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Herausgeber: Prof. Franz Josef Düwell, Vors. RiBAG a.D. 
Prof. Klaus Bepler, Vors. RiBAG a.D. 
46/2014 
Inhaltsübersicht: 
Anm. 1 Voraussetzungen für Anforderungsprofil im öffentlichen Dienst 
Anmerkung zu BAG, Urteil vom 06.05.2014, 9 AZR 724/12 
von Dr. Torsten von Roetteken, Vors. RiVG 
Anm. 2 Notwendige Durchführung des BEM keine Rechtmäßigkeitsvoraussetzung 
für eine Zurruhesetzungsverfügung 
Anmerkung zu BVerwG, Urteil vom 05.06.2014, 2 C 22/13 
von Dr. Torsten von Roetteken, Vors. RiVG 
Anm. 3 Einstweilige Verfügung auf Weiterbeschäftigung bei bisheriger 
Dienststelle 
Anmerkung zu ArbG Berlin, Urteil vom 01.07.2014, 16 Ga 8789/14 
von Christoph J. Burgmer, RA, FA für Arbeitsrecht und FA für Medizinrecht, burgmer 
rechtsanwälte, Düsseldorf 
Anm. 4 Kündigung eines Schwerbehinderten durch den Betriebserwerber in der 
Insolvenz 
Anmerkung zu BAG, Urteil vom 15.11.2012, 8 AZR 827/11 
von Dr. André Zimmermann, LL.M., RA und FA für Arbeitsrecht, King & Wood Mallesons LLP, 
Frankfurt am Main / Dr. Johanna Gerstung, RA'in, Allen & Overy LLP, Frankfurt am Main 
Anm. 5 Kündigungsschutz für Betriebsratsmitglieder 
Anmerkung zu LArbG Hamm, Beschluss vom 23.06.2014, 13 TaBVGa 21/14 
von Dr. Martin Wolmerath, RA 
Anm. 6 Berücksichtigung eines unechten Hilfsantrags auf Weiterbeschäftigung 
beim Streitwert 
Anmerkung zu BAG, Beschluss vom 13.08.2014, 2 AZR 871/12 
von Werner Ziemann, Vors. RiLArbG 
Zitiervorschlag: von Roetteken, jurisPR-ArbR 46/2014 Anm. 1 
ISSN 1860-1553 
Erscheinungsdatum: 
19.11.2014 
Erscheinungsweise: 
wöchentlich 
Bezugspreis: 
10,- € monatlich 
zzgl. MwSt. 
juris GmbH, Gutenbergstraße 23, D-66117 Saarbrücken, Tel.: 0681/5866-0, Internet: www.juris.de, E-Mail: info@juris.de 
Der juris PraxisReport sowie die darin veröffentlichten Anmerkungen sind urheberrechtlich geschützt. Kein Teil darf (auch nicht 
auszugsweise) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form reproduziert werden. 
© juris GmbH 2014
jurisPR-ArbR 46/2014 
1 
Voraussetzungen für Anforderungsprofil 
im öffentlichen Dienst 
Leitsätze: 
1. Der Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes 
hat im Konkurrentenklageverfahren sach-lich 
nachvollziehbar darzulegen, dass seine 
Festlegung des Anforderungsprofils den An-forderungen 
der zu besetzenden Stelle ent-spricht 
und den gestellten Anforderungen 
keine sachfremden Erwägungen zugrunde 
liegen. 
2. Er genügt seiner Darlegungslast zum ge-stellten 
Anforderungsprofil nicht dadurch, 
dass er auf die in der Ausschreibung genann-te 
Vergütungs-/Entgeltgruppe verweist. Al-lein 
aus der angestrebten Eingruppierung 
kann nicht der Schluss gezogen werden, die 
zu besetzende Stelle erfordere tatsächlich 
sämtliche für die angestrebte Eingruppie-rung 
notwendigen Merkmale. 
Anmerkung zu BAG, Urteil vom 06.05.2014, 
9 AZR 724/12 
von Dr. Torsten von Roetteken, Vors. RiVG 
A. Problemstellung 
Der Neunte Senat des BAG hatte über das Be-gehren 
eines Stellenbewerbers im öffentlichen 
Dienst zu entscheiden, trotz mangelnder Erfül-lung 
des ausgeschriebenen Anforderungsprofils 
in das Auswahlverfahren einbezogen zu wer-den. 
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung 
Der Kläger war Diplom-Ingenieur (FH) der Fach-richtung 
Architektur und in der Entgeltgrup-pe 
E 12 (TVöD/VKA) im Bereich Gebäudewirt-schaft 
der Beklagten beschäftigt. Diese beab-sichtigte 
die Besetzung der Stelle eines Inge-nieurs 
bzw. einer Ingenieurin im gleichen Ar-beitsbereich 
in der Abteilung Objektmanage-ment 
und der Aufgabe, die Stellvertretung der 
Sachgebietsleitung zu übernehmen. Die Stel-le 
sollte nach der EG 13 bzw. der Besoldungs-gruppe 
A 13, höherer Dienst, eingruppiert wer-den. 
In der Ausschreibung wurde unter anderem 
ein abgeschlossenes Studium einer Universität 
bzw. Technischen Hochschule in der Fachrich-tung 
Architektur oder Bauingenieurwesen ver-langt. 
Der frühere Stelleninhaber besaß ledig-lich 
einen Fachhochschulabschluss. Die Beklag-te 
lehnte die Einbeziehung des Klägers in das 
Auswahlverfahren mangels Erfüllung des Anfor-derungsprofils 
ab und wurde darin sowohl vom 
Arbeitsgericht wie auch vom Landesarbeitsge-richt 
bestätigt. Die Revision des Klägers hatte 
Erfolg. 
Ausgehend von der bisherigen Rechtsprechung 
geht das BAG davon aus, ein Arbeitgeber im 
öffentlichen Dienst dürfe für die Besetzung ei-ner 
Stelle ein arbeitsplatzspezifisches Anforde-rungsprofil 
aufstellen und auf diese Weise die 
Möglichkeiten eines Zugangs zum entsprechen-den 
öffentlichen Amt einschränken. Dement-sprechend 
darf der Arbeitgeber solche Bewer-ber 
vom Zugang und damit vom weiteren Aus-wahlverfahren 
ausschließen, die das Anforde-rungsprofil 
– in seinen zwingenden Merkmalen 
– nicht erfüllen. 
Das jeweilige Anforderungsprofil unterliegt al-lerdings 
nach Auffassung des BAG ungeach-tet 
des Beurteilungsspielraums – richtigerwei-se 
wohl des Organisationsermessens – einer ge-richtlichen 
Kontrolle mit der Konsequenz, dass 
ein fehlerhaftes Anforderungsprofil zur Fehler-haftigkeit 
der darauf gestützten Auswahlent-scheidung 
führt. Inhaltlich verlangt das BAG, 
das Anforderungsprofil müsse bezogen auf die 
Anforderungen der zu besetzenden Stelle sach-lich 
nachvollziehbar sein. Es dürften keine sach-fremden 
Erwägungen angestellt worden sein. 
Nimmt der Arbeitgeber zur Rechtfertigung des 
Anforderungsprofils lediglich Bezug auf die be-absichtigte 
Eingruppierung und dort vorgesehe-nen 
Bildungsvoraussetzungen, genügt das für 
eine nachvollziehbare Begründung eines ent-sprechenden 
Merkmals nicht. Für den konkre-ten 
Fall verneint das BAG die Notwendigkeit 
einer wissenschaftlichen Hochschulausbildung 
für die Wahrnehmung der ausgeschriebenen 
Stelle. Der Verweis auf die Eingruppierungs-voraussetzungen 
sei schon deshalb fehlerhaft, 
weil die Eingruppierung der Stellenbesetzung 
im Hinblick auf die auf der Stelle wahrzuneh-menden 
Tätigkeiten nachfolge. 
Den Wunsch des Arbeitgebers, durch das forma-le 
Kriterium eines wissenschaftlichen Studiums 
als Zugangsvoraussetzung das Auswahlverfah-
jurisPR-ArbR 46/2014 
ren zu vereinfachen, hält das BAG für unbeacht-lich, 
weil diesem Aspekt jeder Bezug zu den 
tatsächlichen Anforderungen der zu besetzen-den 
Stelle fehle, und die Vereinfachung des Aus-wahlverfahrens 
kein Selbstzweck sei, sondern 
sich ebenfalls an Art. 33 Abs. 2 GG messen las-sen 
müsse. Art. 33 Abs. 2 GG gewähre dem Ar-beitgeber 
nicht das Recht, ohne nachvollziehba-re 
Gründe eine Stelle mit überqualifizierten Be-werbern 
bzw. Bewerberinnen zu besetzen. 
Der Hinweis des Arbeitgebers auf die Mög-lichkeit 
eines flexibleren Personaleinsatzes von 
Mitarbeiter/innen mit wissenschaftlichem Hoch-schulabschluss 
sei vorliegend schon deshalb 
unbeachtlich, weil schon nicht dargelegt sei, 
dass eine solche Flexibilität für die ausgeschrie-bene 
Stelle tatsächlich möglich sei, wie sie aus-sehen 
solle, und warum die angestrebte Flexibi-lität 
konkret eine wissenschaftliche Hochschul-ausbildung 
erfordere. Im Übrigen lässt das BAG 
offen, ob die Möglichkeit eines flexibleren Perso-naleinsatzes 
aufgrund einer wissenschaftlichen 
Hochschulausbildung ein entsprechendes Merk-mal 
im Anforderungsprofil sachlich rechtferti-gen 
könne. 
C. Kontext der Entscheidung 
Das Urteil des BAG stellt eine konsequente 
Fortentwicklung der bisherigen Rechtsprechung 
dar, rückt allerdings den Aspekt stärker in den 
Vordergrund, dass Anforderungsprofile unge-achtet 
ihrer verfassungsrechtlichen Zulässig-keit 
ihrerseits einer – eingeschränkten – gericht-lichen 
Kontrolle unterliegen. Dies ergibt sich un-mittelbar 
aus Art. 25 lit. c des Internationalen 
Pakts über bürgerliche und politische Rechte 
(BGBl II 1973, 1523), weil danach das allgemei-ne 
und gleiche Recht auf Zugang zu öffentli-chen 
Ämtern ohne unangemessene Einschrän-kungen 
zu gewährleisten ist. Daraus folgt bun-desgesetzlich, 
dass nur angemessene Anforde-rungen 
den Zugang beschränken dürfen. Ange-messen 
kann eine Anforderung nur sein, die in 
einem sachlich nachvollziehbaren Zusammen-hang 
mit den auf dem entsprechenden öffent-lichen 
Arbeitsplatz zu verrichtenden Aufgaben 
steht und sich darüber rechtfertigt. Was sich 
danach nicht rechtfertigen lässt, kann nicht In-halt 
der zwingenden Merkmale eines Anforde-rungsprofils 
werden. Aspekte, die lediglich die 
Personalauswahl vereinfachen sollen oder ei-ne 
nicht näher begründete Qualifikationsbevor-ratung 
betreiben wollen, müssen deshalb für 
die Entwicklung eines Anforderungsprofils un-berücksichtigt 
bleiben. 
Für den Arbeitgeber des vom BAG entschie-denen 
Verfahrens ergab sich dies im Übrigen 
auch aus § 8 Abs. 5 LGG NRW. Danach hat sich 
die Ausschreibung ausschließlich an Anforde-rungen 
der zu besetzenden Arbeitsplatzes aus-zurichten. 
Folglich dürfen andere Anforderun-gen 
schon kein Gegenstand der Ausschreibung 
werden, müssen also auch im darauf aufbau-enden 
Auswahlverfahren unberücksichtigt blei-ben. 
Eine gewisse Abweichung von der bisherigen 
Rechtsprechung des Neunten Senats liegt in 
dem Umstand, dass sich aus den Merkmalen 
einer Entgeltgruppe kein Anforderungsprofil er-geben 
kann, da die Eingruppierung eine Fol-ge 
der übertragenen Tätigkeiten auf einem be-stimmten 
Arbeitsplatz ist, aber nur die entspre-chenden 
Tätigkeiten maßstabbildend für das 
Anforderungsprofil sein können. Die Ausführun-gen 
im Urteil des BAG vom 21.01.2003 (9 AZR 
72/02 - ZTR 2003, 463, 464) lassen sich auch 
dahin verstehen, dass die in den Merkmalen 
einer Entgeltgruppe genannten Anforderungen 
ein Anforderungsprofil darstellen können. Das 
gilt richtigerweise nur dann, wenn diese An-forderungen 
nachvollziehbar und angemessen 
sind. 
Das BAG setzt sich nicht mit der These des 
BVerwG auseinander, wonach jedenfalls für den 
Zugang von Beamtinnen und Beamten zu ei-nem 
öffentlichen Amt auf das angestrebte sta-tusrechtliche 
Amt abzustellen und eine Ausrich-tung 
auf die besonderen Anforderungen eines 
bestimmten Dienstpostens grundsätzlich unzu-lässig 
sei (BVerwG, Beschl. v. 20.06.2013 - 2 
VR 1.13 - ZBR 2013, 376, 378 f. Rn. 24 ff.). 
Maßgebend für diese – neue – Sichtweise des 
BVerwG ist aus seiner Sicht das Laufbahnprinzip 
(Rn. 28 des genannten Beschlusses). Da es für 
die Besetzung von Stellen mit Arbeitnehmern 
bzw. Arbeitnehmerinnen nicht gilt, konnte sich 
das BAG eine Auseinandersetzung mit diesem 
Aspekt ersparen. Im Falle einer statusgruppen-übergreifenden 
Auswahl wird es der Auseinan-dersetzung 
jedoch nicht ausweichen können. 
Dabei wird allerdings zu berücksichtigen sein, 
dass der Verweis auf laufbahnrechtliche Anfor-derungen 
für ein bestimmtes Statusamt und da-mit 
auch auf ein bestimmtes Bildungsniveau
jurisPR-ArbR 46/2014 
seinerseits einer gerichtlichen Kontrolle auf ih-re 
Angemessenheit und Nachvollziehbarkeit un-terliegt, 
auch wenn dies in der Rechtsprechung 
des BVerwG bisher nicht thematisiert wurde. 
Aus § 18 Satz 1 BBesG und entsprechendem 
Landesbesoldungsrecht ergibt sich in Konkreti-sierung 
von Art. 33 Abs. 5 GG das Gebot der 
funktionsgerechten Besoldung, das seinen Aus-gang 
ebenfalls bei den jeweiligen Aufgaben ei-nes 
Dienstpostens nimmt, daraus die nötigen 
Anforderungen ableitet und diese sachgerecht 
unter Zuordnung zu einem Amt (Besoldungs-gruppe) 
bewertet. Soweit diese Vorgehenswei-se 
beachtet und ggf. auf ihre Angemessenheit 
hinsichtlich der zugangsbeschränkenden Wir-kungen 
kontrolliert wird, lassen sich ähnliche 
Resultate wie vorliegend vom BAG gewonnen 
erzielen. Verfehlt wäre es dagegen, ungeprüft 
das jeweilige statusrechtliche Amt zum Aus-gangspunkt 
der zulässigen Anforderungen zu 
nehmen, ohne die Rückfrage zu stellen, ob die-se 
Anforderungen für die auf dem Arbeitsplatz 
wahrzunehmenden Aufgaben als sachgerecht 
und angemessen eingestuft werden können. 
D. Auswirkungen für die Praxis 
Öffentliche Arbeitgeber werden stärker darauf 
achten müssen, ausgehend von den konkreten 
Aufgaben eines zu besetzenden Arbeitsplatzes 
nur die dieser Aufgabenwahrnehmung vernünf-tigerweise 
korrespondierenden Anforderungen 
persönlicher und fachlicher Art zum Gegenstand 
eines Anforderungsprofils bzw. einer Ausschrei-bung 
zu machen, soweit es um die Aufstel-lung 
zwingender Merkmale eines solchen Pro-fils 
geht, deren Verfehlung zum Ausschluss aus 
dem Auswahlverfahren führen muss. Insoweit 
empfiehlt sich auch eine entsprechende Do-kumentation, 
um besser den Nachweis führen 
zu können, dass keine sachfremden Erwägun-gen 
eingeflossen sind. Soweit ein künftiger fle-xibler 
Personaleinsatz erleichtertet werden soll, 
bedürfen die damit zusammenhängenden wei-teren 
Anforderungen ihrerseits einer nachvoll-ziehbaren 
Begründung. Das schließt die Dar-legung 
ein, welche anderweitigen Einsatzmög-lichkeiten 
überhaupt in Betracht kommen kön-nen, 
und ob die konkrete Anforderung auch ge-eignet 
ist, die entsprechende anderweitige Ein-satzmöglichkeit 
zu ermöglichen oder doch zu 
erleichtern. Diese Einschränkung ist auch im 
Hinblick auf § 6 Abs. 3 BGleiG zu beachten, der 
es gestattet, im Bereich der Bundesverwaltung 
neben den arbeitsplatzspezifischen Anforderun-gen 
auch auf das Anforderungs- oder Qualifi-kationsprofil 
einer Laufbahn bzw. eines Funkti-onsbereichs 
abzustellen. Diese Regelung setzt 
ausdrücklich voraus, dass eine solche zusätz-liche 
Beschränkung der Zugangsmöglichkeiten 
im Hinblick auf mögliche künftige Funktionen 
der Bewerber/innen erfolgt. Derartige Möglich-keiten 
müssen nachvollziehbar vor der Aus-schreibung 
aufgezeigt worden sein, um darauf 
gestützt entsprechende Anforderungen stellen 
zu dürfen. 
2 
Notwendige Durchführung des BEM keine 
Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für eine 
Zurruhesetzungsverfügung 
Leitsätze: 
1. Die Verpflichtung, ein betriebliches Ein-gliederungsmanagement 
anzubieten (§ 84 
Abs. 2 Satz 1 SGB IX), gilt auch bei Be-amten. 
Die Durchführung des betrieblichen 
Eingliederungsmanagements ist aber keine 
Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für die Ver-setzung 
eines Beamten in den Ruhestand 
wegen dauernder Dienstunfähigkeit. 
2. In Fällen krankheitsbedingter Fehlzeiten 
stehen das betriebliche Eingliederungsma-nagement 
und das Zurruhesetzungsverfah-ren 
in einem zeitlich gestaffelten Stufenver-hältnis. 
Ist ein betriebliches Eingliederungs-management 
ordnungsgemäß, aber erfolg-los 
durchgeführt worden, liegen regelmäßig 
hinreichende Anhaltspunkte für eine an den 
Beamten gerichtete Weisung vor, sich auf 
eine mögliche Dienstunfähigkeit ärztlich un-tersuchen 
zu lassen. 
Anmerkung zu BVerwG, Urteil vom 05.06.2014, 
2 C 22/13 
von Dr. Torsten von Roetteken, Vors. RiVG 
A. Problemstellung 
Der 2. Senat des BVerwG hatte sich aufgrund 
der von ihm selbst zugelassenen Revision mit 
der Frage zu befassen, welche Folgen die unter-bliebene 
Durchführung eines betrieblichen Ein-gliederungsmanagements 
(BEM) auf die Verset-zung 
eines Beamten bzw. einer Beamtin in den 
Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit hat. Die
jurisPR-ArbR 46/2014 
zweitinstanzlichen Verwaltungsgerichte hatten 
durchweg negative Auswirkungen auf den Zur-ruhesetzungsbescheid 
verneint (vgl. von Roet-teken, 
jurisPR-ArbR 37/2012 Anm. 5), sodass in-soweit 
ein Klärungsbedarf durch das BVerwG of-fensichtlich 
war. 
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung 
Das BVerwG geht zunächst davon aus, dass die 
Verpflichtung aus § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX, ei-nem 
Beamten bzw. einer Beamtin bei Vorliegen 
der tatbestandlichen Voraussetzungen ein BEM 
anzubieten, auch für die Angehörigen dieser 
Statusgruppe gilt. Das war in der obergerichtli-chen 
Rechtsprechung angezweifelt worden. Der 
2. Senat schließt sich damit der vom 6. Senat 
des BVerwG in der personalvertretungsrecht-lichen 
Rechtsprechung angenommenen Ausle-gung 
des § 84 Abs. 2 SGB IX an (BVerwG, Be-schl. 
v. 04.09.2012 - 6 P 5.11 - ZTR 2013, 103, 
104 Rn. 12). Gleichzeitig nimmt der 2. Senat 
des BVerwG an, dass § 84 Abs. 2 SGB IX auch 
für nicht behinderte Beschäftigte gilt. Insoweit 
schließt sich das BVerwG der Auslegung des 
BAG (Urt. v. 12.07.2007 - 2 AZR 716/06 - ZTR 
2008, 273, 274 Rn. 35) an. 
Zur Rechtfertigung dieser Auslegung bezieht 
sich der 2. Senat des BVerwG insbesonde-re 
auf das von ihm angenommene zeitliche 
Stufenverhältnis der Vorschriften zum Ange-bot 
und Durchführung eines BEM im Verhält-nis 
zu den beamtenrechtlichen Regelungen zur 
Dienstunfähigkeit und ihren Folgen (§§ 44 ff. 
BBG, §§ 26 f. BeamtStG und entsprechendes 
Landesrecht). Danach greift der Mechanismus 
des BEM oftmals früher ein als das dienstrecht-liche 
Instrumentarium, wofür beispielhaft auf 
§ 44 Abs. 1 Satz 2 BBG verwiesen wird. Zu-dem 
seien die sich aus dem BEM ergebenden 
Reaktionsmöglichkeiten nicht auf den auf das 
abstrakt funktionelle Amt bezogenen Dienst-unfähigkeitsbegriff 
ausgerichtet, sondern ziel-ten 
auf eine Analyse der bestehenden Arbeits-bedingungen 
im Hinblick auf die gesundheitli-chen 
Einschränkungen der/s Beschäftigten, um 
Möglichkeiten einer leidensgerechten Anpas-sung 
des bestehenden Arbeitsplatzes auszulo-ten. 
Bezugspunkt der Dienstunfähigkeit ist für 
das BVerwG dagegen das jeweilige abstrakt-funktionelle 
Amt. 
Könne der durch § 84 Abs. 2 SGB IX vorge-gebene 
Suchprozess keine alternativen Weiter-beschäftigungsmöglichkeiten 
aufzeigen, lägen 
regelmäßig ausreichende tatsächliche Anhalts-punkte 
für die ernsthafte Besorgnis der Dienst-unfähigkeit 
vor. Dann schließe sich das dienst-rechtliche 
Verfahren einer Prüfung der Zurru-hesetzung 
an das erfolglose BEM an. Insge-samt 
sieht das BVerwG im BEM eine Konkretisie-rung 
der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht, 
mit dem ein gesetzlich verankertes Frühwarn-system 
etabliert wird. Könne damit keine Ver-besserung 
erzielt werden, schließe sich das 
dienstrechtliche Verfahren mit seinem Instru-mentarium 
insbesondere in Gestalt von § 44 
Abs. 6 BBG an. 
Das Angebot und die Durchführung eines BEM 
stellen ungeachtet dessen nach Auffassung des 
BVerwG keine Voraussetzung für die Rechtmä-ßigkeit 
einer Zurruhesetzungsverfügung dar. 
Das soll sich schon daraus ergeben, dass § 84 
Abs. 2 SGB IX im Unterschied zu § 85 SGB IX 
die Rechtsfolge seiner mangelnden Beachtung 
nicht regele. So führe die Nichtbeachtung des 
§ 84 Abs. 2 SGB IX nach Auffassung des BAG 
allein noch nicht zur Unwirksamkeit der Kün-digung 
eines Arbeitsverhältnisses. Im Weite-ren 
referiert das BVerwG die Rechtsprechung 
des BAG, wonach die Nichtbeachtung von § 84 
Abs. 2 SGB IX – nur – zu einer Verschiebung der 
Darlegungs- und Beweislastverteilung in einem 
auf die Kündigung bezogenen Gerichtsverfah-ren 
führe. Das muss für das öffentliche Dienst-recht 
nach Auffassung des BVerwG erst recht 
gelten. Die Annahme einer zwingenden Rechts-widrigkeit 
der Zurruhesetzungsverfügung bei 
mangelnder Beachtung von § 84 Abs. 2 SGB IX 
sei mit dem Regelungssystem des BBG nicht in 
Einklang zu bringen. Die in § 44 Abs. 1 Satz 1 
BBG angeordnete Rechtsfolge stehe nicht un-ter 
dem Vorbehalt, dass zuvor ein BEM durch-geführt 
worden ist. Stehe die Dienstunfähigkeit 
fest und sei auch keine anderweitige Verwen-dung 
mehr möglich, sei für die Durchführung 
des BEM kein Raum mehr. Des Weiteren sei die 
in § 84 Abs. 2 SGB IX enthaltene Verpflichtung 
kein Bestandteil des auf den Erlass einer Zurru-hesetzungsverfügung 
gerichteten Verwaltungs-verfahrens 
i.S.d. § 9 VwVfG. Das in § 84 Abs. 2 
SGB IX vorgesehene Verfahren sei im Verhältnis 
zum Zurruhesetzungsverfahren ein eigenstän-diges 
Verfahren. Beide Verfahren seien nicht 
miteinander rechtlich verknüpft. 
