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Personalmarketing
mit gesundem
Menschenverstand
Jörg Buckmann
18 charmante «Denkzettel»
für mehr Arbeitgeber-Attraktivität
Jörg Buckmann
Personalmarketing
mit ­gesundem
Menschenverstand
18 charmante «Denkzettel»
für mehr
Arbeitgeber-Attraktivität
Jörg Buckmann
Nach über 20 Jahren in verschiedenen HR-Funktionen hängte Jörg Buckmann 2015
seinen Job als Personalchef der Verkehrsbetriebe Zürich an den berühmten Nagel.
Seither widmet er sich dem Thema, für welches er über die Jahre viel Leidenschaft
entwickelt hat: Er unterstützt Firmen und Behörden, die sich auf dem Arbeitsmarkt
mehr Gehör verschaffen wollen. Er tut dies jenseits des üblichen Beratergehabes:
lustvoll, engagiert und immer mit einer guten Portion Humor. Er nimmt nicht immer
alles bierernst – sich selbst eingeschlossen. Buckmann ist fasziniert von einfach guten
Lösungen und schwärmt von Unternehmen, die eine Portion Frechmut mitbringen,
also die Gabe und den Willen, neue Wege zu gehen, etwas auszuprobieren und
einfach mal zu tun. Ausserdem ist er in seinem Themengebiet ein gefragter Speaker,
führt Workshops durch und schreibt Bücher.
www.buckmanngewinnt.ch
Natali Bug
Alle Illustrationen in diesem Buch sind von Natali Bug. Die Künstlerin ist ein kreativer
Wirbelwind mit einem breiten Repertoire: Sie malt, zeichnet und illustriert. Sie
realisiert als Creative Director Projekte für Firmen in der ganzen Welt. Darüber hinaus
unterrichtet sie, arbeitet als Innendesignerin, Journalistin und Speakerin. Natali Bug
lebt mit ihrem Mann in Kiew.
www.behance.net/NataBug
Jörg Buckmann
Personalmarketing mit gesundem Menschenverstand.
18 charmante «Denkzettel» für mehr Arbeitgeber-Attraktivität
1. Auflage 2018
ISBN 978-3-286-11748-8 (ePDF)
Das Werk erscheint als Buchausgabe unter der ISBN 978-3-286-50565-0.
©	Verlag SKV AG, Zürich
	www.verlagskv.ch
Alle Rechte vorbehalten.
Ohne Genehmigung des Verlags ist es nicht gestattet,
das Buch oder Teile daraus in irgendeiner Form zu reproduzieren.
Projektleitung: Kirsten Rotert
Umschlagbild: Natali Bug
Haben Sie Fragen, Anregungen oder Rückmeldungen?
Wir nehmen diese gerne per E-Mail an feedback@verlagskv.ch entgegen.
Inhaltsverzeichnis
5
Inhaltsverzeichnis
Warum ich dieses Buch geschrieben habe 		 6
  1  Der schönste Job der Welt  		 27
  2  Zum Lachen 		 39
  3  Die goldene Regel im Personalmarketing 		 53
  4  Regeln entrümpeln 		 65
  5  HR heisst verkaufen 		 77
  6  Anforderungsprofile: «Down Size me» 		 87
  7  HR als Créateur des Idées 		 99
  8  Mehr Textcharme 		 113
  9  Stopp dem Lohnpoker 		 129
10 So richtig auftrumpfen:
  De Tomaso Pantera schlägt Simca 		 141
11  Rauchen heisst leben 		 149
12  Geschichten erzählen 		 157
13 Hereinspaziert, hereinspaziert!
  Sehen, erleben, staunen, bewerben! 		 167
14 Zurück in die Zukunft: Wie das Mitarbeiter­gespräch
  zum Bewerbermagnet wird 		 181
15  Vom Vorstellungs­­gespräch zum Gesprächserlebnis 		 199
16  Ein Arbeitgeber ganz nach meinem Geschmack 		 211
17  Mitarbeitende als Botschafter 		 223
18  Au revoir, oder: Man sieht sich immer zweimal 		 235
Bildquellenverzeichnis 		240
Quellenverzeichnis 		241
65
Regeln entrümpeln
Wo früher leere Wände geradezu
einluden, sie mit Leben zu füllen,
ist heute selbst für Kleinigkeiten
der Rahmen kaum verrückbar und
die Kreativitätszone mit vielen Regeln
flächendeckend abgesteckt.
Für Gestaltungsraum bleibt kaum
noch Platz. Dabei wäre genau das
so unendlich wichtig.
4
Personalmarketing
66
Am 22. Mai 2017 stellt der Zürcher Stadtrat den Direktor des städtischen
Entsorgungsamts per sofort frei und erstattet Strafanzeige wegen un­­ge­
treuer Amtsführung. Ihm wird vorgeworfen, sich widerrechtlich einen 380 PS
starken Boliden als Dienstwagen geleistet zu haben. Keiner seiner Vorge­
setzten im rot-grünen Stadtrat will davon gewusst haben. Keiner ­fragte,
­warum der städtische Angestellte jahrelang mit so einem dicken Dienstwa-
gen vorfuhr.
		 In der Stadtverwaltung entscheidet eine sogenannte Fahr-
zeugkommission über die ordnungsgemässe Beschaffung und
Verwendung von Dienstautos. Die entsprechende Wegleitung
zur städtischen Fahrzeugpolitik soll 70 Seiten stark sein, be­­
richtet die Sprecherin des zuständigen Stadtrats ge­gen­über
dem Zürcher Tages-Anzeiger.14
70 Seiten, die nicht greifen.
70 Seiten Scheinsicherheit. Schade um die viele Arbeit.
Die Seifenblase ist geplatzt. Die durchaus hehre Absicht,
durch Regeln das Verhalten aller Marktteilnehmer, hier von
(Kader-)Mitarbeitenden, zu beherrschen, sich rechtlich
korrekt zu verhalten und Gleiches gleich zu behandeln, hat
versagt. Und das ist kein Einzelfall. Wir haben uns im
Dickicht von Verordnungen, Prozessen und Regelungen
vergaloppiert. Sind vom Weg abgekommen. Nicht nur in
öffentlich-rechtlichen Organisationen, auch anderswo.
Für oder gegen fast alles Mögliche wurden geradezu adipöse Regelwerke
aufgestellt. Es ist bisweilen fast schon absurd. Mancherorts hat sich der Ein-
kauf  – pardon: das Procurement  – zum heimlichen Herrscher über viele
unternehmerische Entscheide aufgeschwungen.
