Lehren kann man nur, was man selbst kann. Aber wie geht Weblernen? Und welche Bedingungen braucht man in der Schule, damit man als Lehrer damit unterrichten kann?
3. Was brauchen wir zum Unterrichten
mit Computer und Internet?
ein angemessenes Verständnis davon, was
Computer & Internet für Gesellschaft & Kultur
tatsächlich bedeuten;
4. Informations- und Kommunikationsmedien
formen die Kultur - das Betriebssystem -, mit
dem die Gesellschaft „läuft“; (sozialer Verkehr)
setzen bei den Mitgliedern der Gesellschaft
entsprechende Kompetenz (Literacy) voraus:
technische K., soziale K., kulturelle K.
Diese Kompetenz ist nur im Gebrauch der
Medien zu erwerben (Sozialisation)
5. Die 4 K
Kreativität
Kritisches
Denken
Kommunikation
Kollaboration
6. Was brauchen wir zum Unterrichten
mit Computer und Internet?
ein angemessenes Verständnis davon, was
Computer & Internet für Gesellschaft & Kultur
tatsächlich bedeuten;
ein angemessenes Verständnis davon, was
Computer & Internet daher für Wissen & Lernen
bedeuten;
7. Wissen
+ Kontext Sinn
+ Bedeutung
V er s t ä n d n i s
Daten
Informa-tionen
Wissen
17. Was brauchen wir zum Unterrichten
mit Computer und Internet?
ein angemessenes Verständnis davon, was
Computer & Internet für Gesellschaft & Kultur
tatsächlich bedeuten;
ein angemessenes Verständnis davon, was
Computer & Internet daher für Wissen & Lernen
bedeuten;
ein angemessenes Verständnis davon, was
Computer & Internet für das Unterrichten
bedeuten
18. Voraussetzungen zum Unterrichten
selbst mit Computer & Internet (PLN)
lernen können
Können im Sinne von „fähig sein“ (ability)
Können im Sinne von „die Gelegenheit haben“
(opportunity)
mit Computer & Internet lehren dürfen
ohne administrative Einschränkungen
Experimentieren und (eigene) Konzepte
erproben dürfen
(Arbeits-)Zeit dafür haben
für die eigene (zweite) Mediensozialisation
zum Erfinden und Auswerten neuer Unterrichtspraxis
zur Kollaboration mit Kolleg_innen
19. Lernen zu lehren im Internetzeitalter
Foto: Barrett Lyon, The Opte Project, Nov 23, 2003
Hinweis der Redaktion
Zum Titelfoto:
Das ist eine Repräsentation der an einem bestimmten Tag im Jahre 2003 durchgeführten Kommunikationen im web. Es ist ein Abbild des www an diesem Tag.
Sie lachen. Zurecht. Mit diesem Gerät kann man nicht Fahrrad fahren lernen, obwohl es ein Fahrrad ist. Fahrrad ist hier auf eine Spezialfunktion reduziert.
Aber wäre es für pädagogische Zwecke nicht doch sinnvoll, erst einmal im geschützten Raum und ohne umzufallen die Bewegungsablauf AUF dem Fahrrad zu lernen?
Es ist nicht sinnvoll. Denn was heißt Fahrradfahren ?
Es erschöpft sich ja überhaupt nicht in der Bewegung AUF dem Gerät. Man muss das Gleichgewicht halten lernen, das geht nur beim Fahren. Und es geht eher um die Bewegung MIT dem Gerät als AUF dem Gerät.
Und weiter noch, man muss sich in den Verkehr stürzen. Dazu muss man die Regeln kennen, und man muss üben, automatisch richtig zu reagieren, wenn ein Auto von der Seite kommt. Es ist doch eine wirklich komplexe Angelegenheit. Und als fahrradfahrender Verkehrsteilnehmer ist man mit diesem Gerät eben Teil eines sozialen Systems.
Entfernt ähnlich verhält es sich mit den sogenannten „Neuen“ Medien. Wenn wir das „Medienfahren“ auf die Bedienung der Geräte reduzieren oder auf Spezialfunktionen einzelner Tools. So wie ein Fahrrad mit Rädern Zugang zum Straßenverkehr gewährt, ist ein Computer ein Zugangsgerät zum gesellschaftlichen Verkehr, zur Kultur.