Das soll insbesondere für die Einleitung des Ver-fahrens 
gelten, da bereits die Anordnung der
jurisPR-ArbR 46/2014 
ärztlichen Untersuchung zur Prüfung der Dienst-fähigkeit 
substanzielle Zweifel an der dau-ernden 
Dienstfähigkeit der/s Betroffenen vor-aussetze. 
Diese liegen nach Auffassung des 
BVerwG jedenfalls dann vor, wenn ein BEM-Ver-fahren 
erfolglos durchgeführt wurde. 
Soweit bei der vom Verwaltungsgericht vorzu-nehmenden 
Prüfung einer anderweitigen Ver-wendungsmöglichkeit 
i.S.d. § 44 Abs. 1 Satz 
3 BBG (§ 26 Abs. 2, 3 BeamtStG) die Anfor-derungen 
an eine schlüssige Darlegung des 
Dienstherrn über das Fehlen solcher Verwen-dungsmöglichkeiten 
nicht im entsprechenden 
Sinn abgeschlossen werden könne, gingen ver-bleibende 
Zweifel zulasten des Dienstherrn. 
Allerdings entlaste es den Dienstherrn, wenn 
ein durchgeführtes BEM keine alternativen Be-schäftigungsmöglichkeiten 
aufgezeigt habe. 
C. Kontext der Entscheidung 
Das Urteil des BVerwG liegt im Wesentli-chen 
auf der Linie der bisherigen Rechtspre-chung 
der zweitinstanzlichen Verwaltungsge-richte 
(zur vereinzelt gebliebenen Gegenauffas-sung 
vgl. VG Frankfurt a.M., Urt. v. 28.03.2014 
- 9 K 3892/11.F Rn. 33 f.). Im Unterschied zur 
Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte 
geht das BVerwG allerdings eindeutig davon 
aus, dass § 84 Abs. 2 SGB IX neben den dienst-rechtlichen 
Regelungen zum Verfahren bei Ver-setzungen 
in den Ruhestand wegen Dienstfä-higkeit 
anzuwenden ist. Insoweit ist eine Klä-rung 
eingetreten, die bisher trotz der an sich 
eindeutigen Rechtsprechung des 6. Senats des 
BVerwG noch nicht allgemein anerkannt war. 
Die Frage nach dem Verhältnis von § 84 Abs. 2 
SGB IX zu den dienstrechtlichen Bestimmun-gen 
über die Voraussetzungen und das Verfah-ren 
einer Zurruhesetzung wegen Dienstunfähig-keit 
beantwortet das BVerwG im Sinne der bis-herigen 
obergerichtlichen Rechtsprechung (zur 
vereinzelt gebliebenen Gegenauffassung vgl. 
VG Frankfurt a.M., Urt. v. 28.03.2014 - 9 K 
3892/11.F; von Roetteken, ZBR 2013, 325; 361; 
Düwell in: Dau/Düwell/Joussen, SGB IX, 4. Aufl., 
§ 84 Rn. 71). Danach bleibt die mangelnde Be-achtung 
des § 84 Abs. 2 SGB IX verfahrensrecht-lich 
ohne Folgen für das Zurruhesetzungsver-fahren, 
da die gleichwohl erlassene Zurruheset-zungsverfügung 
allein deshalb nicht rechtswid-rig 
ist, also aus diesem Grund nicht der gericht-lichen 
Kassation verfällt. 
Soweit das BVerwG für seine Auffassung auf 
die mangelnde Regelung der Rechtsfolge ei-nes 
Verstoßes gegen § 84 Abs. 2 SGB IX hin-weist 
und dafür auf die aus seiner Sicht ab-weichende 
Regelung des § 85 SGB IX verweist, 
greift die Argumentation zur kurz. Welche Fol-gen 
die fehlende Zustimmung des Integrati-onsamtes 
zu einer Arbeitgeberkündigung hat, 
ist weder in § 85 SGB IX noch an anderer 
Stelle geregelt, sondern Ergebnis einer Ausle-gung 
des Vorbehalts der vorherigen Zustim-mung. 
Eine klare Rechtsfolgenregelung enthal-ten 
insoweit lediglich § 102 Abs. 1 Satz 3 
BetrVG, §§ 79 Abs. 4, 108 Abs. 2 BPersVG. 
Vergleichbare Regelungen für die Beendigung 
öffentlich-rechtlicher Dienstverhältnisse fehlen, 
was das BVerwG allerdings nicht gehindert hat, 
aus dem Erfordernis einer vor der Beendigung 
durchzuführenden Beteiligungsverfahrens auf 
die Rechtsfolge der Rechtswidrigkeit der ent-sprechenden 
Beendigungsmaßnahme zu schlie-ßen, 
wenn das entsprechende Beteiligungs-verfahren 
nicht ordnungsgemäß durchgeführt 
worden war (st. Rspr. seit BVerwG, Urt. v. 
01.12.1982 - 2 C 59.81 - ZBR 1983, 189; von 
Roetteken in von Roetteken/Rothländer, Beam-tStG, 
§ 23 Rn. 457, m.w.N.). Es ist daher in 
der bisherigen Rechtsprechung des 2. Senats 
des BVerwG kein allgemeiner Grundsatz dahin 
aufgestellt worden, dass die gesetzliche Vorga-be 
zur Einhaltung eines bestimmten Verfahrens 
hinsichtlich der Auswirkungen seiner mangeln-den 
Beachtung stets eine konkrete Rechtsfol-genregelung 
für ein anderes Verfahren voraus-setzt. 
Soweit aus § 85 SGB IX im Hinblick auf das 
Erfordernis einer vorherigen Zustimmung des 
Integrationsamtes abzuleiten ist, dass eine 
nachträgliche Zustimmung wirkungslos bleiben 
muss, hätte sich das BVerwG die Frage vorle-gen 
müssen, ob nicht aufgrund der zeitlichen 
und sachlichen Voraussetzungen für die Ein-leitung 
und Durchführung eines BEM herzulei-ten 
ist, dass dieses Verfahren dem Zurruheset-zungsverfahren 
zwingend vorausgehen muss. 
Der 2. Senat des BVerwG gesteht dies jeden-falls 
für die Mehrzahl der Fallgestaltungen zu 
und geht insoweit zutreffend von einem stu-figen 
Verhältnis des BEM (als zuerst einzulei-tendem 
Verfahren) im Verhältnis zum Zurruhe-setzungsverfahren 
aus. Dann aber hätte sich
jurisPR-ArbR 46/2014 
das BVerwG die Frage stellen müssen, ob sich 
nicht aus der von ihm angenommenen Zuord-nung 
des § 84 Abs. 2 SGB IX zur Fürsorgepflicht 
auch ein entsprechendes Recht der/s Betroffe-nen 
auf die vorrangige Einleitung und ggf. auch 
die Durchführung eines BEM ergibt, da § 84 
Abs. 2 SGB IX nicht nur eine objektivrechtliche 
Verfahrensnorm darstellt (ebenso unter Bezug 
auf Art. 5 RL 2000/78/EG und die jüngere Rspr. 
des EuGH zum Behindertenbegriff VG Frankfurt 
a.M.; von Roetteken, ZBR 2013, 325; 361). In 
diesem Fall wäre aus § 84 Abs. 2 SGB IX zumin-dest 
die Nebenpflicht abzuleiten, mit der Einlei-tung 
und Durchführung eines Zurruhesetzungs-verfahrens 
zu warten, bis entweder das BEM 
durchgeführt oder ein entsprechendes Angebot 
des Dienstherrn abgelehnt worden ist (von Ro-etteken, 
a.a.O.; Düwell in: Dau/Düwell/Joussen, 
SGB IX, § 84 Rn. 71). 
Die Auffassung des BVerwG zum Stellenwert 
des BEM steht allerdings in Übereinstimmung 
mit der Rechtsprechung des BAG, die vom 
BVerwG sachlich zutreffend referiert wird. Aller-dings 
leidet die Auffassung des BAG hinsicht-lich 
der mangelnden Folgen eines unterlasse-nen 
BEM auf eine Arbeitgeberkündigung unter 
den gleichen Mängeln, da auch insoweit igno-riert 
wird, dass der Arbeitgeber im Falle einer 
krankheitsbedingten Kündigung vor Ausspruch 
einer solchen Kündigung vorrangig seine Ver-pflichtungen 
aus § 84 Abs. 2 SGB IX zu erfüllen 
hat und darauf auch ein individueller Anspruch 
besteht. Stattdessen wird die Problematik über 
die Verschiebung der Darlegungs- und Beweis-last 
auf den Arbeitgeber gelöst. Das entwertet 
die Bedeutung des BEM erheblich und hat in der 
bisherigen Praxis dazu geführt, dass § 84 Abs. 2 
SGB IX meist folgenlos ignoriert werden kann. 
Das BVerwG übernimmt den Ansatz des BAG 
und macht dem Dienstherrn lediglich deutlich, 
welche Vorteile er aus einem durchgeführten 
BEM erlangen kann, nämlich die Klärung der 
Zweifel an dauernden Dienstunfähigkeit und 
den Ausschluss anderweitiger Beschäftigungs-möglichkeiten. 
Soweit das BVerwG den Bezugspunkt des BEM 
nur im konkreten Arbeitsplatz der/s Betroffenen 
sieht, während die Beurteilung der Dienstunfä-higkeit 
auf den Bereich des abstrakt-funktionel-len 
Amtes und damit auf eine größere Zahl von 
Tätigkeiten bezogen sei, scheint diese Ausle-gung 
unmittelbar dem Wortlaut des § 84 Abs. 2 
Satz 1 SGB IX zu entsprechen, da dort aus-drücklich 
von der Erhaltung des Arbeitsplatzes 
die Rede ist. Eine derartige Verkürzung wird je-doch 
dem Zweck der Regelung in keiner Wei-se 
gerecht, wie die Regelung in § 84 Abs. 1 
SGB IX zeigt. Es geht auch in § 84 Abs. 2 SGB IX 
um den Erhalt des Beschäftigungsverhältnisses 
selbst, nicht um die leidensgerechte Anpassung 
des bisherigen Arbeitsplatzes (Düwell in: Dau/ 
Düwell/Joussen, SGB IX, § 84 Rn. 32; von Roet-teken, 
ZBR 2013, 325; 361). 
Unbehandelt bleibt im Urteil des BVerwG, dass 
sich § 84 Abs. 2 SGB IX jedenfalls für einen Teil 
des davon erfassten Personenkreises als Teil-umsetzung 
von Art. 5 RL 2000/78/EG darstellt 
(von Roetteken, ZBR 2013, 325; 361, m.w.N.). 
Insoweit hat der EuGH mehrfach entscheiden, 
dass eine Beendigung eines Beschäftigungsver-hältnisses 
dann gegen die RL 2000/78/EG ver-stößt, 
wenn gegenüber einem Menschen mit ei-ner 
Behinderung nicht zuvor die Verpflichtun-gen 
aus Art. 5 RL 2000/78/EG erfüllt worden sind 
(zuletzt EuGH, Urt. v. 11.04.2013 - C-335/11 
u.a. - ZBR 2013, 341, 344 Rn. 67 „Ring u.a.“). 
Da der Kläger des vom BVerwG entschiedenen 
Verfahrens mehr als ein Jahr dienstunfähig er-krankt 
war, bevor er in den Ruhestand versetzt 
worden war, hätte sich einerseits die Frage ge-stellt, 
ob er dem Schutzbereich der RL 2000/78/ 
EG unterfällt, anderseits die Frage, in welchem 
Ausmaß die Erfüllung der in Art. 5 RL 2000/78/ 
EG geregelten Pflichten in ihrer Ausgestaltung 
durch § 84 Abs. 2 SGB IX eine zwingende Vor-aussetzung 
für die Beendigung des Dienstver-hältnisses 
darstellen. Das BVerwG hat sich we-der 
die entsprechenden Fragen gestellt, noch – 
insoweit folgerichtig – erwogen, ob insoweit ei-ne 
Vorlage an den EuGH entsprechend Art. 267 
AEUV geboten war. 
Die gleichen Fragen stellen sich in Bezug auf 
Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG und Art. 27 UN-BRK. 
D. Auswirkungen für die Praxis 
In der Praxis wird damit zu rechnen sein, dass 
mangelnde Beachtung der sich aus § 84 Abs. 2 
SGB IX ergebenden Verpflichtungen nach wie 
vor überwiegend folgenlos bleiben wird, soweit 
es um Maßnahmen zur Beendigung des Be-schäftigungsverhältnisses 
geht. Für Entlassun-gen 
macht dies das Urteil des OVG Münster 
vom 07.01.2013 (6 A 2371/11 - DÖD 2013, 126) 
deutlich. Nicht geklärt ist, in welchem Umfang
jurisPR-ArbR 46/2014 
sich das BVerwG der vom OVG Münster im An-schluss 
an den BGH (Urt. v. 20.12.2006 - RiZ 
(R) 2/06 - NVwZ-RR 2007, 328) vertretenen Auf-fassung 
anschließt, dass eine im Ermessen ste-hende 
Entlassung wegen mangelnder Bewäh-rung 
aus gesundheitlichen Gründen ermessens-fehlerhaft 
sein kann, wenn zuvor die Anforde-rungen 
des § 84 Abs. 2 SGB IX nicht beachtet 
wurden. 
Unbeantwortet bleibt auch die Frage, ob eine 
Entscheidung des Dienstherrn, wegen längerer 
krankheitsbedingter Dienstunfähigkeit auf eine 
dauernde Dienstunfähigkeit zu schließen, wie in 
§ 44 Abs. 1 Satz 2 BBG bzw. § 26 Abs. 1 Satz 
2 BeamtStG vorgesehen, fehlerhaft ist, wenn 
ihr kein Angebot eines BEM und im Fall der 
Zustimmung der/s Betroffenen dessen Durch-führung 
vorausgegangen ist. Da die Entschei-dungen 
nach § 44 Abs. 1 Satz 2 BBG bzw. 
§ 26 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG in der Ermes-sen 
des Dienstherrn gestellt sind, spricht vie-les 
dafür, dass derartige Tatbestandsfeststel-lungen 
ermessensfehlerhaft sind, wenn § 84 
Abs. 2 SGB IX unbeachtet geblieben ist. 
Unbeantwortet ist ferner die Frage, welche Aus-wirkungen 
die mangelnde Beachtung von § 84 
Abs. 2 SGB IX auf die im Ermessen stehenden 
Entscheidungen des Dienstherrn zur anderwei-tigen 
Verwendung entsprechend § 26 Abs. 1 
Satz 3, Abs. 2, 3 BeamtStG hat, ob derartige Ent-scheidung 
ggf. ermessensfehlerhaft sind, wie 
dies in der Rechtsprechung des BVerwG für die 
mangelnde Beachtung von § 95 Abs. 2 Satz 1 
SGB IX angenommen wird (vgl. zu § 95 Abs. 2 
SGB IX BVerwG, Urt. v. 21.06.2007 - 2 A 6.06 
- Schütz BeamtR ES/A II 1.4 Nr 154 Rn. 32, 
m.w.N. ). § 26 BeamtStG unterscheidet sich in-soweit 
von § 44 BBG, der in Abs. 1 Satz 3 jede 
Zurruhesetzung ausschließt, wenn eine ander-weitige 
Verwendung möglich ist. 
Eine Korrektur der Rechtsprechung des 
BVerwG, aber auch der des BAG wird nach dem 
derzeitigen Diskussionsstand nur über eine Vor-lage 
an den EuGH oder eine Verfassungsbe-schwerde 
zu erreichen sein, oder der Gesetzge-ber 
fügt in das SGB IX die von der Rechtspre-chung 
vermissten klaren Rechtsfolgenregelun-gen 
ein, um die tatsächliche Beachtung von § 84 
SGB IX zu gewährleisten. 
Positiv zu vermerken ist, dass die Anwendung 
von § 84 Abs. 2 SGB IX auch im Vorfeld von Zur-ruhesetzungsverfahren 
höchstrichterlich klar-gestellt 
ist. Es ist Aufgabe der Beschäftigtenver-tretungen, 
die Einhaltung der entsprechenden 
Verpflichtungen konsequent und frühzeitig ein-zufordern. 
E. Weitere Themenschwerpunkte der Ent-scheidung 
Zwingende Voraussetzung für die Feststellung 
der Dienstunfähigkeit ist nach Auffassung des 
BVerwG die vorherige Feststellung der amtsbe-zogenen 
Anforderungen auf der Grundlage des 
dem abstrakt-funktionellen Amtes zuordenba-ren 
Kreises von Amtsaufgaben. Der individuel-le 
Gesundheitszustand ist in Bezug zu den ent-sprechenden 
Anforderungen zu setzen, um auf 
dieser Grundlage zu beurteilen, ob und in wel-chem 
Umfang noch Dienstfähigkeit besteht. Die 
Bestimmung dieser Anforderungen ist die not-wendige 
Voraussetzung, um dauernde Dienst-unfähigkeit 
anzunehmen. Darauf soll es nach 
Auffassung des BVerwG jedoch dann nicht an-kommen, 
wenn der Beamte bzw. die Beamtin 
auf absehbare Zeit keinen Dienst leisten könne 
(Rn. 34 des Besprechungsurteils). Das soll ins-besondere 
dann der Fall sein, wenn der/die Be-troffene 
gar nicht auf der Dienststelle erschei-nen 
könne. Darin liegt eine unzulässige Ver-allgemeinerung, 
weil es durchaus Beschäftigte 
gibt, die aufgrund ihrer gesundheitlichen Ein-schränkungen 
nicht mehr, jedenfalls nicht mehr 
regelmäßig oder für den überwiegenden Teil der 
Arbeitstage der Dienststelle bei ihr erscheinen 
können, um Dienst zu leisten. Für diesen Per-sonenkreis 
bleibt jedoch im Hinblick auf Art. 5 
RL 2000/78/EG bzw. Art. 27 UN-BRK, ggf. auch 
im Hinblick auf § 81 Abs. 4 SGB IX zu prüfen, 
ob er seinen Dienst entweder in Teildienstfähig-keit 
(§ 27 BeamtStG, § 45 BBG), ggf. in Kom-bination 
mit teilweiser oder gar überwiegender 
Telearbeit (vgl. § 13 Abs. 1 Satz 2, § 15 Abs. 2 
BGleiG) verrichten kann (vgl. VG Frankfurt a.M., 
Beschl. v. 21.12.2009 - 9 L 3763/09.F - AGG-ES 
B.II.6 § 81 SGB IX Nr. 11). 
Soweit es um die Bestimmung der Anforde-rungen 
des abstrakt-funktionellen Amtes geht, 
muss zudem beachtet werden, dass damit im 
Hinblick auf die Verwendung der entsprechen-den 
Kriterien zugleich Entlassungsbedingungen 
i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG bzw. Art. 3 Abs. 1 lit. c 
RL 2000/78/EG aufgestellt werden. Der EuGH 
hat den Übertritt in den Ruhestand als Entlas-sung 
i.S.d. RL 2000/78/EG eingeordnet (EuGH,
jurisPR-ArbR 46/2014 
Urt. v. 21.07.2011 - C-159/10, C-160/10 - NVwZ 
2011, 1249 Rn. 34 = AGG-ES E.III.11 Art. 6 
RL 2000/78/EG Nr. 20 „Fuchs u.a.“). Gleiches 
wird für die Versetzung in den Ruhestand gelten 
müssen. 
Die beruflichen Anforderungen für eine Fortset-zung 
der dienstlichen Tätigkeiten können als 
Entlassungsbedingungen Menschen mit einer 
Behinderung unmittelbar oder auch mittelbar 
benachteiligen, so dass die Rechtfertigungsvor-aussetzungen 
des § 8 Abs. 1 AGG bzw. des § 3 
Abs. 2 AGG, jeweils i.V.m. § 24 Nr. 1 AGG er-füllt 
sein müssen (vgl. BAG, Urt. v. 22.05.2014 - 
8 AZR 662/13 - NZA 2014, 924 Rn. 32 ff.). Der-artige 
Anforderungen sind nur dann angemes-sen 
i.S.d. §§ 8 Abs. 1, 3 Abs. 2 AGG, wenn sie 
den Anforderungen des Art. 5 RL 2000/78/EG 
bzw. des Art. 27 UN-BRK genügen (BAG, Urt. v. 
22.05.2014 - 8 AZR 662/13 - NZA 2014, 924, 927 
Rn. 42). Diese Perspektive wird vom BVerwG 
nicht näher angesprochen, wird in der Praxis je-doch 
zur Vermeidung einer nach § 7 Abs. 1 AGG 
verbotenen Benachteiligung durch eine Entlas-sung 
bzw. Zurruhesetzung zu beachten sein. 
3 
Einstweilige Verfügung auf 
Weiterbeschäftigung bei bisheriger 
Dienststelle 
Orientierungssätze: 
1. Eine Entscheidung, mit der ein Arbeitneh-mer 
für die Dauer von sechs Monaten mit 
dem Ziel der Versetzung abgeordnet wird, 
ist nicht mangels Begründung rechtswidrig. 
Es handelt sich vielmehr um die Ausübung 
des arbeitgeberseitigen Weisungsrechts in 
einer besonderen Form, die nicht in der 
schriftlichen Weisung selbst begründet wer-den 
muss. Sie verstößt auch nicht gegen den 
Gleichbehandlungsgrundsatz. 
2. Ein Gericht, das eine für die Entscheidung 
maßgebliche Gesetzesnorm für verfassungs-widrig 
hält, kann nicht durch Art 100 Abs. 1 
GG gehindert sein, vor der im Hauptsache-verfahren 
einzuholenden Entscheidung des 
BVerfG vorläufigen Rechtsschutz zu gewäh-ren, 
wenn dies im Interesse eines effekti-ven 
Rechtsschutzes geboten erscheint und 
die Hauptsache dadurch nicht vorwegge-nommen 
wird. Dies ist jedoch nur dann der 
Fall, wenn deutliche Anhaltspunkte für eine 
klar erkennbare Verfassungswidrigkeit der 
entsprechenden Norm bestehen. 
3. Es ist Arbeitnehmern grundsätzlich zu-mutbar, 
einer arbeitgeberseitigen Weisung 
zunächst Folge zu leisten, auch wenn sie 
für rechtswidrig gehalten wird. Die Überprü-fung 
der Weisung kann im Hauptsachever-fahren 
geltend gemacht werden, stellt aber 
keinen Verfügungsgrund für eine einstweili-ge 
Verfügung dar. 
Anmerkung zu ArbG Berlin, Urteil vom 
01.07.2014, 16 Ga 8789/14 
von Christoph J. Burgmer, RA, FA für Arbeits-recht 
und FA für Medizinrecht, burgmer rechtsan-wälte, 
Düsseldorf 
A. Problemstellung 
Die Entscheidung befasst sich mit der Frage der 
Zumutbarkeit einer Abordnung zu einer ande-ren 
Behörde als Erprobung auf der Grundlage 
von § 37a StUG. Außerdem wird zur Reichweite 
der Prüfungskompetenz des erkennenden Ge-richts 
im vorläufigen Rechtsschutz Stellung ge-nommen, 
wenn sich der Kläger auf die Verfas-sungswidrigkeit 
der Norm beruft, die zu einer 
ihn betreffenden Maßnahme (Versetzung) er-mächtigt. 
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung 
Die Parteien streiten im vorläufigen Rechts-schutz 
um den Erlass einer einstweiligen Ver-fügung 
mit dem Inhalt, die beklagte Behörde 
des BStU zu verpflichten, den Kläger bis zu ei-ner 
rechtskräftigen Entscheidung in dem Haupt-sacheverfahren 
weiterhin als Verwaltungsange-stellten 
in der Behörde zu beschäftigen. Er war 
bisher Mitarbeiter der Beklagten und dort als 
Pförtner eingesetzt und früher Objektschützer 
für das ehemalige MfS. Die Beklagte ordnete 
den Kläger für die Dauer von sechs Monaten 
zum BVA (Bundesverwaltungsamt) ab. Es wur-de 
erklärt, die Abordnung erfolge mit dem Ziel 
der Versetzung. Eine weitergehende Begrün-dung 
enthielt das Schreiben nicht. Der neue 
Einsatzort lag etwa 500 Meter vom bisherigen 
Arbeitsplatz des Klägers entfernt. Die Abord-nung 
erfolgte auf der Grundlage des § 37a StUG, 
den der Gesetzgeber als eine Ergänzung des 
StUG im Jahre 2011 beschlossen hatte. Die Vor-
jurisPR-ArbR 46/2014 
schrift regelt, dass die Beschäftigung ehemali-ger 
MfS-Mitarbeiter in der Stasi-Unterlagenbe-hörde 
nicht erfolgen und die entsprechenden 
Mitarbeiter nach einer Zumutbarkeitsprüfung in 
andere Behörden versetzt werden sollten. 
