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Zitiervorschlag: Hamann/Rudnik, jurisPR-ArbR 17/2016 Anm. 1
ISSN 1860-1553
juris GmbH, Gutenbergstraße 23, D-66117 Saarbrücken, Tel.: 0681/5866-0, Internet: www.juris.de, E-Mail: info@juris.de
Der juris PraxisReport sowie die darin veröffentlichten Anmerkungen sind urheberrechtlich geschützt. Kein Teil darf (auch nicht
auszugsweise) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form reproduziert werden.
© juris GmbH 2016
Herausgeber: Prof. Franz Josef Düwell, Vors. RiBAG a.D.
Prof. Klaus Bepler, Vors. RiBAG a.D.
17/2016
Erscheinungsdatum:
27.04.2016
 
Erscheinungsweise:
wöchentlich
 
Bezugspreis:
10,- € monatlich
zzgl. MwSt.
Inhaltsübersicht:
Anm. 1 Keine Altersdiskriminierung durch einzelvertragliche Altersgrenze bei
Vollendung des 65. Lebensjahres
Anmerkung zu BAG, Urteil vom  09.12.2015, 7 AZR 68/14
von Prof. Dr. Wolfgang Hamann / Dipl.-Kauffr. Tanja Rudnik, Wissenschaftliche Mitarbeiterin
Anm. 2 Entschädigung (Höhe und Durchsetzbarkeit) als angemessene Sanktion
einer Altersdiskriminierung
Anmerkung zu VG Frankfurt, Urteil vom  13.11.2015, 9 K 2555/13.F
von Prof. Dr. Christiane Brors, Universität Oldenburg
Anm. 3 Verbilligte Parkraumüberlassung an Arbeitnehmer
Anmerkung zu BFH, Urteil vom  14.01.2016, V R 63/14
von Prof. Dr. habil. Heinrich Weber-Grellet, Vors. RiBFH a.D.
Anm. 4 Rechtswidrige Prämie von Arbeitgeber für Gewerkschaftsaustritt
Anmerkung zu ArbG Gelsenkirchen, Urteil vom  09.03.2016, 3 Ga 3/16
von Dr. André Zimmermann, LL.M., RA und FA für Arbeitsrecht, Orrick, Herrington & Sutcliffe
LLP, Düsseldorf / Louisa Kallhoff, RA'in, München
Anm. 5 Schriftform für Abwicklungsvertrag mit Sprinterklausel
Anmerkung zu BAG, Urteil vom  17.12.2015, 6 AZR 709/14
von Dr. Mathias Maul-Sartori, RiArbG
jurisPR-ArbR 17/2016
1
Keine Altersdiskriminierung durch
einzelvertragliche Altersgrenze bei
Vollendung des 65. Lebensjahres
Orientierungssätze zur Anmerkung:
1. Eine Altersgrenze in einem vom Arbeit-
geber vorformulierten Arbeitsvertrag, nach
der das Arbeitsverhältnis mit der Voll-
endung des 65. Lebensjahres des Arbeitneh-
mers enden soll, ist nach der Anhebung des
Regelrentenalters regelmäßig dahin auszu-
legen, dass das Arbeitsverhältnis erst mit
der Vollendung des für den Bezug einer Re-
gelaltersrente maßgeblichen Lebensalters
enden soll.
2. Eine auf das Erreichen des Regelrenten-
alters bezogene einzelvertraglich vereinbar-
te Altersgrenze ist in der Regel sachlich ge-
rechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer durch
den Bezug einer Rente aus der gesetzlichen
Rentenversicherung abgesichert ist.
3. Durch eine derartige einzelvertragliche
Altersgrenze wird der Arbeitnehmer nicht in
unzulässiger Weise wegen des Alters diskri-
miniert.
Anmerkung zu BAG, Urteil vom   09.12.2015,
7 AZR 68/14
von Prof. Dr. Wolfgang Hamann / Dipl.-Kauf-
fr. Tanja Rudnik, Wissenschaftliche Mitarbeite-
rin
A. Problemstellung
Weitgehend scheint Konsens zu bestehen, dass
mit Eintritt der Rentenberechtigung das Recht
am bisherigen Arbeitsplatz eingeschränkt wer-
den kann, um für jüngere Arbeitnehmer freie
Arbeitsplätze und Aufstiegsmöglichkeiten zu
schaffen. Arbeitsverhältnisse enden aber nicht
automatisch, wenn der Arbeitnehmer das Ren-
tenalter erreicht oder eine Rente beantragt.
Auch eine Kündigung allein aus diesem Grunde
ist nicht sozial gerechtfertigt, wie § 41 Satz 1
SGB VI ausdrücklich klarstellt. Um die Personal-
planung berechenbarer zu gestalten und unan-
genehme Streitigkeiten z.B. wegen nachlassen-
der Leistungsfähigkeit oder vermehrter Krank-
heit zu vermeiden, finden sich in Tarifverträgen,
Betriebsvereinbarungen und Individualarbeits-
verträgen regelmäßig Bestimmungen, die eine
Befristung des Arbeitsverhältnisses bis zum Er-
reichen des Rentenalters bezwecken. Seit dem
Jahre 2008 sehen die §§ 35 Satz 2, 235 Abs. 2
SGB VI eine nach Geburtsjahrgängen gestaffel-
te Regelaltersgrenze bis zur Vollendung des 67.
Lebensjahres vor. Im Einklang mit der früheren
Rechtslage stellen zahlreiche, vor allem ältere
Arbeitsverträge aber noch auf die Vollendung
des 65. Lebensjahres ab. Ob und ggf. zu wel-
chem Zeitpunkt diese Bestimmungen das Ar-
beitsverhältnis beenden, war Gegenstand der
vorliegenden Entscheidung.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Das BAG hatte über die Auslegung und die Wirk-
samkeit einer einzelvertraglichen Altersgren-
zenregelung zu entscheiden. Ziffer 14 des Ar-
beitsvertrags der Parteien aus dem Jahre 1998
enthält folgende Regelung:
„Das Anstellungsverhältnis endet mit Voll-
endung des 65. Lebensjahres, ohne dass es ei-
ner Kündigung bedarf.“
Der 1947 geborene Kläger bezieht seit dem
01.12.2012 Regelaltersrente. Mit seiner im Ok-
tober 2012 erhobenen Klage macht er geltend,
sein Arbeitsverhältnis habe nicht durch Befris-
tung zum 30.11.2012 geendet.
Im Einklang mit den Vorinstanzen hat das BAG
die Klage abgewiesen. Ziffer 14 des Arbeitsver-
trags sei als Befristungsabrede auf den Zeit-
punkt des Erreichens der Regelaltersgrenze für
den Bezug einer Altersrente aus der gesetzli-
chen Rentenversicherung auszulegen. Die Aus-
legung der Klausel richte sich nach den für All-
gemeine Geschäftsbedingungen (AGB) gelten-
den Auslegungsregeln, und zwar auch dann,
wenn es sich um eine Einmalbedingung i.S.v.
§  310 Abs.  3 Nr.  2 BGB handeln sollte. AGB
sind nach ihrem objektiven Inhalt und typi-
schen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie
von verständigen und redlichen Vertragspart-
nern mit durchschnittlichen Verständnismög-
lichkeiten unter Abwägung der Interessen der
normalerweise beteiligten Verkehrskreise ver-
standen werden. Bei einem nicht eindeutigen
Vertragswortlaut komme es entscheidend dar-
jurisPR-ArbR 17/2016
auf an, wie der Vertragstext aus Sicht der ty-
pischerweise an Geschäften dieser Art beteilig-
ten Verkehrskreise zu verstehen ist. Die Unklar-
heitenregel des §  305c Abs.  2 BGB, nach der
Zweifel bei der Auslegung zulasten des Verwen-
ders gehen, greife nur dann, wenn nach Aus-
schöpfung aller Auslegungsmethoden mindes-
tens zwei Ergebnisse vertretbar erscheinen und
von diesen keines den klaren Vorzug verdient.
Die entfernte Möglichkeit, zu einem anderen Er-
gebnis zu kommen, genüge nicht.
Aus dem Wortlaut der Regelung in Ziffer 14
des Arbeitsvertrages folge, dass sie als Befris-
tungsabrede auf die Regelaltersgrenze für den
Bezug einer Altersrente aus der gesetzlichen
Rentenversicherung zu verstehen sei. Das Tat-
bestandsmerkmal „Vollendung des 65. Lebens-
jahres“ sei als Beschreibung des Zeitpunkts zu
verstehen, in dem der Kläger nach seinem Le-
bensalter zum Bezug einer Regelaltersrente be-
rechtigt ist. Seit 1916 und auch bei Vertrags-
schluss sei das Regelrentenalter mit Vollendung
des 65. Lebensjahres erreicht worden. Aus da-
maliger Sicht habe keine Veranlassung für eine
abweichende Formulierung zur Anknüpfung an
die Regelaltersgrenze bestanden. Ein verständi-
ger Arbeitnehmer müsse die Formulierung ent-
sprechend verstehen, so dass für die Anwen-
dung des § 305c Abs. 2 BGB kein Raum verblei-
be. Eventuell vorliegende, den Vertragsschluss
begleitende besondere Umstände können nicht
bei der Auslegung von AGB, sondern gemäß
§ 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB nur bei der Prüfung ei-
ner unangemessenen Benachteiligung berück-
sichtigt werden.
Die Befristungsabrede sei auch Vertragsbe-
standteil geworden, da es sich nicht um eine
überraschende Klausel i.S.v. § 305c Abs. 1 BGB
handele. Die in der Literatur umstrittene Frage,
ob §  305c Abs.  1 BGB überhaupt auf Einmal-
bedingungen anwendbar sei, könne deshalb of-
fenbleiben. Hier sei die Klausel weder ihrem In-
halt noch ihrem Erscheinungsbild nach überra-
schend. Befristungsabreden auf das Erreichen
des Rentenalters seien im Arbeitsleben verbrei-
tet und damit nicht objektiv ungewöhnlich. Da
Ziffer 14 ausweislich ihrer Überschrift das In-
krafttreten und die Beendigung des Vertrags re-
gelt, fehle auch ohne drucktechnische Hervor-
hebung ein „Überrumpelungs- und Übertölpe-
lungseffekt“.
Schließlich sei die Befristungsabrede auch wirk-
sam. Ein durchschnittlicher Arbeitnehmer kön-
ne der Bestimmung hinreichend deutlich ent-
nehmen, wann das Arbeitsverhältnis enden sol-
le. Daher sei sie nicht intransparent. Die Be-
fristung sei auch sachlich gerechtfertigt und
benachteilige den Arbeitnehmer nicht unange-
messen. Dem zeitlich begrenzten Fortsetzungs-
interesse stehe ein Interesse des Arbeitgebers
an einer berechenbaren Personal- und Nach-
wuchsplanung gegenüber. Letzterem räumt das
BAG den Vorzug ein, wenn der Arbeitnehmer
durch den Bezug einer gesetzlichen Altersren-
te abgesichert ist. Dabei komme es nicht auf
die konkrete wirtschaftliche Absicherung des
Arbeitnehmers an, so dass die Höhe der im Ein-
zelfall bestehenden Rentenansprüche auch im
Vergleich zum bisherigen Einkommen ohne Be-
deutung sei. Auch bei leitenden Angestellten er-
fordere die Rechtfertigung der Befristung keine
Zusage einer Abfindung oder andere Form der
zusätzlichen sozialen Absicherung. In neueren
Verträgen unter Geltung des TzBfG liege für Be-
fristungen auf das Erreichen des Regelrentenal-
ters ein Sachgrund i.S.d. § 14 Abs. 1 TzBfG vor.
Der Kläger werde schließlich nicht in unzulässi-
ger Weise gemäß den §§ 7 Abs. 1 i.V.m. 1 AGG
wegen Alters diskriminiert. Auch wenn der zeit-
liche Anwendungsbereich des Gesetzes eröffnet
sei, wenn die Altersgrenze nach Inkrafttreten
des AGG erreicht wird, sei die auf dem Merkmal
des Alters beruhende Ungleichbehandlung bei
den Entlassungsbedingungen objektiv und an-
gemessen und durch ein legitimes Ziel gerecht-
fertigt. Bei Befristungen auf das Renteneintritts-
alter sei dies gemäß §  10 Satz 3 Nr.  5 AGG
der Fall. Diese Regelung stehe wegen des mit
ihr verfolgten arbeits- und beschäftigungspoliti-
schen Ziels nach der Rechtsprechung des EuGH
im Einklang mit Art. 6 Abs. 1 der RL 2000/78/EG.
Auch ihre Nutzung im konkreten Fall verfolge
in angemessener und erforderlicher Weise ein
legitimes Ziel. Das Ziel der besseren Beschäf-
tigungsverteilung zwischen den Generationen
durch Zugang jüngerer Personen zur Beschäf-
tigung sei legitim und stehe im Allgemeininter-
esse. Bei der Entscheidung über Maßnahmen
zur Erreichung dieses Ziels können die Mitglied-
staaten dem Arbeitgeber in nationalen Rechts-
vorschriften ein gewisses Maß an Flexibilität zu-
gestehen, so dass auch eine Befristung in einem
Einzelvertrag ohne kollektiven Bezug dazu ein-
gesetzt werden könne. Die Befristung sei erfor-
jurisPR-ArbR 17/2016
derlich, um jüngeren Personen den Zugang zum
Arbeitsmarkt zu erleichtern. Sie beeinträchtige
die Interessen des Klägers nicht übermäßig und
sei daher auch angemessen. Die vorhersehbare
Versorgungslücke zwischen einem Einkommen
oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze und
der daraus resultierenden gesetzlichen Rente
hätte der Kläger beizeiten durch Eigenvorsor-
ge schließen können. Zudem könne er auch im
Rentenalter eine neue berufliche Tätigkeit auf-
nehmen, wenn er dies wünsche. Da die unions-
rechtlichen Grundsätze für die Beurteilung von
Befristungen auf den Zeitpunkt der Regelalters-
grenze geklärt seien, bedürfe es keines Vorab-
entscheidungsersuchens nach Art. 267 Abs. 3
AEUV.
C. Kontext der Entscheidung
I. Das BAG bleibt seiner großzügigen Linie bei
der Beurteilung von Befristungsabreden zum
Renteneintrittsalter treu. EuGH und BAG ha-
ben in der Vergangenheit bereits mehrfach ent-
schieden, dass Befristungen bis zur Regelalters-
grenze in kollektivrechtlichen Vereinbarungen
den Arbeitnehmer nicht in unzulässiger Weise
wegen des Alters diskriminieren (EuGH, Urt. v.
12.10.2010 - C-45/09 „Rosenbladt“; von Roette-
ken, jurisPR-ArbR 47/2010 Anm. 1; EuGH, Urt. v.
05.07.2012 - C-141/11 - NZA 2012, 785 „Hörn-
feldt “; BAG, Urt. v. 21.09.2011 - 7 AZR 134/10
- NZA 2012, 271; BAG, Urt. v. 05.03.2013 - 1
AZR 417/12; Gravenhorst, jurisPR-ArbR 2/2014
Anm. 3; BAG, Urt. v. 12.06.2013 - 7 AZR 917/11 -
NZA 2013, 1428). Auch die Literatur hält solche
Regelungen für wirksam (Backhaus in: Ascheid/
Preis/Schmidt, Kündigungsrecht, 4. Aufl. 2012,
§  14 TzBfG Rn.  113; Bayreuther in: BeckOK
ArbR, Stand: 01.09.2015, Edition: 38, § 14 TzB-
fG Rn. 71; Müller-Glöge in: ErfKomm, 16. Aufl.
2016, §  14 TzBfG Rn.  56d; Hesse in: Münch-
Komm BGB, 6. Aufl. 2012, § 14 TzBfG Rn. 60).
Nachdem das BAG (Urt. v. 12.06.2013 - 7 AZR
917/11 - NZA 2013, 1428, 1432 Rn.  36) zu-
nächst noch ausdrücklich offengelassen hatte,
ob dasselbe gilt, wenn Altersgrenzen individu-
alvertraglich vereinbart werden, hat es diese
Frage mit Urteil vom 11.02.2015 (7 AZR 17/13;
Hamann/Rudnik, jurisPR-ArbR 37/2015 Anm. 3)
bejaht. Denn auch individuelle Vereinbarungen
können einem kollektiven Ziel dienen. Dieser
Auffassung ist das Schrifttum überwiegend ge-
folgt (Bauer/Krieger, NJW 2007, 3672, 3674;
Meinel in: Meinel/Heyn/Herms, 5.  Aufl. 2015,
§ 14 TzBfG Rn. 221; Hesse in: MünchKomm BGB,
§ 14 TzBfG Rn. 60).
Für Betriebsvereinbarungen hatte das BAG
schon früher entschieden, dass das Abstel-
len auf die Vollendung des 65. Lebensjah-
res als Orientierung an der gesetzlichen Re-
gelaltersgrenze zu verstehen und entspre-
chend dem RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz
„dynamisch“ auszulegen sei (BAG, Urt.  v.
13.10.2015 - 1 AZR 853/13 - NZA 2016, 54).
Dem ist zuzustimmen. Betriebsvereinbarungen
sind ebenso wie Tarifverträge nach den Regeln
über die Gesetzesinterpretation auszulegen (Ri-
chardi in: Richardi, BetrVG, 15. Aufl. 2016, § 77
Rn. 115, m.w.N.). Deshalb hatte das BAG vor al-
lem mit dem Zweck der Regelung und mit dem
Grundsatz der gesetzeskonformen Auslegung
von Betriebsvereinbarungen argumentiert.
Offen war im vorliegenden Fall dennoch, ob das
Auslegungsergebnis dasselbe ist, wenn die Al-
tersgrenze in AGB vereinbart wird, und ob ei-
ne Befristungsklausel bis zum Erreichen des 65.
Lebensjahres der AGB-Kontrolle standhält. Bei
der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingun-
gen sind nämlich andere Maßstäbe anzulegen.
Der Grundsatz der gesetzeskonformen Ausle-
gung gilt bei AGB nicht, da es sich um eine
unzulässige geltungserhaltende Reduktion han-
deln würde. Vielmehr wird umgekehrt die Klau-
sel in ihrer für den Arbeitnehmer ungünstigs-
ten Auslegung der Inhaltskontrolle unterzogen
(Basedow in: MünchKomm BGB, 7. Aufl. 2016,
§ 305c Rn. 35, m.w.N.). Zudem sind bei der Aus-
legung die durchschnittlichen Verständnismög-
lichkeiten eines Arbeitnehmers des Verwenders
und nicht diejenigen einer juristisch geschulten
Person zugrunde zu legen.
Deshalb überzeugt die vorliegende Entschei-
dung nicht. Das BAG ist der Ansicht, eine Ausle-
gung der „Altersgrenze 65“ müsse eindeutig zu
dem Schluss führen, es liege eine Befristung auf
das Erreichen der Regelaltersgrenze vor. Dass
aus der Sicht eines objektiven, durchschnittli-
chen Arbeitnehmers offensichtlich nur dieses
Auslegungsergebnis in Betracht kommt, kann
nicht angenommen werden. Für juristische Lai-
en steht bei der Auslegung von Verträgen viel-
mehr der Wortlaut im Vordergrund; häufig wird
er sogar für allein maßgeblich gehalten. Und das
Ergebnis einer reinen Wortlautauslegung wird
dem Arbeitnehmer auch nicht unbedingt abwe-
gig erscheinen. Das BAG berücksichtigt nämlich
jurisPR-ArbR 17/2016
nicht, dass die Vollendung des 65. Lebensjah-
res ihre rentenrechtliche Bedeutung nicht voll-
ständig verloren hat. Viele Arbeitnehmer kön-
nen nach den §§ 236 ff. SGB VI schon ab diesem
Zeitpunkt eine Rente beziehen, selbst wenn sie
dabei möglicherweise Abschläge in Kauf neh-
men müssen. So scheint das BAG – wie auch in
anderen Entscheidungen (vgl. etwa BAG, Urt. v.
10.04.2014 - 2 AZR 647/13 - NZA 2015, 162) –
bei der Auslegung eher den durch einen Fach-
anwalt, eine Gewerkschaft oder einen kompe-
tenten Betriebsrat beratenen Arbeitnehmer vor
Augen zu haben als den durchschnittlichen Ar-
beitnehmer, der sich selbst mit den Vertrags-
klauseln auseinandersetzt.