Mit den Einkaufsregeln wurden sicher auch durchaus sinnvolle Grundsätze
für die Beschaffung aufgestellt. Doch gleichzeitig wurde ein administrativer
Wahnsinn installiert. In diesem Zug wurden viele Führungskräfte und Perso-
nalverantwortliche ihrer Entscheidbefugnisse beraubt. Die Budgetkompeten-
zen sind zwar noch da – oft aber nur noch auf dem Papier. In der Realität
geht in manchen Firmen nichts mehr ohne das Okay des Einkaufs. Der Ein-
kauf von Schrauben. Von Stahlrohlingen. Von Werbegeschenken. Von pass-
genauen Beratungsleistungen. Procurement weiss alles.
Wie kann das in
einer über­
regulierten Orga-
nisation wie der
Stadt Zürich
überhaupt
möglich sein?
Regeln entrümpeln
67
Im Umgang mit Kunden und Bewerberinnen werden die
Schotten dichtgemacht. Der Geist der Prozesse, des Miss-
trauens und der selbsternannten Professionalität zieht durch
die Gemächer. Ich bin ein Befürworter von klaren Abläufen
und Zuständigkeiten. Diese müssen in einem sinnvollen
Ausmass dokumentiert werden, auch das leuchtet ein. Ich
schreibe gegen die Übertreibung an. Gegen das Abnormale,
das Lächerliche. Dagegen, dass mit jedem neu gezeichneten
Prozess, mit jeder neuen Weisung der gesunde Menschen-
verstand immer mehr abnimmt. Ich schreibe gegen die
Verschwendung von Talent.
Ich erinnere mich daran, wie bei meinem letzten Arbeitgeber die «Prozessi-
tis» Einzug hielt. Vom Virus der Prozessoptimierung angesteckt, mussten im
ganzen Unternehmen plötzlich fleissig ordnerweise (über Jahre bewährte)
Prozesse niedergeschrieben und festgehalten werden. Immer noch eine Ebe-
ne tiefer. Wozu, wusste niemand so genau. Die Urheber lullten mit «geschei-
ten» Begründungen und den üblichen einstudierten Phrasen alle ein. Die
Unternehmensleitung erhoffte sich, so kostspielige Doppelspurigkeiten auf-
decken zu können – praktisch auf Knopfdruck. Und schlanke Prozesse sollten
daraus auch noch resultieren. Auch auf Knopfdruck. Das Resultat: Ein riesiger
administrativer Aufwand und neue Stabsstellen. Nun, man muss den Betei-
ligten immerhin zugutehalten, dass auch sie Träume hatten. Auch eine fast
vergessene Tugend in Unternehmensleitungen.
Fast beiläufig wurden parallel dazu mit absurden Einkaufs-
richtlinien die Kompetenzen der Führungskräfte beschnitten.
Am Ende musste ich mit dem Einkauf absprechen, wo ich
die Frühlingsrollen und den Orangensaft für einen HR-Event
ordern durfte. Einkaufssumme ein paar Hundert Franken.
Lohnsumme der beiden involvierten Entscheidträger:
300 000 Franken. Es war lächerlich. Der Auswuchs eines
Systems, das alles von der Paragrafennorm Abweichende
konsequent nach Fehlern und Risiken scannt. Chancen
sind dabei zweitrangig.
Personalmarketing
68
Kein Einzelfall und schon gar nicht ein öffentlich-rechtliches Phänomen. Ich
erinnere mich an einen Grosskonzern aus dem Ruhrpott. Der Einkauf bestand
darauf, mich für ein Projekt, für welches ich mich mit den Personalverant-
wortlichen schon vor Ort ausgetauscht und geeinigt hatte, noch einmal
separat am Tisch zu haben. Persönlich. Telefonisch oder gar über das neumo-
dische Skype? Unmöglich. Einen Tag für die Gesichtskontrolle? Ich verzichte-
te dankend.
Ein solches Geschäftsgebaren ist Gott sei Dank noch nicht die Regel. Ich erin-
nere mich an einen Besuch im Hauptsitz des Edelkaufhauses Globus vor den
Toren Zürichs. Deren Einstellung stand gross an eine Wand geschrieben:
Wir sind stolz auf unsere Partner,
die anderswo Lieferanten heissen.
Alle die zum Teil gravierenden Einschnitte in die Handlungskompetenz haben
sicher auch zum Ziel, mögliche Risiken auszuschalten. Das ist in Ordnung.
Doch wir übertreiben längst, und zwar masslos. Im vertraulichen Gespräch
verdrehen viele Personalverantwortliche die Augen ob all dieser Restriktio-
nen. Interessant dabei, wie oft auf der anderen Seite, jener der Personalwer-
bung, viele Unternehmen neuen Mitarbeitenden Kompetenzen und flache
Hierarchien als Synonym für unbürokratische Entscheide versprechen.
Der galoppierende Wahnsinn mit Prozessen und Abläufen verhindert nicht,
dass es zu 380 PS starken Ungereimtheiten kommt und Mitarbeitende die
Bodenhaftung verlieren. 70 Seiten Wegleitung? Who cares?!? Wer Schlupf-
löcher sucht, findet sie.
Wirkungsvolle Abläufe stehen und fallen mit
den Menschen und dem Vertrauen in sie, nicht mit
den Systemen und der Dichte der Regelwerke.
Steve Jobs sagte dazu einmal: «It doesn’t make sense
to hire smart people and then tell them what to do;
we hire smart people to tell us what to do.»
Perfekt auf den Punkt gebracht.
Viele Grossunternehmen schielen längst nicht nur heimlich in Richtung der
agilen, unkomplizierten Start-ups. Sie kaufen sie, oder sie gründen sie als
Regeln entrümpeln
69
freischwebende Satelliten im Unternehmen selbst. Dahinter steckt nicht nur
knallhartes Kalkül, sondern auch eine Prise Romantik bei den Entscheidträ-
gern – der Romantik des schnellen Entscheids, die süsse Versuchung von try
and error. Eine Prise Romantik derer, die zuletzt oft selbst an der Prozess-
schraube gedreht haben und vor dem Zurück zum Normalmass kapitulieren.
Die zerstörerische Wirkung entmündigender Vorschriften
und der Flut an Prozessen auf das interne wie auch externe
Personalmarketing wird unterschätzt. Doch der Zusammen-
hang liegt auf der Hand: Zusammen mit einem guten
Teamgeist ist eine erfüllende, interessante Arbeit das vermut-
lich stärkste Argument für die Erhaltung der Leistungsträge-
rinnen – und ein Magnet für die Ansprache neuer Talente.