Der Personalrat und der Hauptpersonalrat der 
Beklagten hatten der ursprünglichen Abord-nung 
von ehemaligen MfS-Mitarbeitern nicht zu-gestimmt, 
so dass die Beklagte die Einigungs-stelle 
anrief. Diese entschied, dass der Haupt-personalrat 
seine Zustimmung nicht hätte ver-weigern 
dürfen. Die Einigungsstelle regte an, 
von einer Abordnung abzusehen, wenn der be-troffene 
Beschäftigte bei Beginn der Maßnah-me 
63 Jahre und älter sei. Der Anregung folg-te 
die Beklagte. Der Kläger wurde danach zu 
der beabsichtigten Abordnung angehört und hat 
sich schriftlich dagegen gewandt. Die Beklagte 
nannte danach dem Kläger ihre Gründe für ein 
Festhalten an der beabsichtigten Abordnung. 
Der Personalrat des BVA hat der Abordnung für 
die Dauer von sechs Monaten mit dem Ziel der 
Versetzung in das Bundesverwaltungsamt zu-gestimmt. 
Der Kläger hält § 37a StUG für verfassungswid-rig. 
Er meint, die Versetzung sei schon aus for-meller 
Sicht unwirksam, da es an einer Begrün-dung 
fehle, es gebe auch keine dienstlichen 
Gründe. Ihm könne eine Versetzung nicht zu-gemutet 
werden, da er ohnehin schon durch 
die Diskussion über die Verwendung ehemali-ger 
MfS-Mitarbeiter beim Stasiunterlagenbeauf-tragten 
derart gelitten habe, dass er erhebli-che 
gesundheitliche Beeinträchtigungen habe, 
die durch die Durchführung der Abordnung noch 
verstärkt würden. Die Beklagte hält § 37a StUG 
für verfassungskonform. Dem Kläger sei zumut-bar, 
bis zur Klärung der Rechtsfragen im Haupt-sacheverfahren 
seine Tätigkeit aufzunehmen. 
Das ArbG Berlin hat den zulässigen Antrag des 
Klägers als unbegründet zurückgewiesen. 
Der Umstand, dass die Entscheidung, den Klä-ger 
abzuordnen, in dem Schreiben selbst nicht 
begründet worden sei, begründe nicht die 
Rechtswidrigkeit der arbeitgeberseitigen Wei-sung. 
Es handele sich vielmehr um die Aus-übung 
des arbeitgeberseitigen Weisungsrechts 
in einer besonderen Form, die nicht in der 
schriftlichen Weisung selbst begründet werden 
muss, da hierfür die Grundsätze des Arbeits-rechtes 
und nicht des Verwaltungsrechtes gel-ten. 
Eine Verfassungswidrigkeit von § 37a StUG kön-ne 
im Eilverfahren nicht festgestellt werden, da 
deutliche Anhaltspunkte für eine evidente Ver-fassungswidrigkeit 
der Norm des § 37a StUG 
nicht klar erkennbar seien. Die Vorschrift sei 
vom Gesetzgeber beschlossen und vom Bun-despräsidenten 
unterzeichnet worden, so dass 
es eingehender Prüfung bedürfe, ob eine solche, 
nach langer Diskussion gefundene Regelung 
mit dem Grundgesetz vereinbar sei. Diese ein-gehende 
Überprüfung sei in Ermangelung evi-denter 
Anhaltspunkte für eine Verfassungswid-rigkeit 
der anzuwenden Vorschrift dem Haupt-sacheverfahren 
zu überantworten. Eine eviden-te 
Rechtswidrigkeit könne auch nicht festge-stellt 
werden. Vielmehr habe der Kläger im Vor-feld 
seine Bedenken schriftlich geäußert, der 
Personalrat und der Hauptpersonalrat der Be-klagten 
hatten mit umfangreicher Begründung 
der Abordnung widersprochen und die Eini-gungsstelle 
habe sich mit den Argumenten in-tensiv 
beschäftigt. Auch habe der Personalrat 
des BVA nach Prüfung seine Zustimmung erteilt. 
Die Abordnung sei auch zumutbar. Zwar liege 
hier keine Versetzung vor. Die Abordnung sei 
aber als milderes Mittel in § 37a StUG mitent-halten. 
Im vorliegenden Fall habe sich die Be-klagte 
zunächst bewusst für das mildere Mittel 
entschieden, um zu erproben, ob eine anschlie-ßende 
Versetzung auch tatsächlich zumutbar 
sei. So habe es in der Vergangenheit durchaus 
schon Fälle gegeben, in denen die Abordnung 
zurückgenommen worden sei. Die Versetzung 
als solche sei also mitnichten bereits beschlos-sen 
gewesen. 
Der Umstand, dass die Beklagte die von der Ei-nigungsstelle 
vorgeschlagene Altersgrenze be-achte, 
sei sachgerecht. Die Verwendung einer 
Stichtagsklausel mache die Regelung nicht un-wirksam. 
Solche Klauseln seien notwendig und 
bewegten sich im Rahmen des Ermessens der 
Behörde. 
Schließlich sah das Gericht auch keinen Verfü-gungsgrund, 
sondern stellte fest, es sei Arbeit-nehmern 
grundsätzlich zuzumuten, einer ar-beitgeberseitigen 
Weisung zunächst Folge zu 
leisten, auch wenn sie sie für rechtswidrig hiel-ten. 
Abweichungen von diesem Grundsatz wür-den 
von der Rechtsprechung nur in bestimmten,
jurisPR-ArbR 46/2014 
vom Arbeitnehmer darzulegenden und glaub-haft 
zu machenden Ausnahmefällen angenom-men, 
in denen der Arbeitnehmer ein gesteiger-tes 
Abwehrinteresse habe. Dies könne der Fall 
sein, wenn sich die Weisung etwa als offensicht-lich 
unwirksam herausstellen sollte, sich der Ar-beitnehmer 
erheblichen Gesundheitsgefahren 
aussetzen würde, die Tätigkeiten sein berufli-ches 
Ansehen irreparabel schädigten oder ihn 
in schwere Gewissenkonflikte bringen würden. 
All dieses sei hier nicht gegeben. Der Sachvor-trag 
des Klägers in Bezug auf mögliche Repres-salien 
am neuen Arbeitsplatz wegen seiner frü-heren 
Tätigkeit für das MfS sei zwar subjek-tiv 
nachzuvollziehen, aber unsubstantiiert und 
nicht glaubhaft. 
Angesichts der Gesamtumstände (der grund-sätzlichen 
Beibehaltung der Tätigkeit, keine 
Entgeltminderung, Entfernung zum neuen Ar-beitsplatz 
von lediglich 500 Metern) erschei-ne 
eine Versetzung nicht so gravierend, dass 
der Kläger sich hiergegen schützen müsse. Es 
sei dem Verfügungskläger vielmehr zuzumuten, 
die neue Tätigkeit zunächst anzutreten und sei-ne 
Rechte im Hauptverfahren zu vertreten. 
Der Kläger hat Berufung beim LArbG Berlin- 
Brandenburg eingelegt (Az.: SaGa 1468/14). 
C. Kontext der Entscheidung 
Das ArbG Berlin bezieht sich in seinen Ausfüh-rungen 
zum Verfügungsgrund im Zusammen-hang 
mit dem Direktionsrecht des Arbeitgebers 
auf die gefestigte Rechtsprechung, dass eine 
für rechtswidrig gehaltene Weisung, sofern sie 
nicht evident rechtswidrig ist, zunächst zu befol-gen 
ist. Die eingehende Überprüfung der Recht-mäßigkeit 
der Weisung sei dem Hauptsachever-fahren 
vorbehalten (so auch LArbG Frankfurt, 
Urt. v. 15.02.2011 - 13 SaGa 1934/10 Rn. 49; 
LArbG Hamm, Urt. v. 05.02.2008 - 11 SaGa 
4/08; LArbG Chemnitz, Beschl. v. 26.10.2005 
- 2 Sa 641/05). Eine Ausnahme von diesem 
Grundsatz werde nur dann gemacht, wenn der 
Arbeitnehmer ein gesteigertes Abwehrinteres-se, 
beispielsweise bei irreparabler Rufschädi-gung 
durch die Befolgung der Weisung, besit-ze 
(so auch LArbG Mainz v. 09.02.2011 - 7 Ta 
4/11 Rn. 35; LArbG Hamm, Urt. v. 05.02.2008 
- SaGa 4/08; LArbG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 
12.08.2008 - 16 SaGa 1366/08). Das ArbG Ber-lin 
schließt sich in seiner hier besprochenen Ent-scheidung 
dieser wohl als herrschende Meinung 
zu bezeichnenden Rechtsprechung vorbehalt-los 
an und verneint ein gesteigertes Abwehrin-teresse 
des Verfügungsklägers und damit auch 
den Verfügungsgrund und die Notwendigkeit ei-ner 
Entscheidung im Eilverfahren. 
Außerdem wird der Beschluss des BVerfG vom 
24.06.1992 (1 BVR 1028/91) zur Vorlagepflicht 
im Eilverfahren in die Entscheidungsfindung 
einbezogen. Das ArbG Berlin machte jedoch von 
der ihm eingeräumten Kompetenz, vor der im 
Hauptsacheverfahren einzuholenden Entschei-dung 
des BVerfG zunächst vorläufigen Rechts-schutz 
zu gewähren, keinen Gebrauch. Es sah 
hierzu keine Veranlassung, da die in Rede ste-hende 
Norm des § 37a StUG nicht evident 
rechtswidrig schien. 
D. Auswirkungen für die Praxis 
Die Entscheidung des ArbG Berlin zeigt, wie 
schwierig es ist, den Verfügungsanspruch im 
vorläufigen Rechtsschutz bzw. Eilverfahren auf 
die Rechtswidrigkeit einer gesetzlichen Vor-schrift 
zu stützen. Die Instanzgerichte werden 
nur selten willens und in der Lage sein, ei-ne 
Rechtsnorm als evident rechtswidrig zu be-zeichnen. 
Insoweit verlangte man auch nahe-zu 
Unmögliches, denn die Prüfung der formel-len 
und materiellen Verfassungsmäßigkeit ei-ner 
Vorschrift ist kompliziert und zeitaufwendig. 
Zeit indes ist im Eilverfahren kaum vorhanden, 
so dass der Vortrag, eine entscheidungserheb-liche 
Norm sei rechtswidrig, nur höchst selten 
verfangen dürfte. 
Im Übrigen sollte der Sachvortrag, wie eigent-lich 
immer, hinreichend substantiiert sein, um 
ihn gegenüber dem erkennenden Gericht glaub-haft 
zu machen. Es zieht sich wie ein roter 
Faden durch die Entscheidungen der Gerichte, 
dass vorgebrachte Gründe mangels Substanti-iertheit 
nicht tragen. So war es auch hier. Der 
Verfügungskläger behauptete einfach, ihm wür-den 
Repressalien aufgrund seiner Tätigkeit als 
Objektschützer für das MfS zu Zeiten der DDR 
drohen, falls man ihn in eine andere Behörde 
versetzte. Belegen konnte er diese Behauptung 
freilich nicht, so dass er auch insoweit keinen 
Verfügungsanspruch glaubhaft machen konnte. 
Nachdem die Abordnung zum BVA nur auf Zeit 
erfolgte, hätte das ArbG Berlin noch diskutieren 
können, ob überhaupt ein Rechtsschutzbedürf-nis 
im Eilverfahren bestand. Die Maßnahme der
jurisPR-ArbR 46/2014 
Abordnung zum BVA war erkennbar nur zur Er-probung 
angeordnet worden. Eine Unumkehr-barkeit 
war nicht mit ihr verbunden, so dass ein 
Rechtsschutzbedürfnis im Eilverfahren eigent-lich 
gar nicht bestand. Hier legte das ArbG Ber-lin 
keinen sonderlich hohen Maßstab an. Dies 
geschah wahrscheinlich vor dem Hintergrund, 
überhaupt erst in die Sachprüfung gelangen zu 
wollen, um dort detailliert dazulegen, warum 
vorläufiger Rechtsschutz nicht gewährt werden 
könne. 
4 
Kündigung eines Schwerbehinderten 
durch den Betriebserwerber in der 
Insolvenz 
Orientierungssatz: 
Die von einem Insolvenzverwalter vor dem 
Eintritt eines Betriebsübergangs beim Inte-grationsamt 
beantragte und nach dem Be-triebsübergang 
an ihn zugestellte Zustim-mung 
zur Kündigung eines schwerbehin-derten 
Arbeitnehmers stellt keine dem Be-triebserwerber 
erteilte Zustimmung i.S.d. 
§ 85 SGB IX dar, auf die er sich zur Kündigung 
dieses Arbeitnehmers berufen kann. 
Anmerkung zu BAG, Urteil vom 15.11.2012, 
8 AZR 827/11 
von Dr. André Zimmermann, LL.M., RA und 
FA für Arbeitsrecht, King & Wood Mallesons LLP, 
Frankfurt am Main / Dr. Johanna Gerstung, 
RA'in, Allen & Overy LLP, Frankfurt am Main 
A. Problemstellung 
Nach § 85 SGB IX bedarf die Kündigung des 
Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten 
Menschen durch den Arbeitgeber der vorhe-rigen 
Zustimmung des Integrationsamtes. Im 
Falle der positiven Bescheidung wird die Zu-stimmung 
durch Zustellung gemäß § 88 Abs. 2 
Satz 1 SGB IX i.V.m. § 85 SGB IX gegenüber 
dem Arbeitgeber erteilt. Befindet sich der Be-trieb 
in der Insolvenz, ist der Insolvenzverwalter 
nach § 87 Abs. 1 Satz 1 SGB IX antragsbefugt. 
Geht der Betrieb aber noch während des lau-fenden 
Verwaltungsverfahrens auf einen Erwer-ber 
über, ist der Insolvenzverwalter bei Zustel-lung 
der Zustimmung nicht mehr kündigungs-befugt. 
Die Frage, ob sich der Betriebserwerber 
als neuer Arbeitgeber auf eine vom Insolvenz-verwalter 
als Betriebsveräußerer vor Betriebs-übergang 
beantragte, aber erst nach Betriebs-übergang 
an den Insolvenzverwalter zugestellte 
Zustimmung zur Kündigung berufen kann, hatte 
das BAG im vorliegenden Fall zu entscheiden. 
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung 
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit ei-ner 
von der Beklagten ausgesprochenen or-dentlichen 
Kündigung. Der mit einem GdB von 
50 schwerbehinderte Kläger war seit 1989 bei 
der W.-GmbH beschäftigt. Über deren Vermö-gen 
wurde durch Beschluss des Amtsgerichts 
am 01.06.2010 das Insolvenzverfahren eröffnet 
und ein Insolvenzverwalter bestellt. 
Zum 01.07.2010 übernahm die Beklagte den 
Betrieb der W.-GmbH, und das Arbeitsverhältnis 
des Klägers ging auf die Beklagte über. Bereits 
am 23.06.2010 hatte der Insolvenzverwalter 
mit dem Betriebsrat der W.-GmbH einen Inter-essenausgleich 
mit Namensliste gemäß § 125 
Abs. 1 InsO vereinbart. Der Kläger war in der Lis-te 
der zu kündigenden Mitarbeiter aufgeführt. 
Nachdem der Insolvenzverwalter mit Schreiben 
vom 29.06.2010 beim zuständigen Integrations-amt 
einen Antrag auf Zustimmung zur ordentli-chen 
Kündigung des Klägers gestellt hatte, er-teilte 
dieses mit Bescheid vom 29.07.2010 die 
Zustimmung. 
Nach ordnungsgemäßer Anhörung von Be-triebsrat 
und Schwerbehindertenvertretung 
kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis 
mit dem Kläger am 17.08.2010 schriftlich zum 
31.03.2011. 
Der Kläger erhob Kündigungsschutzklage. Die 
Vorinstanzen gaben dem Kläger Recht. Das BAG 
folgte der Begründung des Landesarbeitsge-richts 
und wies die Revision der Beklagten als 
unbegründet zurück. 
Die Kündigung sei nach § 85 SGB IX i.V.m. § 134 
BGB rechtsunwirksam, weil die Beklagte sie oh-ne 
die nach § 85 SGB IX erforderliche vorheri-ge 
Zustimmung des Integrationsamtes ausge-sprochen 
habe. Die dem Insolvenzverwalter – 
als damals Antragsbefugtem – erteilte Zustim-mung 
stelle keine der Beklagten erteilte Zustim-mung 
i.S.d. § 85 SGB IX dar. Das ergebe sich aus 
dem Wortlaut des § 87 Abs. 1 Satz 1 SGB IX, wo-nach 
„der Arbeitgeber“ die Zustimmung beim
jurisPR-ArbR 46/2014 
zuständigen Integrationsamt schriftlich zu be-antragen 
habe. Die Entscheidung des Integrati-onsamts, 
also auch die Zustimmung zur Kündi-gung, 
sei nach § 88 Abs. 2 Satz 1 SGB IX „dem 
Arbeitgeber“ und dem schwerbehinderten Men-schen 
zuzustellen. Die Beklagte als kündigende 
Arbeitgeberin habe aber weder die Zustimmung 
zur Kündigung beim Integrationsamt beantragt 
noch sei ihr von diesem der Zustimmungsbe-scheid 
zugestellt worden. 
Nach Auffassung des BAG ändere auch 
der Übergang des Arbeitsverhältnisses am 
01.07.2010 gemäß § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB 
auf die Beklagte daran nichts. Zum Zeitpunkt 
des Betriebsübergangs sei der Insolvenzverwal-ter 
Antragsteller gewesen. Die am 29.07.2010 
erteilte Zustimmung sei aber letztlich ins Leere 
gegangen, weil sie dem nicht mehr kündigungs-berechtigten 
Insolvenzverwalter und nicht – wie 
es § 88 Abs. 2 Satz 1 SGB IX i.V.m. § 85 SGB IX 
verlange – dem Arbeitgeber erteilt worden war. 
Das Gericht führte für dieses Ergebnis neben 
dem Gesetzeswortlaut auch Sinn und Zweck 
als Argument an. Demnach soll der Insolvenz-verwalter 
bei der Antragstellung auf den be-absichtigten 
Betriebsübergang hinweisen, da-mit 
das Integrationsamt das in seiner Entschei-dung 
über die Zustimmung zur Kündigung des 
schwerbehinderten Arbeitnehmers unter Betei-ligung 
des Betriebserwerbers nach den §§ 1, 12 
Abs. 1 Nr. 2 SGB X berücksichtigen kann. Denn 
im Falle eines Antrags während des Insolvenz-verfahrens 
unter Hinweis auf einen Interessen-ausgleich 
mit Namensliste nach § 125 InsO sei 
das Ermessen des Integrationsamts nach Maß-gabe 
des § 89 Abs. 3 SGB IX erheblich einge-schränkt, 
da die Zustimmung hier grundsätz-lich 
erteilt werden soll. Das Integrationsamt le-ge 
seiner Entscheidung gerade die nach den 
§§ 88, 89 SGB IX vom Arbeitgeber mitgeteilten 
Kündigungsgründe zugrunde. 
C. Kontext der Entscheidung 
Das BAG setzt mit der vorliegenden Entschei-dung 
seine Rechtsprechung zu den Rechtsfol-gen 
eines Betriebsübergangs fort. Nach § 613a 
Abs. 1 Satz 1 BGB gehen alle im Zeitpunkt 
des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnis-se 
und die sich hieraus ergebenden Rechte und 
Pflichten auf den Betriebserwerber über. Schon 
früh hatte das BAG entschieden, dass ein neu-er 
Arbeitgeber so in das Arbeitsverhältnis ein-tritt, 
wie er es im Zeitpunkt des Betriebsüber-gangs 
vorfindet (BAG, Urt. v. 22.02.1978 - 5 AZR 
800/76). Das gilt für bestehenden besonderen 
Kündigungsschutz und für Kündigungsverbote 
mit Erlaubnisvorbehalt, wie bei § 85 SGB IX. Sind 
Kündigungen durch ein Verbot mit Erlaubnisvor-behalt 
eingeschränkt, gelten diese Einschrän-kungen 
auch für den Erwerber (BAG, Urt. v. 
11.12.2008 - 2 AZR 395/07). 
Das Gericht stellt für die Erteilung dieser Erlaub-nis 
in Form der Zustimmung nach § 85 SGB IX 
klar, dass auf der Ebene eines im Zeitpunkt 
des Betriebsübergangs noch laufenden Verwal-tungsverfahrens 
anschließend eventuell erteilte 
Zustimmungen von Behörden – vorliegend des 
Integrationsamts – nicht ohne weiteres dem Be-triebserwerber 
zugutekommen. Vielmehr hatte 
das BAG im vorliegenden Fall dem Betriebser-werber 
das Berufen auf die auf Antrag des Insol-venzverwalters 
erteilte Zustimmung verwehrt. 
Der Senat macht in seiner Entscheidung deut-lich, 
dass Antragsteller und Kündigungsberech-tigter 
nicht zwingend ein und dieselbe Per-son 
sein müssen. Nach Auffassung des Ge-richts 
würde dies vielmehr dem Sinn und 
Zweck der Insolvenzordnung – die Rettung von 
Unternehmen(steilen) und eine Befreiung von 
Schulden des Insolvenzschuldners – entgegen-stehen. 
Um dem Erwerber einen Neustart zu er-möglichen 
und im Vorgriff auf ein Erwerberkon-zept 
den Personalabbau in der Insolvenz zu er-möglichen, 
gelte es deshalb, die Voraussetzung 
einer Beteiligung des Erwerbers zu beachten. 
Der Unternehmenserwerb und die hiermit ein-hergehende 
Änderung der Rahmenbedingun-gen 
für die mögliche Kündigung sind für das In-tegrationsamt 
entscheidungserhebliche Tatsa-chen, 
die für die Erteilung oder Versagung ei-ner 
Zustimmung während des laufenden Ver-fahrens 
bekannt sein müssen. Erst dann kann 
das Integrationsamt sein Ermessen tatsächlich 
ausüben und ist nicht schon durch die Soll-Vor-schrift 
des § 89 Abs. 3 SGB IX (außer in Ausnah-mefällen) 
zur Erteilung verpflichtet. 
Ob etwas anderes für ein bereits beendetes 
Verwaltungsverfahren mit Bescheid der Zustim-mung 
zur Kündigung des schwerbehinderten Ar-beitnehmers 
gilt, hat der Senat offengelassen.
jurisPR-ArbR 46/2014 
D. Auswirkungen für die Praxis 
Der Insolvenzverwalter sollte im Falle eines be-reits 
eingeleiteten Antragsverfahrens zur Kündi-gung 
eines schwerbehinderten Arbeitnehmers 
schon vor Abschluss des Veräußerungsvertrags 
das Integrationsamt informieren und auf ei-ne 
unverzügliche Beteiligung des Betriebser-werbers 
hinwirken. Genauso sollten interessier-te 
Erwerber sich frühzeitig über eventuell lau-fende 
Kündigungsverfahren schwerbehinderter 
Arbeitnehmer informieren und mit der Verein-barung 
eines (zukünftigen) Erwerbs die sofor-tige 
Anzeige gegenüber dem Integrationsamt 
mit der Bitte um Beteiligung am Verwaltungs-verfahren 
aussprechen. Dann kann das Inte-grationsamt 
den Betriebserwerber am Zustim-mungsverfahren 
nach den §§ 1, 12 Abs. 1 Nr. 2 
SGB X beteiligen und nach erfolgtem Betriebs-übergang 
den Zustimmungsbescheid dem Be-triebserwerber 
als kündigungsberechtigten Ar-beitgeber 
zustellen. So könnte auch eine vom 
Insolvenzverwalter beantragte Zustimmung für 
den zwischen Antragstellung und Zustimmung 
eintretenden Betriebserwerber Wirkung entfal-ten. 