Doch selbst in der juristischen Literatur wird
erwogen, eine Befristungsklausel bis zur Voll-
endung des 65. Lebensjahres dahingehend aus-
zulegen, dass das Arbeitsverhältnis tatsächlich
bereits zu diesem Zeitpunkt enden soll, wenn
der Arbeitnehmer eine Rente mit Abschlägen
für langjährig Versicherte nach §  236 SGB  VI
oder eine abschlagsfreie Rente für besonders
langjährig Versicherte nach § 236b SGB VI be-
ziehen kann (so Bayreuther in: BeckOK ArbR,
38. Edition, Stand: 01.09.2015, §  14 TzBfG
Rn. 71a; a.A. Meinel in: Meinel/Heyn/Herms, § 14
TzBfG Rn.  223, zu Grenzfällen vgl. Poguntke,
NZA 2014, 1372, 1373). Eine Befristungsklausel
bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres lässt
also durchaus unterschiedliche Deutungsmög-
lichkeiten zu.
Schon früh hat auch der Gesetzgeber die Ge-
fahr gesehen, dass der Arbeitgeber die Flexibi-
lisierung des Renteneintrittszeitpunkts für sei-
ne Zwecke ausnutzen könnte, und ist ihr mit
§ 41 Satz 2 SGB VI grundsätzlich entgegenge-
treten. Diese Norm ist auch dann anwendbar,
wenn nicht auf den Altersrentenanspruch Be-
zug genommen, sondern eine entsprechende
Altersgrenze genannt wird (Gürtner in: Kasse-
ler Komm, § 41 SGB VI Rn. 12, m.w.N.). Wur-
de die Vereinbarung aber innerhalb der letzten
drei Jahre vor einem möglichen vorzeitigen Ren-
teneintritt abgeschlossen oder bestätigt, so en-
det das Arbeitsverhältnis ausnahmsweise zum
genannten Zeitpunkt vor Erreichen der Regelal-
tersgrenze, ohne dass ein Sachgrund erforder-
lich ist (Sprenger, BB 2016, 757, 758). Sogar das
Gesetz sieht in der „Altersgrenze 65“ also nicht
immer eine Befristung bis zum Regelrentenal-
ter.
Da mithin aus Arbeitnehmersicht unterschied-
liche Auslegungsergebnisse möglich sind, ver-
mögen die äußerst knappen Ausführungen des
BAG zur Transparenz der Befristungsklausel
nicht zu überzeugen. Vertragsklauseln sind
auch dann nicht klar und verständlich i.S.d.
§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, wenn sie den Vertrags-
partner über seine Rechtsstellung täuschen
können (H. Schmidt in: BeckOK BGB, 38. Edi-
tion, Stand: 01.02.2016, § 307 Rn. 43; Wurm-
nest in: MünchKomm BGB, § 307 Rn. 61). Sinn
des Transparenzgebots ist es, der Gefahr vor-
zubeugen, dass der Vertragspartner des Klau-
selverwenders von der Durchsetzung beste-
hender Rechte abgehalten wird (BAG, Urt.  v.
21.06.2011 - 9 AZR 236/10 - NZA 2011, 1274;
BAG, Urt. v. 24.10.2007 - 10 AZR 825/06; Beck-
mann, jurisPR-ArbR 32/2009 Anm. 6). Verlangt
der Arbeitgeber unter Hinweis auf eine entspre-
chende Klausel die Beendigung des Arbeitsver-
hältnisses mit Vollendung des 65. Lebensjah-
res, so wird längst nicht für jeden Arbeitnehmer
offensichtlich sein, dass diese Forderung unbe-
rechtigt ist. Vor allem ein vorzeitig rentenbe-
rechtigter Arbeitnehmer kann die Altersgrenze
im Arbeitsvertrag so verstehen, dass er seinen
Arbeitsplatz mit Vollendung des 65. Lebensjah-
res verliert und damit faktisch zu einer frühzei-
tigen Inanspruchnahme der Rentenzahlung ge-
zwungen ist. Dieses Missbrauchsrisiko benach-
teiligt den Arbeitnehmer unangemessen.
Zudem hält die Altersgrenzenregelung in ihrer
für den Arbeitnehmer ungünstigsten Auslegung
als unbedingte Befristung zur Vollendung des
65. Lebensjahres einer Inhaltskontrolle nach
§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht stand. Denn die
Zulässigkeit von Altersgrenzen setzt grundsätz-
lich voraus, dass ein Anspruch auf Bezug einer
Regelaltersrente besteht. Sieht sich der Arbeit-
nehmer verpflichtet, eine Altersrente mit Abzü-
gen oder gar eine Zeitspanne der Arbeitslosig-
keit hinzunehmen, so benachteiligt ihn dies un-
angemessen.
II. Deutlich strengere Maßstäbe als für Befris-
tungen bis zur Regelaltersgrenze mit Absiche-
rung gelten nach der Rechtsprechung für Al-
tersgrenzen, die zu einer Beendigung des Ar-
beitsverhältnisses vor Erreichen des Regelren-
tenalters führen (Brors, RdA 2012, 346, 349 f.).
So hat der EuGH eine auf das 60. Lebensjahr
abstellende tarifliche Altersgrenze für Piloten
für europarechtswidrig erklärt (EuGH, Urt.  v.
jurisPR-ArbR 17/2016
13.09.2011 - C-447/09 „Prigge“; Klein, jurisPR-
ArbR 14/2012 Anm. 3). Die Verschärfung gelten-
der gesetzlicher Altersgrenzen durch Tarifver-
trag zum Schutz der Flugsicherheit belaste die
Piloten unverhältnismäßig. Und das BAG hat für
Kabinenpersonal weder die Flugsicherheit noch
das Interesse des Unternehmens an einem ju-
gendlichen Erscheinungsbild als rechtfertigen-
den sachlichen Grund für eine Befristung bis
zum 55. bzw. 60. Lebensjahr anerkannt (BAG,
Urt. v. 31.07.2002 - 7 AZR 140/01 - NZA 2002,
1155; BAG, Urt. v. 19.10.2011 - 7 AZR 253/07
- NZA 2012, 1297; BAG, Urt. v. 23.06.2010 - 7
AZR 1021/08 - NZA 2010, 1248).
III. Von der Befristung bis zur Regelaltersgren-
ze zu unterscheiden ist die Situation, dass mit
Arbeitnehmern im Rentenalter eine befriste-
te Beschäftigung vereinbart wird. Eine proble-
matische Situation kann entstehen, wenn ein
langjähriges Arbeitsverhältnis durch eine Alters-
grenze geendet hat, der Arbeitgeber den Ar-
beitnehmer aber noch für begrenzte Zeit – et-
wa zur Überbrückung eines Personalengpasses
oder zur Einarbeitung eines Nachfolgers – wei-
terbeschäftigen möchte. Auch dann sind Diskri-
minierungen wegen des Alters verboten. Der
Bezug einer Regelaltersrente oder die Berechti-
gung dazu ist für sich genommen deshalb kein
Sachgrund für eine Befristung des Arbeitsver-
hältnisses (BAG, Urt.  v. 11.02.2015 - 7 AZR
17/13; Hamann/Rudnik, jurisPR-ArbR 37/2015
Anm. 3). Die Abwägung bei der Befristung bis
zur Regelaltersgrenze lässt sich nicht auf Befris-
tungen im gesamten Rentenalter übertragen.
Ein Sachgrund kann aber darin bestehen, dass
die befristete Fortsetzung des Arbeitsverhält-
nisses einer konkreten, im Zeitpunkt der Verein-
barung schon bestehenden Personal- und Nach-
wuchsplanung des Arbeitgebers dient.
Wurde ein Arbeitsverhältnis bereits wirksam bis
zur Regelaltersgrenze befristet, so erleichtert
§ 41 Satz 3 SGB VI allerdings das Hinausschie-
ben der Beendigung auf einen späteren Zeit-
punkt. Diese erneute Befristung muss während
des noch laufenden Arbeitsverhältnisses verein-
bart werden; die Schriftform ist nach ganz h.M.
einzuhalten (Gürtner in: Kasseler Komm, 88.
Erg.-Lfg. Dezember 2015, § 41 SGB VI Rn. 21;
Rolfs in: ErfKomm, §  41 SGB  VI Rn.  23; Ba-
der, NZA 2014, 749, 751; Kleinebrink, DB 2014,
1490, 1493; Kramer, ArbR 2015, 144, 145  f.;
Sprenger, BB 2016, 757, 760; Waltermann, RdA
2015, 343, 347; a.A. Pogunkte, NZA 2014, 1372,
1374). Einen Sachgrund für die Befristung ver-
langt das Gesetz dann nicht (Sprenger, BB
2016, 757, 759, m.w.N.). Allerdings wird die
Vereinbarkeit dieser Regelung mit dem Euro-
parecht angezweifelt (Rolfs in: ErfKomm, § 41
SGB  VI Rn.  22; Bader, NZA 2014, 749, 752;
Bauer, NZA 2014, 889, 890; ausführlich Wal-
termann, RdA 2015, 343, 348 ff.), so dass Ar-
beitgeber bei Nutzung der Befristungserleichte-
rung bis zu einer endgültigen Klärung durch die
Rechtsprechung ein gewisses Risiko eingehen.
D. Auswirkungen für die Praxis
Arbeitgeber können aufatmen. Nun ist auch
die Wirksamkeit zahlreicher einzelvertraglicher
Altersgrenzenregelungen bestätigt. Schwieri-
ge personenbedingte Kündigungen von Arbeit-
nehmern im Rentenalter werden vermieden.
Vom BAG weiterhin ungeklärt ist das Schick-
sal von Vereinbarungen, die nach der Ver-
kündung (30.04.2007) oder dem Inkrafttreten
(01.01.2008) des RV-Altersgrenzenanpassungs-
gesetzes getroffen wurden und dennoch auf die
Vollendung des 65. Lebensjahres abstellen. Hier
dürften auch bei großzügigster Betrachtung zu-
mindest Zweifel bestehen, ob das Arbeitsver-
hältnis nicht tatsächlich mit Vollendung des 65.
Lebensjahres enden soll. In jedem Falle ist bei
der Formulierung von Altersgrenzen im Vertrag
eine Orientierung an den §§  35 Satz 2, 235
Abs. 2 SGB VI zu empfehlen. Die unbesehene
Verwendung veralteter Vertragsvordrucke kann
Arbeitgeber nämlich noch nach Jahrzehnten ein-
holen.
2
Entschädigung (Höhe und
Durchsetzbarkeit) als angemessene
Sanktion einer Altersdiskriminierung
Leitsatz:
Für die Bemessung der Entschädigung nach
§ 15 Abs. 2 AGG gilt § 287 Abs. 1 ZPO. Aus
§ 198 Abs. 2 Satz 3 GVG, § 97a Abs. 2 Satz
3 BVerfGG ergeben sich keine Anhaltspunk-
te für die Bemessung einer Entschädigung
wegen einer Diskriminierung. Für eine lang-
jährige Diskriminierung wegen des Alters im
Bereich der Besoldung ist eine Entschädi-
gung von mindestens 9.133,55 Euro ange-
jurisPR-ArbR 17/2016
messen. Die Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4
AGG beginnt bei Dauertatbeständen erst mit
der letzten Benachteiligung zu laufen. Wird
im Bereich des Entgelts bzw. der Besoldung
diskriminiert, handelt es sich um einen der-
artigen Dauertatbestand. Die Festsetzung
des Besoldungdienstalters bietet keinen An-
knüpfungspunkt für den Beginn der Aus-
schlussfrist. Der unionsrechtliche Haftungs-
anspruch steht selbstständig neben den An-
sprüchen aus § 15 Abs. 1, 2 AGG. Der unions-
rechtliche Haftungsanspruch erfasst auch
immaterielle Schäden. § 15 Abs. 4 AGG gilt
nicht für den unionsrechtlichen Haftungsan-
spruch.
Anmerkung zu VG Frankfurt, Urteil vom
 13.11.2015, 9 K 2555/13.F
von Prof. Dr. Christiane Brors, Universität Ol-
denburg
A. Problemstellung
In der Entscheidung geht es neben anderen dis-
kriminierungsrechtlichen Problemen (z.B. Vor-
aussetzungen des unionsrechtlichen Haftungs-
anspruchs) im Schwerpunkt um zwei Fragen:
1. Wie wird der Entschädigungsanspruch nach
§ 15 Abs. 2 Satz 1 AGG bemessen?
2. Wann beginnt die Frist des § 15 Abs. 4 AGG
bei einer wiederkehrenden über Jahre andau-
ernden Diskriminierung zu laufen?
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Der Entscheidung des VG Frankfurt liegt die
Klage eines hessischen Beamten zugrunde, der
sich gegen die altersabhängig gestaffelte Be-
soldung wendet und für den Zeitraum von Ja-
nuar 2009 bis Februar 2014 die Differenz zur
Endstufe, insgesamt einen Betrag von 9.133,55
Euro einklagt. Erstmalig hatte der Kläger sich
schriftlich im Dezember 2012 an die Bezüge-
stelle gewendet und die Besoldung nach der
vorgesehenen Endstufe verlangt. Das beklag-
te Land beruft sich nicht auf Verjährung, ist
aber der Ansicht, dass der Anspruch nicht inner-
halb der zweimonatigen Frist des § 15 Abs. 4
AGG geltend gemacht worden ist. Nach Veröf-
fentlichung der Entscheidung des BVerwG vom
30.10.2014 (2 C 6/13) beruft sich der Kläger auf
einen Entschädigungsanspruch bzw. auf den
unionsrechtlichen Haftungsanspruch als Grund-
lage seiner Klage.
Das VG Frankfurt hat dem Kläger eine Entschä-
digung in Höhe von 9.133,55 Euro zugebilligt.
C. Kontext der Entscheidung
I. Anspruchsgrundlage
Die vom Kläger zuletzt geltend gemachte
Anspruchsgrundlage auf Entschädigung bzw.
Schadensersatz in der geltend gemachten Hö-
he ist nur vor dem Hintergrund der Entschei-
dung des BVerwG vom 30.10.2014 (2 C 6/13)
verständlich. In dieser Entscheidung beruft sich
das Gericht auf die Rechtsprechung des EuGH
zur Unwirksamkeit altersgestaffelter Bezüge-
systeme (EuGH, Urt. v. 19.06.2014 - C-501/12
„Specht“) und lehnt einen Gleichbehandlungs-
anspruch auf Vergütung nach der höchsten Stu-
fe ab. Zwar entspricht es der Rechtsprechung
des EuGH bei fehlenden Ausgleichsmaßnahmen
einen Anspruch auf die Vorteile der bevorzugten
Gruppe zu geben, jedoch setzt dies nach Ansicht
der Rechtsprechung ein gültiges Bezugssystem
voraus, das im Fall der jeden Beschäftigten be-
treffenden Altersdiskriminierung nicht gegeben
sei. Dagegen lässt sich einwenden, dass es sich
bei der Entlohnung der durch die Gehaltsend-
stufe bevorzugten Gruppe nicht um eine Dis-
kriminierung aufgrund des Alters handelt, da
schon eine Schlechterstellung fehlt. Es ist ja
nicht der Altersbezug als solcher untersagt, son-
dern nur die Schlechterstellung aufgrund des
Alters. Die fehlt aber bei der Gruppe, die den
Höchstsatz erhält. Insofern hätte man auch hier
den Höchstsatz für die Bemessung heranziehen
können, hat dann aber die Ansicht der höchst-
richterlichen Rechtsprechung gegen sich.
Aufgrund der insoweit klaren Aussage des
BVerwG nimmt das Verwaltungsgericht von sei-
ner bisherigen Rechtsprechung Abstand und
verneint einen Anspruch auf Gleichstellung. In
Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des
BVerwG zieht das Verwaltungsgericht den Ent-
schädigungsanspruch nach §  15 Abs.  2 AGG
und den unionsrechtlichen (Staats-)Haftungs-
anspruch heran und bejaht beide.
jurisPR-ArbR 17/2016
II. Höhe des Entschädigungsanspruchs
Zu Recht wendet sich das VG Frankfurt gegen
die Ansicht des BVerwG (Urt. v. 30.10.2014 - 2 C
6/13), die Höhe des Entschädigungsanspruchs
in Anlehnung an § 198 Abs. 3 GVG, § 97a Abs. 2
Satz 3 BVerfGG zu bestimmen und so einen Be-
trag von 100 Euro pro Monat festzusetzen. Der
Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 Satz
1 AGG und der nach den §  198 Abs.  3 GVG,
§ 97a Abs. 2 Satz 3 BVerfGG haben unterschied-
liche Zielsetzungen. Zwar ist es denkbar, dass
bei einem Verstoß gegen Diskriminierungsver-
bote wegen eines überlangen Prozesses zusätz-
lich ein Anspruch nach den § 198 Abs. 3 GVG,
§ 97a Abs. 2 Satz 3 BVerfGG zuerkannt werden
kann. Da die Entschädigungsansprüche andere
Zielsetzungen haben, kann die Grenze von 100
Euro nicht maßgeblich für den diskriminierungs-
rechtlichen Entschädigungsanspruch sein. Nach
den §  198 Abs.  3 GVG, §  97a Abs.  2 Satz 3
BVerfGG soll eine Entschädigung wegen eines
überlangen Prozesses gezahlt und damit die
aufgrund der Zeitdauer möglichen Ruf- oder
Kreditschädigungen bzw. Nachteile durch man-
gelnde Planungssicherheit ausgeglichen wer-
den (BSG, Urt. v. 12.02.2015 - B 10 ÜG 11/13
R). Dagegen handelt es sich bei §  15 Abs.  2
AGG um einen Entschädigungsanspruch wegen
einer Persönlichkeitsrechtsverletzung durch die
diskriminierende Handlung (Deinert in: Däu-
bler/Bertzbach, AGG, § 15 Rn. 46 ff.). Bei der Be-
messung geht die Rechtsprechung von folgen-
den Kriterien aus:
„die Art und Schwere der Benachteiligung, ih-
re Dauer und Folgen, der Anlass und der Be-
weggrund des Handelns, der Grad der Verant-
wortlichkeit des Arbeitgebers, etwa geleiste-
te Wiedergutmachung oder erhaltene Genug-
tuung und das Vorliegen eines Wiederholungs-
falles. Ferner ist auch der Sanktionszweck der
Norm zu berücksichtigen, so dass die Höhe auch
danach zu bemessen ist, was zur Erzielung einer
abschreckenden Wirkung erforderlich ist. Dabei
ist zu beachten, dass die Entschädigung geeig-
net sein muss, eine abschreckende Wirkung ge-
genüber dem Dienstherrn zu haben und dass sie
in einem angemessenen Verhältnis zum erlit-
tenen Schaden stehen muss.“ (BVerwG, Urt. v.
30.10.2014 - 2 C 6/13).
Zwar gibt es bei den Ansprüchen auf Entschädi-
gung gem. § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG noch keine
Rechtsprechung, wie man sie etwa bei Schmer-
zensgeldansprüchen infolge von Verkehrsunfäl-
len kennt, jedoch entwickelt sich die Kasuistik
langsam.
Bei einmaligen Diskriminierungsvorwürfen wur-
den z.B. folgende Beträge (ausgehend vom Ein-
zelfall) für angemessen erachtet: 1.500 Euro
bei Kündigung einer Schwangeren (LArbG Ber-
lin Brandenburg, Urt.  v. 16.09.2015 - 23 Sa
1045/15), 3.000 Euro bei Kündigung nach Fehl-
geburt (LArbG Chemnitz, Urt.  v. 27.07.2012
- 3 Sa 129/12, bestätigt durch BAG, Urt.  v.
12.12.2013 - 8 AZR 838/12).
Bei andauernden Persönlichkeitsverletzungen
(„Mobbing“) erkannte die Rechtsprechung fol-
gende Schmerzensgeldansprüche an: 25.000
Euro (LArbG Mainz, Urt.  v. 05.06.2014 - 2 Sa
394/13: über zwei Jahre keine Tätigkeit zu-
gewiesen), 20.000 Euro (LArbG Mainz, Urt.  v.
13.03.2014 - 2 Sa 96/13: rechtswidrige Verset-
zung und Nichtzahlung von Prämienvergütung
über 17 Monate), 7.000 Euro (ArbG Siegburg,
Urt. v. 11.10.2012 - 1 Ca 1310/12: über zwei Jah-
re Zuweisung nicht vertragsgemäßer Tätigkeit).