«Eine angemessene Nutzung der Fähigkeiten» ist einer der wichtigsten
Aspekte von Arbeitsqualität, wie eine Umfrage des Bundesministeriums für
Soziales und Arbeit bei über 5000 Beschäftigten in Deutschland zeigt. Auch
für die Schweizer MINT-Fachkräfte der Generationen Y und Z sind die Arbeits-
inhalte der mit Abstand wichtigste Grund für die Wahl eines bestimmten
Jobs oder Arbeitgebers, stellt eine Studie der Hochschule Luzern wenig über-
raschend fest. Fazit: Die Arbeitnehmer haben Lust, ihr Wissen und ihr Talent
einzubringen. Oft lässt man sie ganz einfach nicht und behindert ihr Wirken
mit unnötig einengenden Vorgaben.
Zwar werben immer mehr Firmen mit ihren spannenden Aufgaben,
anspruchsvollen Projekten und mit flachen Hierarchien (oft gerne gewürzt
mit dem Modewort «agil»). Und doch klafft zwischen Anspruch und Wirk-
lichkeit noch zu oft eine beachtliche Lücke. Darum vermisse ich:
■■ Stabsstellen für Prozessfitness.
■■ Feelgood-Manager, die sich um menschenfreundliche
Prozesse kümmern.
■■ Unternehmen, die sich die Reduktion von Abläufen
und Regeln auf die Fahne – und in die Jahresziele
der Manager – schreiben.
■■ IQS-Systeme, die das Vertrauen in die Mitarbeitenden
messen oder es zumindest versuchen.
Personalmarketing
70
■■ Ein Qualitätssiegel für eine sinnvolle Dichte an Regeln,
ein den Talenten der Mitarbeitenden entsprechendes
Ausmass an Entscheidungskompetenzen und
das Vorhandensein von Vertrauen in Unternehmen.
Wie viele Unternehmen haben die Schaffung eines angstfreien Klimas, das
auch Widerspruch von unten nach oben duldet, auf dem Radar? Ich kenne
nicht viele. Doch wären es nicht solche auf den ersten Blick fast etwas altmo-
disch klingende Tugenden und nicht noch dichtere Regelwerke, die den
Missbrauch von Macht und Kompetenzen verhindern und gleichzeitig die
Freude an der Arbeit erhöhen würden?
Anstand. Gesunder Menschenverstand. Bescheidenheit.
Augenmass im Entscheiden. Zulassen von Kritik.
Können das im Zeitalter von HR 4.0 ernsthaft sinnvolle
Kompetenzen sein?
Und wie!
Vielleicht sind ja die Personalverantwortlichen am ganzen Malheur selbst
auch nicht ganz unschuldig. Mancher HR-Prozess trieft nicht gerade vor
Pragmatismus, Vertrauen und Kundenorientierung. So schickt eine mittel­
grosse Schweizer Bank ihre Bewerber noch immer ins Nirwana obskurer
Bewerbungssysteme. Voll darauf ausgerichtet, die eigene Arbeit so einfach
wie möglich zu machen. Man glaubt es kaum: Interessierte können keinen
CV hochladen. Ich wiederhole: Bewerber können keinen CV hochladen! Sie
müssen sich zuerst durch einen neunstufigen Fragenkatalog kämpfen. Dann
entscheiden die honorigen Herren und vielleicht auch Damen, ob denn ein
Interesse besteht und man dann vermutlich seinen CV gnädigerweise ein-
schicken darf. Komplett abgehoben, voll daneben.
Etwas Sinnvolles tun!
Wer Arbeitnehmer nach ihren wichtigsten Anliegen auf ihrem beruflichen
Wunschzettel fragt, erhält fast immer die Antwort: Etwas Sinnvolles tun.
Das ist grossartig. Es ist bescheiden. So wenig wünschen sich also Menschen,
die von anderen auch Fachkräfte, Talente oder Mitarbeitende genannt werden.
So einfach, so normal. Und so logisch. Die Grundbedürfnisse vieler sind längst
abgedeckt, manch Junger der Generation X und Y kennt nichts anderes. Sie
Regeln entrümpeln
71
wollen ganz einfach mehr, als mit ihrer täglichen Arbeit den Lebensunterhalt zu
bestreiten. Sie wollen sich mit einer sinnvollen Aufgabe beschäftigen.
Die Sinnhaftigkeit einer Tätigkeit dürfte jeder Mensch etwas anders interpre-
tieren. Einen ganz wesentlichen Punkt wird dabei aber bei fast allen die
Bedeutsamkeit einnehmen. Jeder Mensch möchte etwas von Bedeutung
schaffen und Spuren hinterlassen. Ich bin mir sicher, dass Bedeutsamkeit
einer der wesentlichen Punkte ist, welche Arbeitnehmer ihren täglichen
Gang zur Arbeit gerne antreten lassen.
Bedeutsam sein heisst:
■■ Für etwas verantwortlich sein
■■ Einfluss nehmen
■■ Selbstbestimmt arbeiten
■■ Einen nachvollziehbaren Beitrag zu etwas Grossem leisten
■■ Vertrauen erhalten
Bei der Suche nach einer sinnvollen Aufgabe spielt uns die Digitalität wun-
derbar in die Hände. Ihre Hilfsmittel entlasten uns von all den langweiligen,
repetitiven Aufgaben. Sie sorgen dafür, dass wir uns endlich wieder um die
wirklich wichtigen Aufgaben kümmern und administrativen Ballast abwerfen
können. Klingt auf den ersten Blick logisch. Ist aber ein Denkfehler.
Das Gegenteil ist der Fall. Die Einführung
neuer Technologien bringt im Arbeitsalltag
jede Menge administrativen Blödsinn mit sich.
Jedes Outsourcing und jede Einführung eines neuen digitalen Systems bringt
zuerst in der Projektphase und später auch im Normalbetrieb eine Unmenge
an unverrückbaren und einschränkenden Abläufen, Regeln und Vorschriften
mit sich. Neue Schnittstellen entstehen, neue Reportings und neue Überwa-
chungsaufgaben. Was am einen Ort an Effizienz gewinnt, lässt die Organisa-
tion an anderen Orten umgehend wieder erlahmen.
Was sich früher einfach, unbürokratisch und mit gesundem Menschenver-
stand lösen liess, verlangt jetzt nach einem braven Abarbeiten von starren
Vorgaben und dem Einhalten von Standards. Hochbezahlte, gut ausgebildete
Personalmarketing
72
Fachkräfte werden zu bedeutungslosen Administratoren degradiert. Das
demotiviert sie und macht sie krank.