5 
Kündigungsschutz für 
Betriebsratsmitglieder 
Orientierungssatz zur Anmerkung: 
Die kündigungsschutzrechtlich relevante 
Mitgliedschaft in einem betriebsverfas-sungsrechtlichen 
Organ besteht ab dem Tag, 
an dem die Stimmen vom Wahlvorstand be-triebsöffentlich 
ausgezählt wurden und fest-steht, 
dass der Betroffene eine ausreichen-de 
Stimmenzahl erhalten hat. 
Anmerkung zu LArbG Hamm, Beschluss vom 
23.06.2014, 13 TaBVGa 21/14 
von Dr. Martin Wolmerath, RA 
A. Problemstellung 
In seiner Entscheidung hatte das LArbG Hamm 
der Frage nachzugehen, ab welchem Zeitpunkt 
der besondere Kündigungsschutz von Betriebs-ratsmitgliedern 
besteht. 
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung 
Streitgegenstand im einstweiligen Verfügungs-verfahren 
ist das Recht des Antragstellers, den 
Betrieb zum Zwecke der Wahrnehmung von Be-triebsratsaufgaben 
zu betreten. 
Der Antragsteller gehörte dem bei der Antrags-gegnerin 
eingerichteten Betriebsrat seit 2010 
an. Dessen Amtszeit endete am 07.04.2014. 
Nachdem der Wahlvorstand am 12.03.2014 
ein Wahlausschreiben erlassen und dieses 
am 13.03.2014 an dem Schwarzen Brett 
des Betriebsrats ausgehängt hatte, fand am 
14.05.2014 die Wahl des neuen Betriebsrats 
statt, wobei es nur einen Wahlvorschlag gab. 
Die Auszählung der Stimmen erfolgte am Abend 
desselben Tages in der Kantine des Betriebs. 
Dort war eine Liste mit den Namen der Wahlbe-werber 
aufgehängt. Auf dieser Liste wurde hin-ter 
dem Namen des betreffenden Kandidaten 
pro abgegebene Stimme ein Strich gesetzt. Der 
Antragsteller erhielt 124 Stimmen und belegte 
damit den fünften von neun Plätzen. 
Eine Auflistung des Wahlergebnisses mit den 
gewählten Betriebsratsmitgliedern wurde so-dann 
in der Kantine, etwa zehn Meter entfernt 
von dem Schwarzen Brett des Betriebsrats aus-gehängt. 
Tags darauf wurde dem Antragsteller „außeror-dentlich 
und fristlos“ gekündigt. Zudem wurde 
ihm ein sofortiges Hausverbot erteilt. 
Unter dem 19.05.2014 erließ der Wahlvor-stand 
ein Schreiben wonach er „aufgrund 
der rechtswidrigen Vorkommnisse wie etwa 
der rechtswidrigen Wahlbeeinflussungen“ be-schlossen 
habe, „die Wahl als ungültig zu erklä-ren“. 
Ebenfalls am 19.05.2014 leitete der Antragstel-ler 
das vorliegende Verfahren ein, mit dem er 
den Zutritt zu dem Betrieb begehrt, um Be-triebsratsaufgaben 
erledigen zu können. Der 
Antragsteller hält die Kündigung mangels Be-triebsratsbeteiligung 
für unwirksam. Schließlich 
sei er am 14.05.2014 in den Betriebsrat gewählt 
worden. 
Dem tritt die Antragsgegnerin mit ihrer Auffas-sung 
entgegen, dass es infolge der fehlerhaften
jurisPR-ArbR 46/2014 
Bekanntgabe des Wahlergebnisses nicht zu ei-ner 
Neuwahl des Betriebsrats gekommen sei. 
In seiner Entscheidung folgt das LArbG Hamm 
der Ansicht des Antragstellers und spricht ihm 
das begehrte Zutrittsrecht zu. 
Der Verfügungsanspruch folge aus § 78 Satz 1 
BetrVG, auch wenn diese Vorschrift nicht aus-drücklich 
einen darauf gerichteten Abwehran-spruch 
enthalte. Dieser ergebe sich aus dem 
Zweck der Regelung, die Erfüllung von Betriebs-ratsaufgaben 
namentlich durch ein Behinde-rungsverbot 
zu sichern. 
Im Falle der (außerordentlichen) Kündigung des 
Arbeitsverhältnisses eines Amtsträgers beste-he 
während der Dauer der Ungewissheit, ob 
die Kündigung wirksam ist, grundsätzlich kein 
Recht des betroffenen Betriebsratsmitglieds auf 
Zutritt zu dem Betrieb. Insoweit sei von einer 
(zeitweiligen) Verhinderung i.S.d. § 25 Abs. 1 
BetrVG auszugehen. Etwas anderes gelte aus-nahmsweise 
bei Vorliegen einer offensichtlich 
unwirksamen Kündigung. Letzteres sei vorlie-gend 
der Fall. Zum Zeitpunkt des Zugangs der 
Kündigung habe der Antragsteller den beson-deren 
Kündigungsschutz nach § 15 Abs. 1 Satz 
1 KSchG besessen, so dass die Antragsgegne-rin 
dem Zustimmungserfordernis nach § 103 Be-trVG 
hätte Rechnung tragen müssen. Schließ-lich 
bestehe die kündigungsschutzrechtlich re-levante 
Mitgliedschaft in einem betriebsverfas-sungsrechtlichen 
Organ bereits ab dem Tag, 
an dem die Stimmen vom Wahlvorstand be-triebsöffentlich 
ausgezählt wurden und fest-steht, 
dass der Betroffene eine ausreichende 
Stimmenzahl erhalten hat. Das sei am Abend 
des 14.05.2014 erfolgt. 
Unschädlich sei es, dass das Wahlergebnis von 
dem Wahlvorstand (bis heute) nicht in der ge-hörigen 
Form gemäß den §§ 23 Abs. 1 Satz 2 
i.V.m. 18 Satz 1 und 3 Abs. 4 Satz 1 WO bekannt 
gemacht worden sei, weil dies nur in der Kan-tine 
erfolgt ist – nicht aber an dem Schwarzen 
Brett des Betriebsrats, wo das Wahlausschrei-ben 
ausgehängt worden war. 
Ein anderes Ergebnis ergebe sich selbst dann 
nicht, wenn man entscheidend auf die förmli-che 
Bekanntmachung nach den Vorschriften der 
WO abstellen würde. In dieser Konstellation ha-be 
der Antragsteller als Wahlbewerber den mit 
einem Betriebsratsmitglied vergleichbaren Son-derkündigungsschutz 
nach § 15 Abs. 3 Satz 1 
KSchG i.V.m. § 103 Abs. 1, Abs. 2 BetrVG gehabt. 
Wiederum sei eine Zustimmung zur Kündigung 
erforderlich gewesen. 
Würde man der Rechtsprechung des Sechsten 
Senats des BAG folgen, der entgegen der An-sicht 
des Siebten Senats maßgeblich an die ge-mäß 
§ 29 Abs. 1 BetrVG vorzunehmende Konsti-tuierung 
des Betriebsrats anknüpft, dann sei am 
15.05.2014 noch kein (neuer) Betriebsrat vor-handen 
gewesen, der um Zustimmung hätte er-sucht 
werden können. Allerdings hätte es der 
Antragsgegnerin zur Vermeidung von betriebs-verfassungsrechtlichen 
Schutzlücken für Man-datsträger 
oblegen, vor Ausspruch der Kündi-gung 
in analoger Anwendung des § 103 Abs. 2 
BetrVG das Zustimmungsersetzungsverfahren 
vor den Gerichten für Arbeitssachen erfolgreich 
durchzuführen. 
Nach alledem sei die außerordentliche Kündi-gung 
vom 15.05.2014 offensichtlich unwirksam, 
so dass dem Antragsteller das Recht zustehe, 
den Betrieb zum Zwecke der Erledigung von Be-triebsratsaufgaben 
zu betreten. 
Dem stehe nicht entgegen, dass möglicherwei-se 
die Amtszeit des neu gewählten Betriebsra-tes 
immer noch nicht begonnen hat, weil das 
Wahlergebnis nicht in der gehörigen Form ge-mäß 
den §§ 23 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. 18 Satz 1 
und 4 Abs. 4 Satz 1 WO am Schwarzen Brett 
des Betriebsrats bekannt gegeben wurde. Statt-dessen 
habe der Wahlvorstand die Betriebsrats-wahl 
mit Schreiben vom 19.05.2014 für ungül-tig 
erklärt, ohne eine entsprechende Befugnis 
zu besitzen. Denn auf der Basis des § 19 BetrVG 
seien ausschließlich die Gerichte für Arbeitssa-chen 
dazu berufen, eine erfolgte Betriebsrats-wahl 
für ungültig zu erklären – wobei angesichts 
der im Verfahren vage gebliebenen Andeutun-gen 
keine Anhaltspunkte für eine Nichtigkeit der 
erfolgten Wahl erkennbar seien. 
Die geschilderten Pflichtverletzungen des Wahl-vorstands, 
namentlich der Verstoß gegen die 
zwingenden Normen zur Bekanntmachung des 
Wahlergebnisses und auch zur Einberufung der 
ersten Betriebsratssitzung, könnten nicht da-zu 
führen, die als Betriebsratsmitglieder ge-wählten 
und die Wahl angenommen haben-den 
Arbeitnehmer daran zu hindern, ihr Man-dat 
wahrzunehmen und eigeninitiativ dafür zu 
sorgen, dass (endlich) die erforderlichen Schrit-
jurisPR-ArbR 46/2014 
te zur Konstituierung des Betriebsrates einge-leitet 
werden. Andernfalls hätte es der Wahl-vorstand 
durch unterlassene und möglicherwei-se 
erst durch eine gerichtliche Entscheidung zu 
erwirkende förmliche Handlungen in der Hand, 
den Beginn der Amtszeit eines Betriebsrats zu 
verzögern. Dies sei nicht von 18 Satz 1 WO ge-deckt. 
Schlussendlich sei es für den Antragsteller als 
gewähltes Betriebsratsmitglied zur Abwendung 
wesentlicher Nachteile nötig, umgehend Zutritt 
zu dem Betrieb zu erhalten, um dort seinen be-triebsverfassungsrechtlichen 
Aufgaben zeitnah 
nachkommen zu können. 
C. Kontext der Entscheidung 
Die Entscheidung der erkennenden Kammer 
des LArbG Hamm liegt auf der Linie der Recht-sprechung 
des BAG, setzt daran an und ent-wickelt 
sie weiter. Vor allem den in den Be-triebsrat 
gewählten Wahlbewerbern vermittelt 
der Beschluss Rechtssicherheit. Den Arbeitge-bern 
gibt die Entscheidung Rechtsklarheit, da 
sie nunmehr wissen, was bei einer Betriebsrats-wahl 
hinsichtlich der in den Betriebsrat gewähl-ten 
Arbeitnehmer in kündigungsrechtlicher Hin-sicht 
zu beachten ist, falls eine ordnungsgemä-ße 
Bekanntmachung des Wahlergebnisses un-terbleibt 
und/oder die Konstituierung des neu 
gewählten Betriebsrats nicht erfolgt bzw. noch 
nicht passiert ist. 
D. Auswirkungen für die Praxis 
Der Beschluss des LArbG Hamm verdeutlicht 
zunächst, wie wichtig eine fundierte Schulung 
des Wahlvorstands ist. Nur wer über das erfor-derliche 
Wissen verfügt, der kann sowohl bei 
der Vorbereitung als auch bei der Durchfüh-rung 
der Betriebsratswahl Fehler vermeiden so-wie 
begangene Fehler reparieren. Dass so man-cher 
Arbeitgeber bisweilen geneigt ist, Fehler 
des Wahlvorstands zum eigenen Vorteil zu nut-zen, 
liegt auf der Hand. Das ist verständlich und 
auch nicht verwerflich, soweit die Grenzlinie des 
Erlaubten nicht überschritten wird. Insoweit hat 
das LArbG Hamm die Arbeitgeberin zu Recht in 
ihre Schranken verwiesen. 
Sträflich ist es ohne Wenn und Aber, wenn der 
Wahlvorstand seine besondere Stellung miss-braucht 
und auf die Betriebsratswahl bzw. den 
neu gewähltem Betriebsrat und seine Arbeit 
Einfluss zu nehmen versucht oder gar nimmt. In-soweit 
stellt das LArbG Hamm unmissverständ-lich 
klar: Dem Wahlvorstand steht es nicht zu, 
eine Betriebsratswahl für ungültig zu erklären. 
Auch kann er die in den Betriebsrat gewähl-ten 
Arbeitnehmer nicht daran hindern, ihren be-triebsverfassungsrechtlichen 
Pflichten nachzu-kommen 
und bei Bedarf die Konstituierung des 
Gremiums in die Wege zu leiten. Die Entschei-dung 
über die Wirksamkeit oder Unwirksamkeit 
einer Betriebsratswahl treffen allein die Gerich-te 
für Arbeitssachen. Das ist gut so und muss 
auch so bleiben. 
6 
Berücksichtigung eines unechten 
Hilfsantrags auf Weiterbeschäftigung 
beim Streitwert 
Orientierungssatz: 
Ist über den Antrag auf vorläufige Weiter-beschäftigung 
weder von den Vorinstanzen 
noch vom BAG entschieden worden, kommt 
eine Berücksichtigung dieses Hilfsantrags 
bei der Streitwertfestsetzung nicht in Be-tracht. 
Anmerkung zu BAG, Beschluss vom 13.08.2014, 
2 AZR 871/12 
von Werner Ziemann, Vors. RiLArbG 
A. Problemstellung 
Auf der Basis der ersten Fassung eines einheitli-chen 
Streitwertkatalogs für die Arbeitsgerichts-barkeit 
aus dem Jahre 2013 hat die Streitwert-kommission 
eine überarbeitete Fassung des 
Streitwertkatalogs (Streitwertkatalog 2014) er-stellt. 
Dieser sieht unter Nr. 12 und 24 für den 
Anspruch auf (Weiter-)Beschäftigung als Streit-wert 
ein Monatsentgelt vor. Für den tatsächli-chen 
Ansatz eines Monatsentgelts müssen je-doch 
Voraussetzungen gegeben sein, die nicht 
immer gegeben sind, wie das BAG aufzeigt. 
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung 
Die Parteien stritten in der dritten Instanz über 
die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung 
und über den Antrag auf Weiterbeschäftigung. 
Das Verfahren wurde mit einem Prozessver-gleich 
erledigt. Das BAG setzte für die Erledi-
jurisPR-ArbR 46/2014 
gung der Bestandsschutzstreitigkeit das Viertel-jahresentgelt 
nach § 42 Abs. 2 Satz 1 GKG an. 
Der Weiterbeschäftigungsantrag blieb ohne An-satz, 
während für den im Vergleich beigelegten 
Streit über den Anspruch auf ein qualifiziertes 
Zeugnis ein Monatsentgelt festgesetzt wurde. 
Der Antrag des Klägers, ihn bis zum rechtskräf-tigen 
Abschluss des Kündigungsrechtsstreits zu 
unveränderten Arbeitsbedingungen tatsächlich 
weiterzubeschäftigen, führte zu keiner Erhö-hung 
des Streitwerts. Der Antrag wurde als un-echter 
Hilfsantrag ausgelegt. Nach § 45 Abs. 1 
Satz 2 GKG werde ein hilfsweise geltend ge-machter 
Anspruch mit dem Hauptanspruch nur 
zusammengerechnet, soweit eine Entscheidung 
über ihn ergeht. Dies gelte auch für einen un-echten 
Hilfsantrag. Der für die Gerichtsgebüh-ren 
maßgebende Wert gelte insoweit nach § 32 
Abs. 1 RVG auch für die Rechtsanwaltsgebüh-ren. 
Im Streitfall war über den Antrag auf Weiterbe-schäftigung 
weder von den Vorinstanzen noch 
vom BAG entschieden worden. Er würde sich in 
der Revisionsinstanz zudem mit einer Beendi-gung 
des Kündigungsrechtsstreits objektiv erle-digen 
und beim BAG – weil durch diese Beendi-gung 
auflösend bedingt – schon deshalb nicht 
zur Entscheidung anfallen. 
Der Hilfsantrag erhöhe im Streitfall auch den 
Wert des gerichtlichen Vergleichs nicht. Nach 
§ 45 Abs. 4 GKG gelte zwar bei einer Erledi-gung 
des Rechtsstreits durch Vergleich Absatz 
1 Satz 2 der Bestimmung entsprechend. Durch 
den Prozessvergleich sei über den Hilfsantrag 
auf Weiterbeschäftigung aber selbst sinnge-mäß 
nicht „entschieden“ worden. Das Landes-arbeitsgericht 
hatte zuvor über ihn nicht ent-schieden, 
und die Parteien haben sich in dieser 
Situation auf eine Beendigung ihres Arbeitsver-hältnisses 
aufgrund der Kündigung geeinigt. Ob 
sich dann, wenn das Landesarbeitsgericht über 
den Hilfsantrag positiv entschieden hätte, aus 
§ 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 GKG etwas an-deres 
ergäbe, hat das BAG dahinstehen lassen. 
Mit dem festgesetzten Mehrwert für den Ver-gleich 
in Höhe eines Monatsentgelts wurde der 
Streit der Parteien über den Inhalt eines dem 
Kläger zu erteilenden Arbeitszeugnisses berück-sichtigt. 
C. Kontext der Entscheidung 
Nach § 39 Abs. 1 GKG werden in demselben Ver-fahren 
und in demselben Rechtszug die Werte 
mehrerer Streitgegenstände zusammengerech-net, 
soweit nichts anderes bestimmt ist. Etwas 
anderes ist in § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG für Hilfs-ansprüche 
geregelt. Danach wird ein hilfswei-se 
geltend gemachter Anspruch mit dem Haupt-anspruch 
nur zusammengerechnet, soweit eine 
Entscheidung über ihn ergeht. Betreffen die An-sprüche 
denselben Gegenstand, ist nach § 45 
Abs. 1 Satz 3 GKG nur der Wert des höheren An-spruchs 
maßgebend. 
Für den Weiterbeschäftigungsantrag geht das 
BAG regelmäßig davon aus, dass dieser mit ei-nem 
Hilfsantrag geltend gemacht wird, auch 
wenn hiervon im Antrag nicht ausdrücklich 
die Rede ist (BAG, Beschl. v. 30.08.2011 - 2 
AZR 668/10, m. Anm. Ziemann, jurisPR-ArbR 
20/2013 Anm. 2). Von der Unbedingtheit des 
Antrags geht das BAG dagegen nur aus, wenn 
der Wille, einen unbedingten Antrag zu stel-len, 
ausdrücklich erklärt worden ist. Folgt man 
dieser Auslegungsmaxime, dann werden sämtli-che 
fortbestandsabhängigen Streitgegenstände 
mit Hilfsanträgen geltend gemacht, z.B. Folge-kündigungen 
und Verzugsvergütung (TZA/Zie-mann, 
Streitwert und Kosten 1 A 15). In den ge-nannten 
Fällen entspricht es dem Interesse der 
klagenden Partei an einem kostenschonenden 
Vorgehen. Auch bei anwaltlicher Vertretung der 
klagenden Partei kann ohne gegenteilige An-haltspunkte 
unterstellt werden, dass die kosten-schonendsten 
Anträge gemeint sind (näher Zie-mann, 
jurisPR-ArbR 20/2013 Anm. 2). 
Mit dem Auslegungsergebnis „uneigentlicher“ 
oder „unechter“ Hilfsantrag steht jedoch noch 
nicht fest, dass keine Streitwertaddition erfolgt. 
Denn seit langer Zeit ist umstritten, ob nur der 
echte oder auch der unechte Hilfsantrag der 
Bemessungsnorm des § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG 
unterfällt. Der Zweite Senat geht erneut oh-ne 
weitere Begründung davon aus, dass § 45 
Abs. 1 Satz 2 GKG mit der Formulierung „hilfs-weise 
geltend gemachter Anspruch“ auch den 
unechten Hilfsantrag meint. Dies entspricht der 
wohl h.M. (vgl. nur LArbG Hamm v. 11.04.2007 
- 6 Ta 40/07; LArbG Düsseldorf v. 09.12.2002 
- 17 Ta 516/02; LArbG Düsseldorf, Beschl. v. 
08.04.2003 - 17 Ta 139/03; LArbG Düsseldorf, 
Beschl. v. 27.07.2000 - 7 Ta 249/00; LArbG 
Mainz, Beschl. v. 01.07.2004 - 5 Ta 104/04).
jurisPR-ArbR 46/2014 
Unter den in § 19 Abs. 1 GKG a.F. = § 45 
Abs. 1 GKG n.F. genannten „hilfsweise geltend 
gemachten Anspruch“ fällt danach auch ein un-eigentlicher 
Hilfsantrag (LArbG Frankfurt, Be-schl. 
v. 26.06.1997 - 6 Ta 25/97; LArbG Frankfurt 
v. 22.06.1995 - 6 Ta 404/95; LArbG Frankfurt 
v. 24.07.1995 - 6 Ta 266/95; LArbG Frankfurt v. 
18.08.1995 - 6 Ta 346/95; LArbG Düsseldorf, Be-schl. 
v. 27.07.2000 - 7 Ta 249/00; LArbG Düssel-dorf, 
Beschl. v. 08.11.1990 - 7 Ta 356/90; LArbG 
Düsseldorf, Beschl. v. 13.07.1989 - 7 Ta 165/89; 
LArbG Düsseldorf, Beschl. v. 13.07.1989 - 7 
Ta 219/89; LArbG Mainz, Beschl. v. 21.06.1990 
- 9 Ta 104/90; LArbG Stuttgart, Beschl. v. 
10.09.1987 - 3 Ta 114/87; a.A. LArbG Han-nover, 
Beschl. v. 17.04.2001 - 3 Ta 118/01; 
LArbG München, Beschl. v. 30.10.1990 - 5 Ta 
135/90; LArbG Köln, Beschl. v. 31.07.1995 - 13 
Ta 114/95; LArbG Köln, Beschl. v. 04.07.1995 - 
10 Ta 80/95; LArbG Mainz, Beschl. v. 16.04.1992 
- 10 Ta 76/92; LArbG Hamburg, Beschl. v. 
26.03.1992 - 4 Ta 20/91; für den gleichgela-gerten 
Fall der Hilfsaufrechnung höchstrichter-lich 
geklärt, vgl. BGH, Beschl. v. 25.09.2008 
- VII ZB 99/07). Für eine Differenzierung zwi-schen 
„echten“ und „uneigentlichen“ Hilfsan-trägen 
soll nach wiederholter Befassung des Ge-setzgebers 
mit dieser Frage kein Raum mehr 
sein. Ob ein Hilfsantrag für den Fall des Ob-siegens 
oder Unterliegens gestellt wird, ände-re 
nichts an dem Charakter als Hilfsantrag; ent-scheidend 
für die Anwendung von § 45 Abs. 1 
Satz 2 GKG sei nicht das wirtschaftliche (End- 
)Ziel der klagenden Partei, sondern die Abhän-gigkeit 
einer gerichtlichen Entscheidung von ei-ner 
innerprozessualen Bedingung (Creutzfeldt, 
NZA 1996, 956, m.w.N.). 
Ebenfalls umstritten ist, ob über § 32 RVG 
die Einordnung auch des unechten Hilfsan-trags 
unter § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG verbind-lich 
ist für die anwaltliche Vergütung. Inso-weit 
wird von der h.M. angenommen, dass für 
die Rechtsanwaltsgebühren nichts Abweichen-des 
gilt (TZA/Ziemann, Streitwert und Kosten, 1 
A 408, m.w.N.). Dem schließt sich der Zweite Se-nat 
ohne nähere Begründung an. Das Ergebnis 
überzeugt. In § 32 RVG wird nicht danach diffe-renziert, 
ob die Rechtsverfolgung oder Rechts-verteidigung 
im Hinblick auf eine Eventualkla-gehäufung 
mit besonderen anwaltlichen und/ 
oder richterlichen Vorbereitungsarbeiten ver-bunden 
ist (BGH, Beschl. v. 25.09.2008 - VII ZB 
99/07, betr. Hilfsaufrechnung; OLG Karlsruhe, 
Beschl. v. 20.03.2007 - 7 W 1/07; OLG Hamm, 
Beschl. v. 02.01.2007 - 19 U 48/06; LArbG Stutt-gart, 
Beschl. v. 10.11.2003 - 3 Ta 153/03; LArbG 
Berlin, Beschl. v. 03.03.2004 - 17 Ta (Kost) 
6138/03; kritisch zum anwaltlichen Arbeitsauf-wand 
Zirnbauer, FA 2011, 130; LArbG Köln, Be-schl. 
v. 21.06.2002 - 7 Ta 59/02). 
