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Kapitalmarkt kompakt 7. November 2011
Vertrauenskrise noch nicht ausgestanden
Autoren:
Christian Apelt, CFA
Eine nachlassende Risikoaversion hat dem Euro zwar zwischenzeitlich geholfen. Die
Telefon: 0 69/91 32-47 26
expansivere EZB-Politik spricht jedoch dafür, dass der Euro-Dollar-Kurs erneut unter
Druck geraten wird.
Ulf Krauss
Mit der überraschend frühen Zinssenkung demonstriert der neue EZB-Präsident Hand-
Telefon: 0 69/91 32-47 28
lungsstärke und stemmt sich gegen eine sich ausweitende Vertrauenskrise im Euroraum.
Die expansive Geldpolitik dürfte das Renditeniveau deutscher Staatsanleihen in den
Markus Reinwand, CFA
kommenden Monaten verankern.
Telefon: 0 69/91 32-47 23
Euro-Schuldenkrise und Wachstumsunsicherheiten halten die Aktienmärkte weiter in
Schach. Trotz EZB-Zinssenkung ist eine nachhaltige Erholung erst dann zu erwarten,
research@helaba.de
wenn sich auch die Wachstumsperspektiven allmählich wieder aufhellen.
Redaktion:
Claudia Windt
Finanzmarktrückblick und -prognosen
Herausgeber: Veränderung seit ... aktueller
Dr. Gertrud R. Traud Jahresultimo Vormonat Stand* Q4/2011 Q1/2012 Q2/2012
(jeweils gg. Euro, %) (jeweils gg. Euro)
Chefvolkswirt/Leitung Research
US-Dollar -3,0 -3,0 1,38 1,35 1,30 1,35
Landesbank Hessen-Thüringen
Japanischer Yen 0,5 -4,8 108 104 102 110
MAIN TOWER
Neue Mainzer Str. 52-58 Britisches Pfund -0,3 0,0 0,86 0,85 0,85 0,87
60311 Frankfurt am Main Schweizer Franken 2,5 1,7 1,22 1,20 1,20 1,25
Telefon: 0 69/91 32-20 24 (in Landeswährung, %) (Index)
Telefax: 0 69/91 32-22 44 DAX -13,7 5,1 5.966 6.000 5.800 6.000
Euro Stoxx 50 -18,0 1,0 2.291 2.400 2.300 2.400
Dow Jones 3,5 7,9 11.983 11.600 11.300 11.600
Nikkei 225 -14,0 2,3 8.801 8.800 8.500 8.800
(in Bp) (in %)
Die Publikation ist mit größter Sorgfalt
3M Euribor 48 -8 1,49 1,30 1,10 1,10
bearbeitet worden. Sie enthält jedoch lediglich
3M USD Libor 13 5 0,44 0,40 0,40 0,40
unverbindliche Analysen und Prognosen zu
den gegenwärtigen und zukünftigen Markt- 10j. Bundesanleihen -114 -18 1,82 2,20 1,90 2,30
verhältnissen. Die Angaben beruhen auf
Quellen, die wir für zuverlässig halten, für
10j. Pfandbriefe -53 4 2,89 2,90 2,60 2,90
deren Richtigkeit, Vollständigkeit oder Aktua- 10j. US-Treasuries -126 -4 2,03 2,20 2,00 2,40
lität wir aber keine Gewähr übernehmen kön-
nen. Sämtliche in dieser Publikation getroffe-
* 04.11.2011 Quellen: Bloomberg, Helaba Volkswirtschaft/Research
nen Angaben dienen der Information. Sie
dürfen nicht als Angebot oder Empfehlung für
Anlageentscheidungen verstanden werden.
2. Kapitalmarkt kompakt
Christian Apelt, CFA Devisen: Geldpolitik belastet den Euro
Die Hoffnungen und Wirrungen um die europäische Schuldenkrise und insbesondere Griechenland
führen zu einem Auf und Ab des Euro-Dollar-Kurses. Nach dem EU-Gipfel erholte sich der Euro
kräftig bis auf 1,42 US-Dollar. Im Anschluss an die Ankündigung eines Referendums in Griechen-
land fiel die Gemeinschaftswährung bis auf 1,36 US-Dollar. Mittlerweile ist der Volksentscheid
wohl wieder vom Tisch, der griechische Premier Papandreou steht vor dem Aus, was den Euro
eher stützt. Belastend wirkte dagegen die überraschende Zinssenkung der EZB um 25 Basispunkte
auf 1,25 %.