Der bekannte US-amerikanische Beststellerautor David Graeber nennt das
Leiden in den Middle-Management-Jobs «Brown-out». Der Begriff stammt
aus der Energiewirtschaft und beschreibt einen Spannungsabfall im Strom-
netz. Den Spannungsabfall in vielen Jobs sieht Graeber als Folge des «Phäno-
mens der Schwachsinns-Jobs»15
  – und als Folge der Digitalisierung in der
Arbeitswelt.
Die Psychotherapeutin Jenny Humbert hat im Zürcher Tages-Anzeiger eine
Erklärung dafür: Die Arbeitnehmer sind grösserem Druck ausgesetzt. Sie
haben weniger Zeit, müssen sich ständig ihrer Effizienz bewusst sein. Der
menschliche Kontakt wird durch E-Mails und Dokumente ersetzt. Die Kreati-
vität wird durch bürokratische Vorgaben erstickt. Dabei bräuchten gerade die
guten Mitarbeitenden ein hohes Mass an Freiraum und dürfen nicht durch
sinnlose Regeln behindert werden.16
Sinnlose statt sinnstiftende Aufgaben. «Bullshit-Jobs» nennt
der streitbare Graeber die Jobs, die sich vornehmlich um die
Administration nutzloser Tätigkeiten drehen. Sie lassen die
gut ausgebildeten Stelleninhaber in den Fängen der Bürokra-
tie zappeln und selber Bürokratie züchten. Es führt dazu,
dass diese an sich gut qualifizierten Menschen nichts bewe-
gen. Das ist fatal.
Ich stellte kürzlich einer mittelgrossen Firma eine Rechnung für eine Veran-
staltung, für die sich einer ihrer Mitarbeiter angemeldet hatte. Es ging um ein
paar Hundert Franken. Mit einer freundlichen Mail beschied man mir, man
müsse mich nun als Lieferant im System erfassen, und schickte mir ein Word-
formular mit der Bitte zu, dieses doch ausgefüllt, unterschrieben und wieder
eingescannt zurückzuschicken. Auf dem Formular sollte ich meinen Firmen-
sitz und die üblichen Zahlungsdaten wie Mehrwertsteuernummer, IBAN und
solchen Kram erfassen. Ich schaute genau hin: Genau die Angaben, die auch
auf meiner Rechnung standen. Ich weigerte mich freundlich. Was für eine
echte Bullshit-Tätigkeit, die in dieser Firma vermutlich von durchaus talentier-
ten und gestaltungswilligen Mitarbeitenden gemacht werden muss.
Regeln entrümpeln
73
Auch Ärztinnen und Ärzte gehören zu einer Berufsgruppe, die speziell
Brown-out-gefährdet ist. Immer mehr ist ihr administratives Talent gefragt,
die Arbeit am Patienten wird fast zur Nebensache. Der administrative Wahn-
sinn gipfelt aktuell darin, dass Ärzte im grossen Stil als sogenannte medizini-
sche Kodierer gesucht werden. Hauptaufgabe: Das korrekte Erfassen und
Abrechnen der einzelnen medizinischen Leistungen. Das treibt die Bürokrati-
sierung auf die Spitze. Ärztin. So ein angesehener Beruf. So intelligente Men-
schen. Ein Beruf mit so unglaublich viel Kreativität. Mag sein, dass in der
Gesundheitsbranche der Gesetzgeber der Treiber des Bürokriegs ist. Anders-
wo ist er hausgemacht. Von kleingeistigen Chefs, die Angst haben, Vertrau-
en und Freiheiten zu schenken. Die sich – und ihren Bonus – gegen alle Even-
tualitäten absichern wollen.
Die Beispiele zeigen: Das Krebsgeschwür der Bürokratie hat längst nicht nur
staatliche Institutionen ergriffen, sondern auch private Unternehmen. Wer
Macht hat – und sei es nur die geborgte Macht des kleinen Bürokraten –,
muss sich nicht in andere hineinversetzen, sondern kann stur nach vorgege-
benen Schemata entscheiden. Das zeigt sich wunderbar in den Schaufens-
tern vieler Arbeitgeber, den Karrierewebsites. Und in unmenschlichen Bewer-
bungsprozessen.
Weniger Regeln und mehr Vertrauen, einfach statt kompliziert – diese Denke
ist beileibe kein «weicher» Faktor. Betriebe ohne komplizierte Strukturen
sind wirtschaftlicher. In meinen Worten:
Schlanke Firmen verdienen mehr Geld. Das sagt
mein gesunder Menschenverstand und auch die Boston
Consulting Group. Sie hat das untersucht und rät darum
den Unternehmen dringend, sich selbst zu entrümpeln.
Das nenne ich auf den Punkt gebracht. Viele Firmen stehen
sich selbst im Weg. Auf Veränderungen reagieren sie
mit neuen Vorgaben, Regeln und Prozessen. Die Folge
sind stark adipöse Strukturen.
Die Sehnsucht nach Regeln blüht auf dem Nährboden der Angst. Angst vor
Kreativität und vor Verlust von Kontrolle und Autorität. Regeln sind das
Gegenteil von Humor. Wer lacht, hat noch Reserven. Wer neue Regeln ein-
führt, ist am Anschlag. Und zu viele Regeln sind einer sinnvollen Arbeit Tod.
Personalmarketing
74
Jetzt übertreibt er aber, denken Sie sich vielleicht. Mag ja sein, manchmal
muss man etwas über das Ziel hinausschiessen, um etwas zu erreichen.
Vermutlich haben Sie in den letzten Jahren
auch mehrere solcher Systeme eingeführt:
■■ Bewerbermanagementsystem
■■ E-Personalakte
■■ Manager- und Employee Self Service
■■ Arbeitszeugnisgenerator
■■ Kreditorenworkflow
■■ Beschaffungssysteme («Banfen»)
■■ E-Spesen
■■ Arbeitszeiterfassungssysteme
■■ Sharepoint
Schön. Und bei jeder Einführung wurde Ihnen eine Zeitersparnis und der
Wegfall administrativer Arbeiten versprochen.
Stimmt’s?
Wenn dem aber so wäre, dann müssten Sie jetzt doch eigentlich Zeit im
Überfluss haben. Um richtig gutes Personalmarketing zu machen. Aus Ihren
Stellenanzeigen Werbeanzeigen für Stellen zu machen. Die Korrespondenz
mit Ihren Bewerberinnen endlich aufzufrischen. Sich persönlich um die För-
derung Ihrer High-Potentials zu kümmern. Um ein richtig cooles Projekt auf-
zugleisen. Um Ihr Ideenmanagement zu revolutionieren. Um Ihre Arbeitszeit
zu reduzieren. Oder von mir aus, um an Fachtagungen herumzulümmeln
oder sogar Däumchen zu drehen. Ist das bei Ihnen eingetreten? Eben.
