Bildung und das Social Web: Mythen, Zumutungen, Potenziale
1. Dr. Benjamin Jörissen
http://joerissen.name
benjamin@joerissen.name
Ringvorlesung „Medien und Bildung“
Universität Hamburg, 4.6.2013
Bildung und das Social Web:
Mythen, Zumutungen,
Potenziale
Vortragsvideo:
http://mms.uni-
hamburg.de/blogs/medien-
bildung/2013/06/03/04-06-2013-
bildung-und-das-social-web-mythen-
zumutungen-potenziale/
4. BMBF (2010) Kompetenzen in einer digital geprägten Kultur. Medienbildung fur die Persönlichkeitsentwicklung, fur dië ̈
gesellschaftliche Teilhabe und fur die Entwicklung von Ausbildungs- und Erwerbsfähigkeit, S. 5.̈
5. BMBF (2010) Kompetenzen in einer digital geprägten Kultur. Medienbildung fur die Persönlichkeitsentwicklung, fur dië ̈
gesellschaftliche Teilhabe und fur die Entwicklung von Ausbildungs- und Erwerbsfähigkeit, S. 7.̈
„Medienbildung umfasst Medien als
Gegenstand des Lernens und das in hohem
Maße selbst gesteuerte und selbst
verantwortete Lernen mit Medien, das im
Lebenslauf zunehmende Bedeutung gewinnt
und eingeübt sein will.“
6. Ist denn das Internet ein Werkzeug,
ein „Gegenstand“?
7. Steht es uns gegenüber?
Können wir es uns gegenüber stellen?
12. Wolfgang Klafki
Medialität: „Bei einer der nächsten
Gelegenheiten dieser Art würde ich mir die
Beerdigung des Ausdrucks ,Die Medien‘
wünschen.“
Dieter Mersch (2006): Mediale Paradoxa. Zum Verhältnis von Kunst und Medien.
Einleitung in eine negative Medienphilosophie. WWW: http://www.sicetnon.org
13. Wolfgang Klafki
Eigenschaften von Medialität: Trennung von
Genesis und GeltungPrästrukturierung
symbolischer FormenKomplexität
(immanente Strukturdifferenz)
14. Wolfgang Klafki
Eigenschaften von Medialität: Trennung von
Genesis und GeltungPrästrukturierung
symbolischer FormenKomplexität
(immanente Strukturdifferenz)
+
Invisibilisierung im Ereignis
des Zu-sehen-Gebens
26. „Software takes command“
Lev Manovich (2013): Software takes command. Bloomsbury Academic
Wendy Hui Kyong Chun (2011): Programmed Visions:
Software and Memory. Cambridge, MA: Mit Press.
Kenneth Cukier (2013): Big Data. Hodder & Stoughton.
Wardrip-Fruin, Noah (2009): Expressive Processing: Digital Fictions,
Computer Games, and Software Studies. Cambridge, MA: MIT press.
Schmidt, Eric; Cohen, Jared (2013): The New Digital Age: Reshaping the
Future of People, Nations and Business. Knopf.
27. globale physische Netzwerke
Protokolle und Sprachen (http, html, xml …)
logische Netzwerke (zB. www)
Plattformen (z.B. Facebook)
materielle und virtuelle Server
Serverfarmen
Endgeräte
soziale Netzwerke
31. Verknüpfung von
„Basis“ und „Überbau“
(„Anrufung“)
1. Explikation
menschlicher
Erfahrung
2. symbolische
Prägnanzform
im Kontext medialer
Strukturdynamiken
„Artikulation“ - begriffsgeschichtliche Linien
32. Matthias Jung (2005): „Making us explicit“.
Artikulation als Organisationsprinzip von
Erfahrung.
In: Magnus Schlette/Matthias Jung (Hrsg.), Anthropologie der
Artikulation. Begriffliche Grundlagen und transdisziplinäre Perspektiven.
Würzburg: Königshausen & Neumann, S. 103-142.
