Archive am Oberrhein werden digital: Stadtarchiv Speyer nimmt an grenzüberschreitendem Projekt teil (in: Speyer. Vierteljahresheft des Verkehrsvereins Speyer, Winter 2012, S. 45-47)
1. Archive am Oberrhein werden digital
Stadtarchiv Speyer nimmt an grenzüberschreitendem Projekt teil
Auf dem Foto von links: Eric Syssau (Straßburg), Laetitia Brasseur-Wild (Colmar),
Wolfgang Zimmermann (Karlsruhe), Joachim Kemper (Speyer), Reingard Wagner
(SGD Süd, Neustadt), Bürgermeisterin Monika Kabs, Hans-Peter Widmann (Freiburg),
Oliver Bentz (Speyer). Foto: Stadtarchiv Speyer
Das Stadtarchiv Speyer kann ab Januar Archives départementales du Bas-Rhin
2013 in einem großen deutsch-französi- (Straßburg), das Generallandesarchiv
schen Projekt mitwirken. Das über die Karlsruhe und das Stadtarchiv Frei-
Dauer von zweieinhalb Jahren von der burg (als offizieller „Projektträger“).
Europäischen Union (EU) mit insge- Sie repräsentieren die im Interreg-Pro-
samt 156.000 € geförderte Projekt gramm der EU am Oberrhein invol-
„Grenzüberschreitendes Netzwerk di- vierten Regionen Baden, Pfalz und das
gitaler Geschichtsquellen: Archive als Elsass. Über zwei Dutzend weitere Ver-
Gedächtnisse der historisch gewachse- eine, Institute und Archive in Deutsch-
nen Landschaft Oberrhein“ (kurz: Ar- land und Frankreich, aber auch in
chives digitales) stellt sich der Aufgabe, Österreich und der Schweiz, unterstüt-
die großen und kleinen Archive am zen das Projekt als zusätzliche Partner.
Oberrhein in der digitalen Welt „sicht- Zu den Unterstützern vor Ort gehören
barer“ zu machen. Hier haben derzeit das Bistumsarchiv Speyer, das Landes-
Museen und Bibliotheken eindeutig archiv Speyer und der Historische Ver-
„die Nase vorn“. ein der Pfalz. Ein wichtiger „kurpfälzi-
scher“ Projektpartner ist das Heidel-
Grenzenlose Zusammenarbeit berger Institut für fränkisch-pfälzische
Projektpartner (sogenannte „Kofinan- Geschichte und Landeskunde unter
zierer“) sind neben dem Speyerer der Leitung des bekannten Mittelalter-
Kommunalarchiv die Archives départe- historikers Prof. Dr. Bernd Schneid-
mentales du Haut-Rhin (Colmar), die müller.
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2. Grenzen abbauen – Geschichte pflegen keit ein neuer Zugang zu ihrem „Ge-
Welche Ziele verfolgt das EU-Projekt? dächtnis“ geschaffen werden. Voraus-
In den deutschen und französischen setzung hierfür ist eine umfangreiche
Archiven am Oberrhein werden singu- Digitalisierung von Archivalien, die
läre und bis weit in das Mittelalter zu- (natürlich kostenfrei) über ein gemein-
rückreichende handschriftliche Unter- sames Online-Portal präsentiert wer-
lagen zur Geschichte unserer Region den.
verwahrt. Ebenso können grundle-
gende wirtschaftliche, soziale und kul- Interaktiv und mit „Blogs“
turelle Entwicklungen nachvollzogen Zentrales Medium für das gesamte Pro-
werden. Vereinfacht gesagt müsste das jekt und für dessen Vermittlung in der
Kulturgut der Archive „Gedächtnis“ Bevölkerung wird eine zweisprachige
und „Rückgrat“ jeder touristischen Kommunikationsplattform sein: Der
und kulturellen Präsentation und Ver- Internetauftritt wird in Form eines
marktung der Region am Oberrhein interaktiven und für Kommunikation
sein. offenen „Blogs“ vermutlich ab Jahres-
Aufgrund verschiedener Barrieren wa- beginn 2013 zur Verfügung stehen. Das
ren diese Dokumente bislang zumeist deutsch-französische geisteswissen-
nur einem kleinen Kreis von Histori- schaftliche Blogportal „hypotheses.org“
kern und anderen Experten zugänglich: wird den perfekten Hintergrund für
Fehlende Lesekenntnisse der alten den Internetauftritt des Projekts bilden.
Schriften und die Verteilung der Doku-
mente auf zahlreiche Archive dies- und Vom Mittelalter bis zur Neuzeit
jenseits der Grenze stellen bis heute er- Die Projektarbeit der Partner wird zu-
hebliche Hindernisse dar. Besonders nächst einen zeitlichen Schwerpunkt
gravierend wirkt sich die jahrhunderte auf dem Mittelalter sowie in der begin-
lange Trennung des Kulturguts auf die nenden Frühen Neuzeit (16. Jahrhun-
beiden Staaten Deutschland und dert) haben. Dies ist unabdingbar, um
Frankreich aus. Es entstanden „Gren- die Arbeitsvorhaben nicht zu „beliebig“
zen“ in den Köpfen der Historiker und zu machen. Gerade die mittelalter-
Forscher sowie vor allem bei der Be- lichen Quellen und diejenigen der Re-
völkerung der Region, die so gar nicht formationszeit zeigen deutlich, wie we-
mehr in die heutige politische Realität nig damals Grenzen in den Köpfen der
zu passen scheinen, denn historische Menschen existierten und Grenzen wie
Grenzen existierten in unserer Region der Rhein „durchlässig“ waren. Der
erheblich weniger, als wir heute vermu- grenzüberschreitende Aspekt ist sehr
ten! stark. Und: Diese historischen Quellen
sind die wertvollsten Bestände der Ar-
Sprachbarrieren abbauen chive, sie sind aber gleichzeitig be-
Ein grenzüberschreitendes Internet- sonders schwer zu entziffern und waren
Portal soll die genannten Hindernisse bislang nur wenigen Experten zugäng-
überwinden helfen: Die Projektpartner lich.
