Sicht der Patienten auf Real World Data, Register und Versorgungsdaten. Präsentation von Jan Geissler beim FACHSYMPOSIUM ONKOLOGIE am 28.10.2020 im Rahmen der Sitzung "Daten aus der klinischen Versorgung - was leisten RWD, Register und versorgungsnahe klinische Studien in der Onkologie?"
Similarities and differences between Rare Cancers and Rare Diseases
Sicht der Patienten auf Real World Data, Register und Versorgungsdaten
1. Sicht der Patienten auf
Real World Data, Register
und Versorgungsdaten
Fachsymposium Onkologie, 28.10.2020
Jan Geissler
CEO Patvocates
Vorsitzender LeukaNET e.V.
Vizepräsident Leukemia Patient Advocates Foundation
Geschäftsführer EUPATI Deutschland
Mitglied des Strategiekreises der „Nationalen Dekade gegen Krebs“
Arbeitspaketleiter im IMI Big Data Projekt HARMONY
jan@eupati.eu
2. Neue, individuell passende Ansätze für Therapie und
Versorgung sind exakt das, was Patienten wollen
Was wir wollen:
Prävention, wo möglich
Diagnose, so früh wie möglich
Richtige Therapie für richtigen Patienten zur richtigen Zeit,
Vermeidung von ineffektiver Therapie, Übertherapie und Untertherapie
Positive Nutzen/Risiko-Balance, basierend auf individuellen Präferenzen
3. >5.000 seltene Erkrankungen, >200 Krebsarten:
Patienten brauchen Schutz, aber auch Forschung
Molekulare Targets und Pathways
Genomsequenzierung
Translationale Forschung
Personalisierte Medizin
• Kleinere Populationen
• Biomarker, Gen-/Molekulardiagnostik
Bedarf nach Post-Marketing-Daten,
Versorgungsforschung
Lebensqualität, Endpunkte, Komparatoren
Nutzenbewertung
Digitalisierung
Kostendruck, ausufernde Preise und
massive Administration 3
3
Beschleunigtes Lernen
und Vermeidung von
Duplikation
Neue Prozesse und
Herangehensweisen
Neue Herausforderungen
an „Real World Data“ und
Datenschutz
4. Das Dilemma zwischen Innovation,
Zugangsgeschwindigkeit und starker Evidenz
In Studien:
Große, lange randomisierte klinische Studien haben natürlich methodisch die höchste Validität
Null Risiko für Patient/innen wäre optimal, aber zu später Zugang hat inakzeptables Risiko z.B. bei Krebs
Häufig Fokus auf klinische Outcomes – stiefmütterliche Behandlung von langfristiger Toxizität,
PRO und gesundheitsbezogener Lebensqualität
In der Versorgung:
Deutscher Weg mit frühem Markzugang und früher
Nutzenbewertung ist im Auslandsvergleich für Patienten positiv
Wichtig ist aber, danach komplementäre Daten über die
Realität zu sammeln
• „Adaptive Pathways“
• Krebsregister
• Post-Marketing-Studien
• Versorgungsdaten
• Real World Data
„Black box“ in Versorgung nach Marktzugang ist nicht im Patienteninteresse
4
5. Patienten haben nicht nur aus Eigeninteresse,
sondern auch wegen Forschungswunsch
an Studien teilgenommen
Ist “Horten” und “Nicht-Nutzen” von Daten für
effektivere Forschung und Versorgung ethisch -
und von Patient/inn/en gewünscht, die die Daten
bereitgestellt haben?
…oder basiert das alles auf Annahmen, man
wüsste schon am Besten, was Patienten wollen?
6. Big Data oder Bug Data?
Kleine Fallzahlen in Studien erlauben die Validierung einer klinischen Hypothese, aber
kaum das Erkennen von Mustern in heterogenen, komplexen Erkrankungen
Heterogene, große Datenbanken können helfen, prognostische Muster und klinisch
relevante Subgruppen zu identifizieren, die man dann klinisch validieren kann
Einwilligungserklärungen am Limit, Anonymisierung genomischer Daten schwierig,
DGSVO-Kompatibilität herausfordernd – ist das im Patienteninteresse?
Patientenpartizipation in Big Data-Initiativen (z.B. IMI HARMONY), Fachgesellschaften
(z.B. EHA) und politische Forschungsinitiativen (z.B. Nationale Dekade Gegen Krebs)
erhöhen Vertrauen in Prozesse, Inhalte und Patienteninteressen (Forschungsprojekte,
relevante Outcomes, Pseudonymisierungsmechanismen)
“Citizen controlled data collection” und blockchain-basierte Register bieten neue
Chancen, auch in Bezug auf DGSVO https://www.harmony-alliance.eu
https://www.dekade-gegen-krebs.de
https://ehaweb.org/organization/partners/patient-organizations
7. Datenweitergabe und Datenschutz:
Patientenzustimmung höher als oft angenommen
EURORDIS-Befragung von Patienten und deren Angehörigen mit seltenen
Erkrankungen, >2013 Teilnehmer in 2018
Ziel: Meinungen, Erwartungen und Bedenken von Patienten und
Angehörigen in Bezug auf Datenweitergabe, Forschung und anderen
Nutzungen
7
Wenn Sie die Möglichkeit haben, würden Sie Ihre Gesundheitsdaten für folgende Zwecke verfügbar
machen?
7
Vergleich mit der
Allgemeinbevölkerung:
37% wären bereit, Daten
zur Entwicklung neuer
Therapien weiterzugeben
97%
Entwicklung neuer Therapien
für meine Erkrankung
90%
Verbesserung der Forschung
und Versorgung für andere als
meine Erkrankung
Unabhängig von Alter, Geschlecht,
Bildungsgrad, Schwere der
Erkrankung
Courbier et al. Orphanet Journal of Rare Diseases (2019), https://doi.org/10.1186/s13023-019-
97%
Verständnis über Mechanismen
und Ursachen der Erkrankung
entwickeln
2 Attitudes towards data sharing, you Gov. (2018)
8. Die 4 bedeutendsten Risiken der Weitergabe persönlicher
Daten oder Gesundheitsdaten aus Patientensicht
8
Ihre Information wird mit Dritten ohne
Ihre Einwilligung geteilt
Die Informationen werden in einem anderen
Kontext genutzt als in dem, in dem sie
bereitgestellt wurden
Meine Informationen werden
ohne mein Wissen genutzt
Opfer von Diskriminierung zu werden
Vergleich mit
Allgemeinbevölkerung:
7% fürchten, Opfer von
Diskriminierung zu werden
*Die vier häufigsten Antworten aus einer Liste von 15 Möglichkeiten
Courbier et al. Orphanet Journal of Rare Diseases (2019)
9. Zusammenfassung
Patienten sind an Sicherheit, aber auch an Innovation und schnellere Forschung
interessiert. Es gibt sehr breite Zustimmung zur Nutzung der Daten für
Forschungszwecke, solange zweckfremder Missbrauch ausgeschlossen ist.
Die Diskussion um Datenschutz findet aber leider häufig ohne Dialog mit
Patientenorganisationen mit Forschungsinteresse statt
Versorgungsforschung, Register, Real World Data und PRO sind wichtige
Instrumente, um die Patienten- und Versorgungsrealität zu verstehen.
Patientenorganisationen sollten dabei Partner sein.
9Jan Geissler <jan@eupati.eu>