Mobile learning in der Schule, oder: wie man ein trojanisches Pferd zähmt.
Transgressive Artikulationen. Zum Zusammenhang von Kunst, Medialität und Kultureller Bildung
1. Dr. Benjamin Jörissen
http://joerissen.name
benjamin@joerissen.name
Transgressive Artikulationen.
Zum Zusammenhang von Kunst,
Medialität und Kultureller Bildung.
BuKo12: kunst.pädagogik.partizipation.
Dresden, Deutsches Hygiene-Museum, 20.10.2012
3. „Kulturelle Bildung“
„Kulturelle Bildung verstehen wir – etwa in Abgrenzung zur
Politischen Bildung, Bildung für Nachhaltige Entwicklung,
Sportbildung oder anderen – als Bildung, in der
der Zusammenhang von Wahrnehmung, Ausdruck,
Darstellung und Gestaltung in Rezeption und Produktion
zum Gegenstand wird. Kulturelle Bildung geschieht in drei
großen Feldern, der informellen, der non-formalen und
der formalen Bildung.“
Eckart Liebau e.a. 2012 (unveröffentlicht)
4. „Kulturelle Bildung“
„Dementsprechend sind […] alltagsästhetische,
laienkünstlerische und professionell-künstlerische
Vermittlungsbereiche angesprochen. Dieser Begriff ist
weiter als der Begriff der musisch-ästhetischen Bildung,
der ausschließlich die Vermittlung der Künste focussiert;
mit seiner Konzentration auf die Vermittlung ist er aber
zugleich enger als der Begriff der kulturellen Praxis, der
alle möglichen kulturellen subjektiven Aneignungsformen
umfasst.“
Eckart Liebau e.a. 2012 (unveröffentlicht)
5. „Kulturelle Bildung“
„Kulturelle Bildung verstehen […] alltagsästhetische,
„Dementsprechend sind wir – etwa in Abgrenzung zur
laienkünstlerische und professionell-künstlerische
Politischen Bildung, Bildung für Nachhaltige Entwicklung,
Vermittlungsbereiche angesprochen. Dieser Begriff ist
Sportbildung oder anderen – als Bildung, in denen
weiter als der Begriff der musisch-ästhetischen Bildung,
der Zusammenhang von Wahrnehmung, Ausdruck,
der ausschließlich die Vermittlung der Künste focussiert;
mit seiner Konzentration auf in Rezeption und Produktion
Darstellung und Gestaltung die Vermittlung ist er aber
zugleich enger alswird.Begriff der Bildung geschieht in drei
zum Gegenstand der Kulturelle kulturellen Praxis, der
alle möglichen kulturellen subjektiven Aneignungsformen
großen Feldern, der informellen, der non-formalen und
umfasst.“
der formalen Bildung.“
Eckart Liebau e.a. 2012 (unveröffentlicht)
6. „Kulturelle Bildung“
„Kulturelle Bildung verstehen […] alltagsästhetische,
„Dementsprechend sind wir – etwa in Abgrenzung zur
laienkünstlerische und professionell-künstlerische
Politischen Bildung, Bildung für Nachhaltige Entwicklung,
Vermittlungsbereiche angesprochen. Dieser Begriff ist
Sportbildung oder anderen – als Bildung, in denen
weiter als der Begriff der musisch-ästhetischen Bildung,
der Zusammenhang von Wahrnehmung, Ausdruck,
der ausschließlich die Vermittlung der Künste focussiert;
mit seiner Konzentration auf in Rezeption und Produktion
Darstellung und Gestaltung die Vermittlung ist er aber
zugleich enger alswird.Begriff der Bildung geschieht in drei
zum Gegenstand der Kulturelle kulturellen Praxis, der
alle möglichen kulturellen subjektiven Aneignungsformen
großen Feldern, der informell, non-formal und der
umfasst.“
formalen Bildung.“
Eckart Liebau e.a. 2012 (unveröffentlicht)
7. „Kulturelle Bildung verstehen wir – etwa in Abgrenzung zur