Die vergleichsweise Beilegung des Rechts-streits 
rechtfertigt keine streitwertmäßige Be-rücksichtigung 
des unechten Hilfsantrags auf 
Weiterbeschäftigung. Ein unechter Hilfsantrag 
ist entsprechend § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG (§ 45 
Abs. 4 GKG) streitwertmäßig nicht zu berück-sichtigen, 
wenn er nicht Gegenstand eines Ver-gleichs 
wird. Eine Entscheidung über den un-echten 
Hilfsantrag darf bei einem Urteil nur er-folgen, 
wenn der Eventualfall eintritt, wenn al-so 
dem Hauptantrag stattgegeben wird. Erst für 
diesen Fall stellt die klagende Partei ihren Hilfs-anspruch 
im Rechtsstreit zur Entscheidung. Ent-sprechendes 
gilt nach § 45 Abs. 4 GKG bei ei-ner 
vergleichsweisen Beendigung des Verfah-rens. 
Auch in diesem Fall muss der Eventual-fall 
eintreten, also eine positive Regelung zum 
Hauptantrag, damit eine Regelung zum Fortbe-stand 
des Arbeitsverhältnisses. Dies gilt ohne 
Rücksicht darauf, ob der Vergleich – wie regel-mäßig 
– zum Ausgleich sämtlicher geltend ge-machter 
Ansprüche bestimmt ist und insoweit 
mittelbar auch den Hilfsanspruch umfasst und 
ob sich Gericht und Parteien (vorsorglich) be-reits 
mit diesem Hilfsantrag befasst haben. Die 
Gegenansicht übergeht die für den Gegenstand 
des Rechtsstreits, an den sich die Bemessung 
des Gegenstandswertes anschließt, vom Kläger 
zulässigerweise gesetzte Bedingung (vgl. OLG 
Köln, Beschl. v. 22.02.1996 - 18 W 57/95). Die 
Weiterbeschäftigungspflicht wurde im Streitfall 
im Vergleich nicht geregelt. Die Parteien einig-ten 
sich auf eine Beendigung zum Kündigungs-termin. 
Damit ist die von der klagenden Par-tei 
gesetzte Bedingung für den Hilfsantrag bzw. 
für die vergleichsweise Regelung des Hilfsan-spruchs, 
nämlich die Klärung der Unwirksam-keit 
der Kündigung, nicht eingetreten. Nicht ab-schließend 
geklärt ist insoweit, ob die Erledi-gung 
einer Bestandsschutzstreitigkeit regelmä-ßig 
einer Zusammenrechnung entgegensteht 
oder ob in der Einigung über die Beendigung 
zugleich ein Verzicht auf eine Weiterbeschäfti-gung 
gesehen werden und deshalb eine Zusam-menrechnung 
bejaht werden kann. 
Liegen die Voraussetzungen der Zusammen-rechnung 
vor, betrifft diese den Streitwert des
jurisPR-ArbR 46/2014 
Verfahrens und des Vergleichs (TZA/Ziemann, 
Streitwert und Kosten, 1 A 418), während der 
Zweite Senat wohl nur von einer Erhöhung des 
Vergleichswerts ausgeht. 
Mit dem Ansatz für den Vergleichsmehrwert ori-entiert 
sich der Zweite Senat an Nr. 22.1 des 
Streitwertkatalogs 2014; der Inhalt des qualifi-zierten 
Zeugnisses war zwischen den Parteien 
streitig. 
D. Auswirkungen für die Praxis 
Es muss damit gerechnet werden, dass die 
regelmäßige Auslegung des Weiterbeschäf-tigungsantrags 
(und ggf. weiterer fortbe-standsabhängiger 
Anträge) als Hilfsantrag von 
der Streitwertrechtsprechung aufgegriffen wird. 
Dies führte zu erheblichen Gebühreneinbußen, 
die nur durch ein Ausweichen in getrennte Kla-gen 
zu vermeiden wären. Es muss bezweifelt 
werden, ob die über § 32 RVG angeordnete An-wendung 
von § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG für die an-waltliche 
Vergütung der vom Anwalt zu leisten-den 
Tätigkeit gerecht wird. Der Verfasser hat an 
anderer Stelle folgende Fassung von § 32 RVG 
angeregt: 
„Wird der für die Gerichtsgebühren maßgeben-de 
Wert gerichtlich festgesetzt, ist die Festset-zung 
auch für die Gebühren des Rechtsanwalts 
maßgebend. Ein hilfsweise geltend gemach-ter 
Anspruch wird jedoch mit dem Hauptan-spruch 
zusammengerechnet. Betreffen Haupt-und 
Hilfsanspruch denselben Gegenstand, ist 
nur der Wert des höheren Anspruchs maßge-bend.“

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Kündigung eines Schwerbehinderten durch den Betriebserwerber in der Insolvenz

  • 1. Herausgeber: Prof. Franz Josef Düwell, Vors. RiBAG a.D. Prof. Klaus Bepler, Vors. RiBAG a.D. 46/2014 Inhaltsübersicht: Anm. 1 Voraussetzungen für Anforderungsprofil im öffentlichen Dienst Anmerkung zu BAG, Urteil vom 06.05.2014, 9 AZR 724/12 von Dr. Torsten von Roetteken, Vors. RiVG Anm. 2 Notwendige Durchführung des BEM keine Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für eine Zurruhesetzungsverfügung Anmerkung zu BVerwG, Urteil vom 05.06.2014, 2 C 22/13 von Dr. Torsten von Roetteken, Vors. RiVG Anm. 3 Einstweilige Verfügung auf Weiterbeschäftigung bei bisheriger Dienststelle Anmerkung zu ArbG Berlin, Urteil vom 01.07.2014, 16 Ga 8789/14 von Christoph J. Burgmer, RA, FA für Arbeitsrecht und FA für Medizinrecht, burgmer rechtsanwälte, Düsseldorf Anm. 4 Kündigung eines Schwerbehinderten durch den Betriebserwerber in der Insolvenz Anmerkung zu BAG, Urteil vom 15.11.2012, 8 AZR 827/11 von Dr. André Zimmermann, LL.M., RA und FA für Arbeitsrecht, King & Wood Mallesons LLP, Frankfurt am Main / Dr. Johanna Gerstung, RA'in, Allen & Overy LLP, Frankfurt am Main Anm. 5 Kündigungsschutz für Betriebsratsmitglieder Anmerkung zu LArbG Hamm, Beschluss vom 23.06.2014, 13 TaBVGa 21/14 von Dr. Martin Wolmerath, RA Anm. 6 Berücksichtigung eines unechten Hilfsantrags auf Weiterbeschäftigung beim Streitwert Anmerkung zu BAG, Beschluss vom 13.08.2014, 2 AZR 871/12 von Werner Ziemann, Vors. RiLArbG Zitiervorschlag: von Roetteken, jurisPR-ArbR 46/2014 Anm. 1 ISSN 1860-1553 Erscheinungsdatum: 19.11.2014 Erscheinungsweise: wöchentlich Bezugspreis: 10,- € monatlich zzgl. MwSt. juris GmbH, Gutenbergstraße 23, D-66117 Saarbrücken, Tel.: 0681/5866-0, Internet: www.juris.de, E-Mail: info@juris.de Der juris PraxisReport sowie die darin veröffentlichten Anmerkungen sind urheberrechtlich geschützt. Kein Teil darf (auch nicht auszugsweise) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form reproduziert werden. © juris GmbH 2014
  • 2. jurisPR-ArbR 46/2014 1 Voraussetzungen für Anforderungsprofil im öffentlichen Dienst Leitsätze: 1. Der Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes hat im Konkurrentenklageverfahren sach-lich nachvollziehbar darzulegen, dass seine Festlegung des Anforderungsprofils den An-forderungen der zu besetzenden Stelle ent-spricht und den gestellten Anforderungen keine sachfremden Erwägungen zugrunde liegen. 2. Er genügt seiner Darlegungslast zum ge-stellten Anforderungsprofil nicht dadurch, dass er auf die in der Ausschreibung genann-te Vergütungs-/Entgeltgruppe verweist. Al-lein aus der angestrebten Eingruppierung kann nicht der Schluss gezogen werden, die zu besetzende Stelle erfordere tatsächlich sämtliche für die angestrebte Eingruppie-rung notwendigen Merkmale. Anmerkung zu BAG, Urteil vom 06.05.2014, 9 AZR 724/12 von Dr. Torsten von Roetteken, Vors. RiVG A. Problemstellung Der Neunte Senat des BAG hatte über das Be-gehren eines Stellenbewerbers im öffentlichen Dienst zu entscheiden, trotz mangelnder Erfül-lung des ausgeschriebenen Anforderungsprofils in das Auswahlverfahren einbezogen zu wer-den. B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung Der Kläger war Diplom-Ingenieur (FH) der Fach-richtung Architektur und in der Entgeltgrup-pe E 12 (TVöD/VKA) im Bereich Gebäudewirt-schaft der Beklagten beschäftigt. Diese beab-sichtigte die Besetzung der Stelle eines Inge-nieurs bzw. einer Ingenieurin im gleichen Ar-beitsbereich in der Abteilung Objektmanage-ment und der Aufgabe, die Stellvertretung der Sachgebietsleitung zu übernehmen. Die Stel-le sollte nach der EG 13 bzw. der Besoldungs-gruppe A 13, höherer Dienst, eingruppiert wer-den. In der Ausschreibung wurde unter anderem ein abgeschlossenes Studium einer Universität bzw. Technischen Hochschule in der Fachrich-tung Architektur oder Bauingenieurwesen ver-langt. Der frühere Stelleninhaber besaß ledig-lich einen Fachhochschulabschluss. Die Beklag-te lehnte die Einbeziehung des Klägers in das Auswahlverfahren mangels Erfüllung des Anfor-derungsprofils ab und wurde darin sowohl vom Arbeitsgericht wie auch vom Landesarbeitsge-richt bestätigt. Die Revision des Klägers hatte Erfolg. Ausgehend von der bisherigen Rechtsprechung geht das BAG davon aus, ein Arbeitgeber im öffentlichen Dienst dürfe für die Besetzung ei-ner Stelle ein arbeitsplatzspezifisches Anforde-rungsprofil aufstellen und auf diese Weise die Möglichkeiten eines Zugangs zum entsprechen-den öffentlichen Amt einschränken. Dement-sprechend darf der Arbeitgeber solche Bewer-ber vom Zugang und damit vom weiteren Aus-wahlverfahren ausschließen, die das Anforde-rungsprofil – in seinen zwingenden Merkmalen – nicht erfüllen. Das jeweilige Anforderungsprofil unterliegt al-lerdings nach Auffassung des BAG ungeach-tet des Beurteilungsspielraums – richtigerwei-se wohl des Organisationsermessens – einer ge-richtlichen Kontrolle mit der Konsequenz, dass ein fehlerhaftes Anforderungsprofil zur Fehler-haftigkeit der darauf gestützten Auswahlent-scheidung führt. Inhaltlich verlangt das BAG, das Anforderungsprofil müsse bezogen auf die Anforderungen der zu besetzenden Stelle sach-lich nachvollziehbar sein. Es dürften keine sach-fremden Erwägungen angestellt worden sein. Nimmt der Arbeitgeber zur Rechtfertigung des Anforderungsprofils lediglich Bezug auf die be-absichtigte Eingruppierung und dort vorgesehe-nen Bildungsvoraussetzungen, genügt das für eine nachvollziehbare Begründung eines ent-sprechenden Merkmals nicht. Für den konkre-ten Fall verneint das BAG die Notwendigkeit einer wissenschaftlichen Hochschulausbildung für die Wahrnehmung der ausgeschriebenen Stelle. Der Verweis auf die Eingruppierungs-voraussetzungen sei schon deshalb fehlerhaft, weil die Eingruppierung der Stellenbesetzung im Hinblick auf die auf der Stelle wahrzuneh-menden Tätigkeiten nachfolge. Den Wunsch des Arbeitgebers, durch das forma-le Kriterium eines wissenschaftlichen Studiums als Zugangsvoraussetzung das Auswahlverfah-
  • 3. jurisPR-ArbR 46/2014 ren zu vereinfachen, hält das BAG für unbeacht-lich, weil diesem Aspekt jeder Bezug zu den tatsächlichen Anforderungen der zu besetzen-den Stelle fehle, und die Vereinfachung des Aus-wahlverfahrens kein Selbstzweck sei, sondern sich ebenfalls an Art. 33 Abs. 2 GG messen las-sen müsse. Art. 33 Abs. 2 GG gewähre dem Ar-beitgeber nicht das Recht, ohne nachvollziehba-re Gründe eine Stelle mit überqualifizierten Be-werbern bzw. Bewerberinnen zu besetzen. Der Hinweis des Arbeitgebers auf die Mög-lichkeit eines flexibleren Personaleinsatzes von Mitarbeiter/innen mit wissenschaftlichem Hoch-schulabschluss sei vorliegend schon deshalb unbeachtlich, weil schon nicht dargelegt sei, dass eine solche Flexibilität für die ausgeschrie-bene Stelle tatsächlich möglich sei, wie sie aus-sehen solle, und warum die angestrebte Flexibi-lität konkret eine wissenschaftliche Hochschul-ausbildung erfordere. Im Übrigen lässt das BAG offen, ob die Möglichkeit eines flexibleren Perso-naleinsatzes aufgrund einer wissenschaftlichen Hochschulausbildung ein entsprechendes Merk-mal im Anforderungsprofil sachlich rechtferti-gen könne. C. Kontext der Entscheidung Das Urteil des BAG stellt eine konsequente Fortentwicklung der bisherigen Rechtsprechung dar, rückt allerdings den Aspekt stärker in den Vordergrund, dass Anforderungsprofile unge-achtet ihrer verfassungsrechtlichen Zulässig-keit ihrerseits einer – eingeschränkten – gericht-lichen Kontrolle unterliegen. Dies ergibt sich un-mittelbar aus Art. 25 lit. c des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (BGBl II 1973, 1523), weil danach das allgemei-ne und gleiche Recht auf Zugang zu öffentli-chen Ämtern ohne unangemessene Einschrän-kungen zu gewährleisten ist. Daraus folgt bun-desgesetzlich, dass nur angemessene Anforde-rungen den Zugang beschränken dürfen. Ange-messen kann eine Anforderung nur sein, die in einem sachlich nachvollziehbaren Zusammen-hang mit den auf dem entsprechenden öffent-lichen Arbeitsplatz zu verrichtenden Aufgaben steht und sich darüber rechtfertigt. Was sich danach nicht rechtfertigen lässt, kann nicht In-halt der zwingenden Merkmale eines Anforde-rungsprofils werden. Aspekte, die lediglich die Personalauswahl vereinfachen sollen oder ei-ne nicht näher begründete Qualifikationsbevor-ratung betreiben wollen, müssen deshalb für die Entwicklung eines Anforderungsprofils un-berücksichtigt bleiben. Für den Arbeitgeber des vom BAG entschie-denen Verfahrens ergab sich dies im Übrigen auch aus § 8 Abs. 5 LGG NRW. Danach hat sich die Ausschreibung ausschließlich an Anforde-rungen der zu besetzenden Arbeitsplatzes aus-zurichten. Folglich dürfen andere Anforderun-gen schon kein Gegenstand der Ausschreibung werden, müssen also auch im darauf aufbau-enden Auswahlverfahren unberücksichtigt blei-ben. Eine gewisse Abweichung von der bisherigen Rechtsprechung des Neunten Senats liegt in dem Umstand, dass sich aus den Merkmalen einer Entgeltgruppe kein Anforderungsprofil er-geben kann, da die Eingruppierung eine Fol-ge der übertragenen Tätigkeiten auf einem be-stimmten Arbeitsplatz ist, aber nur die entspre-chenden Tätigkeiten maßstabbildend für das Anforderungsprofil sein können. Die Ausführun-gen im Urteil des BAG vom 21.01.2003 (9 AZR 72/02 - ZTR 2003, 463, 464) lassen sich auch dahin verstehen, dass die in den Merkmalen einer Entgeltgruppe genannten Anforderungen ein Anforderungsprofil darstellen können. Das gilt richtigerweise nur dann, wenn diese An-forderungen nachvollziehbar und angemessen sind. Das BAG setzt sich nicht mit der These des BVerwG auseinander, wonach jedenfalls für den Zugang von Beamtinnen und Beamten zu ei-nem öffentlichen Amt auf das angestrebte sta-tusrechtliche Amt abzustellen und eine Ausrich-tung auf die besonderen Anforderungen eines bestimmten Dienstpostens grundsätzlich unzu-lässig sei (BVerwG, Beschl. v. 20.06.2013 - 2 VR 1.13 - ZBR 2013, 376, 378 f. Rn. 24 ff.). Maßgebend für diese – neue – Sichtweise des BVerwG ist aus seiner Sicht das Laufbahnprinzip (Rn. 28 des genannten Beschlusses). Da es für die Besetzung von Stellen mit Arbeitnehmern bzw. Arbeitnehmerinnen nicht gilt, konnte sich das BAG eine Auseinandersetzung mit diesem Aspekt ersparen. Im Falle einer statusgruppen-übergreifenden Auswahl wird es der Auseinan-dersetzung jedoch nicht ausweichen können. Dabei wird allerdings zu berücksichtigen sein, dass der Verweis auf laufbahnrechtliche Anfor-derungen für ein bestimmtes Statusamt und da-mit auch auf ein bestimmtes Bildungsniveau
  • 4. jurisPR-ArbR 46/2014 seinerseits einer gerichtlichen Kontrolle auf ih-re Angemessenheit und Nachvollziehbarkeit un-terliegt, auch wenn dies in der Rechtsprechung des BVerwG bisher nicht thematisiert wurde. Aus § 18 Satz 1 BBesG und entsprechendem Landesbesoldungsrecht ergibt sich in Konkreti-sierung von Art. 33 Abs. 5 GG das Gebot der funktionsgerechten Besoldung, das seinen Aus-gang ebenfalls bei den jeweiligen Aufgaben ei-nes Dienstpostens nimmt, daraus die nötigen Anforderungen ableitet und diese sachgerecht unter Zuordnung zu einem Amt (Besoldungs-gruppe) bewertet. Soweit diese Vorgehenswei-se beachtet und ggf. auf ihre Angemessenheit hinsichtlich der zugangsbeschränkenden Wir-kungen kontrolliert wird, lassen sich ähnliche Resultate wie vorliegend vom BAG gewonnen erzielen. Verfehlt wäre es dagegen, ungeprüft das jeweilige statusrechtliche Amt zum Aus-gangspunkt der zulässigen Anforderungen zu nehmen, ohne die Rückfrage zu stellen, ob die-se Anforderungen für die auf dem Arbeitsplatz wahrzunehmenden Aufgaben als sachgerecht und angemessen eingestuft werden können. D. Auswirkungen für die Praxis Öffentliche Arbeitgeber werden stärker darauf achten müssen, ausgehend von den konkreten Aufgaben eines zu besetzenden Arbeitsplatzes nur die dieser Aufgabenwahrnehmung vernünf-tigerweise korrespondierenden Anforderungen persönlicher und fachlicher Art zum Gegenstand eines Anforderungsprofils bzw. einer Ausschrei-bung zu machen, soweit es um die Aufstel-lung zwingender Merkmale eines solchen Pro-fils geht, deren Verfehlung zum Ausschluss aus dem Auswahlverfahren führen muss. Insoweit empfiehlt sich auch eine entsprechende Do-kumentation, um besser den Nachweis führen zu können, dass keine sachfremden Erwägun-gen eingeflossen sind. Soweit ein künftiger fle-xibler Personaleinsatz erleichtertet werden soll, bedürfen die damit zusammenhängenden wei-teren Anforderungen ihrerseits einer nachvoll-ziehbaren Begründung. Das schließt die Dar-legung ein, welche anderweitigen Einsatzmög-lichkeiten überhaupt in Betracht kommen kön-nen, und ob die konkrete Anforderung auch ge-eignet ist, die entsprechende anderweitige Ein-satzmöglichkeit zu ermöglichen oder doch zu erleichtern. Diese Einschränkung ist auch im Hinblick auf § 6 Abs. 3 BGleiG zu beachten, der es gestattet, im Bereich der Bundesverwaltung neben den arbeitsplatzspezifischen Anforderun-gen auch auf das Anforderungs- oder Qualifi-kationsprofil einer Laufbahn bzw. eines Funkti-onsbereichs abzustellen. Diese Regelung setzt ausdrücklich voraus, dass eine solche zusätz-liche Beschränkung der Zugangsmöglichkeiten im Hinblick auf mögliche künftige Funktionen der Bewerber/innen erfolgt. Derartige Möglich-keiten müssen nachvollziehbar vor der Aus-schreibung aufgezeigt worden sein, um darauf gestützt entsprechende Anforderungen stellen zu dürfen. 2 Notwendige Durchführung des BEM keine Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für eine Zurruhesetzungsverfügung Leitsätze: 1. Die Verpflichtung, ein betriebliches Ein-gliederungsmanagement anzubieten (§ 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX), gilt auch bei Be-amten. Die Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements ist aber keine Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für die Ver-setzung eines Beamten in den Ruhestand wegen dauernder Dienstunfähigkeit. 2. In Fällen krankheitsbedingter Fehlzeiten stehen das betriebliche Eingliederungsma-nagement und das Zurruhesetzungsverfah-ren in einem zeitlich gestaffelten Stufenver-hältnis. Ist ein betriebliches Eingliederungs-management ordnungsgemäß, aber erfolg-los durchgeführt worden, liegen regelmäßig hinreichende Anhaltspunkte für eine an den Beamten gerichtete Weisung vor, sich auf eine mögliche Dienstunfähigkeit ärztlich un-tersuchen zu lassen. Anmerkung zu BVerwG, Urteil vom 05.06.2014, 2 C 22/13 von Dr. Torsten von Roetteken, Vors. RiVG A. Problemstellung Der 2. Senat des BVerwG hatte sich aufgrund der von ihm selbst zugelassenen Revision mit der Frage zu befassen, welche Folgen die unter-bliebene Durchführung eines betrieblichen Ein-gliederungsmanagements (BEM) auf die Verset-zung eines Beamten bzw. einer Beamtin in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit hat. Die
