Es gibt kein allgemein gültiges Rezept für eine Digitalisierungs-Roadmap. Jedes Unternehmen muss bewerten, für welche Produkte, Services, Prozesse oder Geschäftsmodelle der Einsatz von Ressourcen zur Digitalisierung Sinn macht. Wichtig ist, die Digitalisierung geplant und schrittweise voranzutreiben. So bleiben der personelle und finanzielle Aufwand, die organisatorischen und prozessualen Anpassungen, aber auch die Risiken für die Unternehmung tragbar.
Ein gutes Vorgehensmodell basiert auf dem ganzheitlichen Transformationsgedanken. Das Modell ist in aufeinander aufbauenden Schritten gestaltet und fördert eine klare Ausrichtung der Digitalisierung an den Zielen der Unternehmung. In diesem Artikel wird ein mögliches Vorgehensmodell zur digitalen Transformation vorgestellt und illustriert.
1. Digitalisierung in KMU
Autor: Raymond Martin, Oktober 2021
Neue Perspektiven in der Unternehmenssteuerung
Die Digitalisierung ist in aller Munde. Schlagwörter wie Digitale Transformation, Industrie 4.0, Big
Data oder Künstliche Intelligenz sind präsent in den Medien, der Politik sowie den Sitzungszimmern
von Führungskräften. Noch nie war es so leicht, Information zu geringen Kosten und in kürzester Zeit
zu finden, sammeln, verarbeiten und zu verbreiten. Das eröffnet in der Unternehmenssteuerung
neue Perspektiven. So hat sich In vielen Bereichen die Entwicklungsdynamik spürbar erhöht. Neue
digitale Geschäftsmodelle werden etabliert, neue Märkte entstehen oder bestehende Märkte
werden tiefgreifend verändert. Unternehmen sehen sich gezwungen, sich den verändernden
Rahmenbedingungen anzupassen oder verstehen diese zu ihrem Vorteil zu nutzen.
Gute Voraussetzungen für KMU, die Digitale Transformation erfolgreich zu meistern
Solche Veränderungen können in KMU mitunter zu Verunsicherung führen. Doch KMU sind nicht von
ungefähr eine zentrale Säule der Wirtschaft. Sie agieren oft flexibler und rascher als
Grossunternehmen. Wichtige Ziele der Digitalisierung: Zufriedene Kunden sowie Mitarbeitende,
effiziente Prozesse und verbesserte Produkte und Dienstleistungen sind den KMU vertraut.
Beschränkte finanzielle und personelle Ressourcen sowie teilweise fehlendes Know-how müssen kein
Nachteil sein. Fehlendes Know-how kann aufgebaut oder eingekauft werden. Knappe Ressourcen
helfen dabei, nur diejenigen Projekte anzugehen, die auch wirklich Nutzen stiften. Zudem haben
KMU dank ihrer Kundennähe und ihrer organisatorischen Strukturen sehr gute Voraussetzungen, um
die Digitalisierung erfolgreich zu meistern.
KMU sind den Umgang mit Automatisierungstechnologie gewohnt
Es gibt soziale und technische Weiterentwicklung in der Produktion schon seit jeher, die
Fliessbandfertigung von Ford oder das Lean Manufacturing von Toyota. Automatisierungstechnologie
hat auch bei KMU in den Bereichen Fertigung und Infrastruktur den Materialfluss optimiert, die
Maschinenauslastung verbessert und die Arbeits- und die Prozesssicherheit erhöht. Mit dem Einsatz
2. neuer Technologien durch die Digitalisierung ergeben sich aber auch für KMU neue Möglichkeiten,
besser zu werden.
KMU bewegen sich oft in einer analogen Welt mit Anlagen, Maschinen und physischen Produkten
Je nach Geschäftsmodell gibt es unterschiedliche Ausprägungen der Digitalisierungsmöglichkeiten.
Ein hoher Ausprägungsgrad ist bei rein digitalen Geschäftsmodellen gegeben, wie wir sie bei
Medienunternehmen oder in der Musikindustrie kennen. Oft bewegen sich KMU aber in einer
physischen Welt, in der es auch Anlagen, Maschinen und Produkte gibt. Es liegt in der Natur der
Sache, dass hier nicht vollständig digitalisiert werden kann. Weiter gibt es markante Unterschiede im
B2B-Geschäft zum B2C Geschäft.
Es gibt kein allgemein gültiges Rezept zur Digitalisierung
Es gibt kein allgemein gültiges Rezept für eine Digitalisierungs-Roadmap. Jedes Unternehmen muss
bewerten, für welche Produkte, Services, Prozesse oder Geschäftsmodelle der Einsatz von
Ressourcen zur Digitalisierung Sinn macht. Wichtig ist, die Digitalisierung geplant und schrittweise
voranzutreiben. So bleiben der personelle und finanzielle Aufwand, die organisatorischen und
prozessualen Anpassungen, aber auch die Risiken für die Unternehmung tragbar.
Vorgehensmodell zur digitalen Transformation
Ein gutes Vorgehensmodell basiert auf dem ganzheitlichen Transformationsgedanken. Das Modell ist
in aufeinander aufbauenden Schritten gestaltet und fördert eine klare Ausrichtung der Digitalisierung
an den Zielen der Unternehmung. Nachfolgend wird ein mögliches Vorgehensmodell vorgestellt und
illustriert.