Politischen Bildung, Bildung für Nachhaltige Entwicklung,
Sportbildung oder anderen – als Bildung, in denen
der Zusammenhang von Wahrnehmung, Ausdruck,
Darstellung und Gestaltung in Rezeption und Produktion
zum Gegenstand wird. Kulturelle Bildung geschieht in drei
großen Feldern, der informell, non-formal und der
formalen Bildung.“
8. „Kulturelle Bildung verstehen wir – etwa in Abgrenzung zur
Politischen Bildung, Bildung für Nachhaltige Entwicklung,
Sportbildung oder anderen – als Bildung, in denen
der Zusammenhang von Wahrnehmung, Ausdruck,
Darstellung und Gestaltung in Rezeption und Produktion
zum Gegenstand wird. Kulturelle Bildung geschieht in drei
„Artikulation“
großen Feldern, der informell, non-formal und der
formalen Bildung.“
9. „Kulturelle Bildung verstehen wir – etwa in Abgrenzung zur
Politischen Bildung, Bildung für Nachhaltige Entwicklung,
Sportbildung oder anderen – als Bildung, in denen
der Zusammenhang von Wahrnehmung, Ausdruck,
Darstellung, Gestaltung und Medialität in Rezeption und
Produktion zum Gegenstand wird. Kulturelle Bildung
„Artikulation“
geschieht in drei großen Feldern, der informell, non-
formal und der formalen Bildung.“
10. „Transgression“
„Kulturelle Bildung verstehen wir – etwa in Abgrenzung zur
Politischen Bildung, Bildung für Nachhaltige Entwicklung,
Sportbildung oder anderen – als Bildung, in denen
der Zusammenhang von Wahrnehmung, Ausdruck,
Darstellung, Gestaltung und Medialität in Rezeption und
Produktion zum Gegenstand wird. Kulturelle Bildung
„Artikulation“
geschieht in drei großen Feldern, der informell, non-
formal und der formalen Bildung.“
15. diskursgeschichtliche Linien
1. Explikation
menschlicher Verknüpfung von
Erfahrung „Basis“ und „Überbau“
(„Anrufung“)
2. symbolische
Prägnanzform
im Kontext medialer
Strukturdynamiken
16. 1. „Artikulation“
als Explikation
menschlicher Erfahrung
Matthias Jung (2005): „Making us explicit“.
Artikulation als Organisationsprinzip von
Erfahrung.
In: Magnus Schlette/Matthias Jung (Hrsg.), Anthropologie der
Artikulation. Begriffliche Grundlagen und transdisziplinäre Perspektiven.
Würzburg: Königshausen & Neumann, S. 103-142.
Matthias Jung (2009): Der bewusste Ausdruck.
Berlin/New York: De Gruyter.
17. Artikulation ist
„die – meist okkasionelle, manchmal planmäßige –
Explikation menschlicher Erfahrung durch die
Performanz von symbolischen Akten […], in denen
die implizit-qualitative Gestalt gelebter Erfahrung
in die explizit-semantische Gestalt eines
prägnanten Symbolismus transformiert wird.“
Jung 2005, S. 105
18. „… Symbolmedien haben sich von der […]
Bindung an das Hier und Jetzt der Erfahrung
gelöst und werden dafür genutzt, den Sinn
den Erlebten durch Bezug auf intersubjektiv
geltende Systeme der Bedeutungsbestimmung
zu explizieren.“
Jung 2005, S. 126
19. „Wer sich artikuliert, deutet
seine qualitative Erfahrung,
indem er sie (...) zur Sprache,
zum Bild, zur Musik oder wozu
auch immer bringt.“
Jung 2005, S. 126
22. Qualitäten von Artikulation
(aus Perspektive erz.wiss. Medienforschung)
Implizitheit vs. Explizitheit
Streuung vs. Fokussierung (Dichte, formale Stringenz)
Inszenierungslogiken: Inhalt vs. Form
Selbstaffirmation vs. Selbstdifferenz
…
27. 2. „Artikulation“
als symbolische Prägnanzform
im Kontext medialer Strukturdynamik
Oswald Schwemmer: Kulturphilosophie.