  • 5. jurisPR-ArbR 46/2014 zweitinstanzlichen Verwaltungsgerichte hatten durchweg negative Auswirkungen auf den Zur-ruhesetzungsbescheid verneint (vgl. von Roet-teken, jurisPR-ArbR 37/2012 Anm. 5), sodass in-soweit ein Klärungsbedarf durch das BVerwG of-fensichtlich war. B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung Das BVerwG geht zunächst davon aus, dass die Verpflichtung aus § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX, ei-nem Beamten bzw. einer Beamtin bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen ein BEM anzubieten, auch für die Angehörigen dieser Statusgruppe gilt. Das war in der obergerichtli-chen Rechtsprechung angezweifelt worden. Der 2. Senat schließt sich damit der vom 6. Senat des BVerwG in der personalvertretungsrecht-lichen Rechtsprechung angenommenen Ausle-gung des § 84 Abs. 2 SGB IX an (BVerwG, Be-schl. v. 04.09.2012 - 6 P 5.11 - ZTR 2013, 103, 104 Rn. 12). Gleichzeitig nimmt der 2. Senat des BVerwG an, dass § 84 Abs. 2 SGB IX auch für nicht behinderte Beschäftigte gilt. Insoweit schließt sich das BVerwG der Auslegung des BAG (Urt. v. 12.07.2007 - 2 AZR 716/06 - ZTR 2008, 273, 274 Rn. 35) an. Zur Rechtfertigung dieser Auslegung bezieht sich der 2. Senat des BVerwG insbesonde-re auf das von ihm angenommene zeitliche Stufenverhältnis der Vorschriften zum Ange-bot und Durchführung eines BEM im Verhält-nis zu den beamtenrechtlichen Regelungen zur Dienstunfähigkeit und ihren Folgen (§§ 44 ff. BBG, §§ 26 f. BeamtStG und entsprechendes Landesrecht). Danach greift der Mechanismus des BEM oftmals früher ein als das dienstrecht-liche Instrumentarium, wofür beispielhaft auf § 44 Abs. 1 Satz 2 BBG verwiesen wird. Zu-dem seien die sich aus dem BEM ergebenden Reaktionsmöglichkeiten nicht auf den auf das abstrakt funktionelle Amt bezogenen Dienst-unfähigkeitsbegriff ausgerichtet, sondern ziel-ten auf eine Analyse der bestehenden Arbeits-bedingungen im Hinblick auf die gesundheitli-chen Einschränkungen der/s Beschäftigten, um Möglichkeiten einer leidensgerechten Anpas-sung des bestehenden Arbeitsplatzes auszulo-ten. Bezugspunkt der Dienstunfähigkeit ist für das BVerwG dagegen das jeweilige abstrakt-funktionelle Amt. Könne der durch § 84 Abs. 2 SGB IX vorge-gebene Suchprozess keine alternativen Weiter-beschäftigungsmöglichkeiten aufzeigen, lägen regelmäßig ausreichende tatsächliche Anhalts-punkte für die ernsthafte Besorgnis der Dienst-unfähigkeit vor. Dann schließe sich das dienst-rechtliche Verfahren einer Prüfung der Zurru-hesetzung an das erfolglose BEM an. Insge-samt sieht das BVerwG im BEM eine Konkretisie-rung der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht, mit dem ein gesetzlich verankertes Frühwarn-system etabliert wird. Könne damit keine Ver-besserung erzielt werden, schließe sich das dienstrechtliche Verfahren mit seinem Instru-mentarium insbesondere in Gestalt von § 44 Abs. 6 BBG an. Das Angebot und die Durchführung eines BEM stellen ungeachtet dessen nach Auffassung des BVerwG keine Voraussetzung für die Rechtmä-ßigkeit einer Zurruhesetzungsverfügung dar. Das soll sich schon daraus ergeben, dass § 84 Abs. 2 SGB IX im Unterschied zu § 85 SGB IX die Rechtsfolge seiner mangelnden Beachtung nicht regele. So führe die Nichtbeachtung des § 84 Abs. 2 SGB IX nach Auffassung des BAG allein noch nicht zur Unwirksamkeit der Kün-digung eines Arbeitsverhältnisses. Im Weite-ren referiert das BVerwG die Rechtsprechung des BAG, wonach die Nichtbeachtung von § 84 Abs. 2 SGB IX – nur – zu einer Verschiebung der Darlegungs- und Beweislastverteilung in einem auf die Kündigung bezogenen Gerichtsverfah-ren führe. Das muss für das öffentliche Dienst-recht nach Auffassung des BVerwG erst recht gelten. Die Annahme einer zwingenden Rechts-widrigkeit der Zurruhesetzungsverfügung bei mangelnder Beachtung von § 84 Abs. 2 SGB IX sei mit dem Regelungssystem des BBG nicht in Einklang zu bringen. Die in § 44 Abs. 1 Satz 1 BBG angeordnete Rechtsfolge stehe nicht un-ter dem Vorbehalt, dass zuvor ein BEM durch-geführt worden ist. Stehe die Dienstunfähigkeit fest und sei auch keine anderweitige Verwen-dung mehr möglich, sei für die Durchführung des BEM kein Raum mehr. Des Weiteren sei die in § 84 Abs. 2 SGB IX enthaltene Verpflichtung kein Bestandteil des auf den Erlass einer Zurru-hesetzungsverfügung gerichteten Verwaltungs-verfahrens i.S.d. § 9 VwVfG. Das in § 84 Abs. 2 SGB IX vorgesehene Verfahren sei im Verhältnis zum Zurruhesetzungsverfahren ein eigenstän-diges Verfahren. Beide Verfahren seien nicht miteinander rechtlich verknüpft. Das soll insbesondere für die Einleitung des Ver-fahrens gelten, da bereits die Anordnung der
  • 6. jurisPR-ArbR 46/2014 ärztlichen Untersuchung zur Prüfung der Dienst-fähigkeit substanzielle Zweifel an der dau-ernden Dienstfähigkeit der/s Betroffenen vor-aussetze. Diese liegen nach Auffassung des BVerwG jedenfalls dann vor, wenn ein BEM-Ver-fahren erfolglos durchgeführt wurde. Soweit bei der vom Verwaltungsgericht vorzu-nehmenden Prüfung einer anderweitigen Ver-wendungsmöglichkeit i.S.d. § 44 Abs. 1 Satz 3 BBG (§ 26 Abs. 2, 3 BeamtStG) die Anfor-derungen an eine schlüssige Darlegung des Dienstherrn über das Fehlen solcher Verwen-dungsmöglichkeiten nicht im entsprechenden Sinn abgeschlossen werden könne, gingen ver-bleibende Zweifel zulasten des Dienstherrn. Allerdings entlaste es den Dienstherrn, wenn ein durchgeführtes BEM keine alternativen Be-schäftigungsmöglichkeiten aufgezeigt habe. C. Kontext der Entscheidung Das Urteil des BVerwG liegt im Wesentli-chen auf der Linie der bisherigen Rechtspre-chung der zweitinstanzlichen Verwaltungsge-richte (zur vereinzelt gebliebenen Gegenauffas-sung vgl. VG Frankfurt a.M., Urt. v. 28.03.2014 - 9 K 3892/11.F Rn. 33 f.). Im Unterschied zur Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte geht das BVerwG allerdings eindeutig davon aus, dass § 84 Abs. 2 SGB IX neben den dienst-rechtlichen Regelungen zum Verfahren bei Ver-setzungen in den Ruhestand wegen Dienstfä-higkeit anzuwenden ist. Insoweit ist eine Klä-rung eingetreten, die bisher trotz der an sich eindeutigen Rechtsprechung des 6. Senats des BVerwG noch nicht allgemein anerkannt war. Die Frage nach dem Verhältnis von § 84 Abs. 2 SGB IX zu den dienstrechtlichen Bestimmun-gen über die Voraussetzungen und das Verfah-ren einer Zurruhesetzung wegen Dienstunfähig-keit beantwortet das BVerwG im Sinne der bis-herigen obergerichtlichen Rechtsprechung (zur vereinzelt gebliebenen Gegenauffassung vgl. VG Frankfurt a.M., Urt. v. 28.03.2014 - 9 K 3892/11.F; von Roetteken, ZBR 2013, 325; 361; Düwell in: Dau/Düwell/Joussen, SGB IX, 4. Aufl., § 84 Rn. 71). Danach bleibt die mangelnde Be-achtung des § 84 Abs. 2 SGB IX verfahrensrecht-lich ohne Folgen für das Zurruhesetzungsver-fahren, da die gleichwohl erlassene Zurruheset-zungsverfügung allein deshalb nicht rechtswid-rig ist, also aus diesem Grund nicht der gericht-lichen Kassation verfällt. Soweit das BVerwG für seine Auffassung auf die mangelnde Regelung der Rechtsfolge ei-nes Verstoßes gegen § 84 Abs. 2 SGB IX hin-weist und dafür auf die aus seiner Sicht ab-weichende Regelung des § 85 SGB IX verweist, greift die Argumentation zur kurz. Welche Fol-gen die fehlende Zustimmung des Integrati-onsamtes zu einer Arbeitgeberkündigung hat, ist weder in § 85 SGB IX noch an anderer Stelle geregelt, sondern Ergebnis einer Ausle-gung des Vorbehalts der vorherigen Zustim-mung. Eine klare Rechtsfolgenregelung enthal-ten insoweit lediglich § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG, §§ 79 Abs. 4, 108 Abs. 2 BPersVG. Vergleichbare Regelungen für die Beendigung öffentlich-rechtlicher Dienstverhältnisse fehlen, was das BVerwG allerdings nicht gehindert hat, aus dem Erfordernis einer vor der Beendigung durchzuführenden Beteiligungsverfahrens auf die Rechtsfolge der Rechtswidrigkeit der ent-sprechenden Beendigungsmaßnahme zu schlie-ßen, wenn das entsprechende Beteiligungs-verfahren nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden war (st. Rspr. seit BVerwG, Urt. v. 01.12.1982 - 2 C 59.81 - ZBR 1983, 189; von Roetteken in von Roetteken/Rothländer, Beam-tStG, § 23 Rn. 457, m.w.N.). Es ist daher in der bisherigen Rechtsprechung des 2. Senats des BVerwG kein allgemeiner Grundsatz dahin aufgestellt worden, dass die gesetzliche Vorga-be zur Einhaltung eines bestimmten Verfahrens hinsichtlich der Auswirkungen seiner mangeln-den Beachtung stets eine konkrete Rechtsfol-genregelung für ein anderes Verfahren voraus-setzt. Soweit aus § 85 SGB IX im Hinblick auf das Erfordernis einer vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes abzuleiten ist, dass eine nachträgliche Zustimmung wirkungslos bleiben muss, hätte sich das BVerwG die Frage vorle-gen müssen, ob nicht aufgrund der zeitlichen und sachlichen Voraussetzungen für die Ein-leitung und Durchführung eines BEM herzulei-ten ist, dass dieses Verfahren dem Zurruheset-zungsverfahren zwingend vorausgehen muss. Der 2. Senat des BVerwG gesteht dies jeden-falls für die Mehrzahl der Fallgestaltungen zu und geht insoweit zutreffend von einem stu-figen Verhältnis des BEM (als zuerst einzulei-tendem Verfahren) im Verhältnis zum Zurruhe-setzungsverfahren aus. Dann aber hätte sich
  • 7. jurisPR-ArbR 46/2014 das BVerwG die Frage stellen müssen, ob sich nicht aus der von ihm angenommenen Zuord-nung des § 84 Abs. 2 SGB IX zur Fürsorgepflicht auch ein entsprechendes Recht der/s Betroffe-nen auf die vorrangige Einleitung und ggf. auch die Durchführung eines BEM ergibt, da § 84 Abs. 2 SGB IX nicht nur eine objektivrechtliche Verfahrensnorm darstellt (ebenso unter Bezug auf Art. 5 RL 2000/78/EG und die jüngere Rspr. des EuGH zum Behindertenbegriff VG Frankfurt a.M.; von Roetteken, ZBR 2013, 325; 361). In diesem Fall wäre aus § 84 Abs. 2 SGB IX zumin-dest die Nebenpflicht abzuleiten, mit der Einlei-tung und Durchführung eines Zurruhesetzungs-verfahrens zu warten, bis entweder das BEM durchgeführt oder ein entsprechendes Angebot des Dienstherrn abgelehnt worden ist (von Ro-etteken, a.a.O.; Düwell in: Dau/Düwell/Joussen, SGB IX, § 84 Rn. 71). Die Auffassung des BVerwG zum Stellenwert des BEM steht allerdings in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BAG, die vom BVerwG sachlich zutreffend referiert wird. Aller-dings leidet die Auffassung des BAG hinsicht-lich der mangelnden Folgen eines unterlasse-nen BEM auf eine Arbeitgeberkündigung unter den gleichen Mängeln, da auch insoweit igno-riert wird, dass der Arbeitgeber im Falle einer krankheitsbedingten Kündigung vor Ausspruch einer solchen Kündigung vorrangig seine Ver-pflichtungen aus § 84 Abs. 2 SGB IX zu erfüllen hat und darauf auch ein individueller Anspruch besteht. Stattdessen wird die Problematik über die Verschiebung der Darlegungs- und Beweis-last auf den Arbeitgeber gelöst. Das entwertet die Bedeutung des BEM erheblich und hat in der bisherigen Praxis dazu geführt, dass § 84 Abs. 2 SGB IX meist folgenlos ignoriert werden kann. Das BVerwG übernimmt den Ansatz des BAG und macht dem Dienstherrn lediglich deutlich, welche Vorteile er aus einem durchgeführten BEM erlangen kann, nämlich die Klärung der Zweifel an dauernden Dienstunfähigkeit und den Ausschluss anderweitiger Beschäftigungs-möglichkeiten. Soweit das BVerwG den Bezugspunkt des BEM nur im konkreten Arbeitsplatz der/s Betroffenen sieht, während die Beurteilung der Dienstunfä-higkeit auf den Bereich des abstrakt-funktionel-len Amtes und damit auf eine größere Zahl von Tätigkeiten bezogen sei, scheint diese Ausle-gung unmittelbar dem Wortlaut des § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX zu entsprechen, da dort aus-drücklich von der Erhaltung des Arbeitsplatzes die Rede ist. Eine derartige Verkürzung wird je-doch dem Zweck der Regelung in keiner Wei-se gerecht, wie die Regelung in § 84 Abs. 1 SGB IX zeigt. Es geht auch in § 84 Abs. 2 SGB IX um den Erhalt des Beschäftigungsverhältnisses selbst, nicht um die leidensgerechte Anpassung des bisherigen Arbeitsplatzes (Düwell in: Dau/ Düwell/Joussen, SGB IX, § 84 Rn. 32; von Roet-teken, ZBR 2013, 325; 361). Unbehandelt bleibt im Urteil des BVerwG, dass sich § 84 Abs. 2 SGB IX jedenfalls für einen Teil des davon erfassten Personenkreises als Teil-umsetzung von Art. 5 RL 2000/78/EG darstellt (von Roetteken, ZBR 2013, 325; 361, m.w.N.). Insoweit hat der EuGH mehrfach entscheiden, dass eine Beendigung eines Beschäftigungsver-hältnisses dann gegen die RL 2000/78/EG ver-stößt, wenn gegenüber einem Menschen mit ei-ner Behinderung nicht zuvor die Verpflichtun-gen aus Art. 5 RL 2000/78/EG erfüllt worden sind (zuletzt EuGH, Urt. v. 11.04.2013 - C-335/11 u.a. - ZBR 2013, 341, 344 Rn. 67 „Ring u.a.“). Da der Kläger des vom BVerwG entschiedenen Verfahrens mehr als ein Jahr dienstunfähig er-krankt war, bevor er in den Ruhestand versetzt worden war, hätte sich einerseits die Frage ge-stellt, ob er dem Schutzbereich der RL 2000/78/ EG unterfällt, anderseits die Frage, in welchem Ausmaß die Erfüllung der in Art. 5 RL 2000/78/ EG geregelten Pflichten in ihrer Ausgestaltung durch § 84 Abs. 2 SGB IX eine zwingende Vor-aussetzung für die Beendigung des Dienstver-hältnisses darstellen. Das BVerwG hat sich we-der die entsprechenden Fragen gestellt, noch – insoweit folgerichtig – erwogen, ob insoweit ei-ne Vorlage an den EuGH entsprechend Art. 267 AEUV geboten war. Die gleichen Fragen stellen sich in Bezug auf Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG und Art. 27 UN-BRK. D. Auswirkungen für die Praxis In der Praxis wird damit zu rechnen sein, dass mangelnde Beachtung der sich aus § 84 Abs. 2 SGB IX ergebenden Verpflichtungen nach wie vor überwiegend folgenlos bleiben wird, soweit es um Maßnahmen zur Beendigung des Be-schäftigungsverhältnisses geht. Für Entlassun-gen macht dies das Urteil des OVG Münster vom 07.01.2013 (6 A 2371/11 - DÖD 2013, 126) deutlich. Nicht geklärt ist, in welchem Umfang
  • 8. jurisPR-ArbR 46/2014 sich das BVerwG der vom OVG Münster im An-schluss an den BGH (Urt. v. 20.12.2006 - RiZ (R) 2/06 - NVwZ-RR 2007, 328) vertretenen Auf-fassung anschließt, dass eine im Ermessen ste-hende Entlassung wegen mangelnder Bewäh-rung aus gesundheitlichen Gründen ermessens-fehlerhaft sein kann, wenn zuvor die Anforde-rungen des § 84 Abs. 2 SGB IX nicht beachtet wurden. Unbeantwortet bleibt auch die Frage, ob eine Entscheidung des Dienstherrn, wegen längerer krankheitsbedingter Dienstunfähigkeit auf eine dauernde Dienstunfähigkeit zu schließen, wie in § 44 Abs. 1 Satz 2 BBG bzw. § 26 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG vorgesehen, fehlerhaft ist, wenn ihr kein Angebot eines BEM und im Fall der Zustimmung der/s Betroffenen dessen Durch-führung vorausgegangen ist. Da die Entschei-dungen nach § 44 Abs. 1 Satz 2 BBG bzw. § 26 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG in der Ermes-sen des Dienstherrn gestellt sind, spricht vie-les dafür, dass derartige Tatbestandsfeststel-lungen ermessensfehlerhaft sind, wenn § 84 Abs. 2 SGB IX unbeachtet geblieben ist. Unbeantwortet ist ferner die Frage, welche Aus-wirkungen die mangelnde Beachtung von § 84 Abs. 2 SGB IX auf die im Ermessen stehenden Entscheidungen des Dienstherrn zur anderwei-tigen Verwendung entsprechend § 26 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2, 3 BeamtStG hat, ob derartige Ent-scheidung ggf. ermessensfehlerhaft sind, wie dies in der Rechtsprechung des BVerwG für die mangelnde Beachtung von § 95 Abs. 2 Satz 1 SGB IX angenommen wird (vgl. zu § 95 Abs. 2 SGB IX BVerwG, Urt. v. 21.06.2007 - 2 A 6.06 - Schütz BeamtR ES/A II 1.4 Nr 154 Rn. 32, m.w.N. ). § 26 BeamtStG unterscheidet sich in-soweit von § 44 BBG, der in Abs. 1 Satz 3 jede Zurruhesetzung ausschließt, wenn eine ander-weitige Verwendung möglich ist. Eine Korrektur der Rechtsprechung des BVerwG, aber auch der des BAG wird nach dem derzeitigen Diskussionsstand nur über eine Vor-lage an den EuGH oder eine Verfassungsbe-schwerde zu erreichen sein, oder der Gesetzge-ber fügt in das SGB IX die von der Rechtspre-chung vermissten klaren Rechtsfolgenregelun-gen ein, um die tatsächliche Beachtung von § 84 SGB IX zu gewährleisten. Positiv zu vermerken ist, dass die Anwendung von § 84 Abs. 2 SGB IX auch im Vorfeld von Zur-ruhesetzungsverfahren höchstrichterlich klar-gestellt ist. Es ist Aufgabe der Beschäftigtenver-tretungen, die Einhaltung der entsprechenden Verpflichtungen konsequent und frühzeitig ein-zufordern. E. Weitere Themenschwerpunkte der Ent-scheidung Zwingende Voraussetzung für die Feststellung der Dienstunfähigkeit ist nach Auffassung des BVerwG die vorherige Feststellung der amtsbe-zogenen Anforderungen auf der Grundlage des dem abstrakt-funktionellen Amtes zuordenba-ren Kreises von Amtsaufgaben. Der individuel-le Gesundheitszustand ist in Bezug zu den ent-sprechenden Anforderungen zu setzen, um auf dieser Grundlage zu beurteilen, ob und in wel-chem Umfang noch Dienstfähigkeit besteht. Die Bestimmung dieser Anforderungen ist die not-wendige Voraussetzung, um dauernde Dienst-unfähigkeit anzunehmen. Darauf soll es nach Auffassung des BVerwG jedoch dann nicht an-kommen, wenn der Beamte bzw. die Beamtin auf absehbare Zeit keinen Dienst leisten könne (Rn. 34 des Besprechungsurteils). Das soll ins-besondere dann der Fall sein, wenn der/die Be-troffene gar nicht auf der Dienststelle erschei-nen könne. Darin liegt eine unzulässige Ver-allgemeinerung, weil es durchaus Beschäftigte gibt, die aufgrund ihrer gesundheitlichen Ein-schränkungen nicht mehr, jedenfalls nicht mehr regelmäßig oder für den überwiegenden Teil der Arbeitstage der Dienststelle bei ihr erscheinen können, um Dienst zu leisten. Für diesen Per-sonenkreis bleibt jedoch im Hinblick auf Art. 5 RL 2000/78/EG bzw. Art. 27 UN-BRK, ggf. auch im Hinblick auf § 81 Abs. 4 SGB IX zu prüfen, ob er seinen Dienst entweder in Teildienstfähig-keit (§ 27 BeamtStG, § 45 BBG), ggf. in Kom-bination mit teilweiser oder gar überwiegender Telearbeit (vgl. § 13 Abs. 1 Satz 2, § 15 Abs. 2 BGleiG) verrichten kann (vgl. VG Frankfurt a.M., Beschl. v. 21.12.2009 - 9 L 3763/09.F - AGG-ES B.II.6 § 81 SGB IX Nr. 11). Soweit es um die Bestimmung der Anforde-rungen des abstrakt-funktionellen Amtes geht, muss zudem beachtet werden, dass damit im Hinblick auf die Verwendung der entsprechen-den Kriterien zugleich Entlassungsbedingungen i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG bzw. Art. 3 Abs. 1 lit. c RL 2000/78/EG aufgestellt werden. Der EuGH hat den Übertritt in den Ruhestand als Entlas-sung i.S.d. RL 2000/78/EG eingeordnet (EuGH,