Mehr Normal hilft, den Spannungsabfall
in der Arbeit zu verhindern – und somit
ein Brown-out bei den Talenten.
Mehr Normal hilft, Mitarbeitende leistungsfähig
und -willig zu halten.
DENKZETTEL
Werden Sie Widerstandskämpfer gegen entmündigende
Abläufe und schaffen Sie Schranken ab.
Schenken Sie (wieder) mehr Vertrauen. Der Führungsgrund-
satz 4.0 lautet: Vertrauen ist gut. Kontrolle meist nicht besser.
Viele und detaillierte Regeln führen nicht zu mehr Sicherheit.
Glauben Sie nicht alles, was sich da an schwerfälligen
Prozessen unter dem unverfänglichen Deckmäntelchen von
Corporate Governance und Prozessoptimierung anschleicht.
Entmündigen Sie die Halbgötter des Einkaufs, betrachten
Sie Führungskräfte, Projektleiterinnen und generell alle
Mitarbeitenden (wieder) als mündige, entscheidfähige Menschen.
Bekämpfen Sie die Auswüchse des Prozesswahns – und werben
Sie mit schlanken oder wieder entschlackten Prozessen,
mit konkreten Entscheidkompetenzen und mit abgeschafften
Reglementen.
Fangen Sie bei Ihren eigenen Prozessen an, zum Beispiel
dem Bewerbungsprozess.
Machen Sie es wie Steve Jobs: Stellen Sie smarte Mitarbeitende
ein, die Ihnen sagen, was zu tun ist. Nicht umgekehrt.

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Personalmarketing mit gesundem Menschenverstand. Regeln entrümpeln

  • 1. Personalmarketing mit gesundem Menschenverstand Jörg Buckmann 18 charmante «Denkzettel» für mehr Arbeitgeber-Attraktivität
  • 2.
  • 3. Jörg Buckmann Personalmarketing mit ­gesundem Menschenverstand 18 charmante «Denkzettel» für mehr Arbeitgeber-Attraktivität
  • 4. Jörg Buckmann Nach über 20 Jahren in verschiedenen HR-Funktionen hängte Jörg Buckmann 2015 seinen Job als Personalchef der Verkehrsbetriebe Zürich an den berühmten Nagel. Seither widmet er sich dem Thema, für welches er über die Jahre viel Leidenschaft entwickelt hat: Er unterstützt Firmen und Behörden, die sich auf dem Arbeitsmarkt mehr Gehör verschaffen wollen. Er tut dies jenseits des üblichen Beratergehabes: lustvoll, engagiert und immer mit einer guten Portion Humor. Er nimmt nicht immer alles bierernst – sich selbst eingeschlossen. Buckmann ist fasziniert von einfach guten Lösungen und schwärmt von Unternehmen, die eine Portion Frechmut mitbringen, also die Gabe und den Willen, neue Wege zu gehen, etwas auszuprobieren und einfach mal zu tun. Ausserdem ist er in seinem Themengebiet ein gefragter Speaker, führt Workshops durch und schreibt Bücher. www.buckmanngewinnt.ch Natali Bug Alle Illustrationen in diesem Buch sind von Natali Bug. Die Künstlerin ist ein kreativer Wirbelwind mit einem breiten Repertoire: Sie malt, zeichnet und illustriert. Sie realisiert als Creative Director Projekte für Firmen in der ganzen Welt. Darüber hinaus unterrichtet sie, arbeitet als Innendesignerin, Journalistin und Speakerin. Natali Bug lebt mit ihrem Mann in Kiew. www.behance.net/NataBug Jörg Buckmann Personalmarketing mit gesundem Menschenverstand. 18 charmante «Denkzettel» für mehr Arbeitgeber-Attraktivität 1. Auflage 2018 ISBN 978-3-286-11748-8 (ePDF) Das Werk erscheint als Buchausgabe unter der ISBN 978-3-286-50565-0. © Verlag SKV AG, Zürich www.verlagskv.ch Alle Rechte vorbehalten. Ohne Genehmigung des Verlags ist es nicht gestattet, das Buch oder Teile daraus in irgendeiner Form zu reproduzieren. Projektleitung: Kirsten Rotert Umschlagbild: Natali Bug Haben Sie Fragen, Anregungen oder Rückmeldungen? Wir nehmen diese gerne per E-Mail an feedback@verlagskv.ch entgegen.
  • 5. Inhaltsverzeichnis 5 Inhaltsverzeichnis Warum ich dieses Buch geschrieben habe  6   1  Der schönste Job der Welt  27   2  Zum Lachen  39   3  Die goldene Regel im Personalmarketing  53   4  Regeln entrümpeln  65   5  HR heisst verkaufen  77   6  Anforderungsprofile: «Down Size me»  87   7  HR als Créateur des Idées  99   8  Mehr Textcharme  113   9  Stopp dem Lohnpoker  129 10 So richtig auftrumpfen:   De Tomaso Pantera schlägt Simca  141 11  Rauchen heisst leben  149 12  Geschichten erzählen  157 13 Hereinspaziert, hereinspaziert!   Sehen, erleben, staunen, bewerben!  167 14 Zurück in die Zukunft: Wie das Mitarbeiter­gespräch   zum Bewerbermagnet wird  181 15  Vom Vorstellungs­­gespräch zum Gesprächserlebnis  199 16  Ein Arbeitgeber ganz nach meinem Geschmack  211 17  Mitarbeitende als Botschafter  223 18  Au revoir, oder: Man sieht sich immer zweimal  235 Bildquellenverzeichnis  240 Quellenverzeichnis  241
  • 6.