Auszugehen ist bei der Bemessung natürlich
vom Einzelfall. Bei der Altersdiskriminierung –
wie auch bei den anderen Diskriminierungstat-
beständen – ist zu berücksichtigen, dass es
sich per se um eine entschädigungspflichtige
Persönlichkeitsverletzung handelt. Die von der
Rechtsprechung in den Mobbingfällen zu tref-
fende Abwägung, ob ein Schmerzensgeld erfor-
derlich ist, hat der Gesetzgeber selbst in § 15
Abs.  2 AGG vorgenommen und im Grundsatz
bejaht. Die vom VG Frankfurt bemessene Ent-
schädigungshöhe bleibt im Rahmen des § 287
ZPO und ergibt sich, wenn man die von der
Rechtsprechung angenommenen Kriterien (vgl.
o.) zugrunde legt. Dabei ist insbesondere zu
berücksichtigen, dass die Diskriminierung 90
Monate angedauert hat und dem Dienstherrn
das Problem bekannt gewesen ist. Eine Ent-
schädigung, die dann doch wieder ca. 100 Eu-
ro pro Monat beträgt, ist angemessen. Dabei
spielt es keine Rolle, dass der Kläger zunächst
diesen Betrag als Summe der Differenzbeträge
zur Höchststufe eingeklagt hatte. Da der Kläger
nicht mehr verlangt hat, ist das Verwaltungsge-
richt durch den Klageantrag gebunden. Dieser
Anspruch besteht unabhängig von einem mate-
riellen Schadensersatz.
jurisPR-ArbR 17/2016
III. Fristbeginn gem. § 15 Abs. 4 AGG
Der Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2
Satz 1 AGG ist nach § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG in-
nerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich
geltend zu machen. Nach der Rechtsprechung
setzt der Fristbeginn voraus, dass „der Ent-
schädigungsanspruch nach dem Lebenssach-
verhalt individualisiert und der ungefähren Hö-
he nach angegeben werden muss“ (BVerwG,
Beschl.  v. 16.04.2013 - 2 B 145/11). Das VG
Frankfurt bezieht den Fristbeginn bei der vorlie-
genden andauernden Diskriminierung zu Recht
auf die letzte Diskriminierungshandlung (2014)
und bejaht den Anspruch. Hätte man dage-
gen auf die erste schriftliche Geltendmachung
des Klägers im Dezember 2012 abgestellt, wä-
ren nur Ansprüche zwei Monate vor diesem
Zeitpunkt erfasst worden. Damit berücksichtigt
das Gericht konsequenterweise die Besonder-
heit, dass es sich um einen Entschädigungsan-
spruch aufgrund eines Dauertatbestandes han-
delt. Bei der z.T. abweichenden verwaltungs-
gerichtlichen Rechtsprechung, die diese Beson-
derheit nicht berücksichtigt (z.B. OVG Berlin-
Brandenburg, Urt.  v. 25.02.2016 - OVG 7 B
21.15; VG Greifswald, Urt. v. 14.10.2015 - 6 A
1139/12 und die in der Entscheidung des VG
Frankfurt zitierten Entscheidungen) ist schon
nicht klar, wie der Kläger die Höhe des An-
spruchs vor Ende der Diskriminierungshand-
lung angeben soll. Nach den in der Rechtspre-
chung zugrunde gelegten Kriterien hängt die
Höhe des Entschädigungsanspruchs auch von
der Dauer der Diskriminierung ab. Deshalb kann
der Kläger die ungefähre Höhe erst nach Be-
endigung der diskriminierenden Handlung an-
geben. In der arbeitsgerichtlichen Rechtspre-
chung ist die Berücksichtigung des Dauertat-
bestandes bei Schmerzensgeldansprüchen we-
gen Persönlichkeitsverletzung anerkannt (BAG,
Urt. v. 11.12.2014 - 8 AZR 838/13; LArbG Ros-
tock, Urt.  v. 21.07.2015 - 2 Sa 36/15; LArbG
Mainz, Urt.  v. 29.10.2015 - 2 Sa 193/15). Für
den gesetzlich kodifizierten Anspruch der Per-
sönlichkeitsverletzung aufgrund einer Diskrimi-
nierung im Rahmen des § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG
gilt nichts anderes.
D. Auswirkungen für die Praxis
Die Entscheidung zeigt, dass in der Rechtspre-
chung grundlegende Fragen des Diskriminie-
rungsschutzes – wie die Bemessung der Ent-
schädigungshöhe oder der Fristbeginn gem.
§ 15 Abs. 4 AGG – noch nicht abschließend ge-
klärt sind. In der Entscheidung werden diese
Fragen im Einklang mit dem europäischen und
nationalen Recht beantwortet.
Es ist zu hoffen, dass sich die Ansicht des
VG Frankfurt in der verwaltungsgerichtlichen
Rechtsprechung durchsetzt. Zum einen ist dann
der Fristbeginn nach § 15 Abs. 4 AGG – wie im
Arbeitsrecht – mit Abschluss der letzten Hand-
lung rechtsklar festgelegt. Zum anderen hat der
Kläger in diesem Fall eine realistische Möglich-
keit, Ansprüche im Sinne einer wirksamen Sank-
tion vor Gericht durchzusetzen.
E. Weitere Themenschwerpunkte der Ent-
scheidung
Das VG Frankfurt bejaht die Voraussetzungen
des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs.
3
Verbilligte Parkraumüberlassung an
Arbeitnehmer
Leitsätze:
1. Überlässt ein Unternehmer nur seinen
Angestellten gegen Kostenbeteiligung Park-
raum, erbringt er damit eine entgeltliche
Leistung.
2. Die Besteuerung unentgeltlicher Leistun-
gen erlaubt keinen Rückschluss auf die Be-
steuerung von Dienstleistungen, die der Un-
ternehmer gegen verbilligtes Entgelt er-
bringt.
Anmerkung zu BFH, Urteil vom   14.01.2016,
V R 63/14
von Prof. Dr. habil. Heinrich Weber-Grellet,
Vors. RiBFH a.D.
jurisPR-ArbR 17/2016
A. Problemstellung
Problematisch war die umsatzsteuerrechtliche
Beurteilung einer Parkraumüberlassung an Ar-
beitnehmer gegen Kostenbeteiligung.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Klägerin war eine – in der Rechtsform ei-
ner Personengesellschaft betriebene – Partner-
schaftsgesellschaft. In der näheren Umgebung
ihres Unternehmensorts gab es nur wenige
Parkplätze, auf denen zudem nicht länger als
zwei Stunden geparkt werden durfte. Mitarbei-
ter der Klägerin, die von Auswärtsterminen (Ge-
richtsterminen oder Mandantengesprächen) zu-
rückkehrten, hatten regelmäßig Schwierigkei-
ten, einen öffentlichen Parkplatz zu finden; zu-
dem unterbrachen die Mitarbeiter ihre Arbeit
mehrmals täglich, um eine neue Parkberechti-
gung zu erwerben. Zur Ermöglichung eines un-
gestörten Betriebsablaufs mietete die Klägerin
in den Streitjahren 2009 und 2010 deshalb Plät-
ze für das Abstellen von Fahrzeugen in einem
Parkhaus am Unternehmensort für monatlich 55
Euro pro Stellplatz an, um diese ihren Mitarbei-
tern zur Verfügung zu stellen. Die Mitarbeiter
waren nur parkberechtigt, wenn sie sich – auf
der Grundlage einer vertraglichen Vereinbarung
– an den Parkraumkosten mit 27 Euro monatlich
beteiligten. Diese Zahlungen behielt die Kläge-
rin unmittelbar vom Gehalt des jeweiligen Mit-
arbeiters ein.
Zunächst versteuerte die Klägerin die Mitar-
beiterzahlungen als Entgelt für steuerpflichti-
ge Leistungen. Nach Bekanntwerden einer Ver-
fügung der Oberfinanzdirektion Karlsruhe vom
28.01.2009 zur Anwendung „unentgeltlicher
oder verbilligter Überlassung von Parkplätzen
an Arbeitnehmer“ (UStR 2009, 357) stellte sie
die Umsatzversteuerung ein. Das Finanzamt
ging indes von steuerbaren und steuerpflich-
tigen (sonstigen) Leistungen an die Mitarbei-
ter aus. Für Zwecke der Bemessungsgrundlage
berücksichtigte es die tatsächlichen Zahlungen
der Mitarbeiter und änderte die Umsatzsteuer-
bescheide für 2009 und 2010. Das Finanzge-
richt führte aus, die Klägerin habe mit der Park-
raumüberlassung sonstige Leistungen erbracht;
der Leistungscharakter sei nicht aufgrund ei-
nes überwiegenden betrieblichen Interesses der
Klägerin an der Parkraumüberlassung entfallen
(FG Düsseldorf, Urt. v. 23.05.2014 - 1 K 1723/13
U - EFG 2014, 1996).
Der BFH wies die Revision als unbegründet zu-
rück. Das Finanzgericht habe die Steuerbarkeit
der Parkraumüberlassung durch die Klägerin an
ihre Angestellten gegen verbilligtes Entgelt zu-
treffend bejaht. Die Klägerin habe mit der verbil-
ligten Parkraumüberlassung an ihre Angestell-
ten entgeltliche Leistungen erbracht. Nach § 1
Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG unterlägen der Umsatz-
steuer die Lieferungen und sonstigen Leistun-
gen, die ein Unternehmer im Inland gegen Ent-
gelt im Rahmen seines Unternehmens ausfüh-
re. Die Klägerin habe ihren Angestellten gegen
Kostenbeteiligung und damit entgeltlich Park-
raum überlassen. Unerheblich sei, dass die Klä-
gerin diese Leistungen (überwiegend) zu unter-
nehmerischen Zwecken erbracht habe. Entge-
gen den Ausführungen der Klägerin gehe die
Rechtsprechung davon aus, dass entgeltliche
Leistungen auch dann vorlägen, wenn sie -– wie
im Streitfall – verbilligt erbracht würden (z.B.
BFH, Urt. v. 27.02.2008 - XI R 50/07 - BStBl II
2009, 426 Rn. 9). Entgegen der Auffassung der
Klägerin erlaube die Besteuerung unentgeltli-
cher Leistungen keinen Rückschluss auf die Be-
steuerung gegen verbilligtes Entgelt erbrachter
Dienstleistungen (EuGH, Urt. v. 16.10.1997 - C-
258/95 Rn. 29 f.).
Einer Vorlage an den EuGH bedürfe es nicht;
wer Parkraum gegen Entgelt – auch an das eige-
ne Personal – überlasse, verschaffe unzweifel-
haft einen verbrauchsfähigen Vorteil i.S.d. Art. 2
Abs. 1 lit. c MwStSystRL.
C. Kontext der Entscheidung
Zugrunde liegen der Entscheidung Ausführun-
gen zum Leistungsbegriff. Überlasse ein Unter-
nehmer seinen Angestellten gegen Kostenbe-
teiligung Parkraum, erbringe er damit eine ent-
geltliche Leistung; davon abzugrenzen sei die
Besteuerung unentgeltlicher Leistungen.
Hätte der Arbeitgeber die Leistung unentgelt-
lich zur Verfügung gestellt, wäre der Leistungs-
charakter aufgrund eines überwiegenden be-
trieblichen Interesses der Klägerin an der Park-
raumüberlassung entfallen. Diese Auffassung
entspricht der in UStAE 2010 1.8. Abs. 4 Nr. 5
geäußerten Verwaltungsmeinung; danach ist
das Zurverfügungstellen von Parkplätzen auf
jurisPR-ArbR 17/2016
dem Betriebsgelände regelmäßig eine nicht
steuerbare Leistung, da die Befriedigung des
privaten Bedarfs durch betriebliche Zwecke
überlagert werde.
Anders verhält es sich bei Parkraumüberlassung
gegen Entgelt oder Teilentgelt. Bei sonstigen
Leistungen, die ein Unternehmer an sein Per-
sonal aufgrund des Dienstverhältnisses gegen
ein nicht kostendeckendes Entgelt ausführt,
ist nach Auffassung der Verwaltung grundsätz-
lich die Mindestbemessungsgrundlage anzuset-
zen; Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteu-
er seien in diesen Fällen die höheren Kosten
und nicht das vereinbarte Entgelt. Die Mindest-
bemessungsgrundlage könne aber nicht auf
die verbilligte Überlassung von Parkplätzen auf
dem Betriebsgelände angewendet werden, weil
diese Leistungen bei einer unentgeltlichen Leis-
tungserbringung nicht der Umsatzsteuer unter-
lägen. Daher sei in diesen Fällen nur das vom
Arbeitnehmer entrichtete Entgelt als Bemes-
sungsgrundlage anzusetzen (OFD Karlsruhe v.
28.01.2009, UStR 2009, 357); dieser Auffassung
ist der BFH – unausgesprochen – gefolgt.
Auch in lohnsteuerrechtlicher Hinsicht besteht
bei der Überlassung von Parkplätzen des Ar-
beitgebers an den Arbeitnehmer typischerwei-
se ein „überwiegend eigenbetriebliches Inter-
esse des Arbeitgebers“; die Überlassung von
Parkplätzen eines Unternehmens an die Arbeit-
nehmer ist regelmäßig nicht als steuerpflich-
tiger Arbeitslohn zu werten (vgl. Schmidt/Krü-
ger, EStG, 35. Aufl. 2016, § 19 Rn. 100 „Kraft-
fahrzeuggestellung“ (2); Broemel/Endert, BBK
2015, 218).
D. Auswirkungen für die Praxis
Umsatzsteuerrechtlich liegt bei der teilentgeltli-
chen Parkraumüberlassung an Arbeitnehmer ei-
ne – entgeltliche – Leistung vor: Der Arbeitge-
ber muss die Umsatzsteuer in Rechnung stel-
len und abführen, wird aber durch die Zahlung
des Arbeitnehmers entlastet. Der Arbeitnehmer
hat die Umsatzsteuer zu zahlen, kann aber
seinerseits – dem Grunde nach – die gesam-
ten Kosten (Parkkosten einschl. Umsatzsteuer)
als Werbungskosten abziehen, wobei aber dar-
auf hinzuweisen ist, dass bei Fahrten zwischen
Wohnung und Arbeitsstätte gem. §  9 Abs.  1
Nr. 4, Abs. 2 EStG auch die Parkgebühren durch
die Entfernungspauschale abgegolten sind (vgl.
Schmidt/Loschelder, EStG, § 9 Rn. 196).
4
Rechtswidrige Prämie von Arbeitgeber
für Gewerkschaftsaustritt
Orientierungssätze zur Anmerkung:
1. Das Versprechen einer Mitarbeitertreue-
prämie oder sonstiger Vorteile durch den
Arbeitgeber an Mitarbeiter für den Fall,
dass sie eine verbindliche Kündigungsbestä-
tigung ihrer bisherigen Mitgliedschaft in ei-
ner Arbeitnehmervertretung vorweisen kön-
nen, stellt eine Verletzung der Koalitions-
freiheit aus Art. 9 Abs. 3 GG dar und begrün-
det einen Unterlassungsanspruch.
2. Das gilt auch für das Aushängen von Mit-
teilungen im Betrieb des Arbeitgebers, in
welchen darauf hingewiesen wird, dass man
sich im Büro einen Vordruck für die Kün-
digung abholen könne, wenn man aus der
Gewerkschaft austreten möchte, sowie die
Befragung der Mitarbeiter dahingehend, ob
sie Mitglied einer Gewerkschaft sind, es sei
denn, es besteht ein rechtlich anerkennens-
werter Grund, sowie ferner die mündliche
oder schriftliche Aufforderung, aus der Ge-
werkschaft auszutreten.
Anmerkung zu ArbG Gelsenkirchen, Urteil vom
 09.03.2016, 3 Ga 3/16
von Dr. André Zimmermann, LL.M., RA und FA
für Arbeitsrecht, Orrick, Herrington & Sutcliffe LLP,
Düsseldorf / Louisa Kallhoff, RA'in, München
A. Problemstellung
Die Gewerkschaftsmitgliedschaft ihrer Mitar-
beiter ist häufig ein störender Faktor für Ar-
beitgeber. Etwaige Versuche, den Einfluss von
Gewerkschaften im eigenen Unternehmen zu
schmälern, können jedoch eine Verletzung der
Koalitionsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 GG darstel-
len. So musste sich das ArbG Gelsenkirchen
jüngst mit der Frage befassen, ob die Zahlung
einer Prämie durch den Arbeitgeber für den
jurisPR-ArbR 17/2016
Fall des Gewerkschaftsaustritts seiner Arbeit-
nehmer rechtmäßig ist.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Der Bundesvorstand der Industriegewerkschaft
Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) machte im einst-
weiligen Verfügungsverfahren Unterlassungs-
ansprüche gegenüber einem Arbeitgeber we-
gen Verletzung der kollektiven Koalitionsfreiheit
aus Art. 9 Abs. 3 GG geltend. Bei dem Arbeitge-
ber handelt es sich um ein Reinigungsunterneh-
men, das zwischen 200 und 250 Mitarbeiter be-
schäftigt.
Das Unternehmen hatte seine Arbeitnehmer in
Mitarbeitergesprächen zunächst dazu befragt,
ob sie Mitglied in einer Gewerkschaft seien. An-
schließend verschickte der Arbeitgeber an al-
le Mitarbeiter ein Rundschreiben, in dem je-
dem, der eine verbindliche Kündigungsbestäti-
gung seiner bisherigen Mitgliedschaft in einer
Gewerkschaft vorweisen kann, eine einmalige
„Mitarbeitertreueprämie“ in Höhe von 50 Euro
versprochen wurde. Ferner wurde den Arbeit-
nehmern ein Vordruck für die Kündigungserklä-
rung der Gewerkschaftsmitgliedschaft zur Ver-
fügung gestellt, worauf durch Aushänge im Be-
trieb aufmerksam gemacht wurde. Damit re-
agierte das Unternehmen nach eigenem Vor-
bringen auf eine Werbeaktion der Gewerk-
schaft.
Das ArbG Gelsenkirchen hat einen Unterlas-
sungsanspruch der Gewerkschaft nach den
§§  1004 Abs.  1, 823 Abs.  1 BGB i.V.m. Art.  9
Abs. 3 GG bejaht.
Das Versprechen einer „Mitarbeitertreueprä-
mie“ gegenüber den Mitarbeitern bei Vor-
weis einer Kündigungsbestätigung ihrer bishe-
rigen Gewerkschaftsmitgliedschaft beeinträch-
tige die kollektive Koalitionsbetätigungsfreiheit
der Gewerkschaft. Dieses Verhalten ziele dar-
auf ab, finanzielle Anreize für einen Austritt aus
der Gewerkschaft zu schaffen und damit Ein-
fluss auf deren Mitgliederbestand zu nehmen.
Entsprechendes gelte für den Hinweis auf vor-
gefertigte Kündigungsschreiben sowie für eine
schriftliche oder mündliche Aufforderung, aus
der Gewerkschaft auszutreten.
Auch die Befragung der Mitarbeiter nach ihrer
Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft sei eine
gegen die koalitionsspezifische Betätigungsfrei-
heit gerichtete Maßnahme. Die von den Arbeit-
nehmern geforderten Auskünfte würden dem
Unternehmen Kenntnis vom Umfang des Mit-
gliederbestandes der Gewerkschaft in ihrem
Unternehmensbereich sowie dessen konkreter
innerbetrieblichen Verteilung verschaffen.
Das ArbG Gelsenkirchen hat angenommen,
dass es dem Unternehmen darum ging, seine
Mitarbeiter zu einem Austritt aus der Gewerk-
schaft zu bewegen. Damit habe es gleichzeitig
auch ein Signal für die Mitarbeiter gesetzt, die
unter Umständen einen Beitritt in Erwägung zo-
gen.
C. Kontext der Entscheidung
Die Entscheidung des ArbG Gelsenkirchen steht
im Einklang mit der Rechtsprechung des BAG zu
der in Art. 9 Abs. 3 GG normierten Koalitions-
freiheit. Danach dürfen Arbeitnehmer, die sich
einer Gewerkschaft anschließen wollen, daran
nicht durch wirtschaftlichen Druck gehindert
werden. Sie müssen sich frei für den Beitritt zu
einer Gewerkschaft entscheiden können. Sind
sie bereits Mitglied einer Gewerkschaft, darf der
Arbeitgeber in keiner Weise versuchen, sie zum
Austritt zu bewegen.
Dementsprechend hat es das BAG etwa für
unzulässig erklärt, die Einstellung eines Mit-
arbeiters von dem Austritt aus einer Gewerk-
schaft abhängig zu machen (BAG, Urt.  v.
02.06.1987 - 1 AZR 651/85) oder von vornher-
ein klarzustellen, dass nur Nichtgewerkschafts-
mitglieder eingestellt werden (BAG, Beschl. v.
28.03.2000 - 1 ABR 16/99). Insbesondere die
Befragung von Mitarbeitern nach ihrer Gewerk-
schaftszugehörigkeit durch den Arbeitgeber im
Zusammenhang mit Tarifvertragsverhandlun-
gen und bevorstehenden Arbeitskampfmaßnah-
men stellt nach dem BAG eine gegen die
gewerkschaftliche Koalitionsbetätigungsfreiheit
gerichtete Maßnahme dar (vgl. BAG, Urt.  v.
18.11.2014 - 1 AZR 257/13).