  • 9. jurisPR-ArbR 46/2014 Urt. v. 21.07.2011 - C-159/10, C-160/10 - NVwZ 2011, 1249 Rn. 34 = AGG-ES E.III.11 Art. 6 RL 2000/78/EG Nr. 20 „Fuchs u.a.“). Gleiches wird für die Versetzung in den Ruhestand gelten müssen. Die beruflichen Anforderungen für eine Fortset-zung der dienstlichen Tätigkeiten können als Entlassungsbedingungen Menschen mit einer Behinderung unmittelbar oder auch mittelbar benachteiligen, so dass die Rechtfertigungsvor-aussetzungen des § 8 Abs. 1 AGG bzw. des § 3 Abs. 2 AGG, jeweils i.V.m. § 24 Nr. 1 AGG er-füllt sein müssen (vgl. BAG, Urt. v. 22.05.2014 - 8 AZR 662/13 - NZA 2014, 924 Rn. 32 ff.). Der-artige Anforderungen sind nur dann angemes-sen i.S.d. §§ 8 Abs. 1, 3 Abs. 2 AGG, wenn sie den Anforderungen des Art. 5 RL 2000/78/EG bzw. des Art. 27 UN-BRK genügen (BAG, Urt. v. 22.05.2014 - 8 AZR 662/13 - NZA 2014, 924, 927 Rn. 42). Diese Perspektive wird vom BVerwG nicht näher angesprochen, wird in der Praxis je-doch zur Vermeidung einer nach § 7 Abs. 1 AGG verbotenen Benachteiligung durch eine Entlas-sung bzw. Zurruhesetzung zu beachten sein. 3 Einstweilige Verfügung auf Weiterbeschäftigung bei bisheriger Dienststelle Orientierungssätze: 1. Eine Entscheidung, mit der ein Arbeitneh-mer für die Dauer von sechs Monaten mit dem Ziel der Versetzung abgeordnet wird, ist nicht mangels Begründung rechtswidrig. Es handelt sich vielmehr um die Ausübung des arbeitgeberseitigen Weisungsrechts in einer besonderen Form, die nicht in der schriftlichen Weisung selbst begründet wer-den muss. Sie verstößt auch nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. 2. Ein Gericht, das eine für die Entscheidung maßgebliche Gesetzesnorm für verfassungs-widrig hält, kann nicht durch Art 100 Abs. 1 GG gehindert sein, vor der im Hauptsache-verfahren einzuholenden Entscheidung des BVerfG vorläufigen Rechtsschutz zu gewäh-ren, wenn dies im Interesse eines effekti-ven Rechtsschutzes geboten erscheint und die Hauptsache dadurch nicht vorwegge-nommen wird. Dies ist jedoch nur dann der Fall, wenn deutliche Anhaltspunkte für eine klar erkennbare Verfassungswidrigkeit der entsprechenden Norm bestehen. 3. Es ist Arbeitnehmern grundsätzlich zu-mutbar, einer arbeitgeberseitigen Weisung zunächst Folge zu leisten, auch wenn sie für rechtswidrig gehalten wird. Die Überprü-fung der Weisung kann im Hauptsachever-fahren geltend gemacht werden, stellt aber keinen Verfügungsgrund für eine einstweili-ge Verfügung dar. Anmerkung zu ArbG Berlin, Urteil vom 01.07.2014, 16 Ga 8789/14 von Christoph J. Burgmer, RA, FA für Arbeits-recht und FA für Medizinrecht, burgmer rechtsan-wälte, Düsseldorf A. Problemstellung Die Entscheidung befasst sich mit der Frage der Zumutbarkeit einer Abordnung zu einer ande-ren Behörde als Erprobung auf der Grundlage von § 37a StUG. Außerdem wird zur Reichweite der Prüfungskompetenz des erkennenden Ge-richts im vorläufigen Rechtsschutz Stellung ge-nommen, wenn sich der Kläger auf die Verfas-sungswidrigkeit der Norm beruft, die zu einer ihn betreffenden Maßnahme (Versetzung) er-mächtigt. B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung Die Parteien streiten im vorläufigen Rechts-schutz um den Erlass einer einstweiligen Ver-fügung mit dem Inhalt, die beklagte Behörde des BStU zu verpflichten, den Kläger bis zu ei-ner rechtskräftigen Entscheidung in dem Haupt-sacheverfahren weiterhin als Verwaltungsange-stellten in der Behörde zu beschäftigen. Er war bisher Mitarbeiter der Beklagten und dort als Pförtner eingesetzt und früher Objektschützer für das ehemalige MfS. Die Beklagte ordnete den Kläger für die Dauer von sechs Monaten zum BVA (Bundesverwaltungsamt) ab. Es wur-de erklärt, die Abordnung erfolge mit dem Ziel der Versetzung. Eine weitergehende Begrün-dung enthielt das Schreiben nicht. Der neue Einsatzort lag etwa 500 Meter vom bisherigen Arbeitsplatz des Klägers entfernt. Die Abord-nung erfolgte auf der Grundlage des § 37a StUG, den der Gesetzgeber als eine Ergänzung des StUG im Jahre 2011 beschlossen hatte. Die Vor-
  • 10. jurisPR-ArbR 46/2014 schrift regelt, dass die Beschäftigung ehemali-ger MfS-Mitarbeiter in der Stasi-Unterlagenbe-hörde nicht erfolgen und die entsprechenden Mitarbeiter nach einer Zumutbarkeitsprüfung in andere Behörden versetzt werden sollten. Der Personalrat und der Hauptpersonalrat der Beklagten hatten der ursprünglichen Abord-nung von ehemaligen MfS-Mitarbeitern nicht zu-gestimmt, so dass die Beklagte die Einigungs-stelle anrief. Diese entschied, dass der Haupt-personalrat seine Zustimmung nicht hätte ver-weigern dürfen. Die Einigungsstelle regte an, von einer Abordnung abzusehen, wenn der be-troffene Beschäftigte bei Beginn der Maßnah-me 63 Jahre und älter sei. Der Anregung folg-te die Beklagte. Der Kläger wurde danach zu der beabsichtigten Abordnung angehört und hat sich schriftlich dagegen gewandt. Die Beklagte nannte danach dem Kläger ihre Gründe für ein Festhalten an der beabsichtigten Abordnung. Der Personalrat des BVA hat der Abordnung für die Dauer von sechs Monaten mit dem Ziel der Versetzung in das Bundesverwaltungsamt zu-gestimmt. Der Kläger hält § 37a StUG für verfassungswid-rig. Er meint, die Versetzung sei schon aus for-meller Sicht unwirksam, da es an einer Begrün-dung fehle, es gebe auch keine dienstlichen Gründe. Ihm könne eine Versetzung nicht zu-gemutet werden, da er ohnehin schon durch die Diskussion über die Verwendung ehemali-ger MfS-Mitarbeiter beim Stasiunterlagenbeauf-tragten derart gelitten habe, dass er erhebli-che gesundheitliche Beeinträchtigungen habe, die durch die Durchführung der Abordnung noch verstärkt würden. Die Beklagte hält § 37a StUG für verfassungskonform. Dem Kläger sei zumut-bar, bis zur Klärung der Rechtsfragen im Haupt-sacheverfahren seine Tätigkeit aufzunehmen. Das ArbG Berlin hat den zulässigen Antrag des Klägers als unbegründet zurückgewiesen. Der Umstand, dass die Entscheidung, den Klä-ger abzuordnen, in dem Schreiben selbst nicht begründet worden sei, begründe nicht die Rechtswidrigkeit der arbeitgeberseitigen Wei-sung. Es handele sich vielmehr um die Aus-übung des arbeitgeberseitigen Weisungsrechts in einer besonderen Form, die nicht in der schriftlichen Weisung selbst begründet werden muss, da hierfür die Grundsätze des Arbeits-rechtes und nicht des Verwaltungsrechtes gel-ten. Eine Verfassungswidrigkeit von § 37a StUG kön-ne im Eilverfahren nicht festgestellt werden, da deutliche Anhaltspunkte für eine evidente Ver-fassungswidrigkeit der Norm des § 37a StUG nicht klar erkennbar seien. Die Vorschrift sei vom Gesetzgeber beschlossen und vom Bun-despräsidenten unterzeichnet worden, so dass es eingehender Prüfung bedürfe, ob eine solche, nach langer Diskussion gefundene Regelung mit dem Grundgesetz vereinbar sei. Diese ein-gehende Überprüfung sei in Ermangelung evi-denter Anhaltspunkte für eine Verfassungswid-rigkeit der anzuwenden Vorschrift dem Haupt-sacheverfahren zu überantworten. Eine eviden-te Rechtswidrigkeit könne auch nicht festge-stellt werden. Vielmehr habe der Kläger im Vor-feld seine Bedenken schriftlich geäußert, der Personalrat und der Hauptpersonalrat der Be-klagten hatten mit umfangreicher Begründung der Abordnung widersprochen und die Eini-gungsstelle habe sich mit den Argumenten in-tensiv beschäftigt. Auch habe der Personalrat des BVA nach Prüfung seine Zustimmung erteilt. Die Abordnung sei auch zumutbar. Zwar liege hier keine Versetzung vor. Die Abordnung sei aber als milderes Mittel in § 37a StUG mitent-halten. Im vorliegenden Fall habe sich die Be-klagte zunächst bewusst für das mildere Mittel entschieden, um zu erproben, ob eine anschlie-ßende Versetzung auch tatsächlich zumutbar sei. So habe es in der Vergangenheit durchaus schon Fälle gegeben, in denen die Abordnung zurückgenommen worden sei. Die Versetzung als solche sei also mitnichten bereits beschlos-sen gewesen. Der Umstand, dass die Beklagte die von der Ei-nigungsstelle vorgeschlagene Altersgrenze be-achte, sei sachgerecht. Die Verwendung einer Stichtagsklausel mache die Regelung nicht un-wirksam. Solche Klauseln seien notwendig und bewegten sich im Rahmen des Ermessens der Behörde. Schließlich sah das Gericht auch keinen Verfü-gungsgrund, sondern stellte fest, es sei Arbeit-nehmern grundsätzlich zuzumuten, einer ar-beitgeberseitigen Weisung zunächst Folge zu leisten, auch wenn sie sie für rechtswidrig hiel-ten. Abweichungen von diesem Grundsatz wür-den von der Rechtsprechung nur in bestimmten,
  • 11. jurisPR-ArbR 46/2014 vom Arbeitnehmer darzulegenden und glaub-haft zu machenden Ausnahmefällen angenom-men, in denen der Arbeitnehmer ein gesteiger-tes Abwehrinteresse habe. Dies könne der Fall sein, wenn sich die Weisung etwa als offensicht-lich unwirksam herausstellen sollte, sich der Ar-beitnehmer erheblichen Gesundheitsgefahren aussetzen würde, die Tätigkeiten sein berufli-ches Ansehen irreparabel schädigten oder ihn in schwere Gewissenkonflikte bringen würden. All dieses sei hier nicht gegeben. Der Sachvor-trag des Klägers in Bezug auf mögliche Repres-salien am neuen Arbeitsplatz wegen seiner frü-heren Tätigkeit für das MfS sei zwar subjek-tiv nachzuvollziehen, aber unsubstantiiert und nicht glaubhaft. Angesichts der Gesamtumstände (der grund-sätzlichen Beibehaltung der Tätigkeit, keine Entgeltminderung, Entfernung zum neuen Ar-beitsplatz von lediglich 500 Metern) erschei-ne eine Versetzung nicht so gravierend, dass der Kläger sich hiergegen schützen müsse. Es sei dem Verfügungskläger vielmehr zuzumuten, die neue Tätigkeit zunächst anzutreten und sei-ne Rechte im Hauptverfahren zu vertreten. Der Kläger hat Berufung beim LArbG Berlin- Brandenburg eingelegt (Az.: SaGa 1468/14). C. Kontext der Entscheidung Das ArbG Berlin bezieht sich in seinen Ausfüh-rungen zum Verfügungsgrund im Zusammen-hang mit dem Direktionsrecht des Arbeitgebers auf die gefestigte Rechtsprechung, dass eine für rechtswidrig gehaltene Weisung, sofern sie nicht evident rechtswidrig ist, zunächst zu befol-gen ist. Die eingehende Überprüfung der Recht-mäßigkeit der Weisung sei dem Hauptsachever-fahren vorbehalten (so auch LArbG Frankfurt, Urt. v. 15.02.2011 - 13 SaGa 1934/10 Rn. 49; LArbG Hamm, Urt. v. 05.02.2008 - 11 SaGa 4/08; LArbG Chemnitz, Beschl. v. 26.10.2005 - 2 Sa 641/05). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz werde nur dann gemacht, wenn der Arbeitnehmer ein gesteigertes Abwehrinteres-se, beispielsweise bei irreparabler Rufschädi-gung durch die Befolgung der Weisung, besit-ze (so auch LArbG Mainz v. 09.02.2011 - 7 Ta 4/11 Rn. 35; LArbG Hamm, Urt. v. 05.02.2008 - SaGa 4/08; LArbG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 12.08.2008 - 16 SaGa 1366/08). Das ArbG Ber-lin schließt sich in seiner hier besprochenen Ent-scheidung dieser wohl als herrschende Meinung zu bezeichnenden Rechtsprechung vorbehalt-los an und verneint ein gesteigertes Abwehrin-teresse des Verfügungsklägers und damit auch den Verfügungsgrund und die Notwendigkeit ei-ner Entscheidung im Eilverfahren. Außerdem wird der Beschluss des BVerfG vom 24.06.1992 (1 BVR 1028/91) zur Vorlagepflicht im Eilverfahren in die Entscheidungsfindung einbezogen. Das ArbG Berlin machte jedoch von der ihm eingeräumten Kompetenz, vor der im Hauptsacheverfahren einzuholenden Entschei-dung des BVerfG zunächst vorläufigen Rechts-schutz zu gewähren, keinen Gebrauch. Es sah hierzu keine Veranlassung, da die in Rede ste-hende Norm des § 37a StUG nicht evident rechtswidrig schien. D. Auswirkungen für die Praxis Die Entscheidung des ArbG Berlin zeigt, wie schwierig es ist, den Verfügungsanspruch im vorläufigen Rechtsschutz bzw. Eilverfahren auf die Rechtswidrigkeit einer gesetzlichen Vor-schrift zu stützen. Die Instanzgerichte werden nur selten willens und in der Lage sein, ei-ne Rechtsnorm als evident rechtswidrig zu be-zeichnen. Insoweit verlangte man auch nahe-zu Unmögliches, denn die Prüfung der formel-len und materiellen Verfassungsmäßigkeit ei-ner Vorschrift ist kompliziert und zeitaufwendig. Zeit indes ist im Eilverfahren kaum vorhanden, so dass der Vortrag, eine entscheidungserheb-liche Norm sei rechtswidrig, nur höchst selten verfangen dürfte. Im Übrigen sollte der Sachvortrag, wie eigent-lich immer, hinreichend substantiiert sein, um ihn gegenüber dem erkennenden Gericht glaub-haft zu machen. Es zieht sich wie ein roter Faden durch die Entscheidungen der Gerichte, dass vorgebrachte Gründe mangels Substanti-iertheit nicht tragen. So war es auch hier. Der Verfügungskläger behauptete einfach, ihm wür-den Repressalien aufgrund seiner Tätigkeit als Objektschützer für das MfS zu Zeiten der DDR drohen, falls man ihn in eine andere Behörde versetzte. Belegen konnte er diese Behauptung freilich nicht, so dass er auch insoweit keinen Verfügungsanspruch glaubhaft machen konnte. Nachdem die Abordnung zum BVA nur auf Zeit erfolgte, hätte das ArbG Berlin noch diskutieren können, ob überhaupt ein Rechtsschutzbedürf-nis im Eilverfahren bestand. Die Maßnahme der
  • 12. jurisPR-ArbR 46/2014 Abordnung zum BVA war erkennbar nur zur Er-probung angeordnet worden. Eine Unumkehr-barkeit war nicht mit ihr verbunden, so dass ein Rechtsschutzbedürfnis im Eilverfahren eigent-lich gar nicht bestand. Hier legte das ArbG Ber-lin keinen sonderlich hohen Maßstab an. Dies geschah wahrscheinlich vor dem Hintergrund, überhaupt erst in die Sachprüfung gelangen zu wollen, um dort detailliert dazulegen, warum vorläufiger Rechtsschutz nicht gewährt werden könne. 4 Kündigung eines Schwerbehinderten durch den Betriebserwerber in der Insolvenz Orientierungssatz: Die von einem Insolvenzverwalter vor dem Eintritt eines Betriebsübergangs beim Inte-grationsamt beantragte und nach dem Be-triebsübergang an ihn zugestellte Zustim-mung zur Kündigung eines schwerbehin-derten Arbeitnehmers stellt keine dem Be-triebserwerber erteilte Zustimmung i.S.d. § 85 SGB IX dar, auf die er sich zur Kündigung dieses Arbeitnehmers berufen kann. Anmerkung zu BAG, Urteil vom 15.11.2012, 8 AZR 827/11 von Dr. André Zimmermann, LL.M., RA und FA für Arbeitsrecht, King & Wood Mallesons LLP, Frankfurt am Main / Dr. Johanna Gerstung, RA'in, Allen & Overy LLP, Frankfurt am Main A. Problemstellung Nach § 85 SGB IX bedarf die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen durch den Arbeitgeber der vorhe-rigen Zustimmung des Integrationsamtes. Im Falle der positiven Bescheidung wird die Zu-stimmung durch Zustellung gemäß § 88 Abs. 2 Satz 1 SGB IX i.V.m. § 85 SGB IX gegenüber dem Arbeitgeber erteilt. Befindet sich der Be-trieb in der Insolvenz, ist der Insolvenzverwalter nach § 87 Abs. 1 Satz 1 SGB IX antragsbefugt. Geht der Betrieb aber noch während des lau-fenden Verwaltungsverfahrens auf einen Erwer-ber über, ist der Insolvenzverwalter bei Zustel-lung der Zustimmung nicht mehr kündigungs-befugt. Die Frage, ob sich der Betriebserwerber als neuer Arbeitgeber auf eine vom Insolvenz-verwalter als Betriebsveräußerer vor Betriebs-übergang beantragte, aber erst nach Betriebs-übergang an den Insolvenzverwalter zugestellte Zustimmung zur Kündigung berufen kann, hatte das BAG im vorliegenden Fall zu entscheiden. B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung Die Parteien streiten über die Wirksamkeit ei-ner von der Beklagten ausgesprochenen or-dentlichen Kündigung. Der mit einem GdB von 50 schwerbehinderte Kläger war seit 1989 bei der W.-GmbH beschäftigt. Über deren Vermö-gen wurde durch Beschluss des Amtsgerichts am 01.06.2010 das Insolvenzverfahren eröffnet und ein Insolvenzverwalter bestellt. Zum 01.07.2010 übernahm die Beklagte den Betrieb der W.-GmbH, und das Arbeitsverhältnis des Klägers ging auf die Beklagte über. Bereits am 23.06.2010 hatte der Insolvenzverwalter mit dem Betriebsrat der W.-GmbH einen Inter-essenausgleich mit Namensliste gemäß § 125 Abs. 1 InsO vereinbart. Der Kläger war in der Lis-te der zu kündigenden Mitarbeiter aufgeführt. Nachdem der Insolvenzverwalter mit Schreiben vom 29.06.2010 beim zuständigen Integrations-amt einen Antrag auf Zustimmung zur ordentli-chen Kündigung des Klägers gestellt hatte, er-teilte dieses mit Bescheid vom 29.07.2010 die Zustimmung. Nach ordnungsgemäßer Anhörung von Be-triebsrat und Schwerbehindertenvertretung kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger am 17.08.2010 schriftlich zum 31.03.2011. Der Kläger erhob Kündigungsschutzklage. Die Vorinstanzen gaben dem Kläger Recht. Das BAG folgte der Begründung des Landesarbeitsge-richts und wies die Revision der Beklagten als unbegründet zurück. Die Kündigung sei nach § 85 SGB IX i.V.m. § 134 BGB rechtsunwirksam, weil die Beklagte sie oh-ne die nach § 85 SGB IX erforderliche vorheri-ge Zustimmung des Integrationsamtes ausge-sprochen habe. Die dem Insolvenzverwalter – als damals Antragsbefugtem – erteilte Zustim-mung stelle keine der Beklagten erteilte Zustim-mung i.S.d. § 85 SGB IX dar. Das ergebe sich aus dem Wortlaut des § 87 Abs. 1 Satz 1 SGB IX, wo-nach „der Arbeitgeber“ die Zustimmung beim
  • 13. jurisPR-ArbR 46/2014 zuständigen Integrationsamt schriftlich zu be-antragen habe. Die Entscheidung des Integrati-onsamts, also auch die Zustimmung zur Kündi-gung, sei nach § 88 Abs. 2 Satz 1 SGB IX „dem Arbeitgeber“ und dem schwerbehinderten Men-schen zuzustellen. Die Beklagte als kündigende Arbeitgeberin habe aber weder die Zustimmung zur Kündigung beim Integrationsamt beantragt noch sei ihr von diesem der Zustimmungsbe-scheid zugestellt worden. Nach Auffassung des BAG ändere auch der Übergang des Arbeitsverhältnisses am 01.07.2010 gemäß § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB auf die Beklagte daran nichts. Zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs sei der Insolvenzverwal-ter Antragsteller gewesen. Die am 29.07.2010 erteilte Zustimmung sei aber letztlich ins Leere gegangen, weil sie dem nicht mehr kündigungs-berechtigten Insolvenzverwalter und nicht – wie es § 88 Abs. 2 Satz 1 SGB IX i.V.m. § 85 SGB IX verlange – dem Arbeitgeber erteilt worden war. Das Gericht führte für dieses Ergebnis neben dem Gesetzeswortlaut auch Sinn und Zweck als Argument an. Demnach soll der Insolvenz-verwalter bei der Antragstellung auf den be-absichtigten Betriebsübergang hinweisen, da-mit das Integrationsamt das in seiner Entschei-dung über die Zustimmung zur Kündigung des schwerbehinderten Arbeitnehmers unter Betei-ligung des Betriebserwerbers nach den §§ 1, 12 Abs. 1 Nr. 2 SGB X berücksichtigen kann. Denn im Falle eines Antrags während des Insolvenz-verfahrens unter Hinweis auf einen Interessen-ausgleich mit Namensliste nach § 125 InsO sei das Ermessen des Integrationsamts nach Maß-gabe des § 89 Abs. 3 SGB IX erheblich einge-schränkt, da die Zustimmung hier grundsätz-lich erteilt werden soll. Das Integrationsamt le-ge seiner Entscheidung gerade die nach den §§ 88, 89 SGB IX vom Arbeitgeber mitgeteilten Kündigungsgründe zugrunde. C. Kontext der Entscheidung Das BAG setzt mit der vorliegenden Entschei-dung seine Rechtsprechung zu den Rechtsfol-gen eines Betriebsübergangs fort. Nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB gehen alle im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnis-se und die sich hieraus ergebenden Rechte und Pflichten auf den Betriebserwerber über. Schon früh hatte das BAG entschieden, dass ein neu-er Arbeitgeber so in das Arbeitsverhältnis ein-tritt, wie er es im Zeitpunkt des Betriebsüber-gangs vorfindet (BAG, Urt. v. 22.02.1978 - 5 AZR 800/76). Das gilt für bestehenden besonderen Kündigungsschutz und für Kündigungsverbote mit Erlaubnisvorbehalt, wie bei § 85 SGB IX. Sind Kündigungen durch ein Verbot mit Erlaubnisvor-behalt eingeschränkt, gelten diese Einschrän-kungen auch für den Erwerber (BAG, Urt. v. 11.12.2008 - 2 AZR 395/07). Das Gericht stellt für die Erteilung dieser Erlaub-nis in Form der Zustimmung nach § 85 SGB IX klar, dass auf der Ebene eines im Zeitpunkt des Betriebsübergangs noch laufenden Verwal-tungsverfahrens anschließend eventuell erteilte Zustimmungen von Behörden – vorliegend des Integrationsamts – nicht ohne weiteres dem Be-triebserwerber zugutekommen. Vielmehr hatte das BAG im vorliegenden Fall dem Betriebser-werber das Berufen auf die auf Antrag des Insol-venzverwalters erteilte Zustimmung verwehrt. Der Senat macht in seiner Entscheidung deut-lich, dass Antragsteller und Kündigungsberech-tigter nicht zwingend ein und dieselbe Per-son sein müssen. Nach Auffassung des Ge-richts würde dies vielmehr dem Sinn und Zweck der Insolvenzordnung – die Rettung von Unternehmen(steilen) und eine Befreiung von Schulden des Insolvenzschuldners – entgegen-stehen. Um dem Erwerber einen Neustart zu er-möglichen und im Vorgriff auf ein Erwerberkon-zept den Personalabbau in der Insolvenz zu er-möglichen, gelte es deshalb, die Voraussetzung einer Beteiligung des Erwerbers zu beachten. Der Unternehmenserwerb und die hiermit ein-hergehende Änderung der Rahmenbedingun-gen für die mögliche Kündigung sind für das In-tegrationsamt entscheidungserhebliche Tatsa-chen, die für die Erteilung oder Versagung ei-ner Zustimmung während des laufenden Ver-fahrens bekannt sein müssen. Erst dann kann das Integrationsamt sein Ermessen tatsächlich ausüben und ist nicht schon durch die Soll-Vor-schrift des § 89 Abs. 3 SGB IX (außer in Ausnah-mefällen) zur Erteilung verpflichtet. Ob etwas anderes für ein bereits beendetes Verwaltungsverfahren mit Bescheid der Zustim-mung zur Kündigung des schwerbehinderten Ar-beitnehmers gilt, hat der Senat offengelassen.