Eine medientheoretische Grundlegung.
München: Fink 2005
28. „Vielmehr ist es die Wahrnehmung selbst, die kraft ihrer
eigenen immanenten Gliederung eine Art von geistiger
‚Artikulation‘ gewinnt – die, als in sich gefügte, auch einer
bestimmten Sinnfügung angehört. […] Diese ideelle
Verwobenheit […] auf ein charakteristisches Sinn-Ganzes, soll
der Ausdruck der ‚Prägnanz‘ bezeichnen.“
Ernst Cassirer: Philosophie der symbolischen Formen.
Dritter Teil: Phänomenologie der Erkenntnis. Hamburg: Meiner 2002, S. 231.
29. „Prägnanzmuster“ und „Formbildungsformen“
„Wir sehen sozusagen durch die Bilder unserer Bildwelten
hindurch, was wir sehen. Wir hören durch die Werke
unserer Tonwelten und übrigens auch Geräusch- und
Lautwelten hindurch, was wir hören.“
Schwemmer 2005, S. 165
30. Medialität der Artikulation
Medien als
„dynamisches System, in dem die
Artikulationsprozesse dessen
Selbststrukturierung in Gang setzen bzw.
nutzen.“
Schwemmer 2005, S. 55.
36. dynamische mediale
Eigenstrukturen als
Formbildungsmöglichkeiten
Prägnanzmuster
(symbolische Formen
i.S. Cassirers)
a) transgressiv-
diskursive
Artikulationen
37. dynamische mediale
Eigenstrukturen als
Formbildungsmöglichkeiten
Prägnanzmuster
(symbolische Formen
i.S. Cassirers)
a) transgressiv- b) transgressiv-
diskursive reflexive
Artikulationen Artikulationen
38. dynamische mediale
Eigenstrukturen als
Formbildungsmöglichkeiten
Prägnanzmuster
(symbolische Formen
i.S. Cassirers)
a) transgressiv- b) transgressiv- c) nicht-
diskursive reflexive transgressive
Artikulationen Artikulationen Artikulationen
39. dynamische mediale
Eigenstrukturen als
Formbildungsmöglichkeiten
Prägnanzmuster
(symbolische Formen
i.S. Cassirers)
a) transgressiv- b) transgressiv- c) nicht-
diskursive reflexive transgressive
Artikulationen Artikulationen Artikulationen
Hinweis der Redaktion
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Worin besteht eigentlich der Zusammenhang der hier aufgezählten Prozesse? Die immer problematische Frage nach der Wirkung oder den Effekten ästhetisch-kultureller Bildung, etwa zwischen dem eng gesteckten Ziel eines kognitiv verengten „ästhetischen Lernens“ über Kunstwerke und dem weit gefassten des Transfers kognitiver, ästhetischer, sozialer Kompetenzen auf andere Lern- und Lebensbereiche, hängt, so scheint mir, mit der konkreten begrifflichen Fassung dieses Zusammenhangs ab: Die Theorie implizert eine Entscheidung darüber, was a) überhaupt jeweils als ästhetisch-kulturelle Bildung in den Blick genommen wird (eine politische Entscheidung also) und somit b) Gegenstand und Ziel pädagogischer Vermittlung wird. So ist etwa Liebaus Kritik einer Einengung auf den rezeptiven Aspekt nicht nur eine theoretische Angelegenheit, sondern auch die damit einhergehende Einforderung des produktiven Aspekts bedeutet eine entsprechende Positionierung. \nIch möchte im Folgenden zwei Perspektiven verfolgen.\n
Zum einen geht es mir darum, diese Prozesse unter der Perspektive des Begriffs der „Artikulation“ zu fassen und zu spezifizieren.\n
