit einer Führungsaus-
bildung. Mit ihrem erworbenen Rucksack
können Logismatiker vier erfolgsentschei-
dende Aspekte einbringen: effiziente
Organisation, wirkungsvolle Informatik,
zielstrebiges Projektmanagement und
effektives Risikomanagement.
Effiziente Organisation
Unternehmen streben eine Organisation an,
die Ihnen Wettbewerbsvorteile bringt. Mit
anerkannten und neuartigen Methoden
müssen praxisbezogene und einfache
Lösungen erarbeitet werden. Eine unkon-
ventionelle Denkhaltung und das Rütteln an
Fundamenten haben dabei schon
oft schlummernde Potenziale geweckt.
Umfassende Lösungen beziehen den
Waren-, Informations- und Finanzfluss mit
ein und sorgen so für eine effiziente Pro-
zessorganisation und Logistik. Eine wirk-
same Informatik braucht Ziele und eine Be-
schränkung auf das Wesentliche. Mit aner-
kannten Engineering-Methoden wird der
nötige Rahmen geschaffen, der zur Orga-
nisation des jeweiligen Unternehmens passt.
Zielstrebiges Projektmanagement
Das A und O jeden Veränderungsprozesses
ist dessen Beherrschbarkeit. Diese reicht
von der Zielfindung und Einbindung
der Unternehmensleitung bis hin zum ziel-,
kosten- und termingerechten Abschluss.
Damit Projektmanagement in jedem Fall
nur Hilfsmittel bleibt und niemals Selbst-
zweck wird, achten erfahrene Projektleiter
immer auf schlanke, aber dennoch ausrei-
chende Strukturen. Und wenn es darum
geht, die verschiedenen Projekte innerhalb
des Unternehmens harmonisch aufeinan-
der abzustimmen, dann unterstützt die be-
währte Multi-Projektmanagement-Metho-
dik das Vorhaben so effektiv wie effizient.
Effektives Risikomanagement
In einer sich ständig verändernden Welt
sind Risiken aller Art stets präsent. In
dem Mass, in dem der Wandel sich
beschleunigt und die Komplexität des
Risikomanagements zunimmt, wächst
die Notwendigkeit, die entstehenden
Risiken unter Kontrolle zu bringen. Eine
professionelle Projektleitung schafft mit
ihrem breit gefächerten und erprobten
Instrumentarium die notwendige Trans-
parenz und erarbeitet mit den (internen)
Kunden effektive und realisierbare Mass-
nahmenpläne.
Wo die Wurzeln der Probleme liegen
Immer wieder ist zu lesen, dass Firmen rie-
sige Finanzinvestitionen in die Informatik
tätigen, schlussendlich jedoch weder Geld
gespart noch eine höhere Produktivität
erreicht haben. Werden gewisse Rahmen-
bedingungen beachtet, lassen sich die
Wertschöpfungseffekte deutlich verbes-
sern. Obwohl die Risiken bei der
Einführung von Informatik-Projekten grund-
sätzlich bekannt sind, zeigt die Praxis, dass
viele Unternehmen beim Planen und
Realisieren stets die gleichen Fehler
machen. Die wichtigsten Erkenntnisse las-
sen sich einfach zusammenfassen: Je
komplizierter eine Informatiklösung ist,
desto weniger taugt sie in der betrieblichen
Praxis. Mit der neuesten Technologie wird
Text: Christoph Kalt, CREAPROCESS AG Baar,
Fachhochschuldozent und Prüfungskommissionspräsident HFP
zum dipl. Logistik-IT-Leiter
Quelle: Christoph Kalt
Quelle: Christoph Kalt