Heraus aus dem Elfenbeinturm!
Warum Landesgeschichte und historische Vermittlungsarbeit digital gedacht und praktiziert werden müssen (Beitrag in: Kaiserslauterer Jahrbuch für pfälzische Geschichte und Volkskunde 16 (2016), S. 511-518 (zugl. Fs. Roland Paul zum 65. Geburtstag)
Angewandte Kognitions- und Medienwissenschaft an der Universität Duisburg_Essen
Heraus aus dem Elfenbeinturm!
1. Kaiserslauterer Jahrbuch
für
pfälzische Geschichte und Volkskunde
Band 16 (2016)
vormals Jahrbuch zur Geschichte von Stadt und Landkreis Kaiserslautern
(Alte Folge 53 / 2016)
Festschrift für Roland Paul
zum 65. Geburtstag
Herausgegeben im Auftrag des
Instituts für pfälzische Geschichte und Volkskunde Kaiserslautern
und der Bezirksgruppe Kaiserslautern im
Historischen Verein der Pfalz e.V.
von
Jürgen Keddigkeit und Barbara Schuttpelz
Kaiserslautern
2016
2. 511
Heraus aus dem Elfenbeinturm!
Warum Landesgeschichte und historische Vermittlungsarbeit digital
gedacht und praktiziert werden müssen
Joachim Kemper
Vor wenigen Jahren war die Welt noch in Ordnung. Kulturgut verwahrende
Einrichtungen wie Bibliotheken,Archive und Museen, aber auch vermittelnde
und forschende Einrichtungen (beispielsweise im Feld der Regionalgeschichte
oder der universitären Lehre) hatten scheinbar die Zeichen der Zeit erkannt.
Die Nutzung des Internets, von Datenbanken und letztlich auch der Digitalisie-
rung war zwar vielfach noch „Neuland“, wurde und wird aber mittlerweile als
Notwendigkeit anerkannt – soweit, so gut. Dass hierbei oft noch in „analogen“
Strukturen gedacht wurde und wird, ist offensichtlich: Datenbanken inArchiven
wurden gerne als bessere „Schreibmaschine“ gesehen, um einfacher analoge
Repertorien generieren zu können. Die Homepage wurde (und wird) gerne
als Ersatz gedruckter Informationen oder Broschüren gesehen und entspre-
chend „gestaltet“. Aber die digitale Entwicklung hat in den letzten Jahren zu
rasanten Umbrüchen geführt, die vielleicht mit der Erfindung des Buchdrucks
oder im Bildungsbereich mit der Einführung einer allgemeinen Schulpflicht
vergleichbar sind. Schon seit Jahren werden die „kollaborativen“ Werkzeuge
des sogenannten Web 2.0 auch in deutschen Gedächtniseinrichtungen genutzt,
auch wenn die Skepsis lange Zeit überwogen hat. Eine Landesgeschichte bzw.
alternativ eine Stadtgeschichte 2.0 ist möglich; sie ist dazu in der Lage, die
Außenwirkung historischer Forschungen, von (auch: gedruckten) Publikationen
undVermittlungsarbeit wesentlich zu erhöhen; gleichzeitig ist eine Partizipation
bisher lediglich rezipierender Kreise möglich (Mehrweg-Kommunikation). Der
Autor hat dies mehrfach anhand des Konzepts einer Speyerer Stadtgeschichte
2.0 präsentiert bzw. die Auswirkungen dargelegt.1
Dass die Entwicklung aber
weiter gedacht werden muss, dies zeigen die Zahlen und Prognosen zur Nut-
zung und zumAbsatz am PC-Markt: Lag derAbsatz von klassisch-stationären
(Desktop-)PCs vor wenigen Jahren noch fast gleichauf mit dem Verkauf von
mobilen PCs (Laptops und „Netbooks“) sowie Tablets, so wird der Anteil
mobiler Endgeräte (inklusive der schon aktuell dominierenden internetfä-
higen Smartphones) in wenigen Jahren gegenüber den Desktop-Geräten ein
1 Das Speyerer „Modell“ wurde/wird getragen über die „Abteilung Kulturelles Erbe“
Speyer (mit dem Stadtarchiv als Kern). Zuletzt dazu: Joachim Kemper, Stadtgeschichte
2.0, in: Wissensgesellschaft Pfalz. 90 Jahre Pfälzische Gesellschaft zur Förderung
der Wissenschaften, hrsg. v. Peter Diehl, Andreas Imhoff und Lenelotte Möller,
Ubstadt Weiher 2015 (Veröffentlichung der Pfälzischen Gesellschaft zur Förderung
der Wissenschaften; 116), S. 221-228.