  • 7. 65 Regeln entrümpeln Wo früher leere Wände geradezu einluden, sie mit Leben zu füllen, ist heute selbst für Kleinigkeiten der Rahmen kaum verrückbar und die Kreativitätszone mit vielen Regeln flächendeckend abgesteckt. Für Gestaltungsraum bleibt kaum noch Platz. Dabei wäre genau das so unendlich wichtig. 4
  • 8. Personalmarketing 66 Am 22. Mai 2017 stellt der Zürcher Stadtrat den Direktor des städtischen Entsorgungsamts per sofort frei und erstattet Strafanzeige wegen un­­ge­ treuer Amtsführung. Ihm wird vorgeworfen, sich widerrechtlich einen 380 PS starken Boliden als Dienstwagen geleistet zu haben. Keiner seiner Vorge­ setzten im rot-grünen Stadtrat will davon gewusst haben. Keiner ­fragte, ­warum der städtische Angestellte jahrelang mit so einem dicken Dienstwa- gen vorfuhr. In der Stadtverwaltung entscheidet eine sogenannte Fahr- zeugkommission über die ordnungsgemässe Beschaffung und Verwendung von Dienstautos. Die entsprechende Wegleitung zur städtischen Fahrzeugpolitik soll 70 Seiten stark sein, be­­ richtet die Sprecherin des zuständigen Stadtrats ge­gen­über dem Zürcher Tages-Anzeiger.14 70 Seiten, die nicht greifen. 70 Seiten Scheinsicherheit. Schade um die viele Arbeit. Die Seifenblase ist geplatzt. Die durchaus hehre Absicht, durch Regeln das Verhalten aller Marktteilnehmer, hier von (Kader-)Mitarbeitenden, zu beherrschen, sich rechtlich korrekt zu verhalten und Gleiches gleich zu behandeln, hat versagt. Und das ist kein Einzelfall. Wir haben uns im Dickicht von Verordnungen, Prozessen und Regelungen vergaloppiert. Sind vom Weg abgekommen. Nicht nur in öffentlich-rechtlichen Organisationen, auch anderswo. Für oder gegen fast alles Mögliche wurden geradezu adipöse Regelwerke aufgestellt. Es ist bisweilen fast schon absurd. Mancherorts hat sich der Ein- kauf  – pardon: das Procurement  – zum heimlichen Herrscher über viele unternehmerische Entscheide aufgeschwungen. Mit den Einkaufsregeln wurden sicher auch durchaus sinnvolle Grundsätze für die Beschaffung aufgestellt. Doch gleichzeitig wurde ein administrativer Wahnsinn installiert. In diesem Zug wurden viele Führungskräfte und Perso- nalverantwortliche ihrer Entscheidbefugnisse beraubt. Die Budgetkompeten- zen sind zwar noch da – oft aber nur noch auf dem Papier. In der Realität geht in manchen Firmen nichts mehr ohne das Okay des Einkaufs. Der Ein- kauf von Schrauben. Von Stahlrohlingen. Von Werbegeschenken. Von pass- genauen Beratungsleistungen. Procurement weiss alles. Wie kann das in einer über­ regulierten Orga- nisation wie der Stadt Zürich überhaupt möglich sein?
  • 9. Regeln entrümpeln 67 Im Umgang mit Kunden und Bewerberinnen werden die Schotten dichtgemacht. Der Geist der Prozesse, des Miss- trauens und der selbsternannten Professionalität zieht durch die Gemächer. Ich bin ein Befürworter von klaren Abläufen und Zuständigkeiten. Diese müssen in einem sinnvollen Ausmass dokumentiert werden, auch das leuchtet ein. Ich schreibe gegen die Übertreibung an. Gegen das Abnormale, das Lächerliche. Dagegen, dass mit jedem neu gezeichneten Prozess, mit jeder neuen Weisung der gesunde Menschen- verstand immer mehr abnimmt. Ich schreibe gegen die Verschwendung von Talent. Ich erinnere mich daran, wie bei meinem letzten Arbeitgeber die «Prozessi- tis» Einzug hielt. Vom Virus der Prozessoptimierung angesteckt, mussten im ganzen Unternehmen plötzlich fleissig ordnerweise (über Jahre bewährte) Prozesse niedergeschrieben und festgehalten werden. Immer noch eine Ebe- ne tiefer. Wozu, wusste niemand so genau. Die Urheber lullten mit «geschei- ten» Begründungen und den üblichen einstudierten Phrasen alle ein. Die Unternehmensleitung erhoffte sich, so kostspielige Doppelspurigkeiten auf- decken zu können – praktisch auf Knopfdruck. Und schlanke Prozesse sollten daraus auch noch resultieren. Auch auf Knopfdruck. Das Resultat: Ein riesiger administrativer Aufwand und neue Stabsstellen. Nun, man muss den Betei- ligten immerhin zugutehalten, dass auch sie Träume hatten. Auch eine fast vergessene Tugend in Unternehmensleitungen. Fast beiläufig wurden parallel dazu mit absurden Einkaufs- richtlinien die Kompetenzen der Führungskräfte beschnitten. Am Ende musste ich mit dem Einkauf absprechen, wo ich die Frühlingsrollen und den Orangensaft für einen HR-Event ordern durfte. Einkaufssumme ein paar Hundert Franken. Lohnsumme der beiden involvierten Entscheidträger: 300 000 Franken. Es war lächerlich. Der Auswuchs eines Systems, das alles von der Paragrafennorm Abweichende konsequent nach Fehlern und Risiken scannt. Chancen sind dabei zweitrangig.
  • 10. Personalmarketing 68 Kein Einzelfall und schon gar nicht ein öffentlich-rechtliches Phänomen. Ich erinnere mich an einen Grosskonzern aus dem Ruhrpott. Der Einkauf bestand darauf, mich für ein Projekt, für welches ich mich mit den Personalverant- wortlichen schon vor Ort ausgetauscht und geeinigt hatte, noch einmal separat am Tisch zu haben. Persönlich. Telefonisch oder gar über das neumo- dische Skype? Unmöglich. Einen Tag für die Gesichtskontrolle? Ich verzichte- te dankend. Ein solches Geschäftsgebaren ist Gott sei Dank noch nicht die Regel. Ich erin- nere mich an einen Besuch im Hauptsitz des Edelkaufhauses Globus vor den Toren Zürichs. Deren Einstellung stand gross an eine Wand geschrieben: Wir sind stolz auf unsere Partner, die anderswo Lieferanten heissen. Alle die zum Teil gravierenden Einschnitte in die Handlungskompetenz haben sicher auch zum Ziel, mögliche Risiken auszuschalten. Das ist in Ordnung. Doch wir übertreiben längst, und zwar masslos. Im vertraulichen Gespräch verdrehen viele Personalverantwortliche die Augen ob all dieser Restriktio- nen. Interessant dabei, wie oft auf der anderen Seite, jener der Personalwer- bung, viele Unternehmen neuen Mitarbeitenden Kompetenzen und flache Hierarchien als Synonym für unbürokratische Entscheide versprechen. Der galoppierende Wahnsinn mit Prozessen und Abläufen verhindert nicht, dass es zu 380 PS starken Ungereimtheiten kommt und Mitarbeitende die Bodenhaftung verlieren. 70 Seiten Wegleitung? Who cares?!? Wer Schlupf- löcher sucht, findet sie. Wirkungsvolle Abläufe stehen und fallen mit den Menschen und dem Vertrauen in sie, nicht mit den Systemen und der Dichte der Regelwerke. Steve Jobs sagte dazu einmal: «It doesn’t make sense to hire smart people and then tell them what to do; we hire smart people to tell us what to do.» Perfekt auf den Punkt gebracht. Viele Grossunternehmen schielen längst nicht nur heimlich in Richtung der agilen, unkomplizierten Start-ups. Sie kaufen sie, oder sie gründen sie als