D. Auswirkungen für die Praxis
Arbeitgeber sollten von jedweder Beeinflussung
ihrer Mitarbeiter im Hinblick auf Gewerkschafts-
mitgliedschaft absehen. Die Aufforderung, aus
der Gewerkschaft auszutreten, stellt eine Ver-
jurisPR-ArbR 17/2016
letzung der Koalitionsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3
GG dar und begründet einen Unterlassungsan-
spruch – unabhängig davon, ob hierfür ein finan-
zieller Anreiz geschaffen wird. Auch das Anbie-
ten vorgefertigter Kündigungserklärungen zum
Gewerkschaftsaustritt der Mitarbeiter kann als
eine solche Beeinflussung eingestuft werden.
Bereits die Befragung von Arbeitnehmern da-
hingehend, ob sie Mitglied einer Gewerkschaft
sind, verstößt gegen Art.  9 Abs.  3 GG, so-
fern kein rechtlich anerkennenswerter Grund
besteht.
Ist über einen derartigen Unterlassungsan-
spruch erst entschieden, drohen bei Zuwider-
handlung Ordnungsgelder in empfindlicher Hö-
he. Das ArbG Gelsenkirchen setzte vorliegend
ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 Euro für
jeden Fall der Zuwiderhandlung fest, das jeden-
falls 4.000 Euro im Einzelfall nicht unterschrei-
tet.
5
Schriftform für Abwicklungsvertrag mit
Sprinterklausel
Leitsatz:
Ein Abwicklungsvertrag kann für den Arbeit-
nehmer die Möglichkeit vorsehen, sein vor-
zeitiges Ausscheiden aus dem Arbeitsver-
hältnis zu erklären. Eine solche Erklärung
bedarf jedoch gemäß §  623 BGB zwingend
der Schriftform.
Anmerkung zu BAG, Urteil vom   17.12.2015,
6 AZR 709/14
von Dr. Mathias Maul-Sartori, RiArbG
A. Problemstellung
Nach der arbeitgeberseitigen Kündigung schlie-
ßen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht sel-
ten eine Vereinbarung über die Abwicklung des
Arbeitsverhältnisses. Ziel ist es, eine arbeits-
gerichtliche Auseinandersetzung über die Wirk-
samkeit der Kündigung zu vermeiden oder zu
beenden. Typischerweise erkennt der Arbeit-
nehmer in der Vereinbarung die Beendigungs-
wirkung der Kündigung zum Ablauf der ordent-
lichen Kündigungsfrist an. Hierfür kann er sich
Vorteile einhandeln, insbesondere Abfindungs-
zahlungen. In der Praxis werden häufig zusätz-
lich „Sprinterklauseln“ vereinbart: Dem Arbeit-
nehmer wird die Möglichkeit eingeräumt, das
Arbeitsverhältnis mit kurzer Frist vorzeitig d.h.
vor Ablauf der Kündigungsfrist zu beenden. Da
die vorzeitige Beendigung für den Arbeitgeber
vorteilhaft sein kann – er erspart sich ansons-
ten bis zum Beendigungszeitpunkt entstehen-
de Entgeltansprüche –, vereinbaren die Partei-
en häufig für den Fall der Ausübung des Beendi-
gungsrechts eine Erhöhung der Abfindungszah-
lung.
Die vorliegende Entscheidung befasst sich mit
der Frage, in welchem Verhältnis solche Sprin-
terklauseln zu den gesetzlichen Anforderungen
an die Kündigung des Arbeitsverhältnisses ste-
hen. Insbesondere ist Gegenstand, ob die auf
eine solche Klausel gestützte Beendigungser-
klärung dem gesetzlichen Schriftformerforder-
nis für Kündigungen unterfällt.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Parteien hatten zur Beilegung einer zuvor
geführten arbeitsgerichtlichen Auseinanderset-
zung über die Wirksamkeit einer arbeitgeber-
seitigen ordentlichen Kündigung eine Abwick-
lungsvereinbarung einschließlich Sprinterklau-
sel geschlossen. Danach konnte die Arbeitneh-
merin während des Laufes der Kündigungsfrist
das Arbeitsverhältnis vorzeitig durch schriftli-
che Anzeige beenden. Dabei hatte sie eine An-
kündigungsfrist von drei Tagen zu beachten. Für
jeden Tag des vorzeitigen Ausscheidens sollte
sich die der Arbeitnehmerin eingeräumte Abfin-
dung um einen bestimmten Betrag erhöhen.
In der Folge übersandte der Prozessbevollmäch-
tigte der Arbeitnehmerin dem Prozessbevoll-
mächtigten der Arbeitgeberin ein Fax-Schrei-
ben, in dem er für die Arbeitnehmerin die vor-
zeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses er-
klärte. Die Arbeitgeberin erkannte die Beendi-
gung und die deshalb drohende Verpflichtung
zu weiteren Abfindungszahlungen nicht an, son-
dern kündigte erneut, dieses Mal fristlos. Dar-
aufhin leitete die Arbeitnehmerin das vorlie-
gend gegenständliche arbeitsgerichtliche Ver-
fahren ein. Im Streit waren zunächst die Wirk-
samkeit sowohl der fristlosen Kündigung als
jurisPR-ArbR 17/2016
auch der Beendigungserklärung aus dem Fax-
Schreiben.
Den Ausspruch des Arbeitsgerichts zur Unwirk-
samkeit der fristlosen Kündigung ließen die Par-
teien rechtskräftig werden. Hinsichtlich der Be-
endigungserklärung führten sie ein Berufungs-
verfahren, in dem das Landesarbeitsgericht auf
deren Wirksamkeit erkannte.
Auf die Revision der Arbeitgeberin hat das BAG
die landesarbeitsgerichtliche Entscheidung auf-
gehoben und die Berufung der Arbeitnehme-
rin gegen die erstinstanzliche Antragszurück-
weisung zurückgewiesen.
Nach Auffassung des BAG ist das Fax-Schrei-
ben als Kündigung wegen Verfehlung der ge-
setzlichen Schriftform aus §  623 BGB unwirk-
sam. Die in der Abwicklungsvereinbarung vor-
gesehene vorzeitige Beendigung sei eine Kün-
digung im Sinne der Vorschrift, weil die Anzei-
ge als Willenserklärung gestaltend zur Beendi-
gung des Arbeitsverhältnisses führen solle. Ver-
gleichbar sei die Lossagung vom Arbeitsverhält-
nis nach Stattgabe der Kündigungsschutzkla-
ge gemäß § 12 KSchG, für die die Anwendbar-
keit des Schriftformerfordernisses weithin an-
erkannt sei. Auch für die streitgegenständliche
vorzeitige Beendigung könne das gesetzliche
Schriftformerfordernis zu Rechtssicherheit und
Beweiserleichterung beitragen und erfülle mit
dem Erfordernis der eigenhändigen Unterschrift
seine Identitäts-, Echtheits- und Verifikations-
funktion.
Die Schriftlichkeit der Abwicklungsvereinba-
rung sei nicht ausreichend. Zwar beruhe die Be-
endigungserklärung auf der Abwicklungsverein-
barung, sie werde dadurch aber nicht – wie es
das Berufungsgericht gemeint hatte – zu deren
bloßen Abänderung hinsichtlich Beendigungs-
zeitpunkt und Abfindungshöhe (LArbG Stutt-
gart, Urt. v. 20.08.2014 - 9 Sa 40/14 Rn. 38).
Die vom Landesarbeitsgericht herangezogenen
Vergleiche mit der formfreien Ausübung eines
in einem notariell beglaubigten Vertrag über
einen Grundstückskauf eingeräumten Options-
rechts oder mit einer Blankettunterschrift trü-
gen nicht. Eine Vergleichbarkeit bestünde in-
soweit nicht, da es an den für den notariellen
Vertrag vorgegebenen Belehrungen fehle bzw.
ein Blankett nicht erteilt worden sei. Vielmehr
bleibe nach der Vereinbarung die formgerechte
Abgabe der Beendigungserklärung allein Sache
der Arbeitnehmerin.
C. Kontext der Entscheidung
Der Schwerpunkt der Entscheidung liegt bei
den Ausführungen zu § 623 BGB. Die Vorschrift
stellt für die Beendigung von Arbeitsverhält-
nissen u.a. durch Kündigung ein Schriftformer-
fordernis auf. Bereits der Wortlaut macht da-
bei klar, dass es sich um ein konstitutives For-
merfordernis handelt. Die Kündigung bedarf der
Schriftform zu ihrer Wirksamkeit.
Hinsichtlich der Anforderungen an die gesetzli-
che Schriftform ist § 126 BGB einschlägig. Die
Kündigung muss der Gegenseite als von der ei-
genhändigen Unterschrift abgeschlossener Text
zugegangen sein. Dies ist bei einem Fax-Schrei-
ben, das bei dem Empfänger nur eine Kopie der
bei dem Absender verbleibenden Urkunde wie-
dergibt, nicht der Fall. Wie es der Senat deut-
lich macht, gelten insoweit für das Schriftfor-
merfordernis aus §  623 BGB die allgemeinen
Anforderungen, wie sie in der Rechtsprechung
etwa zur gesetzlich vorgegebenen Schriftlich-
keit des Tarifvertragsschlusses anerkannt sind
(BAG, Urt.  v. 07.07.2010 - 4 AZR 1023/08
Rn. 14). Die Erleichterungen, die gemäß § 127
BGB für die vereinbarte Schriftform einschließ-
lich des Genügens einer Erklärung durch Fax-
Schreiben (Arnold in: Erman, BGB, 14.  Aufl.
2014, § 127 Rn. 7) gelten, sind nicht auf die ge-
setzliche Schriftform anwendbar. Jede Verein-
barung einer Formerleichterung, wie sie etwa
in der vorliegend zu beurteilenden Sprinterklau-
sel gefunden werden könnte, ist wegen der Un-
abdingbarkeit des § 623 BGB ausgeschlossen.
Daher hängt die Entscheidung des Rechtsstreits
von der Beantwortung der Frage ab, ob § 623
BGB auf die Beendigungserklärung im Rahmen
von Sprinterklauseln in Abwicklungsvereinba-
rungen anwendbar ist.
Überzeugend bejaht das BAG diese Frage. In
der Tat ist die Beendigungserklärung der Sa-
che nach die Kündigung eines Arbeitsverhältnis-
ses. Als einseitige empfangsbedürftige Willens-
erklärung soll sie entsprechend dem erklärten
Willen des Arbeitnehmers zur vorzeitigen Be-
endigung des Arbeitsverhältnisses führen. Die
dagegen von der Klägerin angeführte Überle-
gung, es handele sich infolge der zusätzlich in
den Abwicklungsvertrag aufgenommenen unwi-
jurisPR-ArbR 17/2016
derruflichen Freistellung nicht mehr um die Be-
endigung eines Arbeitsverhältnisses, sondern
um die Beendigung eines Freistellungsverhält-
nisses, erscheint als bloße Wortakrobatik. Auch
während Freistellungszeiten ist es das Arbeits-
verhältnis, das fortbesteht.
Nicht so einfach von der Hand zu weisen sind
dagegen die Überlegungen zu dem Verhältnis
von Beendigungserklärung und Abwicklungs-
vereinbarung. In der Tat vereinbaren die Partei-
en in der Abwicklungsvereinbarung Regelungen
über die Beendigungswirkung einer als möglich
ins Auge gefassten zukünftigen Erklärung. Den-
noch wird die Erklärung dadurch nicht zu einer
bloßen Abänderung des nach der Abwicklungs-
vereinbarung ansonsten vorgesehenen Been-
digungsdatums. Eine solche Betrachtung ver-
kennt deren Wesen. Das Arbeitsverhältnis wird
nicht durch die Abwicklungsvereinbarung been-
det, sondern durch die vorausgegangene Kün-
digung seitens des Arbeitgebers (BAG, Urt. v.
23.11.2006 - 6 AZR 394/06 Rn. 18). Deren Been-
digungswirkung erkennt der Arbeitnehmer nur
an. Den durch die vorausgegangene Kündigung
vorgegebenen Beendigungszeitpunkt kann die
Beendigungserklärung seitens des Arbeitneh-
mers nicht abändern, vielmehr muss sie eigen-
ständig und damit als Kündigung die vorzeitige
Beendigung des Arbeitsverhältnisses herbeifüh-
ren.
Der vom BAG vorgenommene Vergleich mit § 12
KSchG überzeugt ebenfalls. Dort ist geregelt,
dass der mit der Kündigungsschutzklage obsie-
gende Arbeitnehmer, der zwischenzeitlich ein
anderes Arbeitsverhältnis eingegangen ist, bin-
nen einer Woche nach Eintritt der Rechtskraft
der Entscheidung durch Erklärung gegenüber
dem bisherigen Arbeitgeber die Fortsetzung des
Arbeitsverhältnisses verweigern kann. Diese so-
genannte Lossagung ist der Sache nach eben-
falls als Kündigung zu qualifizieren, ohne dass
es auf das Fehlen einer entsprechenden aus-
drücklichen Bezeichnung im Gesetz ankäme.
Wegen der Qualifizierung als Kündigung ist das
Schriftformerfordernis aus §  623 BGB auf die
Lossagung anwendbar (vgl. die umfassenden
Nachweise bei Rn. 41).
Der Vergleich mit der Lossagung ist weiter Aus-
gangspunkt für die Überlegungen des BAG zur
Fristgebundenheit der vorzeitigen Beendigung.
Die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhält-
nisses, auch wenn sie durch den Arbeitnehmer
erfolgt, ist nach der Vorschrift in § 622 Abs. 1
BGB nur unter Beachtung einer Kündigungs-
frist von vier Wochen zur Mitte oder zum Ende
des Kalendermonats zulässig. Würde diese Min-
destkündigungsfrist auf die Beendigungsanzei-
ge anwendbar sein, hätte dies zur Folge, dass
die Sprinterklausel unwirksam wäre oder zumin-
dest nur modifiziert unter Annahme der Geltung
einer entsprechend verlängerten Frist aufrecht-
erhalten werden könnte.
Die Fristlosigkeit der Lossagung – das Arbeits-
verhältnis endet nach der Regelung in § 12 Satz
3 KSchG mit deren Zugang bei dem Arbeitge-
ber – nimmt der Senat als Anhalt dafür, dass
über die gesetzliche Regelung in § 622 Abs. 5
BGB hinaus einzelvertragliche Abweichungen
von der Grundkündigungsfrist zulässig sein kön-
nen. Weil ähnlich wie bei der Lossagung Arbeit-
nehmer und Arbeitgeber bei der Wahrnehmung
des vorzeitigen Beendigungsrechts aus einer
Abwicklungsvereinbarung des entsprechenden
Schutzes nicht bedürfen, bleibt die Beendigung
im Rahmen der Sprinterklausel von der Beach-
tung der Grundkündigungsfrist freigestellt.
D. Auswirkungen für die Praxis
Die Praxis wird sich an der Entscheidung ori-
entieren können. Wird in einer Abwicklungsver-
einbarung eine Sprinterklausel vereinbart, wo-
nach der Arbeitnehmer durch entsprechende
Anzeige das Arbeitsverhältnis vor Ablauf des an-
erkannten Wirkungszeitpunkts der Kündigung
beenden kann, so hat eine solche Erklärung
schriftlich zu erfolgen. Die unterschriebene Be-
endigungserklärung muss dem Arbeitgeber im
Original zugehen. Wegen der Anwendbarkeit
von § 623 BGB gilt dies von Gesetzes wegen.
Eine vertragliche Abweichung von den Anforde-
rungen der gesetzlichen Schriftform ist im Hin-
blick auf die Unabdingbarkeit von §  623 BGB
ausgeschlossen.
Hinsichtlich der Frist zwischen Zugang der Be-
endigungserklärung und Ende des Arbeitsver-
hältnisses bleiben dagegen vertragliche Spiel-
räume gewahrt. Die Grundkündigungsfrist von
vier Wochen aus § 622 Abs. 1 BGB ist auf Sprin-
terklauseln nicht zwingend anwendbar. Die Par-
teien können kürzere Fristen vereinbaren und
so den beidseitigen Interessen ggf. besser ge-
recht werden.
jurisPR-ArbR 17/2016
Allerdings verbleiben insoweit Unsicherheiten.
Die Anforderungen, die eine Sprinterklausel er-
füllen muss, um von der Grundkündigungsfrist
aus § 622 Abs. 1 BGB abweichen zu dürfen, wer-
den in der Entscheidung nicht abschließend ent-
wickelt. Die Ausführungen des Senats beziehen
sich auf die konkret zu beurteilende Vertrags-
gestaltung. Das fehlende Schutzinteresse leitet
er insbesondere aus der Regelung zur Erhöhung
der Abfindung her, die der Arbeitnehmer mit der
vorzeitigen Beendigung anstrebe und die der
Arbeitgeber zum Zwecke der möglichst frühzei-
tigen Beendigung zu zahlen bereit sei.
Dennoch dürfte auch die vorzeitige Been-
digungsmöglichkeit ohne Abfindungserhöhung
von der Beachtung der Grundkündigungsfrist
aus §  622 Abs.  1 BGB freigestellt sein. Aus-
schlaggebend ist die Einordnung in die Ab-
wicklungsvereinbarung. Typisch für die End-
phase eines Arbeitsverhältnisses ist es, dass
der Arbeitnehmer eine Anschlussbeschäftigung
sucht (vgl. §  629 BGB) und ggf. nach den
Wünschen des neuen Arbeitgebers kurzfristig
aufnehmen will. Wenn beide Parteien des vor
der Beendigung stehenden Arbeitsverhältnis-
ses dies berücksichtigen und dem Arbeitneh-
mer eine kurzfristige Beendigungsmöglichkeit
einräumen wollen, so sollte dies zulässig sein,
auch wenn eine Abfindungserhöhung nicht ver-
einbart wird bzw. die Abwicklungsvereinbarung
überhaupt keine Abfindung vorsieht.
E. Weitere Themenschwerpunkte der Ent-
scheidung
Hingewiesen werden soll auf die Ausführun-
gen des Senats zum Streitgegenstand von Kün-
digungsschutzklagen als einem in der Praxis
gelegentlich nicht genügend beachteten Pro-
blem. Vorliegend hatten die Parteien den ar-
beitsgerichtlichen Ausspruch zur Unwirksam-
keit der fristlosen Kündigung rechtskräftig wer-
den lassen. Hieraus drohte die Unzulässigkeit
des Feststellungsbegehrens hinsichtlich der Be-
endigung durch das Fax-Schreiben. Nach dem
sogenannten erweiterten punktuellen Streitge-
genstandsbegriff ist nämlich mit der rechtskräf-
tigen Stattgabe der Kündigungsschutzklage zu-
gleich rechtskräftig festgestellt, dass im Zeit-
punkt des Kündigungszugangs ein Arbeitsver-
hältnis bestand, das nicht schon zuvor durch
andere Ereignisse aufgelöst worden ist (BAG,
Urt.  v. 20.03.2014 - 2 AZR 1071/12 Rn.  17;
Hesse in: Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungs-
schutzrecht, 4. Aufl. 2012, § 4 KSchG Rn. 134;
Kiel in: ErfKomm, 16.  Aufl. 2016, §  4 KSchG
Rn. 30). Als ein solcherart ausgeschlossener frü-
herer Beendigungsgrund kam vorliegend das
Fax-Schreiben in Betracht, das nach dem im
Berufungsverfahren noch anhängigen Klagean-
trag das Arbeitsverhältnis vor Zugang der als
unwirksam festgestellten fristlosen Kündigung
beendet haben sollte.
Zu beachten ist, dass es die klagende Par-
tei ist, die den Streitgegenstand der Klage be-
stimmt. Wie das BAG bereits in früheren Ent-
scheidungen anerkannt hat, kann sie den Streit-
gegenstand der Kündigungsschutzklage so be-
stimmen, dass dieser den Bestand des Arbeits-
verhältnisses im Zeitpunkt des Kündigungszu-
gangs nicht umfasst (BAG, Urt. v. 23.05.2013
- 2 AZR 102/12 Rn.  14). Ein streitiger frü-
herer Beendigungsgrund kann bei der Statt-
gabe der Kündigungsschutzklage ausgeklam-
mert bleiben (vgl. BAG, Urt. v. 26.03.2009 - 2
AZR 633/07 Rn.  16; Gallner in: Gallner/Mest-
werdt/Nägele, Kündigungsschutzrecht, 5. Aufl.
2015, § 4 KSchG Rn. 46 ff.). Allerdings gilt dies
nur, solange noch nicht die Wirksamkeit die-
ses Beendigungsgrundes rechtskräftig festge-
stellt ist (BAG, Urt. v. 29.01.2015 - 2 AZR 698/12
Rn. 8).