3. 512
Vielfaches betragen.2
Es ist nicht nur absehbar, sondern letztlich schon seit
einigen Jahren zu beobachten: Immer mehr Menschen können immer und
überall auf das Internet, mobile Webseiten undAPPs sowie Soziale Netzwerke
zugreifen; zentrale Informationsquelle ist nicht mehr der heimische Rechner,
an dem URLs eingegeben und Internetseiten aufgerufen werden, sondern
eines der genannten mobilen Endgeräte. Dies mag man persönlich bedauern
(oder auch nicht!) – der Weg erscheint unumkehrbar und ist auch seitens der
Geschichtswissenschaften (die mittlerweile gerne im Bereich der „Digital
Humanities“ partizipieren und „ausbilden“) und Gedächtniseinrichtungen zu
berücksichtigen. Die Gefahr, mittelfristig von der Entwicklung und öffentlichen
Wahrnehmung ausgeschlossen zu werden, ist eminent.
Im folgenden Beitrag sollen exemplarisch mehrere digitale Projekte und Ide-
en vorgestellt werden, die den angeführten Entwicklungen Rechnung tragen. Es
handelt sich um eine Momentaufnahme, die allerdings auch für die pfälzische
Landesgeschichte sowie pfälzische Gedächtniseinrichtungen anregend sein
sollte. Neben einem großen Sozialen Fotonetzwerk („Instagram“), das bisher
eher mit Fotos von Stars oder mit unzähligen jugendlichen Nutzern in Verbin-
dung gebracht wurde (hier aber exemplarisch für eine neue stadthistorische
Nutzung stehen soll), wird die Nutzung des KurznachrichtendienstesTwitter für
Führungen durch Museen oder historische Orte aufgezeigt. Auch der Bereich
der Bibliotheken sowie derArchive wird kurz angesprochen; dies gilt dann auch
für die digital vernetzte Geschichtswissenschaft (Veranstaltung #histocamp)
sowie schließlich für die spartenübergreifenden sogenannten „Hackathons“.
Stadtgeschichte 2.0 mit „Instagram“
Das Bildernetzwerk „Instagram“ zählt zu den am rasantesten wachsenden
Web 2.0-Tools. Bereits im Oktober 2015 wurde die Marke von 400 Millionen
Nutzern „geknackt“; von diesen greift ca. die Hälfte täglich auf ihr Konto zu.
Täglich werden bis zu 80 Millionen (!) Bilder hochgeladen; „Instagram“ ist eine
durch und durch mobileAnwendung – über 90% der Nutzer sind nur auf mobi-
len Endgeräten auf dieser Plattform.3
Längst haben auch Kulturinteressierte und
Kultureinrichtungen die Bedeutung von „Instagram“ erkannt: „Spaziergänge“,
mithilfe derAPP bebildert, sind mittlerweile nicht ungewöhnlich bzw. werden
auch von Museen angeboten. Solche „Instawalks“4
fanden z. B. in letzter Zeit in
einigen deutschen Museen statt – das Frankfurter Städel-Museum, das derzeit
2 Zahlenschätzungen für 2019 (laut: http://de.statista.com/statistik/daten/studie/256337/
umfrage/prognose-zum-weltweiten-absatz-von-tablets-pcs-und-smartphones/): Smart-
phones ca. 1,8 Milliarden; Tablets ca. 239 Millionen, Portable-PCs ca. 170 Millionen,
Desktop-PCs „nur“ ca. 100 Millionen.