Die politische Entwicklung in Griechenland ist weiterhin von hoher Unsicherheit geprägt. Aber
auch andere Länder der Euro-Peripherie wie Italien erhöhen die Skepsis. Die Risikoaversion an
EZB expansiver
den Finanzmärkten hat sich zwar zwischenzeitlich etwas gelegt, dürfte aber ein wichtiger Faktor
als die Fed
bleiben. Von hoher Nervosität profitiert der zumindest vorübergehend sichere Hafen US-Dollar.
Mittelfristig ist nach wie vor die Geldpolitik die dominante Größe am Devisenmarkt. Da die ande-
ren führenden Notenbanken ihre Leitzinsen bereits auf nahe Null reduziert haben, besitzt lediglich
die Europäische Zentralbank noch Zinssenkungspotenzial. Dies nutzt die EZB angesichts der sich
merklich abschwächenden Konjunktur nun auch. Zumindest eine weitere Senkung dürfte die EZB
in den nächsten Monaten noch vornehmen. Die Notenbanken versuchen den Expansionsgrad ihrer
Geldpolitik auch über quantitative Maßnahmen zu steuern bzw. zu steigern. Vor allem die Federal
Reserve tat sich da seit 2008 hervor. Zur Jahresmitte lief ihr zweites Kaufprogramm von Staatsan-
leihen („QE2“) jedoch aus. Während EZB und die Notenbanken aus Großbritannien, Japan sowie
der Schweiz – gemessen an ihrer Bilanzsumme – expansiver wurden, blieb die Fed seit Jahresmitte
neutral. Auch deshalb schlägt sich der US-Dollar im zweiten Halbjahr recht gut und wurde nur
vom Japanischen Yen übertroffen.
US-Dollar gibt Gewinne teilweise ab EZB auch quantitativ aktiver als die Fed
US-$ Index Verhältnis der Bilanzsummen US-$
1,55 97,5 1,50 1,50
Euro-Dollar-Kurs (linke Skala) EUR-USD
1,50 95,0 1,45 1,45
(rechte Skala)
1,45 92,5 1,40
1,40
90,0 1,35
1,40
87,5 1,30 1,35
1,35
85,0 1,25 Bilanzsumme 1,30
1,30
82,5 1,20 Fed vs. EZB
(linke Skala) 1,25
1,25 80,0 1,15
1,20 Dollarindex (rechte Skala) 1,20
77,5 1,10
1,15 75,0 1,05 1,15
Jan Apr Jul Okt Jan Apr Jul Okt Jan Apr Jul Okt Mrz Mai Jul Sep Nov Jan Mrz Mai Jul Sep Nov
2009 2010 2011 2010 2011
Quellen: EcoWin, Helaba Volkswirtschaft/Research Quellen: EcoWin, Bloomberg, Helaba Volkswirtschaft/Research
Die Fed hält sich die Tür zu neuen Kaufprogrammen offen. Ein Jahr vor den Präsidentschaftswah-
len ist eine solche Maßnahme politisch heikel, zumal kurzfristig auch Konjunktur- und Inflations-
Euro-Talfahrt noch
daten dies nicht unterstützen. Das Bruttoinlandsprodukt wuchs im dritten Quartal um annualisierte
nicht beendet
2,5 %. Auch die Beschäftigung expandierte, allerdings mahnt eine trübere Unternehmensstimmung
zur Vorsicht. Die Teuerung kletterte auf 3,9 % gegenüber Vorjahr. Die EZB wird dagegen, solan-
ge der Rettungsschirm EFSF noch nicht für Wertpapierkäufe einsatzbereit ist, ihre Bilanz wohl
ausweiten. Auch die Zinsdifferenzen am Kapitalmarkt, die höheren Risikoprämien für europäische
Banken sowie die in den USA bessere bzw. weniger schlechte Konjunkturentwicklung sprechen
gegen den Euro. Der Euro-Dollar-Kurs dürfte in den nächsten Monaten in Richtung 1,30 fallen.
Erst im Laufe von 2012 wird die Geldpolitik vermutlich wieder den Euro gegenüber dem US-
Dollar begünstigen. Erst dann dürfte der Euro auch gegenüber Britischem Pfund, Japanischen Yen
und Schweizer Franken sichtbar aufwerten.