Matthias Jung (2009): Der bewusste Ausdruck.
Berlin/New York: De Gruyter.
Artikulation als Explikation
menschlicher Erfahrung
33. Jung 2005, S. 105
Artikulation ist
„die – meist okkasionelle, manchmal planmäßige
– Explikation menschlicher Erfahrung
durch die Performanz von symbolischen Akten
[…], in denen die implizit-qualitative Gestalt
gelebter Erfahrung in die explizit-semantische
Gestalt eines prägnanten Symbolismus
transformiert wird.“
34. „… Symbolmedien haben sich von der […] Bindung an
das Hier und Jetzt der Erfahrung gelöst und werden
dafür genutzt, den Sinn den Erlebten durch
Bezug auf intersubjektiv geltende
Systeme der Bedeutungsbestimmung zu
explizieren.“
Jung 2005, S. 126
35. „Wer sich artikuliert, deutet seine
qualitative Erfahrung, indem er sie (...)
zur Sprache, zum Bild, zur Musik oder
wozu auch immer bringt.“
Jung 2005, S. 126
38. Qualitäten von Artikulation
(aus Perspektive erz.wiss. Medienforschung)
Implizitheit vs. Explizitheit
Streuung vs. Fokussierung (Dichte, formale Stringenz)
Inszenierungslogiken: Inhalt vs. Form
Selbstaffirmation vs. Selbstdifferenz
…
40. Rémy Fenzy, Ohne Titel, 1991.
Selengetönter Gelatine-Silberdruck. Aus:
Ewing, William H. (Hrsg.): Faszination
Körper. Leipzig: Ed. Leipzig 1998, S. 419.
Bildbeispiel „Manipulierte Körperfotografie“,
Professionelle Fotografie
41. F. Will auf fotocommunity.de, „fc DSCF2547“ (2012);
Lizenz (c)
Bildquelle: http://fc-foto.de/29196712
Bildbeispiel „Selbstportrait/Spiegelung“,
Amateurfotografie
43. Oswald Schwemmer: Kulturphilosophie.
Eine medientheoretische Grundlegung.
München: Fink 2005
Artikulation als symbolische Prägnanzform
im Kontext medialer Strukturdynamik
44. Ernst Cassirer: Philosophie der symbolischen Formen.
Dritter Teil: Phänomenologie der Erkenntnis. Hamburg: Meiner 2002, S. 231.
„Vielmehr ist es die Wahrnehmung selbst, die kraft
ihrer eigenen immanenten Gliederung eine Art
von geistiger ‚Artikulation‘ gewinnt – die, als in
sich gefügte, auch einer bestimmten Sinnfügung angehört. […]
Diese ideelle Verwobenheit […] auf ein charakteristisches
Sinn-Ganzes, soll der Ausdruck der ‚Prägnanz‘ bezeichnen.“
45. Schwemmer 2005, S. 165
„Wir sehen sozusagen durch die Bilder
unserer Bildwelten hindurch, was wir sehen.
Wir hören durch die Werke unserer
Tonwelten und übrigens auch Geräusch-
und Lautwelten hindurch, was wir hören.“
„Prägnanzmuster“ und „Formbildungsformen“
46. Medien als
„dynamisches System, in dem die
Artikulationsprozesse dessen
Selbststrukturierung in Gang setzen
bzw. nutzen.“
Schwemmer 2005, S. 55.
Medialität der Artikulation
48. Artikulationsakte
Schwemmer 2005, S. 55.
dynamische mediale
Eigenstrukturen als
Formbildungsmöglichkeiten
Prägnanzmuster
(symbolische Formen
i.S. Cassirers)
49. Artikulationsakte
Erwin Panofsky: Die Perspektive als „symbolische Form“.
In: ders., Aufsätze zu Grundfragen der Kunstwissenschaft. Berlin: Spiess 1992, S. 99-167.
dynamische mediale
Eigenstrukturen als
Formbildungsmöglichkeiten
Prägnanzmuster
(symbolische Formen
i.S. Cassirers)
Architektur vs.