Wenn wir hier also fragen … „Was brauchen wir …“,
Dann heißt die Antwort als erstes:
„Ein angemessenes …“
Wir haben es mit einem ganzen System von Informations- und Kommunikationsmedien zu tun. Nicht mit konkreten Einzelmedien (einem Lehrbuch für Biologie etwa) und auch nicht mit einem Sinn-Medium wie Geld für das System Wirtschaft etwa.
Das jeweils historisch aktuelle System der Informations- und Kommunikationsmedien
…
Wenn wir definieren wollen, was die Literacy des digitalen Zeitalters ausmacht, dann bietet m. E. Andreas Schleicher mit seinen 4K die allgemeinste und zugleich deutlichste Antwort, die viele überraschen wird, denen Schleicher bisher nur als PISA-Papst vorgestellt wurde:
Kreativität – gemeint ist nicht, ein schönes Bild im Kunstunterricht malen zu können oder den Garten zu gestalten, gemeint ist mit diesem Begriff ganz allgemein „Problemlösendes Denken“. Lösungen erfinden für tatsächliche Probleme. Einen neuen effektiveren Prozess für ein betriebswirtschaftliches Problem zu erfinden – das ist auch Kreativität. Oder eine bisher unbekannte befriedigende Lösung für die Entsorgung der Fukushima-Brennstäbe … oder eben auch eine neue Art, mit der Trompete einen D7-Akkord zu spielen.
Nur darauf trainiert zu werden, bekannte Antworten oder bekannte Lösungswege auf bekannte Probleme in einem Test widergeben zu können führt wahrscheinlich nicht zu diesen 4 K.
Wenn das Betriebssystem der Gesellschaft wechselt, dann müssen wir auch darüber nachdenken, welches Verständnis von Wissen und Lernen angemessen ist
Im Zusammenhang mit dem Medienwandel haben Systemtheorie und Informatik eine neue Vorstellung von Wissen erarbeitet:
Wissen sind keineswegs die „Fakten“, denen man eine „Meinung“ gegenüber stellen kann. Es ist viel komplizierter:
Schon pure Daten sind behaftet mit Meinungspartikeln – also Vorannahmen, unter denen sie ausgewählt werden. Und zu Informationen werden sie erst durch neue Daten, durch die Einbettung in Kontext. Wissen wird erst, wenn noch mehr Kontext und Bedeutung dazu kommt.
Damit Wissen entsteht muss gelernt werden. Aber was ist Lernen, wenn Wissen erst durch die Hinzufügung von Bedeutung zu Informationen gebildet wird? Es kann sich nicht erschöpfen in der Vorstellung, dass Informationen „behalten“ werden.
Aber ist denn Lernen heute etwas anderes als früher? Funktioniert Lernen nicht immer gleich?
Ja natürlich: Auf einer ganz allgemeinen Ebene können wir die Faktoren nennen, die unabdingbar sind, damit Lernen funktioniert:
Dies Modell geht zurück auf Vygotskij: Zum Lernen braucht es Verinnerlichung, Veräußerlichung und Dialog.
Die Schule im Industriezeitalter hat sich vor allem auf den Moment des Verinnerlichens konzentriert. Und noch bis heute glauben wir im Unterricht, dass die Mitteilung von Informationen dafür genügt. Für einfache Sachverhalte mag das gelten. Aber man Gedanken nicht lesen. Auch die eigenen kaum.
Aber für komplexere Dinge kann ohne Veräußerlichung auch keine Verinnerlichung stattfinden: Veräußerlichung heißt, in einem Produkt das eigene Verständnis einer Sache zu fixieren. Wenn ich einen Gedanken ausspreche, habe ich schon so ein Produkt. Dann merke ich, was ich denken kann, oder was ich nicht verstanden habe. Wenn ich ihn aufschreiben muss, kann ich schon einen komplizierteren Gedanken Dinge fassen. Manche Dinge sind so komplex, dass ich sie erst verstehe, wenn ich sie in einer Grafik visualisiere. Erst seit die Menschheit Schrift erfunden hat, kann sie z.B. abstrakt denken.
Diese Exteriorisierungen werden immer wichtiger, je komplexer meine Gedanken sein müssen. Und sie sind natürlich außerdem die Voraussetzung für den dritten Aspekt des Lernens: der Kommunikation.