Helaba Volkswirtschaft/Research · 7. November 2011· © Helaba 2
3. Kapitalmarkt kompakt
Ulf Krauss Renten: EZB setzt auf sehr expansive Geldpolitik
Nach Absage der Volksabstimmung in Griechenland können die Beschlüsse des EU-Gipfels zwar
umgesetzt werden. Das Vertrauen in die Politik, die Schuldenkrise in den Griff zu bekommen,
Verunsicherte
erodiert nach den jüngsten politischen Turbulenzen jedoch weiter. Die Unsicherheit über das
Anleger
Schicksal der Währungsunion hat die Zinsdifferenzen zwischen den Staatsanleihen im Euroraum
zuletzt wieder auseinandergetrieben. Während Bundesanleihen als sicherer Hafen gesucht wurden,
bekommt nun auch Frankreich den Vertrauensverlust der Anleger zu spüren. Der Abstand gegen-
über 10-jährigen Bundesanleihen stieg auf rund 120 Basispunkte, dreimal so hoch wie noch zur
Jahresmitte. Während die chaotischen Zustände in Athen derzeit die Schlagzeilen bestimmen,
dürfte sich der Schwerpunkt der Berichterstattung schon bald nach Rom verlagern. Die Rendite
10-jähriger italienischer Staatsanleihen ist erstmals seit August wieder über die kritische Marke
von sechs Prozent gestiegen. Als vertrauensbildende Maßnahme soll nun der IWF die Reform-
schritte in Italien überwachen. Es gilt, ein Volumen von über 200 Mrd. Euro auslaufender Staats-
anleihen im kommenden Jahr bei den Anlegern zu platzieren. Hier ist noch viel Überzeugungsar-
beit zu leisten, wenn nicht der Großteil der Anleiheemissionen in den Büchern des Euro-
Rettungsfonds und der EZB landen soll.
Mit der überraschend frühen Zinssenkung auf 1,25 % wollte der neue EZB-Präsident Mario
Draghi wohl nicht nur die akute Konjunkturschwäche bekämpfen, sondern Handlungsstärke de-
EZB zeigt
monstrieren. Auch angesichts wachsender Rezessionsängste muss auf eine weitere Zinssenkung
Entschlossenheit
vermutlich nicht lange gewartet werden, obwohl die Teuerung im Euroraum noch bis März nächs-
ten Jahres auf einem Niveau von über 2,5 % verharren dürfte. Möglicherweise orientiert sich der
neue EZB-Chef stärker am amerikanischen Stil der Geldpolitik als sein Vorgänger. Die Reputation
bei den Inflationsskeptikern, insbesondere in Kerneuropa, wird zwar weiter sinken. An den Fi-
nanzmärkten könnte eine forsche EZB jedoch für eine gewisse Entspannung sorgen: Die Wahr-
scheinlichkeit, dass das bisherige Leitzinstief von 1 % als untere Grenze angesehen wird, sinkt.
Die Bereitschaft der EZB Staatsanleihen zu kaufen, wenn es hart auf hart kommt, wird höher ein-
geschätzt.
EZB korrigiert sich Risikoaufschläge als Abbild der Vertrauenskrise
% Renditedifferenz gg. 10j. Bunds, Prozentpunkte (logarithmische Skala)
6 6 30 Griechen- 30
20 land 20
5 5 Portugal
10 10
Irland
4 4 5 Italien 5
Spanien
3 3
2 2 1 1
Euroraum Frankreich
USA
1 Japan 1
UK
0.2 0.2
0 0
2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 J J A S O N D J F M A M J J A S O N D J F
Quellen: Datastream, Helaba Volkswirtschaft/Research Quellen: Datastream, Helaba Volkswirtschaft/Research
Das Niedrigzinsumfeld im Euroraum wird vermutlich noch lange Bestand haben, so dass das ge-
ringe Renditeniveau in Deutschland als relativ stabil einzustufen ist. Mittelfristig dürften jedoch
Volatilität zwei Faktoren belastend wirken. Erstens dürfte sich die Konjunktur im Jahresverlauf 2012 wieder
bleibt hoch erholen. Zweitens ist im Falle einer Entspannung der Euro-Schuldenkrise mit einer reduzierten
Nachfrage nach inzwischen extrem teuren deutschen Staatsanleihen zu rechnen. Insgesamt bleibt
das Umfeld auch bei Rentenpapieren schwankungsanfällig, so dass Engagements vorrangig in
Marktschwächephasen eingegangen werden sollten. Das beste Chance-Risikoverhältnis bieten
dabei mittlere Laufzeiten.