Plastik vs.
Bild(fläche)
Perspektive
Farbe
Formsprache (…)
Tempel
Skulptur
Gemälde
50. Artikulationsakte
Erwin Panofsky: Die Perspektive als „symbolische Form“.
In: ders., Aufsätze zu Grundfragen der Kunstwissenschaft. Berlin: Spiess 1992, S. 99-167.
dynamische mediale
Eigenstrukturen als
Formbildungsmöglichkeiten
Prägnanzmuster
(symbolische Formen
i.S. Cassirers)
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java, mysql + php
Meldung/Aphorismus
Journaleintrag
z.B. Online-Community
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Software
60. Artikulationen verweisen in digitalen Umgebungen
zugleich auf ihre Re-Mediatisierungen
Digitale mediale Architekturen sind integraler Teil
von Artikulationsprozessen
61. Artikulationen verweisen in digitalen Umgebungen
zugleich auf ihre Re-Mediatisierungen
Digitale mediale Architekturen sind integraler Teil
von Artikulationsprozessen
Sie verändern die Struktur von Artikulation
und das Subjekt von Artikulation
62. Haltung einer kritischen Reflexion, die zugleich
Reflexivität kritisch einbezieht
Haltung einer kritischen Praxis,
die Effekte der „Gouvernementalität“ unterläuft
Artikulation als Kultivierung
von „Praktiken der Freiheit“
tentative Grenzgänge und spielerische Transgressionen
cultural hacking, exploratives modding
Kultivierung alternativer Perspektiven
und Ästhetiken
Subversion der „Anrufung“
von & des Zugriffs auf Subjektivität
63. Die Kultivierung digitaler Medienkultur ist ein
gesellschaftliches Entwicklungsfeld!
„Digitale Kultur“ als Partizipation an
strukturalen Artikulationsprozessen,
als Mitgestaltung medialer Architekturen
64. Vielen Dank für Ihre
Aufmerksamkeit!
Dr. Benjamin Jörissen
http://joerissen.name
benjamin@joerissen.name
Ringvorlesung „Medien und Bildung“
Universität Hamburg, 4.6.2013
Hinweis der Redaktion
Folie: ins internet gehen -> ins Mitmachnetz gehen Folie: Subjekt -- Dinge, Teilmenge Mediendinge, Teilmenge Internet
Folie: ins internet gehen -> ins Mitmachnetz gehen Folie: Subjekt -- Dinge, Teilmenge Mediendinge, Teilmenge Internet
Die übliche Schlussform: 1. Bildung betrifft das Verhältnis von Einzelnen zu ihrer Welt. 2. Diese Welt ist nun voller (neuer) Medien. 3. Also müssen wir das Verhältnis der Einzelnen zu den Medien (durch Bildung) gestalten. „ Bildung “ ist in diesem Modell eine Konstante, während der „Welt “ immerhin ein gewisses Kontingenzpotenzial, also voraussehbare Ungewissheit, unterstellt wird.
1) Medien werden als Gegenstände begriffen, über die man etwas lernen kann, und die man als Werkzeuge verwenden kann, um besser zu lernen. 2) (Medien-) Bildung wird auf „Lernen “ reduziert: Kompetenzerwerb bezüglich eines besonders leistungsfähigen und komplexen Lerntools, das in der heutigen Lebenswelt immer wichtiger und nützlicher wird.
… denn wenn wir dies nicht können, haben wir keine Distanz, können nicht über es verfügen, sondern uns nur in ihm orientieren, so wie in einer Stadt. (Gibt es eine Stadtbenutzungskompetenz? Weltbenutzungskompetenz? Nein, denn beides ist ein umfassender Raum, der allenfalls Horizont die Idee einer gegenständlichen Einheit aufkommen lässt.)