3 Aktuelle Zahlen und Hinweise (Stand: Herbst 2015) via http://www.famefact.com/
socialmediablog/bilder-netzwerk-instagram-gewinnt-zunehmend-an-bedeutung/
4 Definition: http://www.die-maintalerin.de/2014/10/14/ist-eigentlich-ein-instawalk/
4. 513
sein 200. Jubiläum feiert, bot beispielsweise im November 2015 unter dem
Motto „200 Minuten für die Online-Community“ Twitterern, Instagramern
und Bloggern die Möglichkeit, im Rahmen von abendlichen Führungen aus
der eigenen Perspektive über das Städel zu berichten. Reichweite, Resonanz
und Außenwirkung waren beeindruckend.5
Einen anderen Weg gehen manche Archive, die das Netzwerk für digitale
Erweiterungen der Fotosammlungen sowie für fotografische Experimente
nutzen – wohlgemerkt findet sich darunter aktuell lediglich ein deutsches
Archiv (Universitätsarchiv Leipzig6
): Herausragende Beispiele finden sich
namentlich unter skandinavischen Einrichtungen. Das Stadtarchiv vonAalborg
(Dänemark) rief etwa die regionalen Nutzer der Plattform dazu auf, aktuelle
Fotos der Stadt zu fotografieren, hochzuladen und unter einem einheitlichen
Schlagwort („Hashtag“, versehen mit #-Zeichen) auch einer erweiterten ar-
chivischen Nutzung zuzuführen.7
Twitterführungen: „Tweetups“ / „Tweetwalks“
Der Kurznachrichtendienst Twitter zählt seit Jahren bereits zu den bekann-
testen Kanälen des Web 2.0. Auch viele Museen, Bibliotheken und Archive
nutzen mittlerweile das Tool, um mit knappen Informationen (ein sogenannter
„Tweet“ umfasst maximal 140 Zeichen) an die Öffentlichkeit zu kommen:
Das Institut für Stadtgeschichte (ISG) Frankfurt am Main, an dem der Au-
tor des Beitrags seit kurzem tätig ist, hat beispielsweise derzeit über 1.800
„Follower“, die die Nachrichten des Instituts lesen und gegebenenfalls weiter
verbreiten („retweeten“) können – die Reichweite einzelner Nachrichten kann
also durchaus beträchtlich sein; das ISG Frankfurt am Main ist auch dieje-
nige archivisch-historische Einrichtung in Deutschland, die über die meisten
„Follower“ verfügt.8
Zu den mobilen Nutzungsmöglichkeiten im Kulturbereich zählen sogenannte
„Tweetups“. Es handelt sich um Twitter-Führungen, bei denen die Besucher
parallel zur Führung (etwa in einem Archiv oder Museum) Fotos und Eindrü-
5 https://storify.com/staedelmuseum/200jahrestaedel
6 Liste der „Instagram“ nutzenden Archive (Stand 15. Dezember 2015): https://arkiv-
formidling.wordpress.com/archives-in-the-world-on-instagram/
7 Zuletzt dazu eine Übersicht von Bente Jensen (Aalborg) im Rahmen der deutschen
Konferenz „Offene Archive 2.2“, 4. Dezember 2015 (Folien und Videomitschnitt
werden demnächst publiziert unter http://archive20.hypotheses.org/). Siehe auch mit
weiteren Erläuterungen und Projekten: http://collectingsocialphoto.nordiskamuseet.
se/about/
8 Das Stadtarchiv Speyer, an dem der Autor bis 2015 tätig war, nutzt Twitter seit dem
Jahr 2011; derzeit folgen immerhin über 1.000 „Follower“ den Informationen aus
dem Archiv.