Dies Modell ist natürlich sehr einfach visualisiert, denn das Lernen funktioniert nicht durch einen einzigen solchen Kreislauf, und es gibt auch keine Reihenfolge. Es ist natürlich die Realität viel chaotischer. Ein ständiger Wechsel, ein Hin- und Her zwischen den Elementen.
Im Zeitalter des www sieht meine Lernumgebung anders aus und funktioniert anders als vorher, muss aber die drei Aspekte: Verinnerlichen, Veräußerlichen, Dialog enthalten. Tut es auch, aber eben anders als vorher.
Das Internet hat uns befreit von den formalen Autoritäten, die uns den Zugang zu Informationen geregelt haben: Vom Lehrbuch-Text mit dem Verlags und KMK-Zertifikat, von dem, was uns die Redaktion einer Tageszeitung an Infos ausgewählt und dargestellt hat, von dem was befugte Professoren in einen Handbuch-Artikel formuliert haben oder eben nicht.
Aber mit der Freiheit, an alle Informationen ganz schnell heranzukommen und nicht mehr bevormundet zu werden, besteht auch der Zwang, selbst zu beurteilen, was ich für richtig halten soll. Kritisches Denkvermögen also. Das heißt aber nicht so sehr, dass ich dem Wikipedia-Artikel nicht trauen darf, weil er doch nicht von einem Professor mit amtlicher Befugnis geschrieben wurde, und dann doch lieber zum gedruckten Buch zu greifen. Dann hätte ich mich wieder entmündigt und unter die Amtsautorität gestellt. Es heißt stattdessen, dass ich mir meine eigenen Auswahlkriterien und meine Filter, mit denen ich aus dem unendlichen Meer der Informationen die relevanten herausfischen muss, selbst herstellen muss.
Wie das geht, muss ich lernen. Und es geht unter digitalen Bedingungen eben ganz anders als unter den Bedingungen einer gedruckten Bibliothek.
2. Muss ich mit den Informationen, die ich sammle, etwas tun. Ich muss sie bearbeiten und mit eigener Bedeutung versehen neu kombinieren. Ich muss sie speichern und die Speicher verwalten, denn im Kopf kann ich das alles nicht behalten.
Als Beispiel für ein Tool, das mir dabei hilft, Informationen aus dem Netz zu verarbeiten will ich kurz ein Social Bookmarking System vorstellen: Diigo
Sammeln, speichern, wiederfinden:
mit einem Klick alle Texte, die mir im Netz begegnen und die ich wichtig finde. Ich sammle sie unter verschiedenen Stichworten, die mir wichtig sind. Das ist links abgebildet in den tags. Da finde ich sie auch wieder. Ich kann mich erinnern, dass in irgendeinem text mal ein Wissenschaftler der Idee, es gäbe Lerntypen widersprochen hat, habe aber vergessen, wo der Text erschien, wie der Titel ist, und wer der Wissenschaftler hieß: macht gar nix. Wenn ich ihn brauche, weil ich darauf verweisen möchte mit einem nachprüfbaren Zitat, dann finde ich ihn unter dem tag lerntypen und fertig.
Markieren und Notizen drankleben:
Und das Ganze eben auch für andere, die sich für dieselben tags interessieren, oder für Gruppen von Lernenden zum selben Thema: Meine bearbeiteten Texte sind öffentlich. Man kann mich und meine Sammlung abonnieren. (Dann bin ich für andere ein Filter, den sie sich ausgesucht haben, weil sie mir vertrauen.)
Und ich habe für eine Gruppe von Lehrern und Schülern zum Thema Postwachstumsgesellschaft eine Gruppe aufgemacht, in der auch die anderen Gruppenmitglieder zum Thema ihren Kram reinstellen können.
Ich muss sagen: ich habe noch nie so viel und intensiv gelernt wie mit diesem tool.
Meine Gedanken in ein Produkt zu bekommen, das ich mir dann selbst oder anderen vor Augen (oder Ohren) halten kann, um sie überhaupt selbst zu sehen oder anderen zu zeigen.
Dass das digital viel mehr Möglichkeiten ergibt, ist offenkundig. Ich kann z.B. nicht gut zeichnen. Ich mache meine Grafiken also mit verschiedenen tools, die kriege ich schon in word und ppt und prezi. Ich schreibe gerne und visualiere die Gedanken in meinen Texten. Beim Verwandeln von Textverständnis in Grafik sehe ich gedankliche Probleme, die noch ungelöst sind. Manche Dinge kann man auch mit Fotos lernen, die man im Netz findet und erläutert.