wollen das historische Gedächtnis des Eine Ausweitung auf spätere Zeit-
Oberrheingebiets virtuell wiederher- räume, also bis zu den großen deutsch-
stellen und rekonstruieren. Der Öffent- französischen Konfliktlinien des 19. und
lichkeit soll durch die Verwendung der der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts
neuen Medien, moderne Erläuterun- ist vorgesehen. Sie wäre auch eine wich-
gen zu den Quellen und vor allem tige Perspektive, um die Gesamtheit
durch eine konsequente Zweisprachig- des Grenzraums in allen Höhen und
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3. Tiefen, Schwierigkeiten und „Verdrän- „andere“ Seite des Rheins wichtige
gungen“ abzubilden und umfassend zu- Neuentdeckungen in den Quellen zu
gänglich zu machen! erwarten!
Geschichtlich enge Beziehungen Von der Idee zum Projekt
Das Stadtarchiv Speyer verfügt über Von der ersten Idee bis zur Antragstel-
eine geschlossene, reiche Überliefe- lung verging nur sehr wenig Zeit: Im
rung der Zeit, als Speyer als Reichs- Dezember 2011 entwickelten der Ver-
stadt, aufgrund der dort abgehaltenen fasser und der aus dem Elsass stam-
Reichstage und des Reichskammerge- mende Historiker Dominique Stutz-
richts einer der „Zentralorte“ des Hei- mann in Wien am Rande einer Buch-
ligen Römischen Reiches war. Die Be- präsentation eine erste Projektskizze.
deutung seiner Quellen reicht daher Diese wurde dann im engen Austausch
erheblich über Speyer hinaus, die Be- mit weiteren Archiven im Frühjahr
ziehungen der Stadt besonders zu den 2012 zu einem umfangreichen zwei-
vielen Reichsstädten des Elsass waren sprachigen Antrag ausgebaut, der (mit
erheblich. einem gewissen Zeitdruck) im Pro-
Das Stadtarchiv wird aus den Archiv- gramm „Interreg IV Oberrhein (2007-
beständen der reichsstädtischen Zeit 2013) eingereicht und von den Gre-
diese Archivquellen auswählen, digita- mien bewilligt wurde. Ein erstes Tref-
lisieren und über das Portal bereitstel- fen der Projektkoordinatoren fand im
len. Besonders relevant erscheinen Oktober im Speyerer Stadtarchiv statt.
zum Beispiel die für den regionalen Zum Auftakt des Projekts sind zwei öf-
Handel, für Wirtschaft, Politik und die fentliche Veranstaltungen in Straßburg
„Außenbeziehungen“ der Stadt wichti- und Freiburg vorgesehen (Februar
gen Verwaltungsbücher und spätmittel- 2013). Weitere grenzüberschreitende
alterlichen Akten des Speyerer Rates. öffentliche Veranstaltungen und ge-
In diesen finden sich etwa oft unbe- meinsame Arbeitstreffen stehen an.
kannte Briefwechsel zwischen Speyer Das Stadtarchiv Speyer freut sich, Teil
und der elsässischen Metropole Straß- eines großen kulturell-historischen
burg. Hinzu kommen Archivquellen zu Netzwerks am Oberrhein zu sein und
den Reichstagen, zum Reichskammer- ist auf den Fortgang des Projekts ge-
gericht sowie zur Reformation. spannt!
Geplant ist durch die anderen Archive Joachim Kemper
die umfassende Verfügbarmachung
von Dokumenten zu den Bistümern
Speyer, Basel und Straßburg oder auch Das Stadtarchiv Speyer ist das älteste
der „Landvogtei“ Hagenau im unteren kommunale Archiv der Pfalz und zu-
Elsass. gleich eines der ältesten Ämter der
Der aus heutiger Sicht grenzüber- Stadt Speyer. Es ist seit Mai 2012 Teil
schreitende Aspekt kann gut an den der Abteilung „Kulturelles Erbe“
Plänen des Archivs von Colmar ver- (Stadtarchiv, Museen, Gedenkstätten)
deutlicht werden: Hier soll die Herr- der Stadtverwaltung Speyer.
schaft Ensisheim präsentiert werden. Die Tradition des Archivs geht bis ins
Ensisheim war lange Zeit Hauptstadt Mittelalter zurück. Dr. Joachim Kem-
des habsburgischen „Vorderöster- per ist seit gut einem Jahr Leiter des
reich“, das Gebiete auf beiden Seiten Stadtarchivs und hat die Digitalisie-
des Rheins umfasste. Hier, wie in vie- rung alter Dokumente vorangetrieben.
len anderen Fällen, sind für die jeweils
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