Vorliegend hatte die Arbeitnehmerin den Streit-
gegenstand ihrer Kündigungsschutzklage recht-
zeitig eingeschränkt. Das BAG leitet dies „spä-
testens“ aus der Beschränkung des Berufungs-
verfahrens allein auf die Beendigung durch
das Fax-Schreiben her. Die entsprechende Ein-
schränkung ergab sich aber bereits zuvor dar-
aus, dass die Klägerin die Beendigung des
Arbeitsverhältnisses durch das Fax-Schreiben
zum Gegenstand eines eigenen Antrags ge-
macht hatte, der als allgemeiner Feststellungs-
antrag nach §  256 ZPO den Bestand des Ar-
beitsverhältnisses nur bis zu dem aus dem Zu-
gang der Anzeige sich errechnenden Zeitpunkt
zum Gegenstand hatte. Der parallel angebrach-
te Kündigungsschutzantrag war vor diesem Hin-
tergrund dahin abzugrenzen, dass er den Be-
stand eines Arbeitsverhältnisses im Zeitpunkt
des Zugangs der fristlosen Kündigung gerade
nicht umfassen, sondern vielmehr die vorhe-
rige Beendigung durch die Erklärung der Ar-
beitnehmerin ausgeklammert bleiben sollte. Ei-
ne solche Auslegung entspricht dem Klagebe-
jurisPR-ArbR 17/2016
gehren. Die Arbeitnehmerin wollte vorrangig ei-
ne Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu dem
aus dem Zugang des Fax-Schreibens folgenden
Zeitpunkt festgestellt wissen. Erst in zweiter Li-
nie wandte sie sich gegen die Wirksamkeit der
später erklärten fristlosen Kündigung. Alterna-
tiv hätte sie die Entscheidung über den Kün-
digungsschutzantrag unter die Bedingung des
Unterliegens mit dem Feststellungsantrag stel-
len können. Durch ein entsprechendes Vorge-
hen wäre der Vorrangigkeit des Beendigungs-
grundes aus dem Fax-Schreiben Rechnung ge-
tragen und außerdem das Gerichtskostenrisiko
minimiert gewesen.

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Rechtswidrige Prämie von Arbeitgeber für Gewerkschaftsaustritt

  • 1. Zitiervorschlag: Hamann/Rudnik, jurisPR-ArbR 17/2016 Anm. 1 ISSN 1860-1553 juris GmbH, Gutenbergstraße 23, D-66117 Saarbrücken, Tel.: 0681/5866-0, Internet: www.juris.de, E-Mail: info@juris.de Der juris PraxisReport sowie die darin veröffentlichten Anmerkungen sind urheberrechtlich geschützt. Kein Teil darf (auch nicht auszugsweise) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form reproduziert werden. © juris GmbH 2016 Herausgeber: Prof. Franz Josef Düwell, Vors. RiBAG a.D. Prof. Klaus Bepler, Vors. RiBAG a.D. 17/2016 Erscheinungsdatum: 27.04.2016   Erscheinungsweise: wöchentlich   Bezugspreis: 10,- € monatlich zzgl. MwSt. Inhaltsübersicht: Anm. 1 Keine Altersdiskriminierung durch einzelvertragliche Altersgrenze bei Vollendung des 65. Lebensjahres Anmerkung zu BAG, Urteil vom  09.12.2015, 7 AZR 68/14 von Prof. Dr. Wolfgang Hamann / Dipl.-Kauffr. Tanja Rudnik, Wissenschaftliche Mitarbeiterin Anm. 2 Entschädigung (Höhe und Durchsetzbarkeit) als angemessene Sanktion einer Altersdiskriminierung Anmerkung zu VG Frankfurt, Urteil vom  13.11.2015, 9 K 2555/13.F von Prof. Dr. Christiane Brors, Universität Oldenburg Anm. 3 Verbilligte Parkraumüberlassung an Arbeitnehmer Anmerkung zu BFH, Urteil vom  14.01.2016, V R 63/14 von Prof. Dr. habil. Heinrich Weber-Grellet, Vors. RiBFH a.D. Anm. 4 Rechtswidrige Prämie von Arbeitgeber für Gewerkschaftsaustritt Anmerkung zu ArbG Gelsenkirchen, Urteil vom  09.03.2016, 3 Ga 3/16 von Dr. André Zimmermann, LL.M., RA und FA für Arbeitsrecht, Orrick, Herrington & Sutcliffe LLP, Düsseldorf / Louisa Kallhoff, RA'in, München Anm. 5 Schriftform für Abwicklungsvertrag mit Sprinterklausel Anmerkung zu BAG, Urteil vom  17.12.2015, 6 AZR 709/14 von Dr. Mathias Maul-Sartori, RiArbG
  • 2. jurisPR-ArbR 17/2016 1 Keine Altersdiskriminierung durch einzelvertragliche Altersgrenze bei Vollendung des 65. Lebensjahres Orientierungssätze zur Anmerkung: 1. Eine Altersgrenze in einem vom Arbeit- geber vorformulierten Arbeitsvertrag, nach der das Arbeitsverhältnis mit der Voll- endung des 65. Lebensjahres des Arbeitneh- mers enden soll, ist nach der Anhebung des Regelrentenalters regelmäßig dahin auszu- legen, dass das Arbeitsverhältnis erst mit der Vollendung des für den Bezug einer Re- gelaltersrente maßgeblichen Lebensalters enden soll. 2. Eine auf das Erreichen des Regelrenten- alters bezogene einzelvertraglich vereinbar- te Altersgrenze ist in der Regel sachlich ge- rechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer durch den Bezug einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung abgesichert ist. 3. Durch eine derartige einzelvertragliche Altersgrenze wird der Arbeitnehmer nicht in unzulässiger Weise wegen des Alters diskri- miniert. Anmerkung zu BAG, Urteil vom   09.12.2015, 7 AZR 68/14 von Prof. Dr. Wolfgang Hamann / Dipl.-Kauf- fr. Tanja Rudnik, Wissenschaftliche Mitarbeite- rin A. Problemstellung Weitgehend scheint Konsens zu bestehen, dass mit Eintritt der Rentenberechtigung das Recht am bisherigen Arbeitsplatz eingeschränkt wer- den kann, um für jüngere Arbeitnehmer freie Arbeitsplätze und Aufstiegsmöglichkeiten zu schaffen. Arbeitsverhältnisse enden aber nicht automatisch, wenn der Arbeitnehmer das Ren- tenalter erreicht oder eine Rente beantragt. Auch eine Kündigung allein aus diesem Grunde ist nicht sozial gerechtfertigt, wie § 41 Satz 1 SGB VI ausdrücklich klarstellt. Um die Personal- planung berechenbarer zu gestalten und unan- genehme Streitigkeiten z.B. wegen nachlassen- der Leistungsfähigkeit oder vermehrter Krank- heit zu vermeiden, finden sich in Tarifverträgen, Betriebsvereinbarungen und Individualarbeits- verträgen regelmäßig Bestimmungen, die eine Befristung des Arbeitsverhältnisses bis zum Er- reichen des Rentenalters bezwecken. Seit dem Jahre 2008 sehen die §§ 35 Satz 2, 235 Abs. 2 SGB VI eine nach Geburtsjahrgängen gestaffel- te Regelaltersgrenze bis zur Vollendung des 67. Lebensjahres vor. Im Einklang mit der früheren Rechtslage stellen zahlreiche, vor allem ältere Arbeitsverträge aber noch auf die Vollendung des 65. Lebensjahres ab. Ob und ggf. zu wel- chem Zeitpunkt diese Bestimmungen das Ar- beitsverhältnis beenden, war Gegenstand der vorliegenden Entscheidung. B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung Das BAG hatte über die Auslegung und die Wirk- samkeit einer einzelvertraglichen Altersgren- zenregelung zu entscheiden. Ziffer 14 des Ar- beitsvertrags der Parteien aus dem Jahre 1998 enthält folgende Regelung: „Das Anstellungsverhältnis endet mit Voll- endung des 65. Lebensjahres, ohne dass es ei- ner Kündigung bedarf.“ Der 1947 geborene Kläger bezieht seit dem 01.12.2012 Regelaltersrente. Mit seiner im Ok- tober 2012 erhobenen Klage macht er geltend, sein Arbeitsverhältnis habe nicht durch Befris- tung zum 30.11.2012 geendet. Im Einklang mit den Vorinstanzen hat das BAG die Klage abgewiesen. Ziffer 14 des Arbeitsver- trags sei als Befristungsabrede auf den Zeit- punkt des Erreichens der Regelaltersgrenze für den Bezug einer Altersrente aus der gesetzli- chen Rentenversicherung auszulegen. Die Aus- legung der Klausel richte sich nach den für All- gemeine Geschäftsbedingungen (AGB) gelten- den Auslegungsregeln, und zwar auch dann, wenn es sich um eine Einmalbedingung i.S.v. §  310 Abs.  3 Nr.  2 BGB handeln sollte. AGB sind nach ihrem objektiven Inhalt und typi- schen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspart- nern mit durchschnittlichen Verständnismög- lichkeiten unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise ver- standen werden. Bei einem nicht eindeutigen Vertragswortlaut komme es entscheidend dar-
  • 3. jurisPR-ArbR 17/2016 auf an, wie der Vertragstext aus Sicht der ty- pischerweise an Geschäften dieser Art beteilig- ten Verkehrskreise zu verstehen ist. Die Unklar- heitenregel des §  305c Abs.  2 BGB, nach der Zweifel bei der Auslegung zulasten des Verwen- ders gehen, greife nur dann, wenn nach Aus- schöpfung aller Auslegungsmethoden mindes- tens zwei Ergebnisse vertretbar erscheinen und von diesen keines den klaren Vorzug verdient. Die entfernte Möglichkeit, zu einem anderen Er- gebnis zu kommen, genüge nicht. Aus dem Wortlaut der Regelung in Ziffer 14 des Arbeitsvertrages folge, dass sie als Befris- tungsabrede auf die Regelaltersgrenze für den Bezug einer Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung zu verstehen sei. Das Tat- bestandsmerkmal „Vollendung des 65. Lebens- jahres“ sei als Beschreibung des Zeitpunkts zu verstehen, in dem der Kläger nach seinem Le- bensalter zum Bezug einer Regelaltersrente be- rechtigt ist. Seit 1916 und auch bei Vertrags- schluss sei das Regelrentenalter mit Vollendung des 65. Lebensjahres erreicht worden. Aus da- maliger Sicht habe keine Veranlassung für eine abweichende Formulierung zur Anknüpfung an die Regelaltersgrenze bestanden. Ein verständi- ger Arbeitnehmer müsse die Formulierung ent- sprechend verstehen, so dass für die Anwen- dung des § 305c Abs. 2 BGB kein Raum verblei- be. Eventuell vorliegende, den Vertragsschluss begleitende besondere Umstände können nicht bei der Auslegung von AGB, sondern gemäß § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB nur bei der Prüfung ei- ner unangemessenen Benachteiligung berück- sichtigt werden. Die Befristungsabrede sei auch Vertragsbe- standteil geworden, da es sich nicht um eine überraschende Klausel i.S.v. § 305c Abs. 1 BGB handele. Die in der Literatur umstrittene Frage, ob §  305c Abs.  1 BGB überhaupt auf Einmal- bedingungen anwendbar sei, könne deshalb of- fenbleiben. Hier sei die Klausel weder ihrem In- halt noch ihrem Erscheinungsbild nach überra- schend. Befristungsabreden auf das Erreichen des Rentenalters seien im Arbeitsleben verbrei- tet und damit nicht objektiv ungewöhnlich. Da Ziffer 14 ausweislich ihrer Überschrift das In- krafttreten und die Beendigung des Vertrags re- gelt, fehle auch ohne drucktechnische Hervor- hebung ein „Überrumpelungs- und Übertölpe- lungseffekt“. Schließlich sei die Befristungsabrede auch wirk- sam. Ein durchschnittlicher Arbeitnehmer kön- ne der Bestimmung hinreichend deutlich ent- nehmen, wann das Arbeitsverhältnis enden sol- le. Daher sei sie nicht intransparent. Die Be- fristung sei auch sachlich gerechtfertigt und benachteilige den Arbeitnehmer nicht unange- messen. Dem zeitlich begrenzten Fortsetzungs- interesse stehe ein Interesse des Arbeitgebers an einer berechenbaren Personal- und Nach- wuchsplanung gegenüber. Letzterem räumt das BAG den Vorzug ein, wenn der Arbeitnehmer durch den Bezug einer gesetzlichen Altersren- te abgesichert ist. Dabei komme es nicht auf die konkrete wirtschaftliche Absicherung des Arbeitnehmers an, so dass die Höhe der im Ein- zelfall bestehenden Rentenansprüche auch im Vergleich zum bisherigen Einkommen ohne Be- deutung sei. Auch bei leitenden Angestellten er- fordere die Rechtfertigung der Befristung keine Zusage einer Abfindung oder andere Form der zusätzlichen sozialen Absicherung. In neueren Verträgen unter Geltung des TzBfG liege für Be- fristungen auf das Erreichen des Regelrentenal- ters ein Sachgrund i.S.d. § 14 Abs. 1 TzBfG vor. Der Kläger werde schließlich nicht in unzulässi- ger Weise gemäß den §§ 7 Abs. 1 i.V.m. 1 AGG wegen Alters diskriminiert. Auch wenn der zeit- liche Anwendungsbereich des Gesetzes eröffnet sei, wenn die Altersgrenze nach Inkrafttreten des AGG erreicht wird, sei die auf dem Merkmal des Alters beruhende Ungleichbehandlung bei den Entlassungsbedingungen objektiv und an- gemessen und durch ein legitimes Ziel gerecht- fertigt. Bei Befristungen auf das Renteneintritts- alter sei dies gemäß §  10 Satz 3 Nr.  5 AGG der Fall. Diese Regelung stehe wegen des mit ihr verfolgten arbeits- und beschäftigungspoliti- schen Ziels nach der Rechtsprechung des EuGH im Einklang mit Art. 6 Abs. 1 der RL 2000/78/EG. Auch ihre Nutzung im konkreten Fall verfolge in angemessener und erforderlicher Weise ein legitimes Ziel. Das Ziel der besseren Beschäf- tigungsverteilung zwischen den Generationen durch Zugang jüngerer Personen zur Beschäf- tigung sei legitim und stehe im Allgemeininter- esse. Bei der Entscheidung über Maßnahmen zur Erreichung dieses Ziels können die Mitglied- staaten dem Arbeitgeber in nationalen Rechts- vorschriften ein gewisses Maß an Flexibilität zu- gestehen, so dass auch eine Befristung in einem Einzelvertrag ohne kollektiven Bezug dazu ein- gesetzt werden könne. Die Befristung sei erfor-
  • 4. jurisPR-ArbR 17/2016 derlich, um jüngeren Personen den Zugang zum Arbeitsmarkt zu erleichtern. Sie beeinträchtige die Interessen des Klägers nicht übermäßig und sei daher auch angemessen. Die vorhersehbare Versorgungslücke zwischen einem Einkommen oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze und der daraus resultierenden gesetzlichen Rente hätte der Kläger beizeiten durch Eigenvorsor- ge schließen können. Zudem könne er auch im Rentenalter eine neue berufliche Tätigkeit auf- nehmen, wenn er dies wünsche. Da die unions- rechtlichen Grundsätze für die Beurteilung von Befristungen auf den Zeitpunkt der Regelalters- grenze geklärt seien, bedürfe es keines Vorab- entscheidungsersuchens nach Art. 267 Abs. 3 AEUV. C. Kontext der Entscheidung I. Das BAG bleibt seiner großzügigen Linie bei der Beurteilung von Befristungsabreden zum Renteneintrittsalter treu. EuGH und BAG ha- ben in der Vergangenheit bereits mehrfach ent- schieden, dass Befristungen bis zur Regelalters- grenze in kollektivrechtlichen Vereinbarungen den Arbeitnehmer nicht in unzulässiger Weise wegen des Alters diskriminieren (EuGH, Urt. v. 12.10.2010 - C-45/09 „Rosenbladt“; von Roette- ken, jurisPR-ArbR 47/2010 Anm. 1; EuGH, Urt. v. 05.07.2012 - C-141/11 - NZA 2012, 785 „Hörn- feldt “; BAG, Urt. v. 21.09.2011 - 7 AZR 134/10 - NZA 2012, 271; BAG, Urt. v. 05.03.2013 - 1 AZR 417/12; Gravenhorst, jurisPR-ArbR 2/2014 Anm. 3; BAG, Urt. v. 12.06.2013 - 7 AZR 917/11 - NZA 2013, 1428). Auch die Literatur hält solche Regelungen für wirksam (Backhaus in: Ascheid/ Preis/Schmidt, Kündigungsrecht, 4. Aufl. 2012, §  14 TzBfG Rn.  113; Bayreuther in: BeckOK ArbR, Stand: 01.09.2015, Edition: 38, § 14 TzB- fG Rn. 71; Müller-Glöge in: ErfKomm, 16. Aufl. 2016, §  14 TzBfG Rn.  56d; Hesse in: Münch- Komm BGB, 6. Aufl. 2012, § 14 TzBfG Rn. 60). Nachdem das BAG (Urt. v. 12.06.2013 - 7 AZR 917/11 - NZA 2013, 1428, 1432 Rn.  36) zu- nächst noch ausdrücklich offengelassen hatte, ob dasselbe gilt, wenn Altersgrenzen individu- alvertraglich vereinbart werden, hat es diese Frage mit Urteil vom 11.02.2015 (7 AZR 17/13; Hamann/Rudnik, jurisPR-ArbR 37/2015 Anm. 3) bejaht. Denn auch individuelle Vereinbarungen können einem kollektiven Ziel dienen. Dieser Auffassung ist das Schrifttum überwiegend ge- folgt (Bauer/Krieger, NJW 2007, 3672, 3674; Meinel in: Meinel/Heyn/Herms, 5.  Aufl. 2015, § 14 TzBfG Rn. 221; Hesse in: MünchKomm BGB, § 14 TzBfG Rn. 60). Für Betriebsvereinbarungen hatte das BAG schon früher entschieden, dass das Abstel- len auf die Vollendung des 65. Lebensjah- res als Orientierung an der gesetzlichen Re- gelaltersgrenze zu verstehen und entspre- chend dem RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz „dynamisch“ auszulegen sei (BAG, Urt.  v. 13.10.2015 - 1 AZR 853/13 - NZA 2016, 54). Dem ist zuzustimmen. Betriebsvereinbarungen sind ebenso wie Tarifverträge nach den Regeln über die Gesetzesinterpretation auszulegen (Ri- chardi in: Richardi, BetrVG, 15. Aufl. 2016, § 77 Rn. 115, m.w.N.). Deshalb hatte das BAG vor al- lem mit dem Zweck der Regelung und mit dem Grundsatz der gesetzeskonformen Auslegung von Betriebsvereinbarungen argumentiert. Offen war im vorliegenden Fall dennoch, ob das Auslegungsergebnis dasselbe ist, wenn die Al- tersgrenze in AGB vereinbart wird, und ob ei- ne Befristungsklausel bis zum Erreichen des 65. Lebensjahres der AGB-Kontrolle standhält. Bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingun- gen sind nämlich andere Maßstäbe anzulegen. Der Grundsatz der gesetzeskonformen Ausle- gung gilt bei AGB nicht, da es sich um eine unzulässige geltungserhaltende Reduktion han- deln würde. Vielmehr wird umgekehrt die Klau- sel in ihrer für den Arbeitnehmer ungünstigs- ten Auslegung der Inhaltskontrolle unterzogen (Basedow in: MünchKomm BGB, 7. Aufl. 2016, § 305c Rn. 35, m.w.N.). Zudem sind bei der Aus- legung die durchschnittlichen Verständnismög- lichkeiten eines Arbeitnehmers des Verwenders und nicht diejenigen einer juristisch geschulten Person zugrunde zu legen. Deshalb überzeugt die vorliegende Entschei- dung nicht. Das BAG ist der Ansicht, eine Ausle- gung der „Altersgrenze 65“ müsse eindeutig zu dem Schluss führen, es liege eine Befristung auf das Erreichen der Regelaltersgrenze vor. Dass aus der Sicht eines objektiven, durchschnittli- chen Arbeitnehmers offensichtlich nur dieses Auslegungsergebnis in Betracht kommt, kann nicht angenommen werden. Für juristische Lai- en steht bei der Auslegung von Verträgen viel- mehr der Wortlaut im Vordergrund; häufig wird er sogar für allein maßgeblich gehalten. Und das Ergebnis einer reinen Wortlautauslegung wird dem Arbeitnehmer auch nicht unbedingt abwe- gig erscheinen. Das BAG berücksichtigt nämlich
  • 5. jurisPR-ArbR 17/2016 nicht, dass die Vollendung des 65. Lebensjah- res ihre rentenrechtliche Bedeutung nicht voll- ständig verloren hat. Viele Arbeitnehmer kön- nen nach den §§ 236 ff. SGB VI schon ab diesem Zeitpunkt eine Rente beziehen, selbst wenn sie dabei möglicherweise Abschläge in Kauf neh- men müssen. So scheint das BAG – wie auch in anderen Entscheidungen (vgl. etwa BAG, Urt. v. 10.04.2014 - 2 AZR 647/13 - NZA 2015, 162) – bei der Auslegung eher den durch einen Fach- anwalt, eine Gewerkschaft oder einen kompe- tenten Betriebsrat beratenen Arbeitnehmer vor Augen zu haben als den durchschnittlichen Ar- beitnehmer, der sich selbst mit den Vertrags- klauseln auseinandersetzt. Doch selbst in der juristischen Literatur wird erwogen, eine Befristungsklausel bis zur Voll- endung des 65. Lebensjahres dahingehend aus- zulegen, dass das Arbeitsverhältnis tatsächlich bereits zu diesem Zeitpunkt enden soll, wenn der Arbeitnehmer eine Rente mit Abschlägen für langjährig Versicherte nach §  236 SGB  VI oder eine abschlagsfreie Rente für besonders langjährig Versicherte nach § 236b SGB VI be- ziehen kann (so Bayreuther in: BeckOK ArbR, 38. Edition, Stand: 01.09.2015, §  14 TzBfG Rn. 71a; a.A. Meinel in: Meinel/Heyn/Herms, § 14 TzBfG Rn.  223, zu Grenzfällen vgl. Poguntke, NZA 2014, 1372, 1373). Eine Befristungsklausel bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres lässt also durchaus unterschiedliche Deutungsmög- lichkeiten zu. Schon früh hat auch der Gesetzgeber die Ge- fahr gesehen, dass der Arbeitgeber die Flexibi- lisierung des Renteneintrittszeitpunkts für sei- ne Zwecke ausnutzen könnte, und ist ihr mit § 41 Satz 2 SGB VI grundsätzlich entgegenge- treten. Diese Norm ist auch dann anwendbar, wenn nicht auf den Altersrentenanspruch Be- zug genommen, sondern eine entsprechende Altersgrenze genannt wird (Gürtner in: Kasse- ler Komm, § 41 SGB VI Rn. 12, m.w.N.). Wur- de die Vereinbarung aber innerhalb der letzten drei Jahre vor einem möglichen vorzeitigen Ren- teneintritt abgeschlossen oder bestätigt, so en- det das Arbeitsverhältnis ausnahmsweise zum genannten Zeitpunkt vor Erreichen der Regelal- tersgrenze, ohne dass ein Sachgrund erforder- lich ist (Sprenger, BB 2016, 757, 758). Sogar das Gesetz sieht in der „Altersgrenze 65“ also nicht immer eine Befristung bis zum Regelrentenal- ter. Da mithin aus Arbeitnehmersicht unterschied- liche Auslegungsergebnisse möglich sind, ver- mögen die äußerst knappen Ausführungen des BAG zur Transparenz der Befristungsklausel nicht zu überzeugen. Vertragsklauseln sind auch dann nicht klar und verständlich i.S.d. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, wenn sie den Vertrags- partner über seine Rechtsstellung täuschen können (H. Schmidt in: BeckOK BGB, 38. Edi- tion, Stand: 01.02.2016, § 307 Rn. 43; Wurm- nest in: MünchKomm BGB, § 307 Rn. 61). Sinn des Transparenzgebots ist es, der Gefahr vor- zubeugen, dass der Vertragspartner des Klau- selverwenders von der Durchsetzung beste- hender Rechte abgehalten wird (BAG, Urt.  v. 21.06.2011 - 9 AZR 236/10 - NZA 2011, 1274; BAG, Urt. v. 24.10.2007 - 10 AZR 825/06; Beck- mann, jurisPR-ArbR 32/2009 Anm. 6). Verlangt der Arbeitgeber unter Hinweis auf eine entspre- chende Klausel die Beendigung des Arbeitsver- hältnisses mit Vollendung des 65. Lebensjah- res, so wird längst nicht für jeden Arbeitnehmer offensichtlich sein, dass diese Forderung unbe- rechtigt ist. Vor allem ein vorzeitig rentenbe- rechtigter Arbeitnehmer kann die Altersgrenze im Arbeitsvertrag so verstehen, dass er seinen Arbeitsplatz mit Vollendung des 65. Lebensjah- res verliert und damit faktisch zu einer frühzei- tigen Inanspruchnahme der Rentenzahlung ge- zwungen ist. Dieses Missbrauchsrisiko benach- teiligt den Arbeitnehmer unangemessen. Zudem hält die Altersgrenzenregelung in ihrer für den Arbeitnehmer ungünstigsten Auslegung als unbedingte Befristung zur Vollendung des 65. Lebensjahres einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht stand. Denn die Zulässigkeit von Altersgrenzen setzt grundsätz- lich voraus, dass ein Anspruch auf Bezug einer Regelaltersrente besteht. Sieht sich der Arbeit- nehmer verpflichtet, eine Altersrente mit Abzü- gen oder gar eine Zeitspanne der Arbeitslosig- keit hinzunehmen, so benachteiligt ihn dies un- angemessen. II. Deutlich strengere Maßstäbe als für Befris- tungen bis zur Regelaltersgrenze mit Absiche- rung gelten nach der Rechtsprechung für Al- tersgrenzen, die zu einer Beendigung des Ar- beitsverhältnisses vor Erreichen des Regelren- tenalters führen (Brors, RdA 2012, 346, 349 f.). So hat der EuGH eine auf das 60. Lebensjahr abstellende tarifliche Altersgrenze für Piloten für europarechtswidrig erklärt (EuGH, Urt.  v.