  • 11. Regeln entrümpeln 69 freischwebende Satelliten im Unternehmen selbst. Dahinter steckt nicht nur knallhartes Kalkül, sondern auch eine Prise Romantik bei den Entscheidträ- gern – der Romantik des schnellen Entscheids, die süsse Versuchung von try and error. Eine Prise Romantik derer, die zuletzt oft selbst an der Prozess- schraube gedreht haben und vor dem Zurück zum Normalmass kapitulieren. Die zerstörerische Wirkung entmündigender Vorschriften und der Flut an Prozessen auf das interne wie auch externe Personalmarketing wird unterschätzt. Doch der Zusammen- hang liegt auf der Hand: Zusammen mit einem guten Teamgeist ist eine erfüllende, interessante Arbeit das vermut- lich stärkste Argument für die Erhaltung der Leistungsträge- rinnen – und ein Magnet für die Ansprache neuer Talente. «Eine angemessene Nutzung der Fähigkeiten» ist einer der wichtigsten Aspekte von Arbeitsqualität, wie eine Umfrage des Bundesministeriums für Soziales und Arbeit bei über 5000 Beschäftigten in Deutschland zeigt. Auch für die Schweizer MINT-Fachkräfte der Generationen Y und Z sind die Arbeits- inhalte der mit Abstand wichtigste Grund für die Wahl eines bestimmten Jobs oder Arbeitgebers, stellt eine Studie der Hochschule Luzern wenig über- raschend fest. Fazit: Die Arbeitnehmer haben Lust, ihr Wissen und ihr Talent einzubringen. Oft lässt man sie ganz einfach nicht und behindert ihr Wirken mit unnötig einengenden Vorgaben. Zwar werben immer mehr Firmen mit ihren spannenden Aufgaben, anspruchsvollen Projekten und mit flachen Hierarchien (oft gerne gewürzt mit dem Modewort «agil»). Und doch klafft zwischen Anspruch und Wirk- lichkeit noch zu oft eine beachtliche Lücke. Darum vermisse ich: ■■ Stabsstellen für Prozessfitness. ■■ Feelgood-Manager, die sich um menschenfreundliche Prozesse kümmern. ■■ Unternehmen, die sich die Reduktion von Abläufen und Regeln auf die Fahne – und in die Jahresziele der Manager – schreiben. ■■ IQS-Systeme, die das Vertrauen in die Mitarbeitenden messen oder es zumindest versuchen.
  • 12. Personalmarketing 70 ■■ Ein Qualitätssiegel für eine sinnvolle Dichte an Regeln, ein den Talenten der Mitarbeitenden entsprechendes Ausmass an Entscheidungskompetenzen und das Vorhandensein von Vertrauen in Unternehmen. Wie viele Unternehmen haben die Schaffung eines angstfreien Klimas, das auch Widerspruch von unten nach oben duldet, auf dem Radar? Ich kenne nicht viele. Doch wären es nicht solche auf den ersten Blick fast etwas altmo- disch klingende Tugenden und nicht noch dichtere Regelwerke, die den Missbrauch von Macht und Kompetenzen verhindern und gleichzeitig die Freude an der Arbeit erhöhen würden? Anstand. Gesunder Menschenverstand. Bescheidenheit. Augenmass im Entscheiden. Zulassen von Kritik. Können das im Zeitalter von HR 4.0 ernsthaft sinnvolle Kompetenzen sein? Und wie! Vielleicht sind ja die Personalverantwortlichen am ganzen Malheur selbst auch nicht ganz unschuldig. Mancher HR-Prozess trieft nicht gerade vor Pragmatismus, Vertrauen und Kundenorientierung. So schickt eine mittel­ grosse Schweizer Bank ihre Bewerber noch immer ins Nirwana obskurer Bewerbungssysteme. Voll darauf ausgerichtet, die eigene Arbeit so einfach wie möglich zu machen. Man glaubt es kaum: Interessierte können keinen CV hochladen. Ich wiederhole: Bewerber können keinen CV hochladen! Sie müssen sich zuerst durch einen neunstufigen Fragenkatalog kämpfen. Dann entscheiden die honorigen Herren und vielleicht auch Damen, ob denn ein Interesse besteht und man dann vermutlich seinen CV gnädigerweise ein- schicken darf. Komplett abgehoben, voll daneben. Etwas Sinnvolles tun! Wer Arbeitnehmer nach ihren wichtigsten Anliegen auf ihrem beruflichen Wunschzettel fragt, erhält fast immer die Antwort: Etwas Sinnvolles tun. Das ist grossartig. Es ist bescheiden. So wenig wünschen sich also Menschen, die von anderen auch Fachkräfte, Talente oder Mitarbeitende genannt werden. So einfach, so normal. Und so logisch. Die Grundbedürfnisse vieler sind längst abgedeckt, manch Junger der Generation X und Y kennt nichts anderes. Sie
  • 13. Regeln entrümpeln 71 wollen ganz einfach mehr, als mit ihrer täglichen Arbeit den Lebensunterhalt zu bestreiten. Sie wollen sich mit einer sinnvollen Aufgabe beschäftigen. Die Sinnhaftigkeit einer Tätigkeit dürfte jeder Mensch etwas anders interpre- tieren. Einen ganz wesentlichen Punkt wird dabei aber bei fast allen die Bedeutsamkeit einnehmen. Jeder Mensch möchte etwas von Bedeutung schaffen und Spuren hinterlassen. Ich bin mir sicher, dass Bedeutsamkeit einer der wesentlichen Punkte ist, welche Arbeitnehmer ihren täglichen Gang zur Arbeit gerne antreten lassen. Bedeutsam sein heisst: ■■ Für etwas verantwortlich sein ■■ Einfluss nehmen ■■ Selbstbestimmt arbeiten ■■ Einen nachvollziehbaren Beitrag zu etwas Grossem leisten ■■ Vertrauen erhalten Bei der Suche nach einer sinnvollen Aufgabe spielt uns die Digitalität wun- derbar in die Hände. Ihre Hilfsmittel entlasten uns von all den langweiligen, repetitiven Aufgaben. Sie sorgen dafür, dass wir uns endlich