5. 514
cke/Informationen posten.9
Anders wie bei einem „Instawalk“, liegt hier der
Fokus mehr (aber nicht nur) auf Textinformationen.10
„Tweetups“ oder das
verwandte Format „Tweetwalks“ sind digitale und zugleich analoge Formen
der Kultur-, Kunst- oder Geschichtsvermittlung. Neben der Führung vor Ort
stehen die Twitternden imAustausch mit partizipierenden oder auch fragenden
„Mit-Lesern“ im Netz. Ein Beispiel aus München, aus dem Umfeld der Baye-
rischen Schlösserverwaltung, belegt die potentielle Reichweite einer solchen
Twitterführung: Der „Tweetwalk“ #Lustwandeln führte die Teilnehmer/innen
auf den Spuren englischer Landschaftsgärten durch den Park von Schloss
Nymphenburg. Die unter dem Hashtag #Lustwandeln geschriebenen über
3.000 Tweets hatten eine potentielle Reichweite von mehr als 3.5 Millionen;
hinzu kamen mehrere umfassende Beiträge zum Thema usw.11
Bibliotheken digital
Dieser Bereich kann im Rahmen des Beitrags nur kurz angerissen werden. Das
deutsche Bibliothekswesen hat sich (im Vergleich z. B. zu Archiven) relativ
früh den Sozialen Medien und digitalen Herausforderungen gestellt. Dies gilt,
wenn auch die Schwerpunktsetzungen und Interessenlagen unterschiedlich
sind, gleichermaßen für die mehr oder weniger großen wissenschaftlichen
Bibliotheken wie auch die öffentlichen Bibliotheken und Büchereien. Das um-
fassende und vom Deutschen Bibliotheksverband e.V. getragene „Netzwerk Bi-
bliothek“ informiert beispielsweise überAngebote und Möglichkeiten:Von der
digitalen Lesekompetenz und Leseförderung, über Digitalisierung (E-Learning,
Bildung), bis hin zum Social-Media-Einsatz in Bibliotheken (#socialBib) und
das nur auf den ersten Blick etwas abseitige Thema „Gamification“.12
Bereits
vor einigen Jahren hat das umfassende Handbuch „Bibliothek 2.0“ so manche
Vorurteile über die „verstaubten“ Bibliothekarinnen und Bibliothekare ad
acta gelegt.13
Im Jahr 2016 wird das immerhin neunte deutsche „BibCamp“
stattfinden – eine offene Tagungsform, derenAblauf und Programm zu Beginn
erst von den Teilnehmern/innen festgelegt und gestaltet wird.14
9 Der erste „Tweetup“ in einem deutschen Archiv fand im November 2012 in Speyer
statt: http://kultup.org/tag/stadtarchiv-speyer/
10 Eine gute Beschreibung der Vorgehensweise und Möglichkeiten bietet Christoph
Gries: http://www.mai-tagung.lvr.de/media/mai_tagung/pdf/2013/Gries-MAI-2013.
pdf
11 Ausführlich dazu der Beitrag von Tanja Praske via http://www.tanjapraske.
de/2015/05/10/tweetup-oder-tweetwalk-was-bringen-sie-lustwandeln-zeigts/
12 www.netzwerk-bibliothek.de/
13 Handbuch Bibliothek 2.0, hrsg. v. Julia Bergmann u. Patrick Danowski, Berlin/New
York 2010 (Bibliotheks- und Informationspraxis 41). Ein vergleichbares Buch für
das deutsche Archivwesen existiert übrigens noch nicht.