  • 14. jurisPR-ArbR 46/2014 D. Auswirkungen für die Praxis Der Insolvenzverwalter sollte im Falle eines be-reits eingeleiteten Antragsverfahrens zur Kündi-gung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers schon vor Abschluss des Veräußerungsvertrags das Integrationsamt informieren und auf ei-ne unverzügliche Beteiligung des Betriebser-werbers hinwirken. Genauso sollten interessier-te Erwerber sich frühzeitig über eventuell lau-fende Kündigungsverfahren schwerbehinderter Arbeitnehmer informieren und mit der Verein-barung eines (zukünftigen) Erwerbs die sofor-tige Anzeige gegenüber dem Integrationsamt mit der Bitte um Beteiligung am Verwaltungs-verfahren aussprechen. Dann kann das Inte-grationsamt den Betriebserwerber am Zustim-mungsverfahren nach den §§ 1, 12 Abs. 1 Nr. 2 SGB X beteiligen und nach erfolgtem Betriebs-übergang den Zustimmungsbescheid dem Be-triebserwerber als kündigungsberechtigten Ar-beitgeber zustellen. So könnte auch eine vom Insolvenzverwalter beantragte Zustimmung für den zwischen Antragstellung und Zustimmung eintretenden Betriebserwerber Wirkung entfal-ten. 5 Kündigungsschutz für Betriebsratsmitglieder Orientierungssatz zur Anmerkung: Die kündigungsschutzrechtlich relevante Mitgliedschaft in einem betriebsverfas-sungsrechtlichen Organ besteht ab dem Tag, an dem die Stimmen vom Wahlvorstand be-triebsöffentlich ausgezählt wurden und fest-steht, dass der Betroffene eine ausreichen-de Stimmenzahl erhalten hat. Anmerkung zu LArbG Hamm, Beschluss vom 23.06.2014, 13 TaBVGa 21/14 von Dr. Martin Wolmerath, RA A. Problemstellung In seiner Entscheidung hatte das LArbG Hamm der Frage nachzugehen, ab welchem Zeitpunkt der besondere Kündigungsschutz von Betriebs-ratsmitgliedern besteht. B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung Streitgegenstand im einstweiligen Verfügungs-verfahren ist das Recht des Antragstellers, den Betrieb zum Zwecke der Wahrnehmung von Be-triebsratsaufgaben zu betreten. Der Antragsteller gehörte dem bei der Antrags-gegnerin eingerichteten Betriebsrat seit 2010 an. Dessen Amtszeit endete am 07.04.2014. Nachdem der Wahlvorstand am 12.03.2014 ein Wahlausschreiben erlassen und dieses am 13.03.2014 an dem Schwarzen Brett des Betriebsrats ausgehängt hatte, fand am 14.05.2014 die Wahl des neuen Betriebsrats statt, wobei es nur einen Wahlvorschlag gab. Die Auszählung der Stimmen erfolgte am Abend desselben Tages in der Kantine des Betriebs. Dort war eine Liste mit den Namen der Wahlbe-werber aufgehängt. Auf dieser Liste wurde hin-ter dem Namen des betreffenden Kandidaten pro abgegebene Stimme ein Strich gesetzt. Der Antragsteller erhielt 124 Stimmen und belegte damit den fünften von neun Plätzen. Eine Auflistung des Wahlergebnisses mit den gewählten Betriebsratsmitgliedern wurde so-dann in der Kantine, etwa zehn Meter entfernt von dem Schwarzen Brett des Betriebsrats aus-gehängt. Tags darauf wurde dem Antragsteller „außeror-dentlich und fristlos“ gekündigt. Zudem wurde ihm ein sofortiges Hausverbot erteilt. Unter dem 19.05.2014 erließ der Wahlvor-stand ein Schreiben wonach er „aufgrund der rechtswidrigen Vorkommnisse wie etwa der rechtswidrigen Wahlbeeinflussungen“ be-schlossen habe, „die Wahl als ungültig zu erklä-ren“. Ebenfalls am 19.05.2014 leitete der Antragstel-ler das vorliegende Verfahren ein, mit dem er den Zutritt zu dem Betrieb begehrt, um Be-triebsratsaufgaben erledigen zu können. Der Antragsteller hält die Kündigung mangels Be-triebsratsbeteiligung für unwirksam. Schließlich sei er am 14.05.2014 in den Betriebsrat gewählt worden. Dem tritt die Antragsgegnerin mit ihrer Auffas-sung entgegen, dass es infolge der fehlerhaften
  • 15. jurisPR-ArbR 46/2014 Bekanntgabe des Wahlergebnisses nicht zu ei-ner Neuwahl des Betriebsrats gekommen sei. In seiner Entscheidung folgt das LArbG Hamm der Ansicht des Antragstellers und spricht ihm das begehrte Zutrittsrecht zu. Der Verfügungsanspruch folge aus § 78 Satz 1 BetrVG, auch wenn diese Vorschrift nicht aus-drücklich einen darauf gerichteten Abwehran-spruch enthalte. Dieser ergebe sich aus dem Zweck der Regelung, die Erfüllung von Betriebs-ratsaufgaben namentlich durch ein Behinde-rungsverbot zu sichern. Im Falle der (außerordentlichen) Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Amtsträgers beste-he während der Dauer der Ungewissheit, ob die Kündigung wirksam ist, grundsätzlich kein Recht des betroffenen Betriebsratsmitglieds auf Zutritt zu dem Betrieb. Insoweit sei von einer (zeitweiligen) Verhinderung i.S.d. § 25 Abs. 1 BetrVG auszugehen. Etwas anderes gelte aus-nahmsweise bei Vorliegen einer offensichtlich unwirksamen Kündigung. Letzteres sei vorlie-gend der Fall. Zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung habe der Antragsteller den beson-deren Kündigungsschutz nach § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG besessen, so dass die Antragsgegne-rin dem Zustimmungserfordernis nach § 103 Be-trVG hätte Rechnung tragen müssen. Schließ-lich bestehe die kündigungsschutzrechtlich re-levante Mitgliedschaft in einem betriebsverfas-sungsrechtlichen Organ bereits ab dem Tag, an dem die Stimmen vom Wahlvorstand be-triebsöffentlich ausgezählt wurden und fest-steht, dass der Betroffene eine ausreichende Stimmenzahl erhalten hat. Das sei am Abend des 14.05.2014 erfolgt. Unschädlich sei es, dass das Wahlergebnis von dem Wahlvorstand (bis heute) nicht in der ge-hörigen Form gemäß den §§ 23 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. 18 Satz 1 und 3 Abs. 4 Satz 1 WO bekannt gemacht worden sei, weil dies nur in der Kan-tine erfolgt ist – nicht aber an dem Schwarzen Brett des Betriebsrats, wo das Wahlausschrei-ben ausgehängt worden war. Ein anderes Ergebnis ergebe sich selbst dann nicht, wenn man entscheidend auf die förmli-che Bekanntmachung nach den Vorschriften der WO abstellen würde. In dieser Konstellation ha-be der Antragsteller als Wahlbewerber den mit einem Betriebsratsmitglied vergleichbaren Son-derkündigungsschutz nach § 15 Abs. 3 Satz 1 KSchG i.V.m. § 103 Abs. 1, Abs. 2 BetrVG gehabt. Wiederum sei eine Zustimmung zur Kündigung erforderlich gewesen. Würde man der Rechtsprechung des Sechsten Senats des BAG folgen, der entgegen der An-sicht des Siebten Senats maßgeblich an die ge-mäß § 29 Abs. 1 BetrVG vorzunehmende Konsti-tuierung des Betriebsrats anknüpft, dann sei am 15.05.2014 noch kein (neuer) Betriebsrat vor-handen gewesen, der um Zustimmung hätte er-sucht werden können. Allerdings hätte es der Antragsgegnerin zur Vermeidung von betriebs-verfassungsrechtlichen Schutzlücken für Man-datsträger oblegen, vor Ausspruch der Kündi-gung in analoger Anwendung des § 103 Abs. 2 BetrVG das Zustimmungsersetzungsverfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen erfolgreich durchzuführen. Nach alledem sei die außerordentliche Kündi-gung vom 15.05.2014 offensichtlich unwirksam, so dass dem Antragsteller das Recht zustehe, den Betrieb zum Zwecke der Erledigung von Be-triebsratsaufgaben zu betreten. Dem stehe nicht entgegen, dass möglicherwei-se die Amtszeit des neu gewählten Betriebsra-tes immer noch nicht begonnen hat, weil das Wahlergebnis nicht in der gehörigen Form ge-mäß den §§ 23 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. 18 Satz 1 und 4 Abs. 4 Satz 1 WO am Schwarzen Brett des Betriebsrats bekannt gegeben wurde. Statt-dessen habe der Wahlvorstand die Betriebsrats-wahl mit Schreiben vom 19.05.2014 für ungül-tig erklärt, ohne eine entsprechende Befugnis zu besitzen. Denn auf der Basis des § 19 BetrVG seien ausschließlich die Gerichte für Arbeitssa-chen dazu berufen, eine erfolgte Betriebsrats-wahl für ungültig zu erklären – wobei angesichts der im Verfahren vage gebliebenen Andeutun-gen keine Anhaltspunkte für eine Nichtigkeit der erfolgten Wahl erkennbar seien. Die geschilderten Pflichtverletzungen des Wahl-vorstands, namentlich der Verstoß gegen die zwingenden Normen zur Bekanntmachung des Wahlergebnisses und auch zur Einberufung der ersten Betriebsratssitzung, könnten nicht da-zu führen, die als Betriebsratsmitglieder ge-wählten und die Wahl angenommen haben-den Arbeitnehmer daran zu hindern, ihr Man-dat wahrzunehmen und eigeninitiativ dafür zu sorgen, dass (endlich) die erforderlichen Schrit-
  • 16. jurisPR-ArbR 46/2014 te zur Konstituierung des Betriebsrates einge-leitet werden. Andernfalls hätte es der Wahl-vorstand durch unterlassene und möglicherwei-se erst durch eine gerichtliche Entscheidung zu erwirkende förmliche Handlungen in der Hand, den Beginn der Amtszeit eines Betriebsrats zu verzögern. Dies sei nicht von 18 Satz 1 WO ge-deckt. Schlussendlich sei es für den Antragsteller als gewähltes Betriebsratsmitglied zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig, umgehend Zutritt zu dem Betrieb zu erhalten, um dort seinen be-triebsverfassungsrechtlichen Aufgaben zeitnah nachkommen zu können. C. Kontext der Entscheidung Die Entscheidung der erkennenden Kammer des LArbG Hamm liegt auf der Linie der Recht-sprechung des BAG, setzt daran an und ent-wickelt sie weiter. Vor allem den in den Be-triebsrat gewählten Wahlbewerbern vermittelt der Beschluss Rechtssicherheit. Den Arbeitge-bern gibt die Entscheidung Rechtsklarheit, da sie nunmehr wissen, was bei einer Betriebsrats-wahl hinsichtlich der in den Betriebsrat gewähl-ten Arbeitnehmer in kündigungsrechtlicher Hin-sicht zu beachten ist, falls eine ordnungsgemä-ße Bekanntmachung des Wahlergebnisses un-terbleibt und/oder die Konstituierung des neu gewählten Betriebsrats nicht erfolgt bzw. noch nicht passiert ist. D. Auswirkungen für die Praxis Der Beschluss des LArbG Hamm verdeutlicht zunächst, wie wichtig eine fundierte Schulung des Wahlvorstands ist. Nur wer über das erfor-derliche Wissen verfügt, der kann sowohl bei der Vorbereitung als auch bei der Durchfüh-rung der Betriebsratswahl Fehler vermeiden so-wie begangene Fehler reparieren. Dass so man-cher Arbeitgeber bisweilen geneigt ist, Fehler des Wahlvorstands zum eigenen Vorteil zu nut-zen, liegt auf der Hand. Das ist verständlich und auch nicht verwerflich, soweit die Grenzlinie des Erlaubten nicht überschritten wird. Insoweit hat das LArbG Hamm die Arbeitgeberin zu Recht in ihre Schranken verwiesen. Sträflich ist es ohne Wenn und Aber, wenn der Wahlvorstand seine besondere Stellung miss-braucht und auf die Betriebsratswahl bzw. den neu gewähltem Betriebsrat und seine Arbeit Einfluss zu nehmen versucht oder gar nimmt. In-soweit stellt das LArbG Hamm unmissverständ-lich klar: Dem Wahlvorstand steht es nicht zu, eine Betriebsratswahl für ungültig zu erklären. Auch kann er die in den Betriebsrat gewähl-ten Arbeitnehmer nicht daran hindern, ihren be-triebsverfassungsrechtlichen Pflichten nachzu-kommen und bei Bedarf die Konstituierung des Gremiums in die Wege zu leiten. Die Entschei-dung über die Wirksamkeit oder Unwirksamkeit einer Betriebsratswahl treffen allein die Gerich-te für Arbeitssachen. Das ist gut so und muss auch so bleiben. 6 Berücksichtigung eines unechten Hilfsantrags auf Weiterbeschäftigung beim Streitwert Orientierungssatz: Ist über den Antrag auf vorläufige Weiter-beschäftigung weder von den Vorinstanzen noch vom BAG entschieden worden, kommt eine Berücksichtigung dieses Hilfsantrags bei der Streitwertfestsetzung nicht in Be-tracht. Anmerkung zu BAG, Beschluss vom 13.08.2014, 2 AZR 871/12 von Werner Ziemann, Vors. RiLArbG A. Problemstellung Auf der Basis der ersten Fassung eines einheitli-chen Streitwertkatalogs für die Arbeitsgerichts-barkeit aus dem Jahre 2013 hat die Streitwert-kommission eine überarbeitete Fassung des Streitwertkatalogs (Streitwertkatalog 2014) er-stellt. Dieser sieht unter Nr. 12 und 24 für den Anspruch auf (Weiter-)Beschäftigung als Streit-wert ein Monatsentgelt vor. Für den tatsächli-chen Ansatz eines Monatsentgelts müssen je-doch Voraussetzungen gegeben sein, die nicht immer gegeben sind, wie das BAG aufzeigt. B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung Die Parteien stritten in der dritten Instanz über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung und über den Antrag auf Weiterbeschäftigung. Das Verfahren wurde mit einem Prozessver-gleich erledigt. Das BAG setzte für die Erledi-
  • 17. jurisPR-ArbR 46/2014 gung der Bestandsschutzstreitigkeit das Viertel-jahresentgelt nach § 42 Abs. 2 Satz 1 GKG an. Der Weiterbeschäftigungsantrag blieb ohne An-satz, während für den im Vergleich beigelegten Streit über den Anspruch auf ein qualifiziertes Zeugnis ein Monatsentgelt festgesetzt wurde. Der Antrag des Klägers, ihn bis zum rechtskräf-tigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits zu unveränderten Arbeitsbedingungen tatsächlich weiterzubeschäftigen, führte zu keiner Erhö-hung des Streitwerts. Der Antrag wurde als un-echter Hilfsantrag ausgelegt. Nach § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG werde ein hilfsweise geltend ge-machter Anspruch mit dem Hauptanspruch nur zusammengerechnet, soweit eine Entscheidung über ihn ergeht. Dies gelte auch für einen un-echten Hilfsantrag. Der für die Gerichtsgebüh-ren maßgebende Wert gelte insoweit nach § 32 Abs. 1 RVG auch für die Rechtsanwaltsgebüh-ren. Im Streitfall war über den Antrag auf Weiterbe-schäftigung weder von den Vorinstanzen noch vom BAG entschieden worden. Er würde sich in der Revisionsinstanz zudem mit einer Beendi-gung des Kündigungsrechtsstreits objektiv erle-digen und beim BAG – weil durch diese Beendi-gung auflösend bedingt – schon deshalb nicht zur Entscheidung anfallen. Der Hilfsantrag erhöhe im Streitfall auch den Wert des gerichtlichen Vergleichs nicht. Nach § 45 Abs. 4 GKG gelte zwar bei einer Erledi-gung des Rechtsstreits durch Vergleich Absatz 1 Satz 2 der Bestimmung entsprechend. Durch den Prozessvergleich sei über den Hilfsantrag auf Weiterbeschäftigung aber selbst sinnge-mäß nicht „entschieden“ worden. Das Landes-arbeitsgericht hatte zuvor über ihn nicht ent-schieden, und die Parteien haben sich in dieser Situation auf eine Beendigung ihres Arbeitsver-hältnisses aufgrund der Kündigung geeinigt. Ob sich dann, wenn das Landesarbeitsgericht über den Hilfsantrag positiv entschieden hätte, aus § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 GKG etwas an-deres ergäbe, hat das BAG dahinstehen lassen. Mit dem festgesetzten Mehrwert für den Ver-gleich in Höhe eines Monatsentgelts wurde der Streit der Parteien über den Inhalt eines dem Kläger zu erteilenden Arbeitszeugnisses berück-sichtigt. C. Kontext der Entscheidung Nach § 39 Abs. 1 GKG werden in demselben Ver-fahren und in demselben Rechtszug die Werte mehrerer Streitgegenstände zusammengerech-net, soweit nichts anderes bestimmt ist. Etwas anderes ist in § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG für Hilfs-ansprüche geregelt. Danach wird ein hilfswei-se geltend gemachter Anspruch mit dem Haupt-anspruch nur zusammengerechnet, soweit eine Entscheidung über ihn ergeht. Betreffen die An-sprüche denselben Gegenstand, ist nach § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG nur der Wert des höheren An-spruchs maßgebend. Für den Weiterbeschäftigungsantrag geht das BAG regelmäßig davon aus, dass dieser mit ei-nem Hilfsantrag geltend gemacht wird, auch wenn hiervon im Antrag nicht ausdrücklich die Rede ist (BAG, Beschl. v. 30.08.2011 - 2 AZR 668/10, m. Anm. Ziemann, jurisPR-ArbR 20/2013 Anm. 2). Von der Unbedingtheit des Antrags geht das BAG dagegen nur aus, wenn der Wille, einen unbedingten Antrag zu stel-len, ausdrücklich erklärt worden ist. Folgt man dieser Auslegungsmaxime, dann werden sämtli-che fortbestandsabhängigen Streitgegenstände mit Hilfsanträgen geltend gemacht, z.B. Folge-kündigungen und Verzugsvergütung (TZA/Zie-mann, Streitwert und Kosten 1 A 15). In den ge-nannten Fällen entspricht es dem Interesse der klagenden Partei an einem kostenschonenden Vorgehen. Auch bei anwaltlicher Vertretung der klagenden Partei kann ohne gegenteilige An-haltspunkte unterstellt werden, dass die kosten-schonendsten Anträge gemeint sind (näher Zie-mann, jurisPR-ArbR 20/2013 Anm. 2). Mit dem Auslegungsergebnis „uneigentlicher“ oder „unechter“ Hilfsantrag steht jedoch noch nicht fest, dass keine Streitwertaddition erfolgt. Denn seit langer Zeit ist umstritten, ob nur der echte oder auch der unechte Hilfsantrag der Bemessungsnorm des § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG unterfällt. Der Zweite Senat geht erneut oh-ne weitere Begründung davon aus, dass § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG mit der Formulierung „hilfs-weise geltend gemachter Anspruch“ auch den unechten Hilfsantrag meint. Dies entspricht der wohl h.M. (vgl. nur LArbG Hamm v. 11.04.2007 - 6 Ta 40/07; LArbG Düsseldorf v. 09.12.2002 - 17 Ta 516/02; LArbG Düsseldorf, Beschl. v. 08.04.2003 - 17 Ta 139/03; LArbG Düsseldorf, Beschl. v. 27.07.2000 - 7 Ta 249/00; LArbG Mainz, Beschl. v. 01.07.2004 - 5 Ta 104/04).
  • 18. jurisPR-ArbR 46/2014 Unter den in § 19 Abs. 1 GKG a.F. = § 45 Abs. 1 GKG n.F. genannten „hilfsweise geltend gemachten Anspruch“ fällt danach auch ein un-eigentlicher Hilfsantrag (LArbG Frankfurt, Be-schl. v. 26.06.1997 - 6 Ta 25/97; LArbG Frankfurt v. 22.06.1995 - 6 Ta 404/95; LArbG Frankfurt v. 24.07.1995 - 6 Ta 266/95; LArbG Frankfurt v. 18.08.1995 - 6 Ta 346/95; LArbG Düsseldorf, Be-schl. v. 27.07.2000 - 7 Ta 249/00; LArbG Düssel-dorf, Beschl. v. 08.11.1990 - 7 Ta 356/90; LArbG Düsseldorf, Beschl. v. 13.07.1989 - 7 Ta 165/89; LArbG Düsseldorf, Beschl. v. 13.07.1989 - 7 Ta 219/89; LArbG Mainz, Beschl. v. 21.06.1990 - 9 Ta 104/90; LArbG Stuttgart, Beschl. v. 10.09.1987 - 3 Ta 114/87; a.A. LArbG Han-nover, Beschl. v. 17.04.2001 - 3 Ta 118/01; LArbG München, Beschl. v. 30.10.1990 - 5 Ta 135/90; LArbG Köln, Beschl. v. 31.07.1995 - 13 Ta 114/95; LArbG Köln, Beschl. v. 04.07.1995 - 10 Ta 80/95; LArbG Mainz, Beschl. v. 16.04.1992 - 10 Ta 76/92; LArbG Hamburg, Beschl. v. 26.03.1992 - 4 Ta 20/91; für den gleichgela-gerten Fall der Hilfsaufrechnung höchstrichter-lich geklärt, vgl. BGH, Beschl. v. 25.09.2008 - VII ZB 99/07). Für eine Differenzierung zwi-schen „echten“ und „uneigentlichen“ Hilfsan-trägen soll nach wiederholter Befassung des Ge-setzgebers mit dieser Frage kein Raum mehr sein. Ob ein Hilfsantrag für den Fall des Ob-siegens oder Unterliegens gestellt wird, ände-re nichts an dem Charakter als Hilfsantrag; ent-scheidend für die Anwendung von § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG sei nicht das wirtschaftliche (End- )Ziel der klagenden Partei, sondern die Abhän-gigkeit einer gerichtlichen Entscheidung von ei-ner innerprozessualen Bedingung (Creutzfeldt, NZA 1996, 956, m.w.N.). Ebenfalls umstritten ist, ob über § 32 RVG die Einordnung auch des unechten Hilfsan-trags unter § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG verbind-lich ist für die anwaltliche Vergütung. Inso-weit wird von der h.M. angenommen, dass für die Rechtsanwaltsgebühren nichts Abweichen-des gilt (TZA/Ziemann, Streitwert und Kosten, 1 A 408, m.w.N.). Dem schließt sich der Zweite Se-nat ohne nähere Begründung an. Das Ergebnis überzeugt. In § 32 RVG wird nicht danach diffe-renziert, ob die Rechtsverfolgung oder Rechts-verteidigung im Hinblick auf eine Eventualkla-gehäufung mit besonderen anwaltlichen und/ oder richterlichen Vorbereitungsarbeiten ver-bunden ist (BGH, Beschl. v. 25.09.2008 - VII ZB 99/07, betr. Hilfsaufrechnung; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 20.03.2007 - 7 W 1/07; OLG Hamm, Beschl. v. 02.01.2007 - 19 U 48/06; LArbG Stutt-gart, Beschl. v. 10.11.2003 - 3 Ta 153/03; LArbG Berlin, Beschl. v. 03.03.2004 - 17 Ta (Kost) 6138/03; kritisch zum anwaltlichen Arbeitsauf-wand Zirnbauer, FA 2011, 130; LArbG Köln, Be-schl. v. 21.06.2002 - 7 Ta 59/02). Die vergleichsweise Beilegung des Rechts-streits rechtfertigt keine streitwertmäßige Be-rücksichtigung des unechten Hilfsantrags auf Weiterbeschäftigung. Ein unechter Hilfsantrag ist entsprechend § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG (§ 45 Abs. 4 GKG) streitwertmäßig nicht zu berück-sichtigen, wenn er nicht Gegenstand eines Ver-gleichs wird. Eine Entscheidung über den un-echten Hilfsantrag darf bei einem Urteil nur er-folgen, wenn der Eventualfall eintritt, wenn al-so dem Hauptantrag stattgegeben wird. Erst für diesen Fall stellt die klagende Partei ihren Hilfs-anspruch im Rechtsstreit zur Entscheidung. Ent-sprechendes gilt nach § 45 Abs. 4 GKG bei ei-ner vergleichsweisen Beendigung des Verfah-rens. Auch in diesem Fall muss der Eventual-fall eintreten, also eine positive Regelung zum Hauptantrag, damit eine Regelung zum Fortbe-stand des Arbeitsverhältnisses. Dies gilt ohne Rücksicht darauf, ob der Vergleich – wie regel-mäßig – zum Ausgleich sämtlicher geltend ge-machter Ansprüche bestimmt ist und insoweit mittelbar auch den Hilfsanspruch umfasst und ob sich Gericht und Parteien (vorsorglich) be-reits mit diesem Hilfsantrag befasst haben. Die Gegenansicht übergeht die für den Gegenstand des Rechtsstreits, an den sich die Bemessung des Gegenstandswertes anschließt, vom Kläger zulässigerweise gesetzte Bedingung (vgl. OLG Köln, Beschl. v. 22.02.1996 - 18 W 57/95). Die Weiterbeschäftigungspflicht wurde im Streitfall im Vergleich nicht geregelt. Die Parteien einig-ten sich auf eine Beendigung zum Kündigungs-termin. Damit ist die von der klagenden Par-tei gesetzte Bedingung für den Hilfsantrag bzw. für die vergleichsweise Regelung des Hilfsan-spruchs, nämlich die Klärung der Unwirksam-keit der Kündigung, nicht eingetreten. Nicht ab-schließend geklärt ist insoweit, ob die Erledi-gung einer Bestandsschutzstreitigkeit regelmä-ßig einer Zusammenrechnung entgegensteht oder ob in der Einigung über die Beendigung zugleich ein Verzicht auf eine Weiterbeschäfti-gung gesehen werden und deshalb eine Zusam-menrechnung bejaht werden kann. Liegen die Voraussetzungen der Zusammen-rechnung vor, betrifft diese den Streitwert des
  • 19. jurisPR-ArbR 46/2014 Verfahrens und des Vergleichs (TZA/Ziemann, Streitwert und Kosten, 1 A 418), während der Zweite Senat wohl nur von einer Erhöhung des Vergleichswerts ausgeht. Mit dem Ansatz für den Vergleichsmehrwert ori-entiert sich der Zweite Senat an Nr. 22.1 des Streitwertkatalogs 2014; der Inhalt des qualifi-zierten Zeugnisses war zwischen den Parteien streitig. D. Auswirkungen für die Praxis Es muss damit gerechnet werden, dass die regelmäßige Auslegung des Weiterbeschäf-tigungsantrags (und ggf. weiterer fortbe-standsabhängiger Anträge) als Hilfsantrag von der Streitwertrechtsprechung aufgegriffen wird. Dies führte zu erheblichen Gebühreneinbußen, die nur durch ein Ausweichen in getrennte Kla-gen zu vermeiden wären. Es muss bezweifelt werden, ob die über § 32 RVG angeordnete An-wendung von § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG für die an-waltliche Vergütung der vom Anwalt zu leisten-den Tätigkeit gerecht wird. Der Verfasser hat an anderer Stelle folgende Fassung von § 32 RVG angeregt: „Wird der für die Gerichtsgebühren maßgeben-de Wert gerichtlich festgesetzt, ist die Festset-zung auch für die Gebühren des Rechtsanwalts maßgebend. Ein hilfsweise geltend gemach-ter Anspruch wird jedoch mit dem Hauptan-spruch zusammengerechnet. Betreffen Haupt-und Hilfsanspruch denselben Gegenstand, ist nur der Wert des höheren Anspruchs maßge-bend.“