Folie: ins internet gehen -> ins Mitmachnetz gehen Folie: Subjekt -- Dinge, Teilmenge Mediendinge, Teilmenge Internet
„ Eine ethnografische Fiktion, die Jorge Luis Borges gefallen hätte, berichtet von den seltsamen Todesritualen eines unbekannten Volkes, das mit der Beerdigung eines Stammesangehörigen zugleich auch ein Wort ihrer Sprache mitbeerdigt. Bei einer der nächsten Gelegenheiten dieser Art würde ich mir die Beerdigung des Ausdrucks „Die Medien “ wünschen. “ „ Statt von „Medien “ wäre deshalb besser von „Medialität “ zu sprechen – jenen Strukturen also, durch die „Medien “ hervorbringen, darstellen, übertragen oder vermitteln; und „die “ Medien wären entsprechend kein adäquater Untersuchungsgegenstand, sondern allein die zugrunde liegenden Materialitäten, Dispositive oder Performanzen, die die medialen Prozesse begleiten und in sie eingehen, ohne sich mitzuteilen. “
Technische Medien: „Mediatisierung der Mediatisierung “ (Mersch)
„ Zum ersten Mal wird damit die Medialität zur Form in einem Medium “ (Meder 2008, 47) Meder: Die Luhmannsche Systemtheorie und der Medienbegriff. In: Fromme/Sesink (Hrsg.): Pädagogische Medientheorie. Wiesbaden, S. 13-35.
Das Medium wird damit selbst zu einer Artikulation („The Medium is the Message “ ).
Digitale Medien: Materialität wird zum Code
Bitpop, Pixelart
Der Artikulationsbegriff verweist diskursgeschichtlich auf (mindestens) zwei zu unterscheidende Linien. Die erste verläuft über W.v. Humboldts sprachphilosophisches Konzept der „doppelten Artikulation “ über Wilhelm Dilthey und Ernst Cassirer (Prägnanzbegriff) hin zur gegenwärtigen (v.a. sprach-)philosophischen Anthropologie (Schwemmer, Trabant, Jung). Die zweite verläuft von Karl Marx zu Louis Althusser; von dort aus weiter etwa zu Stuart Hall und Judith Butler, also zu Cultural Studies und Gendertheorie.
In der ersten Linie wird der Begriff der Artikulation vom Gedanken einer (zunächst auf Sprache bezogenen) „prägnanten Ausdrucksgestalt “ motiviert. In der zweiten Linie geht es um etwas sehr anderes, nämlich um eine makroökonomische „Gelenkfunktion “ in der postmarxistisch-strukturalistischen Theorie: um die Verknüpfung von „Basis “ und „Überbau “ dergestalt, dass Ideologien durch performative Prozesse der „Anrufung “ „konkrete Individuen als soziale Subjekte ideologischer Diskurse konstituieren “ (wie Hall Althusser paraphrasiert: vgl. Hall 2000, S. 125).
„ Unter Artikulation verstehe ich die – meist okkasionelle, manchmal planmäßige – Explikation menschlicher Erfahrung durch die Performanz von symbolischen Akten […], in denen die implizit-qualitative Gestalt gelebter Erfahrung in die explizit-semantische Gestalt eines prägnanten Symbolismus transformiert wird. […] Sie stellt das vernachlässigte Medium dar, das Wahrnehmung und Sprache, Subjekt und Intersubjektivität, fließenden Bewusstseinsstrom und objektive Bedeutung, somatischen Ausdruck und Geist zusammenbringt. “ (Jung 2005, S. 105).
Jung betont also erstens den Aspekt der Explikation von zuvor Implizitem – und somit den reflexiven Charakter von Artikulation. Damit liegt der logischen Form nach eine Prozessbeschreibung vor. Artikulation ist somit etwas, das in seinem Charakter zwischen Prozess (des Artikulierens) und Produkt (des Artikulierten) oszilliert.