Damit wird eine zusätzliche (Re-) Positionierung erfolgen, und zwar eine medientheoretische. Dahinter steckt die These, dass im hier diskutierten Verständnis von kulturell-ästhetischer Bildung ein blind spot besteht, der sich nicht durch den Verweis auf Medien (als Gestaltungsmittel etc.) erledigen lässt: Die Medialität allen kulturellen Ausdrucks ist kein nachrangiges, sondern ein konstitutives Moment; nicht erst heute, aber heute in nicht mehr zu übersehender Art und Weise. Es geht (mir) beim Artikulationsbegriff um die Einsicht in medienstrukturelle Voraussetzungen auf allen Ebenen von „Wahrnehmung, Ausdruck, Darstellung und Gestaltung“. \n\n
Zum anderen geht es um einen besonderen strukturellen Aspekt von Kunst, der im Diskurs als „Transgression“ bezeichnet wird. Transgression ist hier nicht im Sinne der „transgressive art“ gemeint (die praktisch-moralische Grenzen auslotet), sondern als bildungstheoretisches Moment: Die Überschreitung von Rahmungen, also der Grenzen von Sichtweisen auf die Welt und auf sich selbst, ist ein zentraler Topos der modernen Bildungstheorie.\n
Jede „Transformation“ im Sinne einer Aufhebung alter Muster und Etablierung neuer, komplexerer Muster, geht notwendig mit einer Grenzüberschreitung einher. Transgression bezeichnet hierbei das diskontinuierliche Moment von Transformationsprozessen: das Ereignis der Aufhebung von Gewissheiten, Sicherheiten, Orientierungsmustern, das als solches eine Leere ist, die der Krisis überhaupt erst Raum schafft. Das Moment der „Freiheit“ von Bildungsprozessen ist aus dieser Perspektive weniger positive Freiheit eines selbstmächtigen Subjekts, sondern zunächst negative Freiheit, „Freiheit von“, die sich in der Krisis zu einer „Freiheit zu“ entwickeln kann (oder auch nicht).\n
Überschreitung ist also eine Negation des Überschrittenen. Das besondere Erkenntnismoment der Überschreitung liegt darin, dass die Grenzen in diesem Prozess als solche sichtbar und reflexiv thematisierbar werden. In dieser Betonung von Diskontinuität steckt ein Moment des Risikos, das jede Beschaulichkeit kulturell-ästhetischer Bildung infrage stellt, – oder anders gesagt, das insbesondere im Kontext von Kunst das Transgressive an Erfahrungs- und Bildungsprozessen einfordert. \nDie strukturelle Bestimmung von Kunst im Kontext kulturell-ästhetischer Bildung betont dieses Moment nicht immer explizit, wenn sie auf klassische ästhetischer Vorstellungen wie Zweckfreiheit (Kant), Ludizität (Schiller) und reflexive Verdichtung kultureller Formen (Humboldt, Cassirer) zurückgreift. \nIm Zusammendenken des transgressiven Formaspekts von Kunst unter Gesichtspunkten von Medialität wird das Transgressive von „Kultureller Bildung“, und somit Bildung als über bloßes Lernen weit hinausgehendes Geschehen, in besonderer Weise thematisierbar. \n
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Der Artikulationsbegriff verweist diskursgeschichtlich auf (mindestens) zwei zu unterscheidende Linien. Die erste verläuft über W.v. Humboldts sprachphilosophisches Konzept der „doppelten Artikulation“ über Wilhelm Dilthey und Ernst Cassirer (Prägnanzbegriff) hin zur gegenwärtigen (v.a. sprach-)philosophischen Anthropologie (Schwemmer, Trabant, Jung). Die zweite verläuft von Karl Marx zu Louis Althusser; von dort aus weiter etwa zu Stuart Hall und Judith Butler, also zu Cultural Studies und Gendertheorie.\n