1. Potentiale erkennen und bewerten
Jedes Unternehmen muss für sich das Potential ausloten, in welchen Bereichen durch die
Digitalisierung Wettbewerbsvorteile zu erzielen sind. Es gilt herauszufinden, wo das Geschäftsmodell
bestmöglich durch Automatisierung und Digitalisierung unterstützt werden kann oder wo unter
Umständen ein neues Geschäftsmodell entwickelt werden könnte. Wichtig dabei: Die Landkarte für
die Digitalisierung im Einzelfall ergibt sich aus der Unternehmensstrategie und -kultur sowie der
Zukunftsvision der Firma. Ein Standardrezept gibt es nicht, ebenfalls keine Abkürzung. Dem Ausloten
der Potentiale muss besondere Aufmerksamkeit und genug Zeit gewidmet werden.
Jedes Unternehmen muss sich die Fragen stellen, die für das Unternehmen relevant sind. Beispiele:
▪ Wo kann Mehrwert geschaffen und die Kundenbindung erhöht werden?
▪ Können unsere Kernkompetenzen auch für weitere, eventuell neue, Bereiche oder Märkte
verwendet werden?
▪ Wie lässt sich eine stärkere und robustere Position im Markt mit langfristigem
Wettbewerbsvorteil erreichen oder sichern?
▪ Wie können Produkte und Dienstleistungen und Service Levels optimiert werden?
▪ Wie kann über die gesamte Wertschöpfungskette rascher, produktiver, kostengünstiger und
qualitativ besser gearbeitet werden?
▪ Wie können wir uns über die gesamte Wertschöpfungskette gegen Marktverwerfungen oder
Cyberangriffe schützen?
▪ Wie kann die Leistungserbringung flexibilisiert und eine grössere Unabhängigkeit bei
Lieferketten unter dem Aspekt der Geschäftskontinuität erreicht werden?
▪ Wie soll der Grad der digitalen Zusammenarbeit über die gesamte Wertschöpfungskette
vertieft werden?
▪ Wie kann die Entscheidungskultur und die Entscheidungsgeschwindigkeit verbessert
werden?
▪ Wie sollen digitale Führungsmodelle und Modelle zur Führung auf Distanz aussehen?
▪ Wie erhalten und binden wir zufriedene und motivierte Mitarbeitende?
3. 2. Ziele festlegen
Die Ziele werden abgeleitet aus der Unternehmensstrategie festgelegt.
3. Handlungsfelder definieren und priorisieren
Aus der Potentialanalyse werden Handlungsfelder definiert und priorisiert. Die Handlungsfelder
können folgende Bereiche umfassen:
▪ Konstante Kundenorientierung
▪ Business Development - Neue Strategien und Geschäftsmodelle
▪ Leadership - Neue Ansätze in Führung, Kultur und Arbeit
▪ Process Engineering - Optimierte Arbeitsabläufe und Automation
▪ New Technologies: Apps, Internet der Dinge und Industrie 4.0
▪ Digitales Marketing: Neue Plattformen und Kanäle
▪ Cloud und Data, Systemlandschaft, IT-Infrastruktur
Die Priorisierung der Handlungsfelder erfolgt schliesslich mittels fundierten Business Cases. Die
notwendigen finanziellen Aufwendungen und der erwartete geldwerte Nutzen sind durch die
Business Cases bekannt. Das Unternehmen erhält damit fundierte Entscheidungsgrundlagen für die
Digitalisierungs-Roadmap.
4. Projekt Roadmap definieren
Aus den Handlungsfeldern werden Projekte mit eindeutigem Inhalt und Zielen geformt und diese in
einer realistischen Roadmap hinsichtlich der Realisierung geplant.
5. Umsetzung
In dieser Phase werden die Projekte umgesetzt. Kritische Erfolgsfaktoren wie ein stringentes
Projektmanagement, ein effektives Risikomanagement oder die Begleitung der organisatorischen
Transformation müssen gebührend berücksichtigt werden.
Illustration
4. Würdigung
Die Vorteile einer gut strukturierten Vorgehensweise liegen auf der Hand:
▪ Erfolgversprechendste Potenziale werden identifiziert.
▪ Es werden die Themen priorisiert, welche den grössten Nutzen versprechen.
▪ Intern und extern kann ein klar definierter Digitalisierungspfad kommunizieret werden und
so Vertrauen geschaffen werden bei Kunden, Mitarbeitenden und weiteren Stakeholdern.
▪ Aktuelle Trends der technologischen Entwicklung können adäquat berücksichtigt werden,
ohne sich dabei in neuen Technologien zu verlieren.
Auf der anderen Seite stellt eine fehlende Digitalisierungsstrategie und die Auswirkungen davon die
wichtigsten Ursachen für das Scheitern von Vorhaben zur Digitalisierung dar. Nicht vorhandene
Priorisierungen, nicht abgestimmte Ziele oder mangelhafte Kommunikation erschweren die Projekte
wesentlich. Ebenso wird der effiziente Einsatz von Finanzen und Ressourcen durch eine fehlende
Strategie verhindert und Risiken können nicht identifiziert und deren Auswirkungen nicht optimal
gemindert werden.
Eine externe Unterstützung kann im Rahmen der Strategieerarbeitung und Umsetzung sinnvoll sein,
um eine neutrale Aussensicht zu erhalten und vorhandene Know-how Lücken zu schliessen.
Für Fragen oder Anregungen wenden Sie sich bitte an den Autoren des Artikels:
Raymond Martin
raymond.martin@unternehmensentwicklung.ch
www.unternehmensentwicklung.ch