Helaba Volkswirtschaft/Research · 7. November 2011· © Helaba 3
4. Kapitalmarkt kompakt
Markus Reinwand, CFA Aktien: Schaukelbörse
Der Start ins traditionell starke Jahresschlussquartal verlief ausgesprochen positiv. Die internatio-
nal führenden Aktienindizes konnten im Oktober deutlich zulegen (DAX +11,6 %; EURO
Kurzfristiges Erholungs-
STOXX 50 + 9,4 %; S&P 500 +10,8 %). Vergleicht man es mit Jahren, in denen es von Juli bis
potenzial ausgereizt
September zu zweistelligen Kursverlusten gekommen war, so haben Aktien in nur einem Monat
bereits so stark zugelegt wie sonst im gesamten vierten Quartal. Ist nach der Oktoberrally nun das
Kurspotenzial für den Rest des Jahres bereits ausgereizt? Vieles spricht derzeit gegen ein Durch-
starten der Aktienmärkte.
Die Unkalkulierbarkeit politischer Prozesse im Zusammenhang mit der Euro-Schuldenkrise dürfte
weiterhin für extreme Nervosität an den Finanzmärkten sorgen. Das wirtschaftliche Umfeld ist
gegenwärtig ohnehin von großer Unsicherheit geprägt. Angesichts erhöhter Wachstumsrisiken hat
die EZB bereits auf ihrer November-Sitzung den Leitzins um 25 Basispunkte auf 1,25 % gesenkt.
Dies hat an den Aktienmärkten zunächst für Erleichterung gesorgt. Dennoch dürften die
Rückschlagsrisiken vorerst hoch bleiben, denn Zinssenkungen alleine reichen nicht. So zeigt die
Historie, dass sich niedrigere Zinsen zwar grundsätzlich positiv auf Aktien auswirken. Sie erhöhen
zum einen die relative Attraktivität von Aktien und zum anderen wirken sie sich mittelfristig posi-
tiv auf das Wirtschaftswachstum aus. Dabei gilt es aber, die Wirkungsverzögerungen zu berück-
sichtigen. Eine nachhaltige Kurserholung setzte in früheren Zyklen erst gegen Ende der Zinssen-
kungsphase ein, wenn auch die konjunkturellen Frühindikatoren ihren Boden erreicht hatten und
sich die Wachstumsperspektiven allmählich wieder aufhellten. Dies ist gegenwärtig noch nicht der
Fall. Vielmehr befinden sich die meisten Frühindikatoren weltweit noch im Rückwärtsgang. Der
vielbeachtete ifo-Geschäftsklimaindex wird wohl erst im ersten Quartal 2012 seinen Tiefpunkt
erreichen. Die dann zu erwartende weitere Zinssenkung der EZB könnte durchaus den Auftakt für
eine nachhaltige Erholung an den Aktienmärkten bilden. Bis dahin ist noch mit hohen Kursaus-
schlägen zu rechnen.
Fallende Zinsen alleine helfen nicht … … auch die Wachstumsperspektiven müssen stimmen
% Index Index Index
5.00 9000 120 9000
4.50 DAX (rechte Skala) 8000 115 DAX (rechte Skala)
8000
4.00 110
7000 7000
3.50
105
3.00 6000 6000
100
2.50 5000 5000
95
2.00
4000 4000
1.50 90
3000 85 3000
1.00
Leitzins Euroraum (linke Skala) ifo-Geschäftsklima (linke Skala)
0.50 2000 80 2000
99 00 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 99 00 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12
Quellen: Datastream, Helaba Volkswirtschaft/Research Quellen: Datastream, Helaba Volkswirtschaft/Research
Nachdem Aktien die übertrieben hohen Kursabschläge der vergangenen Monate korrigiert haben,
sind sie nun auf Basis zyklusbereinigter Unternehmensgewinne zumeist wieder angemessen be-
Pulver trocken halten
wertet. Angesichts vorerst rückläufiger Frühindikatoren und überwiegend negativer Gewinnrevisi-
onen fehlt aber derzeit die für weitere nachhaltige Kurssteigerungen notwendige Wachstums- und
Gewinnperspektive. Lediglich für ausgesprochen kurzfristig agierende Anleger ergeben sich ange-
sichts der enormen Schwankungsbreite zwischenzeitlich immer wieder Chancen. Mit Blick auf
strategische Aktienengagements ist es vorerst aber noch ratsam, zumindest einen Teil des Pulvers
trocken zu halten.
Helaba Volkswirtschaft/Research · 7. November 2011· © Helaba 4