Zweitens, damit zusammenhängend, wird Artikulation nicht nur als subjektiv-reflexiver, sondern wesentlich auch als intersubjektiver Prozess verstanden, insofern Artikulationen als Äußerungen Kommunikationsakte sind, die als solche Geltungsansprüche erheben. Soziale Erfahrungen sind mithin impliziter Bestandteil schon des Artikulationsprozesses, wenn und insofern diese als Maßstab der Anerkennungsfähigkeit von Artikulationen herangezogen werden: insofern geht es um eine Form der Reflexivität, die zugleich „Inneres “ symbolisch expliziert und diese Explikation bereits (im Sinne innerer Kommunikation) an sozialen Erfahrungen ausrichtet.
Frage der Qualität(en) von Artikulation: Implizitheit/Explizitheit; Streuung/Fokussierung (Dichte); Inszenierung von „Inhalt “ („was “ ) vs. Inszenierung von Form (wie); Selbstaffirmation/Selbstdifferenz. Aus einer empirischen Forschungsperspektive geht eine Frage hervor, die zum einen die Frage der Bedeutung von Kunst für den Diskurs der Kulturellen Bildung berührt, für die zum anderen aber Medialität von mindestens ebenso hoher Bedeutung ist wie Ästhetik.
melancholica auf fotocommunity.de, „My emotions “ (2007), Lizenz: (c) Quellenlink: http://fc-foto.de/10963619 [19.10.2012] Untertitel/Text: „ Zusammenstellung von alten bildern die eigentlich nichs geworden sind.model: ichfotograf: ichtitel ist ein lied von einer band bei mir aus der gegend “
Rémy Fenzy, Ohne Titel, 1991. Selengetönter Gelatine-Silberdruck. Aus: Ewing, William H. (Hrsg.): Faszination Körper. Leipzig: Ed. Leipzig 1998, S. 419. Rémy Fenzy ist heute Direktor der École nationale supérieure de la photographie (ENSP) in Arles.
F. Will auf fotocommunity.de, „fc DSCF2547 “ (2012); Lizenz (c) Bildquelle: http://fc-foto.de/29196712
Oswald Schwemmer geht es in seiner medientheoretischen Grundlegung der Kulturphilosophie um nicht weniger als die entscheidende Ergänzung der Philosophie der symbolischen Formen, da diese dem medialen Aspekt von Artikulation zu wenig Bedeutung beigemessen habe (Schwemmer 2005, S. 54). Schwemmer bezieht sich dabei wesentlich auf Cassirer. Den zentralen Aspekt der Philosophie Cassirers sieht Schwemmer (im Einklang mit anderen Cassirer-Interpreten) im Konzept einer symbolischen Prägnanz, die durch Artikulation gewonnen wird:
Artikulationen beziehen sich auf Wahrnehmung, indem sie deren „Prozesse der Musterbildung und -anwendung “ , die „Grammatiken der Sinneswelten “ strukturieren. Insofern aber kein Handeln ohne Wahrnehmung (Wahrnehmungs- und Erkenntnismuster), bezieht Schwemmer diesen Begriff auf „die Strukturierung sprachlicher und anderer Äußerungsformen wie etwa der bildlichen oder motorischen Äußerung und darüber hinaus überhaupt auf unser Handeln “ (Schwemmer 2005, 49). Diese Strukturierung bezeichnet Schwemmer als kulturelle „Prägnanzmuster “ .
Die „Prägnanzmuster “ der Artikulation unterliegen „Formbildungsformen “ : dem Bourdieuschen Habitus als „strukturierende Struktur “ ähnlich, stellen Formbildungsformen Möglichkeiten der Artikulation als der Schaffung/Wahrnehmung von Formen bereit. Kunst ist der Ort, an dem Prägnanzmuster thematisch (und potenziell dynamisiert) werden. – In der ästhetischen Theorie ist dies soweit nicht unbedingt ein neuer Topos, obschon hier die Trennung von Werk- und Rezeptionsästhetik aufgehoben ist. Für die Rezeptionsästhetik hat Martin Seel schon 1985 im Band „Die Kunst der Entzweiung “ darauf abgehoben, dass diese Formbildungsgrundlagen in der ästhetischen Einstellung erfahrbar werden können.