  • 6. jurisPR-ArbR 17/2016 13.09.2011 - C-447/09 „Prigge“; Klein, jurisPR- ArbR 14/2012 Anm. 3). Die Verschärfung gelten- der gesetzlicher Altersgrenzen durch Tarifver- trag zum Schutz der Flugsicherheit belaste die Piloten unverhältnismäßig. Und das BAG hat für Kabinenpersonal weder die Flugsicherheit noch das Interesse des Unternehmens an einem ju- gendlichen Erscheinungsbild als rechtfertigen- den sachlichen Grund für eine Befristung bis zum 55. bzw. 60. Lebensjahr anerkannt (BAG, Urt. v. 31.07.2002 - 7 AZR 140/01 - NZA 2002, 1155; BAG, Urt. v. 19.10.2011 - 7 AZR 253/07 - NZA 2012, 1297; BAG, Urt. v. 23.06.2010 - 7 AZR 1021/08 - NZA 2010, 1248). III. Von der Befristung bis zur Regelaltersgren- ze zu unterscheiden ist die Situation, dass mit Arbeitnehmern im Rentenalter eine befriste- te Beschäftigung vereinbart wird. Eine proble- matische Situation kann entstehen, wenn ein langjähriges Arbeitsverhältnis durch eine Alters- grenze geendet hat, der Arbeitgeber den Ar- beitnehmer aber noch für begrenzte Zeit – et- wa zur Überbrückung eines Personalengpasses oder zur Einarbeitung eines Nachfolgers – wei- terbeschäftigen möchte. Auch dann sind Diskri- minierungen wegen des Alters verboten. Der Bezug einer Regelaltersrente oder die Berechti- gung dazu ist für sich genommen deshalb kein Sachgrund für eine Befristung des Arbeitsver- hältnisses (BAG, Urt.  v. 11.02.2015 - 7 AZR 17/13; Hamann/Rudnik, jurisPR-ArbR 37/2015 Anm. 3). Die Abwägung bei der Befristung bis zur Regelaltersgrenze lässt sich nicht auf Befris- tungen im gesamten Rentenalter übertragen. Ein Sachgrund kann aber darin bestehen, dass die befristete Fortsetzung des Arbeitsverhält- nisses einer konkreten, im Zeitpunkt der Verein- barung schon bestehenden Personal- und Nach- wuchsplanung des Arbeitgebers dient. Wurde ein Arbeitsverhältnis bereits wirksam bis zur Regelaltersgrenze befristet, so erleichtert § 41 Satz 3 SGB VI allerdings das Hinausschie- ben der Beendigung auf einen späteren Zeit- punkt. Diese erneute Befristung muss während des noch laufenden Arbeitsverhältnisses verein- bart werden; die Schriftform ist nach ganz h.M. einzuhalten (Gürtner in: Kasseler Komm, 88. Erg.-Lfg. Dezember 2015, § 41 SGB VI Rn. 21; Rolfs in: ErfKomm, §  41 SGB  VI Rn.  23; Ba- der, NZA 2014, 749, 751; Kleinebrink, DB 2014, 1490, 1493; Kramer, ArbR 2015, 144, 145  f.; Sprenger, BB 2016, 757, 760; Waltermann, RdA 2015, 343, 347; a.A. Pogunkte, NZA 2014, 1372, 1374). Einen Sachgrund für die Befristung ver- langt das Gesetz dann nicht (Sprenger, BB 2016, 757, 759, m.w.N.). Allerdings wird die Vereinbarkeit dieser Regelung mit dem Euro- parecht angezweifelt (Rolfs in: ErfKomm, § 41 SGB  VI Rn.  22; Bader, NZA 2014, 749, 752; Bauer, NZA 2014, 889, 890; ausführlich Wal- termann, RdA 2015, 343, 348 ff.), so dass Ar- beitgeber bei Nutzung der Befristungserleichte- rung bis zu einer endgültigen Klärung durch die Rechtsprechung ein gewisses Risiko eingehen. D. Auswirkungen für die Praxis Arbeitgeber können aufatmen. Nun ist auch die Wirksamkeit zahlreicher einzelvertraglicher Altersgrenzenregelungen bestätigt. Schwieri- ge personenbedingte Kündigungen von Arbeit- nehmern im Rentenalter werden vermieden. Vom BAG weiterhin ungeklärt ist das Schick- sal von Vereinbarungen, die nach der Ver- kündung (30.04.2007) oder dem Inkrafttreten (01.01.2008) des RV-Altersgrenzenanpassungs- gesetzes getroffen wurden und dennoch auf die Vollendung des 65. Lebensjahres abstellen. Hier dürften auch bei großzügigster Betrachtung zu- mindest Zweifel bestehen, ob das Arbeitsver- hältnis nicht tatsächlich mit Vollendung des 65. Lebensjahres enden soll. In jedem Falle ist bei der Formulierung von Altersgrenzen im Vertrag eine Orientierung an den §§  35 Satz 2, 235 Abs. 2 SGB VI zu empfehlen. Die unbesehene Verwendung veralteter Vertragsvordrucke kann Arbeitgeber nämlich noch nach Jahrzehnten ein- holen. 2 Entschädigung (Höhe und Durchsetzbarkeit) als angemessene Sanktion einer Altersdiskriminierung Leitsatz: Für die Bemessung der Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG gilt § 287 Abs. 1 ZPO. Aus § 198 Abs. 2 Satz 3 GVG, § 97a Abs. 2 Satz 3 BVerfGG ergeben sich keine Anhaltspunk- te für die Bemessung einer Entschädigung wegen einer Diskriminierung. Für eine lang- jährige Diskriminierung wegen des Alters im Bereich der Besoldung ist eine Entschädi- gung von mindestens 9.133,55 Euro ange-
  • 7. jurisPR-ArbR 17/2016 messen. Die Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG beginnt bei Dauertatbeständen erst mit der letzten Benachteiligung zu laufen. Wird im Bereich des Entgelts bzw. der Besoldung diskriminiert, handelt es sich um einen der- artigen Dauertatbestand. Die Festsetzung des Besoldungdienstalters bietet keinen An- knüpfungspunkt für den Beginn der Aus- schlussfrist. Der unionsrechtliche Haftungs- anspruch steht selbstständig neben den An- sprüchen aus § 15 Abs. 1, 2 AGG. Der unions- rechtliche Haftungsanspruch erfasst auch immaterielle Schäden. § 15 Abs. 4 AGG gilt nicht für den unionsrechtlichen Haftungsan- spruch. Anmerkung zu VG Frankfurt, Urteil vom  13.11.2015, 9 K 2555/13.F von Prof. Dr. Christiane Brors, Universität Ol- denburg A. Problemstellung In der Entscheidung geht es neben anderen dis- kriminierungsrechtlichen Problemen (z.B. Vor- aussetzungen des unionsrechtlichen Haftungs- anspruchs) im Schwerpunkt um zwei Fragen: 1. Wie wird der Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG bemessen? 2. Wann beginnt die Frist des § 15 Abs. 4 AGG bei einer wiederkehrenden über Jahre andau- ernden Diskriminierung zu laufen? B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung Der Entscheidung des VG Frankfurt liegt die Klage eines hessischen Beamten zugrunde, der sich gegen die altersabhängig gestaffelte Be- soldung wendet und für den Zeitraum von Ja- nuar 2009 bis Februar 2014 die Differenz zur Endstufe, insgesamt einen Betrag von 9.133,55 Euro einklagt. Erstmalig hatte der Kläger sich schriftlich im Dezember 2012 an die Bezüge- stelle gewendet und die Besoldung nach der vorgesehenen Endstufe verlangt. Das beklag- te Land beruft sich nicht auf Verjährung, ist aber der Ansicht, dass der Anspruch nicht inner- halb der zweimonatigen Frist des § 15 Abs. 4 AGG geltend gemacht worden ist. Nach Veröf- fentlichung der Entscheidung des BVerwG vom 30.10.2014 (2 C 6/13) beruft sich der Kläger auf einen Entschädigungsanspruch bzw. auf den unionsrechtlichen Haftungsanspruch als Grund- lage seiner Klage. Das VG Frankfurt hat dem Kläger eine Entschä- digung in Höhe von 9.133,55 Euro zugebilligt. C. Kontext der Entscheidung I. Anspruchsgrundlage Die vom Kläger zuletzt geltend gemachte Anspruchsgrundlage auf Entschädigung bzw. Schadensersatz in der geltend gemachten Hö- he ist nur vor dem Hintergrund der Entschei- dung des BVerwG vom 30.10.2014 (2 C 6/13) verständlich. In dieser Entscheidung beruft sich das Gericht auf die Rechtsprechung des EuGH zur Unwirksamkeit altersgestaffelter Bezüge- systeme (EuGH, Urt. v. 19.06.2014 - C-501/12 „Specht“) und lehnt einen Gleichbehandlungs- anspruch auf Vergütung nach der höchsten Stu- fe ab. Zwar entspricht es der Rechtsprechung des EuGH bei fehlenden Ausgleichsmaßnahmen einen Anspruch auf die Vorteile der bevorzugten Gruppe zu geben, jedoch setzt dies nach Ansicht der Rechtsprechung ein gültiges Bezugssystem voraus, das im Fall der jeden Beschäftigten be- treffenden Altersdiskriminierung nicht gegeben sei. Dagegen lässt sich einwenden, dass es sich bei der Entlohnung der durch die Gehaltsend- stufe bevorzugten Gruppe nicht um eine Dis- kriminierung aufgrund des Alters handelt, da schon eine Schlechterstellung fehlt. Es ist ja nicht der Altersbezug als solcher untersagt, son- dern nur die Schlechterstellung aufgrund des Alters. Die fehlt aber bei der Gruppe, die den Höchstsatz erhält. Insofern hätte man auch hier den Höchstsatz für die Bemessung heranziehen können, hat dann aber die Ansicht der höchst- richterlichen Rechtsprechung gegen sich. Aufgrund der insoweit klaren Aussage des BVerwG nimmt das Verwaltungsgericht von sei- ner bisherigen Rechtsprechung Abstand und verneint einen Anspruch auf Gleichstellung. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BVerwG zieht das Verwaltungsgericht den Ent- schädigungsanspruch nach §  15 Abs.  2 AGG und den unionsrechtlichen (Staats-)Haftungs- anspruch heran und bejaht beide.
  • 8. jurisPR-ArbR 17/2016 II. Höhe des Entschädigungsanspruchs Zu Recht wendet sich das VG Frankfurt gegen die Ansicht des BVerwG (Urt. v. 30.10.2014 - 2 C 6/13), die Höhe des Entschädigungsanspruchs in Anlehnung an § 198 Abs. 3 GVG, § 97a Abs. 2 Satz 3 BVerfGG zu bestimmen und so einen Be- trag von 100 Euro pro Monat festzusetzen. Der Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG und der nach den §  198 Abs.  3 GVG, § 97a Abs. 2 Satz 3 BVerfGG haben unterschied- liche Zielsetzungen. Zwar ist es denkbar, dass bei einem Verstoß gegen Diskriminierungsver- bote wegen eines überlangen Prozesses zusätz- lich ein Anspruch nach den § 198 Abs. 3 GVG, § 97a Abs. 2 Satz 3 BVerfGG zuerkannt werden kann. Da die Entschädigungsansprüche andere Zielsetzungen haben, kann die Grenze von 100 Euro nicht maßgeblich für den diskriminierungs- rechtlichen Entschädigungsanspruch sein. Nach den §  198 Abs.  3 GVG, §  97a Abs.  2 Satz 3 BVerfGG soll eine Entschädigung wegen eines überlangen Prozesses gezahlt und damit die aufgrund der Zeitdauer möglichen Ruf- oder Kreditschädigungen bzw. Nachteile durch man- gelnde Planungssicherheit ausgeglichen wer- den (BSG, Urt. v. 12.02.2015 - B 10 ÜG 11/13 R). Dagegen handelt es sich bei §  15 Abs.  2 AGG um einen Entschädigungsanspruch wegen einer Persönlichkeitsrechtsverletzung durch die diskriminierende Handlung (Deinert in: Däu- bler/Bertzbach, AGG, § 15 Rn. 46 ff.). Bei der Be- messung geht die Rechtsprechung von folgen- den Kriterien aus: „die Art und Schwere der Benachteiligung, ih- re Dauer und Folgen, der Anlass und der Be- weggrund des Handelns, der Grad der Verant- wortlichkeit des Arbeitgebers, etwa geleiste- te Wiedergutmachung oder erhaltene Genug- tuung und das Vorliegen eines Wiederholungs- falles. Ferner ist auch der Sanktionszweck der Norm zu berücksichtigen, so dass die Höhe auch danach zu bemessen ist, was zur Erzielung einer abschreckenden Wirkung erforderlich ist. Dabei ist zu beachten, dass die Entschädigung geeig- net sein muss, eine abschreckende Wirkung ge- genüber dem Dienstherrn zu haben und dass sie in einem angemessenen Verhältnis zum erlit- tenen Schaden stehen muss.“ (BVerwG, Urt. v. 30.10.2014 - 2 C 6/13). Zwar gibt es bei den Ansprüchen auf Entschädi- gung gem. § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG noch keine Rechtsprechung, wie man sie etwa bei Schmer- zensgeldansprüchen infolge von Verkehrsunfäl- len kennt, jedoch entwickelt sich die Kasuistik langsam. Bei einmaligen Diskriminierungsvorwürfen wur- den z.B. folgende Beträge (ausgehend vom Ein- zelfall) für angemessen erachtet: 1.500 Euro bei Kündigung einer Schwangeren (LArbG Ber- lin Brandenburg, Urt.  v. 16.09.2015 - 23 Sa 1045/15), 3.000 Euro bei Kündigung nach Fehl- geburt (LArbG Chemnitz, Urt.  v. 27.07.2012 - 3 Sa 129/12, bestätigt durch BAG, Urt.  v. 12.12.2013 - 8 AZR 838/12). Bei andauernden Persönlichkeitsverletzungen („Mobbing“) erkannte die Rechtsprechung fol- gende Schmerzensgeldansprüche an: 25.000 Euro (LArbG Mainz, Urt.  v. 05.06.2014 - 2 Sa 394/13: über zwei Jahre keine Tätigkeit zu- gewiesen), 20.000 Euro (LArbG Mainz, Urt.  v. 13.03.2014 - 2 Sa 96/13: rechtswidrige Verset- zung und Nichtzahlung von Prämienvergütung über 17 Monate), 7.000 Euro (ArbG Siegburg, Urt. v. 11.10.2012 - 1 Ca 1310/12: über zwei Jah- re Zuweisung nicht vertragsgemäßer Tätigkeit). Auszugehen ist bei der Bemessung natürlich vom Einzelfall. Bei der Altersdiskriminierung – wie auch bei den anderen Diskriminierungstat- beständen – ist zu berücksichtigen, dass es sich per se um eine entschädigungspflichtige Persönlichkeitsverletzung handelt. Die von der Rechtsprechung in den Mobbingfällen zu tref- fende Abwägung, ob ein Schmerzensgeld erfor- derlich ist, hat der Gesetzgeber selbst in § 15 Abs.  2 AGG vorgenommen und im Grundsatz bejaht. Die vom VG Frankfurt bemessene Ent- schädigungshöhe bleibt im Rahmen des § 287 ZPO und ergibt sich, wenn man die von der Rechtsprechung angenommenen Kriterien (vgl. o.) zugrunde legt. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die Diskriminierung 90 Monate angedauert hat und dem Dienstherrn das Problem bekannt gewesen ist. Eine Ent- schädigung, die dann doch wieder ca. 100 Eu- ro pro Monat beträgt, ist angemessen. Dabei spielt es keine Rolle, dass der Kläger zunächst diesen Betrag als Summe der Differenzbeträge zur Höchststufe eingeklagt hatte. Da der Kläger nicht mehr verlangt hat, ist das Verwaltungsge- richt durch den Klageantrag gebunden. Dieser Anspruch besteht unabhängig von einem mate- riellen Schadensersatz.