Nicht nur Schüler, sondern alle Menschen lernen, indem sie Informationen, die in einer bestimmten Form angeboten sind, in andere Formen verwandeln.
Das kann ich alles offline tun. Ich kann ja auch offline meine nur von mir gefundenen Informationen auf meinem Desktop bookmarken.
Aber dann habe ich nur mit meinem Kopf gearbeitet, und die Köpfe anderer nicht genutzt. Ich könnte natürlich jetzt auf Mails von Freunden warten, die mir einen Link oder ein PDF im Attachment schicken …
Aber das ist viel zu umständlich.
Stattdessen kann ich mir ein Netz aufbauen, in dem ich von anderen die Dinge kriege, die sie gefunden haben, und die ich brauchen kann, ohne dass sie sie mir ausdrücklich persönlich vorbeibringen (schicken müssen.) Das ist dann, was wir nennen „Die Informationen muss man nicht finden, die finden mich …“
Das geht viel schneller und effektiver. Also lege ich alles, was ich (für mich) wichtiges finde gleich wieder in meinen Netzwerken ab. Das kostet nicht mehr Zeit als offline, wenn ich gleich in interaktiven online tools arbeite.
Und alle, die in meinen Netzen sind, picken sich raus, was sie davon gebrauchen können, und ich picke raus, was ich von ihnen gebrauchen kann aus meinen Twitternetz, Facebooknetz, G+-Netz etc..
Ich kann aber auch gezielter und mit einigen Personen ausdrücklich zusammenarbeiten. Das ist z.B. in Gruppen zu bestimmten Themen, oder auch nur mit einem einzigen Text, an dem ausgesuchte Leute gemeinsam schrauben.
Als Beispiel zeige ich, wie man mit einem Blog einen Projektunterricht machen kann:
Alle können alles Material sehen und bearbeiten. Alle können zu allem etwas sagen und das was sie sagen, kann wieder weiter kommentiert werden.
Und wenn das Blog dann auch noch komplett öffentlich läuft, können auch Experten von außerhalb der Lerngruppe dazu etwas beisteuern. Wir haben dann den Klassenraum nach außen in die Welt hinein geöffnet.
Und um ihren Befürchtungen gleich zuvor zu kommen: Es passiert fast nie, dass etwas negatives wie Bullying oder ein rassistischer Kommentar dazu kommt. Und wenn, dann kann man gleich daran lernen, wie man mit soetwas umgehen kann.
Auf diesem Blog habe ich mit einem Lehrer zusammen im normalen Politikunterricht – also in den Stunden, die im Stundenplan waren, keine Projektwoche – durchgeführt zum Thema: brauchen wir eine andere Wirtschaftsordnung, die nicht auf Wachstum beruht?
Auf dem Blog liegt eine große Menge an Material, aus dem die Schüler je nach Interesse auswählen können.
Sie bearbeiten das Material in ihren diigo-Gruppen, je nach individueller Fragestellung.
Sie schreiben zum Material Kommentare.
Sie laden ihre eigenen Produkte hoch: Texte, Videos, Fotos, Mischformen etc.
Und dann diskutieren sie wieder über ihre Produkte.
Das Ganze ist keineswegs dauernd nur online. In den Präsenzzeiten läuft die konzentrierte Diskussion und da gibt es die Anleitung und Hilfestellung (Coaching) ebenso wie Moderation und Herausforderung durch den Lehrer.
Am Ende ist das Blog gleichzeitig eine Dokumentation der Arbeit aller Schüler zusammen. Die kann man auch an einem Elternabend präsentieren.
Die meisten Schüler finden es anregend öffentlich zu schreiben und sind durch Kommentare von außerschulischen Erwachsenen motiviert, sich tiefer in die Arbeit zu begeben.
Im Dezember kommt eine Lehrerhandreichung heraus, die beschreibt, wie man damit arbeiten kann.
Mit dem Web lernen, kann man nur, indem man es tut. Dabei macht man die entscheidenden Erfahrungen. Und damit man nicht vor die Wand fährt oder überfahren wird, braucht man Leute, die wissen wie es geht und die einen dabei unterstützen .
Das sind beim Fahrradfahren-Lernen die Eltern oder Verkehrspolizisten.
Beim Weblernen müssen es die Lehrer sein.
Also müssen die Lehrer selbst weblernen können.