In der ersten Linie wird der Begriff der Artikulation vom Gedanken einer (zunächst auf Sprache bezogenen) „prägnanten Ausdrucksgestalt“ motiviert. In der zweiten Linie geht es um etwas sehr anderes, nämlich um eine makroökonomische „Gelenkfunktion“ in der postmarxistisch-strukturalistischen Theorie: um die Verknüpfung von „Basis“ und „Überbau“ dergestalt, dass Ideologien durch performative Prozesse der „Anrufung“ „konkrete Individuen als soziale Subjekte ideologischer Diskurse konstituieren“ (wie Hall Althusser paraphrasiert: vgl. Hall 2000, S. 125).\n
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„Unter Artikulation verstehe ich die – meist okkasionelle, manchmal planmäßige – Explikation menschlicher Erfahrung durch die Performanz von symbolischen Akten […], in denen die implizit-qualitative Gestalt gelebter Erfahrung in die explizit-semantische Gestalt eines prägnanten Symbolismus transformiert wird. […] Sie stellt das vernachlässigte Medium dar, das Wahrnehmung und Sprache, Subjekt und Intersubjektivität, fließenden Bewusstseinsstrom und objektive Bedeutung, somatischen Ausdruck und Geist zusammenbringt.“ (Jung 2005, S. 105).\n
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Jung betont also erstens den Aspekt der Explikation von zuvor Implizitem – und somit den reflexiven Charakter von Artikulation. Damit liegt der logischen Form nach eine Prozessbeschreibung vor. Artikulation ist somit etwas, das in seinem Charakter zwischen Prozess (des Artikulierens) und Produkt (des Artikulierten) oszilliert. \n
Zweitens, damit zusammenhängend, wird Artikulation nicht nur als subjektiv-reflexiver, sondern wesentlich auch als intersubjektiver Prozess verstanden, insofern Artikulationen als Äußerungen Kommunikationsakte sind, die als solche Geltungsansprüche erheben. Soziale Erfahrungen sind mithin impliziter Bestandteil schon des Artikulationsprozesses, wenn und insofern diese als Maßstab der Anerkennungsfähigkeit von Artikulationen herangezogen werden: insofern geht es um eine Form der Reflexivität, die zugleich „Inneres“ symbolisch expliziert und diese Explikation bereits (im Sinne innerer Kommunikation) an sozialen Erfahrungen ausrichtet.\n
Frage der Qualität(en) von Artikulation: Implizitheit/Explizitheit; Streuung/Fokussierung (Dichte); Inszenierung von „Inhalt“ („was“) vs. Inszenierung von Form (wie); Selbstaffirmation/Selbstdifferenz.\nAus einer empirischen Forschungsperspektive geht eine Frage hervor, die zum einen die Frage der Bedeutung von Kunst für den Diskurs der Kulturellen Bildung berührt, für die zum anderen aber Medialität von mindestens ebenso hoher Bedeutung ist wie Ästhetik.\n
melancholica auf fotocommunity.de, „My emotions“ (2007), Lizenz: (c) \nQuellenlink: http://fc-foto.de/10963619 [19.10.2012] \nUntertitel/Text: \n„Zusammenstellung von alten bildern die eigentlich nichs geworden sind.\n\nmodel: ich\nfotograf: ich\n\ntitel ist ein lied von einer band bei mir aus der gegend“\n
Rémy Fenzy, Ohne Titel, 1991. Selengetönter Gelatine-Silberdruck. Aus: Ewing, William H. (Hrsg.): Faszination Körper. Leipzig: Ed. Leipzig 1998, S. 419.\n\nRémy Fenzy ist heute Direktor der École nationale supérieure de la photographie (ENSP) in Arles.\n
F. Will auf fotocommunity.de, „fc DSCF2547“ (2012); Lizenz (c)\nBildquelle: http://fc-foto.de/29196712\n
links: Imogen Cunningham, „Self-Portrait, Denmark“ (1961)\nrechts: mikos59 auf fotocommunity de, „im bild“ (2012), Lizenz: (c)\nBildquelle: http://fc-foto.de/29132623 [19.10.2012]\n