  • 9. jurisPR-ArbR 17/2016 III. Fristbeginn gem. § 15 Abs. 4 AGG Der Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG ist nach § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG in- nerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend zu machen. Nach der Rechtsprechung setzt der Fristbeginn voraus, dass „der Ent- schädigungsanspruch nach dem Lebenssach- verhalt individualisiert und der ungefähren Hö- he nach angegeben werden muss“ (BVerwG, Beschl.  v. 16.04.2013 - 2 B 145/11). Das VG Frankfurt bezieht den Fristbeginn bei der vorlie- genden andauernden Diskriminierung zu Recht auf die letzte Diskriminierungshandlung (2014) und bejaht den Anspruch. Hätte man dage- gen auf die erste schriftliche Geltendmachung des Klägers im Dezember 2012 abgestellt, wä- ren nur Ansprüche zwei Monate vor diesem Zeitpunkt erfasst worden. Damit berücksichtigt das Gericht konsequenterweise die Besonder- heit, dass es sich um einen Entschädigungsan- spruch aufgrund eines Dauertatbestandes han- delt. Bei der z.T. abweichenden verwaltungs- gerichtlichen Rechtsprechung, die diese Beson- derheit nicht berücksichtigt (z.B. OVG Berlin- Brandenburg, Urt.  v. 25.02.2016 - OVG 7 B 21.15; VG Greifswald, Urt. v. 14.10.2015 - 6 A 1139/12 und die in der Entscheidung des VG Frankfurt zitierten Entscheidungen) ist schon nicht klar, wie der Kläger die Höhe des An- spruchs vor Ende der Diskriminierungshand- lung angeben soll. Nach den in der Rechtspre- chung zugrunde gelegten Kriterien hängt die Höhe des Entschädigungsanspruchs auch von der Dauer der Diskriminierung ab. Deshalb kann der Kläger die ungefähre Höhe erst nach Be- endigung der diskriminierenden Handlung an- geben. In der arbeitsgerichtlichen Rechtspre- chung ist die Berücksichtigung des Dauertat- bestandes bei Schmerzensgeldansprüchen we- gen Persönlichkeitsverletzung anerkannt (BAG, Urt. v. 11.12.2014 - 8 AZR 838/13; LArbG Ros- tock, Urt.  v. 21.07.2015 - 2 Sa 36/15; LArbG Mainz, Urt.  v. 29.10.2015 - 2 Sa 193/15). Für den gesetzlich kodifizierten Anspruch der Per- sönlichkeitsverletzung aufgrund einer Diskrimi- nierung im Rahmen des § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG gilt nichts anderes. D. Auswirkungen für die Praxis Die Entscheidung zeigt, dass in der Rechtspre- chung grundlegende Fragen des Diskriminie- rungsschutzes – wie die Bemessung der Ent- schädigungshöhe oder der Fristbeginn gem. § 15 Abs. 4 AGG – noch nicht abschließend ge- klärt sind. In der Entscheidung werden diese Fragen im Einklang mit dem europäischen und nationalen Recht beantwortet. Es ist zu hoffen, dass sich die Ansicht des VG Frankfurt in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung durchsetzt. Zum einen ist dann der Fristbeginn nach § 15 Abs. 4 AGG – wie im Arbeitsrecht – mit Abschluss der letzten Hand- lung rechtsklar festgelegt. Zum anderen hat der Kläger in diesem Fall eine realistische Möglich- keit, Ansprüche im Sinne einer wirksamen Sank- tion vor Gericht durchzusetzen. E. Weitere Themenschwerpunkte der Ent- scheidung Das VG Frankfurt bejaht die Voraussetzungen des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs. 3 Verbilligte Parkraumüberlassung an Arbeitnehmer Leitsätze: 1. Überlässt ein Unternehmer nur seinen Angestellten gegen Kostenbeteiligung Park- raum, erbringt er damit eine entgeltliche Leistung. 2. Die Besteuerung unentgeltlicher Leistun- gen erlaubt keinen Rückschluss auf die Be- steuerung von Dienstleistungen, die der Un- ternehmer gegen verbilligtes Entgelt er- bringt. Anmerkung zu BFH, Urteil vom   14.01.2016, V R 63/14 von Prof. Dr. habil. Heinrich Weber-Grellet, Vors. RiBFH a.D.
  • 10. jurisPR-ArbR 17/2016 A. Problemstellung Problematisch war die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung einer Parkraumüberlassung an Ar- beitnehmer gegen Kostenbeteiligung. B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung Die Klägerin war eine – in der Rechtsform ei- ner Personengesellschaft betriebene – Partner- schaftsgesellschaft. In der näheren Umgebung ihres Unternehmensorts gab es nur wenige Parkplätze, auf denen zudem nicht länger als zwei Stunden geparkt werden durfte. Mitarbei- ter der Klägerin, die von Auswärtsterminen (Ge- richtsterminen oder Mandantengesprächen) zu- rückkehrten, hatten regelmäßig Schwierigkei- ten, einen öffentlichen Parkplatz zu finden; zu- dem unterbrachen die Mitarbeiter ihre Arbeit mehrmals täglich, um eine neue Parkberechti- gung zu erwerben. Zur Ermöglichung eines un- gestörten Betriebsablaufs mietete die Klägerin in den Streitjahren 2009 und 2010 deshalb Plät- ze für das Abstellen von Fahrzeugen in einem Parkhaus am Unternehmensort für monatlich 55 Euro pro Stellplatz an, um diese ihren Mitarbei- tern zur Verfügung zu stellen. Die Mitarbeiter waren nur parkberechtigt, wenn sie sich – auf der Grundlage einer vertraglichen Vereinbarung – an den Parkraumkosten mit 27 Euro monatlich beteiligten. Diese Zahlungen behielt die Kläge- rin unmittelbar vom Gehalt des jeweiligen Mit- arbeiters ein. Zunächst versteuerte die Klägerin die Mitar- beiterzahlungen als Entgelt für steuerpflichti- ge Leistungen. Nach Bekanntwerden einer Ver- fügung der Oberfinanzdirektion Karlsruhe vom 28.01.2009 zur Anwendung „unentgeltlicher oder verbilligter Überlassung von Parkplätzen an Arbeitnehmer“ (UStR 2009, 357) stellte sie die Umsatzversteuerung ein. Das Finanzamt ging indes von steuerbaren und steuerpflich- tigen (sonstigen) Leistungen an die Mitarbei- ter aus. Für Zwecke der Bemessungsgrundlage berücksichtigte es die tatsächlichen Zahlungen der Mitarbeiter und änderte die Umsatzsteuer- bescheide für 2009 und 2010. Das Finanzge- richt führte aus, die Klägerin habe mit der Park- raumüberlassung sonstige Leistungen erbracht; der Leistungscharakter sei nicht aufgrund ei- nes überwiegenden betrieblichen Interesses der Klägerin an der Parkraumüberlassung entfallen (FG Düsseldorf, Urt. v. 23.05.2014 - 1 K 1723/13 U - EFG 2014, 1996). Der BFH wies die Revision als unbegründet zu- rück. Das Finanzgericht habe die Steuerbarkeit der Parkraumüberlassung durch die Klägerin an ihre Angestellten gegen verbilligtes Entgelt zu- treffend bejaht. Die Klägerin habe mit der verbil- ligten Parkraumüberlassung an ihre Angestell- ten entgeltliche Leistungen erbracht. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG unterlägen der Umsatz- steuer die Lieferungen und sonstigen Leistun- gen, die ein Unternehmer im Inland gegen Ent- gelt im Rahmen seines Unternehmens ausfüh- re. Die Klägerin habe ihren Angestellten gegen Kostenbeteiligung und damit entgeltlich Park- raum überlassen. Unerheblich sei, dass die Klä- gerin diese Leistungen (überwiegend) zu unter- nehmerischen Zwecken erbracht habe. Entge- gen den Ausführungen der Klägerin gehe die Rechtsprechung davon aus, dass entgeltliche Leistungen auch dann vorlägen, wenn sie -– wie im Streitfall – verbilligt erbracht würden (z.B. BFH, Urt. v. 27.02.2008 - XI R 50/07 - BStBl II 2009, 426 Rn. 9). Entgegen der Auffassung der Klägerin erlaube die Besteuerung unentgeltli- cher Leistungen keinen Rückschluss auf die Be- steuerung gegen verbilligtes Entgelt erbrachter Dienstleistungen (EuGH, Urt. v. 16.10.1997 - C- 258/95 Rn. 29 f.). Einer Vorlage an den EuGH bedürfe es nicht; wer Parkraum gegen Entgelt – auch an das eige- ne Personal – überlasse, verschaffe unzweifel- haft einen verbrauchsfähigen Vorteil i.S.d. Art. 2 Abs. 1 lit. c MwStSystRL. C. Kontext der Entscheidung Zugrunde liegen der Entscheidung Ausführun- gen zum Leistungsbegriff. Überlasse ein Unter- nehmer seinen Angestellten gegen Kostenbe- teiligung Parkraum, erbringe er damit eine ent- geltliche Leistung; davon abzugrenzen sei die Besteuerung unentgeltlicher Leistungen. Hätte der Arbeitgeber die Leistung unentgelt- lich zur Verfügung gestellt, wäre der Leistungs- charakter aufgrund eines überwiegenden be- trieblichen Interesses der Klägerin an der Park- raumüberlassung entfallen. Diese Auffassung entspricht der in UStAE 2010 1.8. Abs. 4 Nr. 5 geäußerten Verwaltungsmeinung; danach ist das Zurverfügungstellen von Parkplätzen auf
  • 11. jurisPR-ArbR 17/2016 dem Betriebsgelände regelmäßig eine nicht steuerbare Leistung, da die Befriedigung des privaten Bedarfs durch betriebliche Zwecke überlagert werde. Anders verhält es sich bei Parkraumüberlassung gegen Entgelt oder Teilentgelt. Bei sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer an sein Per- sonal aufgrund des Dienstverhältnisses gegen ein nicht kostendeckendes Entgelt ausführt, ist nach Auffassung der Verwaltung grundsätz- lich die Mindestbemessungsgrundlage anzuset- zen; Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteu- er seien in diesen Fällen die höheren Kosten und nicht das vereinbarte Entgelt. Die Mindest- bemessungsgrundlage könne aber nicht auf die verbilligte Überlassung von Parkplätzen auf dem Betriebsgelände angewendet werden, weil diese Leistungen bei einer unentgeltlichen Leis- tungserbringung nicht der Umsatzsteuer unter- lägen. Daher sei in diesen Fällen nur das vom Arbeitnehmer entrichtete Entgelt als Bemes- sungsgrundlage anzusetzen (OFD Karlsruhe v. 28.01.2009, UStR 2009, 357); dieser Auffassung ist der BFH – unausgesprochen – gefolgt. Auch in lohnsteuerrechtlicher Hinsicht besteht bei der Überlassung von Parkplätzen des Ar- beitgebers an den Arbeitnehmer typischerwei- se ein „überwiegend eigenbetriebliches Inter- esse des Arbeitgebers“; die Überlassung von Parkplätzen eines Unternehmens an die Arbeit- nehmer ist regelmäßig nicht als steuerpflich- tiger Arbeitslohn zu werten (vgl. Schmidt/Krü- ger, EStG, 35. Aufl. 2016, § 19 Rn. 100 „Kraft- fahrzeuggestellung“ (2); Broemel/Endert, BBK 2015, 218). D. Auswirkungen für die Praxis Umsatzsteuerrechtlich liegt bei der teilentgeltli- chen Parkraumüberlassung an Arbeitnehmer ei- ne – entgeltliche – Leistung vor: Der Arbeitge- ber muss die Umsatzsteuer in Rechnung stel- len und abführen, wird aber durch die Zahlung des Arbeitnehmers entlastet. Der Arbeitnehmer hat die Umsatzsteuer zu zahlen, kann aber seinerseits – dem Grunde nach – die gesam- ten Kosten (Parkkosten einschl. Umsatzsteuer) als Werbungskosten abziehen, wobei aber dar- auf hinzuweisen ist, dass bei Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte gem. §  9 Abs.  1 Nr. 4, Abs. 2 EStG auch die Parkgebühren durch die Entfernungspauschale abgegolten sind (vgl. Schmidt/Loschelder, EStG, § 9 Rn. 196). 4 Rechtswidrige Prämie von Arbeitgeber für Gewerkschaftsaustritt Orientierungssätze zur Anmerkung: 1. Das Versprechen einer Mitarbeitertreue- prämie oder sonstiger Vorteile durch den Arbeitgeber an Mitarbeiter für den Fall, dass sie eine verbindliche Kündigungsbestä- tigung ihrer bisherigen Mitgliedschaft in ei- ner Arbeitnehmervertretung vorweisen kön- nen, stellt eine Verletzung der Koalitions- freiheit aus Art. 9 Abs. 3 GG dar und begrün- det einen Unterlassungsanspruch. 2. Das gilt auch für das Aushängen von Mit- teilungen im Betrieb des Arbeitgebers, in welchen darauf hingewiesen wird, dass man sich im Büro einen Vordruck für die Kün- digung abholen könne, wenn man aus der Gewerkschaft austreten möchte, sowie die Befragung der Mitarbeiter dahingehend, ob sie Mitglied einer Gewerkschaft sind, es sei denn, es besteht ein rechtlich anerkennens- werter Grund, sowie ferner die mündliche oder schriftliche Aufforderung, aus der Ge- werkschaft auszutreten. Anmerkung zu ArbG Gelsenkirchen, Urteil vom  09.03.2016, 3 Ga 3/16 von Dr. André Zimmermann, LL.M., RA und FA für Arbeitsrecht, Orrick, Herrington & Sutcliffe LLP, Düsseldorf / Louisa Kallhoff, RA'in, München A. Problemstellung Die Gewerkschaftsmitgliedschaft ihrer Mitar- beiter ist häufig ein störender Faktor für Ar- beitgeber. Etwaige Versuche, den Einfluss von Gewerkschaften im eigenen Unternehmen zu schmälern, können jedoch eine Verletzung der Koalitionsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 GG darstel- len. So musste sich das ArbG Gelsenkirchen jüngst mit der Frage befassen, ob die Zahlung einer Prämie durch den Arbeitgeber für den
  • 12. jurisPR-ArbR 17/2016 Fall des Gewerkschaftsaustritts seiner Arbeit- nehmer rechtmäßig ist. B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung Der Bundesvorstand der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) machte im einst- weiligen Verfügungsverfahren Unterlassungs- ansprüche gegenüber einem Arbeitgeber we- gen Verletzung der kollektiven Koalitionsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 GG geltend. Bei dem Arbeitge- ber handelt es sich um ein Reinigungsunterneh- men, das zwischen 200 und 250 Mitarbeiter be- schäftigt. Das Unternehmen hatte seine Arbeitnehmer in Mitarbeitergesprächen zunächst dazu befragt, ob sie Mitglied in einer Gewerkschaft seien. An- schließend verschickte der Arbeitgeber an al- le Mitarbeiter ein Rundschreiben, in dem je- dem, der eine verbindliche Kündigungsbestäti- gung seiner bisherigen Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft vorweisen kann, eine einmalige „Mitarbeitertreueprämie“ in Höhe von 50 Euro versprochen wurde. Ferner wurde den Arbeit- nehmern ein Vordruck für die Kündigungserklä- rung der Gewerkschaftsmitgliedschaft zur Ver- fügung gestellt, worauf durch Aushänge im Be- trieb aufmerksam gemacht wurde. Damit re- agierte das Unternehmen nach eigenem Vor- bringen auf eine Werbeaktion der Gewerk- schaft. Das ArbG Gelsenkirchen hat einen Unterlas- sungsanspruch der Gewerkschaft nach den §§  1004 Abs.  1, 823 Abs.  1 BGB i.V.m. Art.  9 Abs. 3 GG bejaht. Das Versprechen einer „Mitarbeitertreueprä- mie“ gegenüber den Mitarbeitern bei Vor- weis einer Kündigungsbestätigung ihrer bishe- rigen Gewerkschaftsmitgliedschaft beeinträch- tige die kollektive Koalitionsbetätigungsfreiheit der Gewerkschaft. Dieses Verhalten ziele dar- auf ab, finanzielle Anreize für einen Austritt aus der Gewerkschaft zu schaffen und damit Ein- fluss auf deren Mitgliederbestand zu nehmen. Entsprechendes gelte für den Hinweis auf vor- gefertigte Kündigungsschreiben sowie für eine schriftliche oder mündliche Aufforderung, aus der Gewerkschaft auszutreten. Auch die Befragung der Mitarbeiter nach ihrer Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft sei eine gegen die koalitionsspezifische Betätigungsfrei- heit gerichtete Maßnahme. Die von den Arbeit- nehmern geforderten Auskünfte würden dem Unternehmen Kenntnis vom Umfang des Mit- gliederbestandes der Gewerkschaft in ihrem Unternehmensbereich sowie dessen konkreter innerbetrieblichen Verteilung verschaffen. Das ArbG Gelsenkirchen hat angenommen, dass es dem Unternehmen darum ging, seine Mitarbeiter zu einem Austritt aus der Gewerk- schaft zu bewegen. Damit habe es gleichzeitig auch ein Signal für die Mitarbeiter gesetzt, die unter Umständen einen Beitritt in Erwägung zo- gen. C. Kontext der Entscheidung Die Entscheidung des ArbG Gelsenkirchen steht im Einklang mit der Rechtsprechung des BAG zu der in Art. 9 Abs. 3 GG normierten Koalitions- freiheit. Danach dürfen Arbeitnehmer, die sich einer Gewerkschaft anschließen wollen, daran nicht durch wirtschaftlichen Druck gehindert werden. Sie müssen sich frei für den Beitritt zu einer Gewerkschaft entscheiden können. Sind sie bereits Mitglied einer Gewerkschaft, darf der Arbeitgeber in keiner Weise versuchen, sie zum Austritt zu bewegen. Dementsprechend hat es das BAG etwa für unzulässig erklärt, die Einstellung eines Mit- arbeiters von dem Austritt aus einer Gewerk- schaft abhängig zu machen (BAG, Urt.  v. 02.06.1987 - 1 AZR 651/85) oder von vornher- ein klarzustellen, dass nur Nichtgewerkschafts- mitglieder eingestellt werden (BAG, Beschl. v. 28.03.2000 - 1 ABR 16/99). Insbesondere die Befragung von Mitarbeitern nach ihrer Gewerk- schaftszugehörigkeit durch den Arbeitgeber im Zusammenhang mit Tarifvertragsverhandlun- gen und bevorstehenden Arbeitskampfmaßnah- men stellt nach dem BAG eine gegen die gewerkschaftliche Koalitionsbetätigungsfreiheit gerichtete Maßnahme dar (vgl. BAG, Urt.  v. 18.11.2014 - 1 AZR 257/13). D. Auswirkungen für die Praxis Arbeitgeber sollten von jedweder Beeinflussung ihrer Mitarbeiter im Hinblick auf Gewerkschafts- mitgliedschaft absehen. Die Aufforderung, aus der Gewerkschaft auszutreten, stellt eine Ver-