Die „Formbildungsformen “ – und dies ist das Novum der Argumentation Schwemmers – unterliegen medialen Strukturen, da es keine Artikulation außerhalb medialer Strukturbedingungen geben kann. Jede Artikulation bedarf eines Mediums (S. 53).
Mediale Formbildungsmöglichkeiten sind „für die innere Gliederung der Artikulation konstitutiv “ ; ihre Analyse sei daher eine der „Hauptaufgaben jeglicher kulturtheoretischer Reflexion “ (S. 55).
(Schwemmer wiederholt jedoch den Cassirer ‘ schen Gestus der Formdominanz gegenüber Materialität und Medialität im Grunde. Er wagt genau einen Schritt in die Medientheorie hinein – letztlich nur, um „substantielle “ Medien unter Auschluss all dessen, was sie erscheinen und zirkulieren lässt, als „Strukturgeber “ des Geistes darzustellen. Dem ist erstens der Sachverhalt der Re-Mediatisierung entgegenzusetzen, also des Erscheinens medialer Artikulationen in weiteren medialen Kontexten und zweitens - damit zusammenhängend - die Tatsache, dass die sog. „substantiellen “ Medien ihre Struktur nicht ohne ihre angeblich instrumentellen Körper (zu denen schon die Stimme zählen muss) hätten ausprägen können; somit übersieht diese Taxinomie auch medienbedingte Transformationen der angeblich „substantiellen “ Sprache (z.B. Hybridformen von Schrift- und gesprochener Sprache). )
Schwemmers Mediendefinition betont zwei wichtige Momente: Eigenstruktur + Eigendynamik = Selbststrukturierungspotenzial von Medien.
Prägnanzmuster sind in Formbildungsmöglichkeiten eingelassen (s. Panofsky), die nun als mediale verstanden werden können.
Prägnanzmuster sind in Formbildungsmöglichkeiten eingelassen (s. Panofsky), die nun als mediale verstanden werden können.
Oswald Schwemmer geht es in seiner medientheoretischen Grundlegung der Kulturphilosophie um nicht weniger als die entscheidende Ergänzung der Philosophie der symbolischen Formen, da diese dem medialen Aspekt von Artikulation zu wenig Bedeutung beigemessen habe (Schwemmer 2005, S. 54). Schwemmer bezieht sich dabei wesentlich auf Cassirer. Den zentralen Aspekt der Philosophie Cassirers sieht Schwemmer (im Einklang mit anderen Cassirer-Interpreten) im Konzept einer symbolischen Prägnanz, die durch Artikulation gewonnen wird:
a) Transgressiv-metadiskursive Artikulationen machen Medialität systematisch transparent. Sie bringen die Ebene des Code so in den Blick, dass Transparenz und Möglichkeiten der Beurteilung gewonnen werden. TD-Artikulationen können subversiv funktionieren (cultural hacking) oder additiv (alternative Plattformen, alternative Software-Artikulationen).
b) Auch nicht im engeren Sinn diskursive Artikulationsformen können eine Positionierung zu Prägnanzmustern vollziehen; sie können in diesem Sinne auf der medialen Ebene und auf der Formebene durchaus reflexiv sein; jedoch sind sie nicht diskursiv. Sie setzen nicht auf der Code-Ebene, sondern auf der Produser-Ebene (Inhaltsproduktion) ihre Beiträge zur medialen Ökologie und Ökonomie in Bezug.
c) Nicht-transgressive Artikulationsformen positionieren sich nicht (stringent; allenfalls partiell oder zufällig) zu den medialen Architekturen, deren Teil sie sind und die sie wesentlich mit hervorbringen. Wiewohl diese Positionierung aufgrund der gegebenen Differenz von medialer Ebene und symbolischer Formebene immer „einbrechen “ kann (dann als Fehler), kann man nicht von einer Arbeit an Formbildungsformen durch artikulative Akte sprechen. Artikulationen verwenden dann mediale Formbildungsmöglichkeiten etwa zum persönlichen Ausdruck; sie verhalten sich aber nicht systematisch (reflexiv, diskursiv) dazu.