Oswald Schwemmer geht es in seiner medientheoretischen Grundlegung der Kulturphilosophie um nicht weniger als die entscheidende Ergänzung der Philosophie der symbolischen Formen, da diese dem medialen Aspekt von Artikulation zu wenig Bedeutung beigemessen habe (Schwemmer 2005, S. 54). \nSchwemmer bezieht sich dabei wesentlich auf Cassirer. Den zentralen Aspekt der Philosophie Cassirers sieht Schwemmer (im Einklang mit anderen Cassirer-Interpreten) im Konzept einer symbolischen Prägnanz, die durch Artikulation gewonnen wird:\n
Artikulationen bezieht sich Wahrnehmung, indem sie deren „Prozesse der Musterbildung und -anwendung“, die „Grammatiken der Sinneswelten“ strukturieren. Insofern aber kein Handeln ohne Wahrnehmung (Wahrnehmungs- und Erkenntnismuster), bezieht Schwemmer diesen Begriff auf „die Strukturierung sprachlicher und anderer Äußerungsformen wie etwa der bildlichen oder motorischen Äußerung und darüber hinaus überhaupt auf unser Handeln“ (Schwemmer 2005, 49). \nDiese Strukturierung bezeichnet Schwemmer als kulturelle „Prägnanzmuster“.\n\n\n
Die „Prägnanzmuster“ der Artikulation unterliegen „Formbildungsformen“: dem Bourdieuschen Habitus als „strukturierende Struktur“ ähnlich, stellen Formbildungsformen Möglichkeiten der Artikulation als der Schaffung/Wahrnehmung von Formen bereit. Kunst ist der Ort, an dem Prägnanzmuster thematisch (und potenziell dynamisiert) werden.\n– In der ästhetischen Theorie ist dies soweit nicht unbedingt ein neuer Topos, obschon hier die Trennung von Werk- und Rezeptionsästhetik aufgehoben ist. Für die Rezeptionsästhetik hat Martin Seel schon 1985 im Band „Die Kunst der Entzweiung“ darauf abgehoben, dass diese Formbildungsgrundlagen in der ästhetischen Einstellung erfahrbar werden können. \n
Die „Formbildungsformen“ – und dies ist das Novum der Argumentation Schwemmers – unterliegen medialen Strukturen, da es keine Artikulation außerhalb medialer Strukturbedingungen geben kann.\nJede Artikulation bedarf eines Mediums (S. 53). \n
Mediale Formbildungsmöglichkeiten sind „für die innere Gliederung der Artikulation konstitutiv“; ihre Analyse sei daher eine der „Hauptaufgaben jeglicher kulturtheoretischer Reflexion“ (S. 55).\n
(Schwemmer wiederholt jedoch den Cassirer‘schen Gestus der Formdominanz gegenüber Materialität und Medialität im Grunde. Er wagt genau einen Schritt in die Medientheorie hinein – letztlich nur, um „substantielle“ Medien unter Auschluss all dessen, was sie erscheinen und zirkulieren lässt, als „Strukturgeber“ des Geistes darzustellen. \nDem ist erstens der Sachverhalt der Re-Mediatisierung entgegenzusetzen, also des Erscheinens medialer Artikulationen in weiteren medialen Kontexten und zweitens - damit zusammenhängend - die Tatsache, dass die sog. „substantiellen“ Medien ihre Struktur nicht ohne ihre angeblich instrumentellen Körper (zu denen schon die Stimme zählen muss) hätten ausprägen können; somit übersieht diese Taxinomie auch medienbedingte Transformationen der angeblich „substantiellen“ Sprache (z.B. Hybridformen von Schrift- und gesprochener Sprache). )\n\n
Schwemmers Mediendefinition betont zwei wichtige Momente: \nEigenstruktur + Eigendynamik = Selbststrukturierungspotenzial von Medien. \n
Prägnanzmuster sind in Formbildungsmöglichkeiten eingelassen (s. Panofsky), die nun als mediale verstanden werden können.\n