  • 13. jurisPR-ArbR 17/2016 letzung der Koalitionsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 GG dar und begründet einen Unterlassungsan- spruch – unabhängig davon, ob hierfür ein finan- zieller Anreiz geschaffen wird. Auch das Anbie- ten vorgefertigter Kündigungserklärungen zum Gewerkschaftsaustritt der Mitarbeiter kann als eine solche Beeinflussung eingestuft werden. Bereits die Befragung von Arbeitnehmern da- hingehend, ob sie Mitglied einer Gewerkschaft sind, verstößt gegen Art.  9 Abs.  3 GG, so- fern kein rechtlich anerkennenswerter Grund besteht. Ist über einen derartigen Unterlassungsan- spruch erst entschieden, drohen bei Zuwider- handlung Ordnungsgelder in empfindlicher Hö- he. Das ArbG Gelsenkirchen setzte vorliegend ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 Euro für jeden Fall der Zuwiderhandlung fest, das jeden- falls 4.000 Euro im Einzelfall nicht unterschrei- tet. 5 Schriftform für Abwicklungsvertrag mit Sprinterklausel Leitsatz: Ein Abwicklungsvertrag kann für den Arbeit- nehmer die Möglichkeit vorsehen, sein vor- zeitiges Ausscheiden aus dem Arbeitsver- hältnis zu erklären. Eine solche Erklärung bedarf jedoch gemäß §  623 BGB zwingend der Schriftform. Anmerkung zu BAG, Urteil vom   17.12.2015, 6 AZR 709/14 von Dr. Mathias Maul-Sartori, RiArbG A. Problemstellung Nach der arbeitgeberseitigen Kündigung schlie- ßen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht sel- ten eine Vereinbarung über die Abwicklung des Arbeitsverhältnisses. Ziel ist es, eine arbeits- gerichtliche Auseinandersetzung über die Wirk- samkeit der Kündigung zu vermeiden oder zu beenden. Typischerweise erkennt der Arbeit- nehmer in der Vereinbarung die Beendigungs- wirkung der Kündigung zum Ablauf der ordent- lichen Kündigungsfrist an. Hierfür kann er sich Vorteile einhandeln, insbesondere Abfindungs- zahlungen. In der Praxis werden häufig zusätz- lich „Sprinterklauseln“ vereinbart: Dem Arbeit- nehmer wird die Möglichkeit eingeräumt, das Arbeitsverhältnis mit kurzer Frist vorzeitig d.h. vor Ablauf der Kündigungsfrist zu beenden. Da die vorzeitige Beendigung für den Arbeitgeber vorteilhaft sein kann – er erspart sich ansons- ten bis zum Beendigungszeitpunkt entstehen- de Entgeltansprüche –, vereinbaren die Partei- en häufig für den Fall der Ausübung des Beendi- gungsrechts eine Erhöhung der Abfindungszah- lung. Die vorliegende Entscheidung befasst sich mit der Frage, in welchem Verhältnis solche Sprin- terklauseln zu den gesetzlichen Anforderungen an die Kündigung des Arbeitsverhältnisses ste- hen. Insbesondere ist Gegenstand, ob die auf eine solche Klausel gestützte Beendigungser- klärung dem gesetzlichen Schriftformerforder- nis für Kündigungen unterfällt. B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung Die Parteien hatten zur Beilegung einer zuvor geführten arbeitsgerichtlichen Auseinanderset- zung über die Wirksamkeit einer arbeitgeber- seitigen ordentlichen Kündigung eine Abwick- lungsvereinbarung einschließlich Sprinterklau- sel geschlossen. Danach konnte die Arbeitneh- merin während des Laufes der Kündigungsfrist das Arbeitsverhältnis vorzeitig durch schriftli- che Anzeige beenden. Dabei hatte sie eine An- kündigungsfrist von drei Tagen zu beachten. Für jeden Tag des vorzeitigen Ausscheidens sollte sich die der Arbeitnehmerin eingeräumte Abfin- dung um einen bestimmten Betrag erhöhen. In der Folge übersandte der Prozessbevollmäch- tigte der Arbeitnehmerin dem Prozessbevoll- mächtigten der Arbeitgeberin ein Fax-Schrei- ben, in dem er für die Arbeitnehmerin die vor- zeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses er- klärte. Die Arbeitgeberin erkannte die Beendi- gung und die deshalb drohende Verpflichtung zu weiteren Abfindungszahlungen nicht an, son- dern kündigte erneut, dieses Mal fristlos. Dar- aufhin leitete die Arbeitnehmerin das vorlie- gend gegenständliche arbeitsgerichtliche Ver- fahren ein. Im Streit waren zunächst die Wirk- samkeit sowohl der fristlosen Kündigung als
  • 14. jurisPR-ArbR 17/2016 auch der Beendigungserklärung aus dem Fax- Schreiben. Den Ausspruch des Arbeitsgerichts zur Unwirk- samkeit der fristlosen Kündigung ließen die Par- teien rechtskräftig werden. Hinsichtlich der Be- endigungserklärung führten sie ein Berufungs- verfahren, in dem das Landesarbeitsgericht auf deren Wirksamkeit erkannte. Auf die Revision der Arbeitgeberin hat das BAG die landesarbeitsgerichtliche Entscheidung auf- gehoben und die Berufung der Arbeitnehme- rin gegen die erstinstanzliche Antragszurück- weisung zurückgewiesen. Nach Auffassung des BAG ist das Fax-Schrei- ben als Kündigung wegen Verfehlung der ge- setzlichen Schriftform aus §  623 BGB unwirk- sam. Die in der Abwicklungsvereinbarung vor- gesehene vorzeitige Beendigung sei eine Kün- digung im Sinne der Vorschrift, weil die Anzei- ge als Willenserklärung gestaltend zur Beendi- gung des Arbeitsverhältnisses führen solle. Ver- gleichbar sei die Lossagung vom Arbeitsverhält- nis nach Stattgabe der Kündigungsschutzkla- ge gemäß § 12 KSchG, für die die Anwendbar- keit des Schriftformerfordernisses weithin an- erkannt sei. Auch für die streitgegenständliche vorzeitige Beendigung könne das gesetzliche Schriftformerfordernis zu Rechtssicherheit und Beweiserleichterung beitragen und erfülle mit dem Erfordernis der eigenhändigen Unterschrift seine Identitäts-, Echtheits- und Verifikations- funktion. Die Schriftlichkeit der Abwicklungsvereinba- rung sei nicht ausreichend. Zwar beruhe die Be- endigungserklärung auf der Abwicklungsverein- barung, sie werde dadurch aber nicht – wie es das Berufungsgericht gemeint hatte – zu deren bloßen Abänderung hinsichtlich Beendigungs- zeitpunkt und Abfindungshöhe (LArbG Stutt- gart, Urt. v. 20.08.2014 - 9 Sa 40/14 Rn. 38). Die vom Landesarbeitsgericht herangezogenen Vergleiche mit der formfreien Ausübung eines in einem notariell beglaubigten Vertrag über einen Grundstückskauf eingeräumten Options- rechts oder mit einer Blankettunterschrift trü- gen nicht. Eine Vergleichbarkeit bestünde in- soweit nicht, da es an den für den notariellen Vertrag vorgegebenen Belehrungen fehle bzw. ein Blankett nicht erteilt worden sei. Vielmehr bleibe nach der Vereinbarung die formgerechte Abgabe der Beendigungserklärung allein Sache der Arbeitnehmerin. C. Kontext der Entscheidung Der Schwerpunkt der Entscheidung liegt bei den Ausführungen zu § 623 BGB. Die Vorschrift stellt für die Beendigung von Arbeitsverhält- nissen u.a. durch Kündigung ein Schriftformer- fordernis auf. Bereits der Wortlaut macht da- bei klar, dass es sich um ein konstitutives For- merfordernis handelt. Die Kündigung bedarf der Schriftform zu ihrer Wirksamkeit. Hinsichtlich der Anforderungen an die gesetzli- che Schriftform ist § 126 BGB einschlägig. Die Kündigung muss der Gegenseite als von der ei- genhändigen Unterschrift abgeschlossener Text zugegangen sein. Dies ist bei einem Fax-Schrei- ben, das bei dem Empfänger nur eine Kopie der bei dem Absender verbleibenden Urkunde wie- dergibt, nicht der Fall. Wie es der Senat deut- lich macht, gelten insoweit für das Schriftfor- merfordernis aus §  623 BGB die allgemeinen Anforderungen, wie sie in der Rechtsprechung etwa zur gesetzlich vorgegebenen Schriftlich- keit des Tarifvertragsschlusses anerkannt sind (BAG, Urt.  v. 07.07.2010 - 4 AZR 1023/08 Rn. 14). Die Erleichterungen, die gemäß § 127 BGB für die vereinbarte Schriftform einschließ- lich des Genügens einer Erklärung durch Fax- Schreiben (Arnold in: Erman, BGB, 14.  Aufl. 2014, § 127 Rn. 7) gelten, sind nicht auf die ge- setzliche Schriftform anwendbar. Jede Verein- barung einer Formerleichterung, wie sie etwa in der vorliegend zu beurteilenden Sprinterklau- sel gefunden werden könnte, ist wegen der Un- abdingbarkeit des § 623 BGB ausgeschlossen. Daher hängt die Entscheidung des Rechtsstreits von der Beantwortung der Frage ab, ob § 623 BGB auf die Beendigungserklärung im Rahmen von Sprinterklauseln in Abwicklungsvereinba- rungen anwendbar ist. Überzeugend bejaht das BAG diese Frage. In der Tat ist die Beendigungserklärung der Sa- che nach die Kündigung eines Arbeitsverhältnis- ses. Als einseitige empfangsbedürftige Willens- erklärung soll sie entsprechend dem erklärten Willen des Arbeitnehmers zur vorzeitigen Be- endigung des Arbeitsverhältnisses führen. Die dagegen von der Klägerin angeführte Überle- gung, es handele sich infolge der zusätzlich in den Abwicklungsvertrag aufgenommenen unwi-
  • 15. jurisPR-ArbR 17/2016 derruflichen Freistellung nicht mehr um die Be- endigung eines Arbeitsverhältnisses, sondern um die Beendigung eines Freistellungsverhält- nisses, erscheint als bloße Wortakrobatik. Auch während Freistellungszeiten ist es das Arbeits- verhältnis, das fortbesteht. Nicht so einfach von der Hand zu weisen sind dagegen die Überlegungen zu dem Verhältnis von Beendigungserklärung und Abwicklungs- vereinbarung. In der Tat vereinbaren die Partei- en in der Abwicklungsvereinbarung Regelungen über die Beendigungswirkung einer als möglich ins Auge gefassten zukünftigen Erklärung. Den- noch wird die Erklärung dadurch nicht zu einer bloßen Abänderung des nach der Abwicklungs- vereinbarung ansonsten vorgesehenen Been- digungsdatums. Eine solche Betrachtung ver- kennt deren Wesen. Das Arbeitsverhältnis wird nicht durch die Abwicklungsvereinbarung been- det, sondern durch die vorausgegangene Kün- digung seitens des Arbeitgebers (BAG, Urt. v. 23.11.2006 - 6 AZR 394/06 Rn. 18). Deren Been- digungswirkung erkennt der Arbeitnehmer nur an. Den durch die vorausgegangene Kündigung vorgegebenen Beendigungszeitpunkt kann die Beendigungserklärung seitens des Arbeitneh- mers nicht abändern, vielmehr muss sie eigen- ständig und damit als Kündigung die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses herbeifüh- ren. Der vom BAG vorgenommene Vergleich mit § 12 KSchG überzeugt ebenfalls. Dort ist geregelt, dass der mit der Kündigungsschutzklage obsie- gende Arbeitnehmer, der zwischenzeitlich ein anderes Arbeitsverhältnis eingegangen ist, bin- nen einer Woche nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung durch Erklärung gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses verweigern kann. Diese so- genannte Lossagung ist der Sache nach eben- falls als Kündigung zu qualifizieren, ohne dass es auf das Fehlen einer entsprechenden aus- drücklichen Bezeichnung im Gesetz ankäme. Wegen der Qualifizierung als Kündigung ist das Schriftformerfordernis aus §  623 BGB auf die Lossagung anwendbar (vgl. die umfassenden Nachweise bei Rn. 41). Der Vergleich mit der Lossagung ist weiter Aus- gangspunkt für die Überlegungen des BAG zur Fristgebundenheit der vorzeitigen Beendigung. Die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhält- nisses, auch wenn sie durch den Arbeitnehmer erfolgt, ist nach der Vorschrift in § 622 Abs. 1 BGB nur unter Beachtung einer Kündigungs- frist von vier Wochen zur Mitte oder zum Ende des Kalendermonats zulässig. Würde diese Min- destkündigungsfrist auf die Beendigungsanzei- ge anwendbar sein, hätte dies zur Folge, dass die Sprinterklausel unwirksam wäre oder zumin- dest nur modifiziert unter Annahme der Geltung einer entsprechend verlängerten Frist aufrecht- erhalten werden könnte. Die Fristlosigkeit der Lossagung – das Arbeits- verhältnis endet nach der Regelung in § 12 Satz 3 KSchG mit deren Zugang bei dem Arbeitge- ber – nimmt der Senat als Anhalt dafür, dass über die gesetzliche Regelung in § 622 Abs. 5 BGB hinaus einzelvertragliche Abweichungen von der Grundkündigungsfrist zulässig sein kön- nen. Weil ähnlich wie bei der Lossagung Arbeit- nehmer und Arbeitgeber bei der Wahrnehmung des vorzeitigen Beendigungsrechts aus einer Abwicklungsvereinbarung des entsprechenden Schutzes nicht bedürfen, bleibt die Beendigung im Rahmen der Sprinterklausel von der Beach- tung der Grundkündigungsfrist freigestellt. D. Auswirkungen für die Praxis Die Praxis wird sich an der Entscheidung ori- entieren können. Wird in einer Abwicklungsver- einbarung eine Sprinterklausel vereinbart, wo- nach der Arbeitnehmer durch entsprechende Anzeige das Arbeitsverhältnis vor Ablauf des an- erkannten Wirkungszeitpunkts der Kündigung beenden kann, so hat eine solche Erklärung schriftlich zu erfolgen. Die unterschriebene Be- endigungserklärung muss dem Arbeitgeber im Original zugehen. Wegen der Anwendbarkeit von § 623 BGB gilt dies von Gesetzes wegen. Eine vertragliche Abweichung von den Anforde- rungen der gesetzlichen Schriftform ist im Hin- blick auf die Unabdingbarkeit von §  623 BGB ausgeschlossen. Hinsichtlich der Frist zwischen Zugang der Be- endigungserklärung und Ende des Arbeitsver- hältnisses bleiben dagegen vertragliche Spiel- räume gewahrt. Die Grundkündigungsfrist von vier Wochen aus § 622 Abs. 1 BGB ist auf Sprin- terklauseln nicht zwingend anwendbar. Die Par- teien können kürzere Fristen vereinbaren und so den beidseitigen Interessen ggf. besser ge- recht werden.
  • 16. jurisPR-ArbR 17/2016 Allerdings verbleiben insoweit Unsicherheiten. Die Anforderungen, die eine Sprinterklausel er- füllen muss, um von der Grundkündigungsfrist aus § 622 Abs. 1 BGB abweichen zu dürfen, wer- den in der Entscheidung nicht abschließend ent- wickelt. Die Ausführungen des Senats beziehen sich auf die konkret zu beurteilende Vertrags- gestaltung. Das fehlende Schutzinteresse leitet er insbesondere aus der Regelung zur Erhöhung der Abfindung her, die der Arbeitnehmer mit der vorzeitigen Beendigung anstrebe und die der Arbeitgeber zum Zwecke der möglichst frühzei- tigen Beendigung zu zahlen bereit sei. Dennoch dürfte auch die vorzeitige Been- digungsmöglichkeit ohne Abfindungserhöhung von der Beachtung der Grundkündigungsfrist aus §  622 Abs.  1 BGB freigestellt sein. Aus- schlaggebend ist die Einordnung in die Ab- wicklungsvereinbarung. Typisch für die End- phase eines Arbeitsverhältnisses ist es, dass der Arbeitnehmer eine Anschlussbeschäftigung sucht (vgl. §  629 BGB) und ggf. nach den Wünschen des neuen Arbeitgebers kurzfristig aufnehmen will. Wenn beide Parteien des vor der Beendigung stehenden Arbeitsverhältnis- ses dies berücksichtigen und dem Arbeitneh- mer eine kurzfristige Beendigungsmöglichkeit einräumen wollen, so sollte dies zulässig sein, auch wenn eine Abfindungserhöhung nicht ver- einbart wird bzw. die Abwicklungsvereinbarung überhaupt keine Abfindung vorsieht. E. Weitere Themenschwerpunkte der Ent- scheidung Hingewiesen werden soll auf die Ausführun- gen des Senats zum Streitgegenstand von Kün- digungsschutzklagen als einem in der Praxis gelegentlich nicht genügend beachteten Pro- blem. Vorliegend hatten die Parteien den ar- beitsgerichtlichen Ausspruch zur Unwirksam- keit der fristlosen Kündigung rechtskräftig wer- den lassen. Hieraus drohte die Unzulässigkeit des Feststellungsbegehrens hinsichtlich der Be- endigung durch das Fax-Schreiben. Nach dem sogenannten erweiterten punktuellen Streitge- genstandsbegriff ist nämlich mit der rechtskräf- tigen Stattgabe der Kündigungsschutzklage zu- gleich rechtskräftig festgestellt, dass im Zeit- punkt des Kündigungszugangs ein Arbeitsver- hältnis bestand, das nicht schon zuvor durch andere Ereignisse aufgelöst worden ist (BAG, Urt.  v. 20.03.2014 - 2 AZR 1071/12 Rn.  17; Hesse in: Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungs- schutzrecht, 4. Aufl. 2012, § 4 KSchG Rn. 134; Kiel in: ErfKomm, 16.  Aufl. 2016, §  4 KSchG Rn. 30). Als ein solcherart ausgeschlossener frü- herer Beendigungsgrund kam vorliegend das Fax-Schreiben in Betracht, das nach dem im Berufungsverfahren noch anhängigen Klagean- trag das Arbeitsverhältnis vor Zugang der als unwirksam festgestellten fristlosen Kündigung beendet haben sollte. Zu beachten ist, dass es die klagende Par- tei ist, die den Streitgegenstand der Klage be- stimmt. Wie das BAG bereits in früheren Ent- scheidungen anerkannt hat, kann sie den Streit- gegenstand der Kündigungsschutzklage so be- stimmen, dass dieser den Bestand des Arbeits- verhältnisses im Zeitpunkt des Kündigungszu- gangs nicht umfasst (BAG, Urt. v. 23.05.2013 - 2 AZR 102/12 Rn.  14). Ein streitiger frü- herer Beendigungsgrund kann bei der Statt- gabe der Kündigungsschutzklage ausgeklam- mert bleiben (vgl. BAG, Urt. v. 26.03.2009 - 2 AZR 633/07 Rn.  16; Gallner in: Gallner/Mest- werdt/Nägele, Kündigungsschutzrecht, 5. Aufl. 2015, § 4 KSchG Rn. 46 ff.). Allerdings gilt dies nur, solange noch nicht die Wirksamkeit die- ses Beendigungsgrundes rechtskräftig festge- stellt ist (BAG, Urt. v. 29.01.2015 - 2 AZR 698/12 Rn. 8). Vorliegend hatte die Arbeitnehmerin den Streit- gegenstand ihrer Kündigungsschutzklage recht- zeitig eingeschränkt. Das BAG leitet dies „spä- testens“ aus der Beschränkung des Berufungs- verfahrens allein auf die Beendigung durch das Fax-Schreiben her. Die entsprechende Ein- schränkung ergab sich aber bereits zuvor dar- aus, dass die Klägerin die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch das Fax-Schreiben zum Gegenstand eines eigenen Antrags ge- macht hatte, der als allgemeiner Feststellungs- antrag nach §  256 ZPO den Bestand des Ar- beitsverhältnisses nur bis zu dem aus dem Zu- gang der Anzeige sich errechnenden Zeitpunkt zum Gegenstand hatte. Der parallel angebrach- te Kündigungsschutzantrag war vor diesem Hin- tergrund dahin abzugrenzen, dass er den Be- stand eines Arbeitsverhältnisses im Zeitpunkt des Zugangs der fristlosen Kündigung gerade nicht umfassen, sondern vielmehr die vorhe- rige Beendigung durch die Erklärung der Ar- beitnehmerin ausgeklammert bleiben sollte. Ei- ne solche Auslegung entspricht dem Klagebe-
  • 17. jurisPR-ArbR 17/2016 gehren. Die Arbeitnehmerin wollte vorrangig ei- ne Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu dem aus dem Zugang des Fax-Schreibens folgenden Zeitpunkt festgestellt wissen. Erst in zweiter Li- nie wandte sie sich gegen die Wirksamkeit der später erklärten fristlosen Kündigung. Alterna- tiv hätte sie die Entscheidung über den Kün- digungsschutzantrag unter die Bedingung des Unterliegens mit dem Feststellungsantrag stel- len können. Durch ein entsprechendes Vorge- hen wäre der Vorrangigkeit des Beendigungs- grundes aus dem Fax-Schreiben Rechnung ge- tragen und außerdem das Gerichtskostenrisiko minimiert gewesen.