14 https://bibcamp.wordpress.com/
6. 515
Archive digital: Blog und Netzwerk „Archivum Rhenanum“
Als Beispiel für ein Projekt, das (grenzüberschreitend) Ansätze der Landes-
geschichte sowie der Archive zu verbinden sucht, soll hier das Vorhaben „Ar-
chivum Rhenanum“ stehen. Das deutsch-französischeVorhaben vonArchiven
am Oberrhein (Stadtarchive Freiburg und Speyer, Regionalarchive Straßburg
und Colmar sowie Landesarchiv Baden-Württemberg – Generallandesarchiv
Karlsruhe) war in den Jahren 2013 bis 2015 von der EU im Programm IN-
TERREG IVa (Oberrhein) gefördert worden. Später schlossen sich noch das
Landesarchiv Speyer sowie dasArchiv des Bistums Speyer den datenliefernden
Partnern an (das eigentliche Netzwerk aus Archiven sowie landesgeschichtli-
chen Einrichtungen war aber noch größer). Ziel des Projekts war einmal die
landeshistorischeVernetzung über Grenzen hinweg – eine Notwendigkeit, die
aber gerade am Oberrhein keineswegs alltäglich ist zwischen Archiven und
Historikern. Hierzu wurde ein Blog verwendet bzw. ein deutschsprachiges
und ein französisches Blog. Das deutsche Blog hatte von Beginn an (bei über
130 veröffentlichten Beiträgen) fast 200.000 Seitenzugriffe, was das Interesse
und die Notwendigkeit solcher Angebote verdeutlicht. Es wird genauso auch
nach Ende der Projektlaufzeit weiter betrieben wie das Archivgutportal, das
Abb. 1: Internetpräsenz des Projekts „Archivum Rhenanum“, Design: Lucas
Garske; Text: Team Open History e.V.
7. 516
„grenzüberschreitende“ Archivalien des Mittelalters und der Frühen Neuzeit
zusammen fasst und recherchierbar(er) macht (mit weit über 60.000 Images).15
#histocamp – das erste deutsche BarCamp für Geschichte
Bereits unter Pt. 4 wurde auf das „BibCamp“ verwiesen. Steht für die deut-
schen Archive eine solche „Unkonferenz“ noch aus, so erzielte das erste
BarCamp für Geschichte bzw. Geschichtswissenschaften, das vom 27. bis 28.
November 2015 in Bonn stattfand, große Resonanz. Ziel war es dezidiert, die
vorherrschenden Tagungsgewohnheiten und die üblichen „frontalen“Vorträge
aufzulockern. Das BarCamp ist zumindest als Ergänzung zu herkömmlichen
Konferenzen eine gute Möglichkeit, aus dem fachlichen „Elfenbeinturm“
herauszukommen. Rein „informierende“ Konferenzen werden – dies darf ge-
trost unterstellt werden – in Zeiten der Digitalität an Bedeutung verlieren. Das
„histocamp“ war insofern (analog gilt dies auch für die bisherigen BarCamps im
Bibliotheksbereich) alles andere als eine Spielerei jüngerer oder „modernerer“
Historiker/innen. Zahlreiche Berichte und Informationen zu dieser Veranstal-
15 Blog (deutsche Version) sowie Portal: http://archives.hypotheses.org/ bzw. http://
port1.portal-archivum-rhenanum.eu/
Abb. 2: Lockere Werbepostkarten für die zweite Ausgabe des #histocamp (4.-
5.11.2016, Mainz), Design: Lucas Garske; Text: Team Open History e.V.
8. 517
tung finden sich auf den Seiten des eigens hierzu gegründeten Vereins Open
History e.V., der gemeinsam mit dem Bonner Haus der Geschichte sowie dem
Archiv der Friedrich-Ebert-Stiftung für die Organisation und Durchführung
verantwortlich zeichnete.16
Zu den vorgeschlagenen bzw. umgesetzten The-
men („Sessions“) des #histocamp zählten beispielsweise Fragen der digitalen
Geschichtsvermittlung, die Nutzung von Geocaching für Zwecke der Lan-
desgeschichte, Fragen des Zugangs zu (gesperrten) Archivalien in Archiven,
Podcasts in den Geschichtswissenschaften sowie die Nutzung von APPs für
historische Darstellungen.17
Gerade am Beispiel des #histocamp kann auch sehr
gut verdeutlicht werden, worin ein (weiterer) Vorteil dieses digitalen Formats
liegt: Der Zugang zu Informationen vor, während und nach der Veranstaltung
ist niederschwellig und zugleich vielfältig – insbesondere das (manchmal sehr
lange) Warten auf die Publikation eines Tagungsbandes erübrigt sich hier und
in vergleichbaren Fällen (Beispiel: Konferenzreihe „Offene Archive“ 2012-
2015), ohne dass aber ein wesentlicher Informationsverlust eintritt. Es sei dabei
angemerkt, dass das Buch auch in Zeiten des digitalen Wandels Bedeutung
behalten wird; doch ist in den bisher vorgestellten Bereichen die digitale Nutz-
barmachung immer mitzudenken. Sie bietet immense Vorteile und Synergien,
die bis vor wenigen Jahren noch kaum vorstellbar waren.