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a) Künstlerische Artikulationen vollziehen immer eine systematische Positionierung zu Prägnanzmustern auf der Ebene medialer Formbildungsmöglichkeiten. Sie arbeiten systematisch an den Ebenen der medialen Strukturen und der Transformation und/oder Transgression von Prägnanzmustern. Sie sind es daher, die die kulturellen Prägnanzmuster maßgeblich verändern, und zwar durch Diskurse und Praxen. Darin liegt ihre transgressives Moment; auch dort, wo es nicht zentral um eine Transformation der Prägnanzmuster geht. (Kunst kann nicht nicht Stellung nehmen.) a) Künstlerische Artikulationen vollziehen immer eine systematische Positionierung zu Prägnanzmustern auf der Ebene medialer Formbildungsmöglichkeiten. Sie arbeiten systematisch an den Ebenen der medialen Strukturen und der Transformation und/oder Transgression von Prägnanzmustern. Sie sind es daher, die die kulturellen Prägnanzmuster maßgeblich verändern, und zwar durch Diskurse und Praxen. Darin liegt ihre transgressives Moment; auch dort, wo es nicht zentral um eine Transformation der Prägnanzmuster geht. (Kunst kann nicht nicht Stellung nehmen.)\n
b) Laienkünstlerische Artikulationsformen können eine Positionierung zu Prägnanzmustern vollziehen; sie können in diesem Sinne auf der medialen Ebene und auf der Formebene durchaus reflexiv sein; jedoch sind sie nicht diskursiv (und dieser große Unschärfebereich der Kenntnis der Diskurse und der Fertigkeiten, sich in ihren Ausdrucksformen zu artikulieren, bedingt eine prinzipiell unklare Grenze zwischen beiden Formen). Sind vollziehen in diesem Sinne transgressive Gesten nach; doch bleibt die Transgression auf ihren lebensweltlichen Bereich beschränkt.\nThese: \n\n
c) Nicht-künstlerische Artikulationsformen positionieren sich nicht (stringent; allenfalls partiell oder zufällig) zu Prägnanzmustern. Wiewohl diese Positionierung aufgrund der gegebenen Differenz von medialer Ebene und symbolischer Formebene immer „einbrechen“ kann (dann als Fehler), kann man nicht von einer Arbeit an Formbildungsformen durch artikulative Akte sprechen. Artikulationen verwenden dann mediale Formbildungsmöglichkeiten etwa zum persönlichen Ausdruck; sie verhalten sich aber nicht systematisch (reflexiv, diskursiv) dazu. \n
Nicht-künstlerische (mediale) Artikulationen können durchaus dem Selbstverständnis dienen und insofern hochgradig bildungsrelevant sein (z.B. Blogs, Videoblogs – Forschungsfeld der erziehungswissenschaftlichen Medienforschung). (Sie können auch eigenen Formphänomene hervorbringen, die sich aber nicht diskursiv-reflexiv etwa zur Medien- und Kunstgeschichte verhalten).\n\nIm Gegensatz also etwa zu biographischer Bildung in, mit, durch Artikulation betont die Kulturelle Bildung in ihrem Bezug auf Kunst die Partizipation auf der Diskursebene medialer Formbildungsmöglichkeiten der Bildung, Enstehung, Transformation von Prägnanzmustern. Die Relevanz auch für nicht auf Kunst eingregrenzte Bildungsprozesse (Biographie, Identität) liegt auf der Hand, denn es wird eine reflexiv-diskursive Positionierung zu den eigenen Artikulationen (Artikulationsstilen und -Formen) möglich. Darin etwa läge aus allgemeinpädagogischer Perspektive die besondere Bedeutung von Kunst für die Kulturelle Bildung.\n