Millers zitierte These der „Communication Without Content “ verfehlt jedoch den eigentlichen Punkt, indem es Twitter mit Personal Publishing Plattformen gleichsetzt. Dass phatische Kommunikation gerade im Hinblick auf den Präsenz-Aspekt ritualisierter Kommunikationsformen eine größere Rolle spielt (wie ja auch in der Alltagskommunikation), liegt zudem auf der Hand. In der Logik dieser Kritik könnte man ebenso sonstige („reallife “ -) Alltagskommunikationen als überwiegend inhaltsleer kritisieren.
Das Subjekt wird vom Einzelnen (zumindest partiell) zum vernetzten, sowohl auf der Ebene des Gedächtnisses (technische Auslagerung, technische Retrievel-Mechanismen: augmented memory) als auch auf der der Operation (Kollaborative Aufgabenverteilung).
Kultivierung von „Praktiken der Freiheit “ : Subversion des Zugriffs auf Subjektivität, der ständigen „Anrufung “ der Person im Schnittfeld von Ökonomie und sozialer Norm: Kultivierung einer Haltung einer kritischen Reflexion , die Reflexivität kritisch einbezieht: unter Aspekten der Diskurszwänge, der Subjektivationsmechanismen, des Ausschlusses von Körpern, des „Stellvertretens “ von Praktiken Kultivierung einer Haltung einer kritischen Praxis (versus auf den Einzelnen beschränkte kognitive Medienkritik - und erst recht vs. Bewahrpädagogik) (Frage, inwiefern das vernetzte Subjekt als neue Form nicht auch „gouvernemental “ gedacht wird, nämlich wenn Netzwerke als soziales Kapital und Flexibilitätsressourcen betrachtet werden) -> Spiel mit den vorgegebenen Formen (subversives Handlungsspiel, a-normatives Wahrnehmungsspiel) Bsp: cultural hacking Bsp. Modding (ggf., wird auch wieder normierend kommerzialisiert) Bsp. kommerziell nicht verwertbare, aber „netz-wertige “ kollaborative Formen von Kreativität Bsp. tentative Grenzgänge, ästhetische Transgressionen Bsp Hug/Friesen: Zwischen-Sinne Problem der „Vermittlung von Medienbildung “ : Formale Bildungsinstitutionen sind selbst Institutionen der Gouvernementalisierung. Neue Medien sind möglicherweise weniger Gegenstand als Konkurrenz in puncto „Verfertigung nützlicher, sich marktförmig selbst führender Individuen “ .
Dies ist ein gesellschaftliches Entwicklungsfeld. Der Status Quo in der öffentlichen Diskussion bildet dies aber nicht ab. Die bloße Juridifizierung des Netzes ist vorrangiges Thema, an das pädagogisch primär an Schutz- und Rechtsperspektiven anschließen. Derweil erfolgt im Mainstream eine Kolonialisation des Netzes durch die Big Player: das Netz wird (im Mainstream) zunehmend nach ökonomischen Aspekten transformiert. Like? Die Entwicklung digitaler Kultur muss zu einem gesellschaftsweiten Anliegen werden. Sie erfordert Lernen nicht nur seitens der Einzelnen, sondern ebenso auf organisationaler und systemischer Ebene. Partizipation in dig. Medien heißt nicht nur „Nutzung “ vorhandener, sondern Teilnahme an Gestaltung und Umgestaltung medialer Kulturen. (vgl. Ulrike Wagner 2010: Partizipation mit und über Medien. In: merz 5.10, 11-18).