Spartenübergreifende Zugänge: „Hackathons“
Schließlich sei noch auf eine Sonderform „kollaborativer“ Veranstaltungen
hingewiesen, die sogenannten „Hackathons“ (auch als „Hackdays“ bezeichnet).
Deren Schwerpunkt liegt eigentlich im Feld der thematischen Software- oder
Hardwareentwicklung. Auch der kulturelle Bereich wird mittlerweile einbe-
zogen, indem von verschiedenen Einrichtungen offene, also frei zugängliche/
verwendbare Datensets (Images und Metadaten, etwa aus Bibliotheken und
Archiven oder Museen) zur Verfügung gestellt werden, die dann von Teams
aus Informatikern, kulturell Interessierten sowie z. B. Grafikern bearbeitet und
weiter entwickelt werden.
Der erste deutsche Kultur-Hackathon („Coding daVinci“) fand im Jahr 2014
statt; im Jahr 2015 nahmen an der zweiten Ausgabe von „Coding da Vinci“
immerhin 33 Kulturinstitutionen teil. Vertreten waren große Institutionen wie
die Deutsche Nationalbibliothek und das Deutsche Museum, aber auch einige
kleinere Museen und Archive (wie das Stadtarchiv Speyer). Die ca. 150 „ha-
ckenden“ Teilnehmer/innen entwickelten daraus ca. 20 Projekte, die schließlich
von einer Jury bewertet wurden. Zu den institutionellen Organisatoren von
„Coding da Vinci“ zählte neben u.a. der Wikimedia Deutschland e.V. auch
16 http://histocamp.hypotheses.org/
17 Eine Zusammenfassung des #histocamp erfolgte durch Karoline Döring auf der vom
Autor organisierten Konferenz „OffeneArchive“, 4. Dezember 2015 (Videomitschnitt
sowie Vortragsfolien folgen demnächst unter http://archive20.hypotheses.org/).
9. 518
die Deutsche Digitale Bibliothek – dies weist allein schon darauf hin, wie
sehr bundesweit die Notwendigkeit entsprechender Initiativen gesehen wird.18
Und es gehört zum Anspruch, dass Archive, Bibliotheken, Museen oder auch
landeskundliche Einrichtungen und Galerien usw. ihre Daten nach Möglich-
keit und sofern keine rechtlichen Gründe dagegen stehen, „freigeben“ – das
Stichwort ist „OpenGLAM“.19
Zwei weitere Beispiele aus der Schweiz: Dort wurde im Jahr 2015 der erste
Kultur-Hackathon durchgeführt20
; und auch die „verstaubten“ Historischen
Hilfswissenschaften erhielten einen digitalen „Kick“, indem bei der Veran-
staltung „HackCapelli“ das bekannteste Buch mittelalterlicher Abkürzungen
digitalisiert und kategorisiert werden sollte.21
18 Umfassend zu „Coding da Vinci“: http://codingdavinci.de/
19 http://openglam.org/
20 http://www.srf.ch/kultur/im-fokus/weblese/kultur-hackathon-schweizer-kulturerbe-
neu-programmiert
21 https://www.infoclio.ch/de/node/138250
Abb. 3: „Dieses twittern beim #Tweetup lenkt echt ab. #Archivperlen.“ (Tobias
Wißmann, Tweetup #Archivperlen am 24.6.2016, Institut für Stadtgeschich-
te Frankfurt am Main).