wieder um die wirklich wichtigen Aufgaben kümmern und administrativen Ballast abwerfen können. Klingt auf den ersten Blick logisch. Ist aber ein Denkfehler. Das Gegenteil ist der Fall. Die Einführung neuer Technologien bringt im Arbeitsalltag jede Menge administrativen Blödsinn mit sich. Jedes Outsourcing und jede Einführung eines neuen digitalen Systems bringt zuerst in der Projektphase und später auch im Normalbetrieb eine Unmenge an unverrückbaren und einschränkenden Abläufen, Regeln und Vorschriften mit sich. Neue Schnittstellen entstehen, neue Reportings und neue Überwa- chungsaufgaben. Was am einen Ort an Effizienz gewinnt, lässt die Organisa- tion an anderen Orten umgehend wieder erlahmen. Was sich früher einfach, unbürokratisch und mit gesundem Menschenver- stand lösen liess, verlangt jetzt nach einem braven Abarbeiten von starren Vorgaben und dem Einhalten von Standards. Hochbezahlte, gut ausgebildete
  • 14. Personalmarketing 72 Fachkräfte werden zu bedeutungslosen Administratoren degradiert. Das demotiviert sie und macht sie krank. Der bekannte US-amerikanische Beststellerautor David Graeber nennt das Leiden in den Middle-Management-Jobs «Brown-out». Der Begriff stammt aus der Energiewirtschaft und beschreibt einen Spannungsabfall im Strom- netz. Den Spannungsabfall in vielen Jobs sieht Graeber als Folge des «Phäno- mens der Schwachsinns-Jobs»15   – und als Folge der Digitalisierung in der Arbeitswelt. Die Psychotherapeutin Jenny Humbert hat im Zürcher Tages-Anzeiger eine Erklärung dafür: Die Arbeitnehmer sind grösserem Druck ausgesetzt. Sie haben weniger Zeit, müssen sich ständig ihrer Effizienz bewusst sein. Der menschliche Kontakt wird durch E-Mails und Dokumente ersetzt. Die Kreati- vität wird durch bürokratische Vorgaben erstickt. Dabei bräuchten gerade die guten Mitarbeitenden ein hohes Mass an Freiraum und dürfen nicht durch sinnlose Regeln behindert werden.16 Sinnlose statt sinnstiftende Aufgaben. «Bullshit-Jobs» nennt der streitbare Graeber die Jobs, die sich vornehmlich um die Administration nutzloser Tätigkeiten drehen. Sie lassen die gut ausgebildeten Stelleninhaber in den Fängen der Bürokra- tie zappeln und selber Bürokratie züchten. Es führt dazu, dass diese an sich gut qualifizierten Menschen nichts bewe- gen. Das ist fatal. Ich stellte kürzlich einer mittelgrossen Firma eine Rechnung für eine Veran- staltung, für die sich einer ihrer Mitarbeiter angemeldet hatte. Es ging um ein paar Hundert Franken. Mit einer freundlichen Mail beschied man mir, man müsse mich nun als Lieferant im System erfassen, und schickte mir ein Word- formular mit der Bitte zu, dieses doch ausgefüllt, unterschrieben und wieder eingescannt zurückzuschicken. Auf dem Formular sollte ich meinen Firmen- sitz und die üblichen Zahlungsdaten wie Mehrwertsteuernummer, IBAN und solchen Kram erfassen. Ich schaute genau hin: Genau die Angaben, die auch auf meiner Rechnung standen. Ich weigerte mich freundlich. Was für eine echte Bullshit-Tätigkeit, die in dieser Firma vermutlich von durchaus talentier- ten und gestaltungswilligen Mitarbeitenden gemacht werden muss.
  • 15. Regeln entrümpeln 73 Auch Ärztinnen und Ärzte gehören zu einer Berufsgruppe, die speziell Brown-out-gefährdet ist. Immer mehr ist ihr administratives Talent gefragt, die Arbeit am Patienten wird fast zur Nebensache. Der administrative Wahn- sinn gipfelt aktuell darin, dass Ärzte im grossen Stil als sogenannte medizini- sche Kodierer gesucht werden. Hauptaufgabe: Das korrekte Erfassen und Abrechnen der einzelnen medizinischen Leistungen. Das treibt die Bürokrati- sierung auf die Spitze. Ärztin. So ein angesehener Beruf. So intelligente Men- schen. Ein Beruf mit so unglaublich viel Kreativität. Mag sein, dass in der Gesundheitsbranche der Gesetzgeber der Treiber des Bürokriegs ist. Anders- wo ist er hausgemacht. Von kleingeistigen Chefs, die Angst haben, Vertrau- en und Freiheiten zu schenken. Die sich – und ihren Bonus – gegen alle Even- tualitäten absichern wollen. Die Beispiele zeigen: Das Krebsgeschwür der Bürokratie hat längst nicht nur staatliche Institutionen ergriffen, sondern auch private Unternehmen. Wer Macht hat – und sei es nur die geborgte Macht des kleinen Bürokraten –, muss sich nicht in andere hineinversetzen, sondern kann stur nach vorgege- benen Schemata entscheiden. Das zeigt sich wunderbar in den Schaufens- tern vieler Arbeitgeber, den Karrierewebsites. Und in unmenschlichen Bewer- bungsprozessen. Weniger Regeln und mehr Vertrauen, einfach statt kompliziert – diese Denke ist beileibe kein «weicher» Faktor. Betriebe ohne komplizierte Strukturen sind wirtschaftlicher. In meinen Worten: Schlanke Firmen verdienen mehr Geld. Das sagt mein gesunder Menschenverstand und auch die Boston Consulting Group. Sie hat das untersucht und rät darum den Unternehmen dringend, sich selbst zu entrümpeln. Das nenne ich auf den Punkt gebracht. Viele Firmen stehen sich selbst im Weg. Auf Veränderungen reagieren sie mit neuen Vorgaben, Regeln und Prozessen. Die Folge sind stark adipöse Strukturen. Die Sehnsucht nach Regeln blüht auf dem Nährboden der Angst. Angst vor Kreativität und vor Verlust von Kontrolle und Autorität. Regeln sind das Gegenteil von Humor. Wer lacht, hat noch Reserven. Wer neue Regeln ein- führt, ist am Anschlag. Und zu viele Regeln sind einer sinnvollen Arbeit Tod.
  • 16. Personalmarketing 74 Jetzt übertreibt er aber, denken Sie sich vielleicht. Mag ja sein, manchmal muss man etwas über das Ziel hinausschiessen, um etwas zu erreichen. Vermutlich haben Sie in den letzten Jahren auch mehrere solcher Systeme eingeführt: ■■ Bewerbermanagementsystem ■■ E-Personalakte ■■ Manager- und Employee Self Service ■■ Arbeitszeugnisgenerator ■■ Kreditorenworkflow ■■ Beschaffungssysteme («Banfen») ■■ E-Spesen ■■ Arbeitszeiterfassungssysteme ■■ Sharepoint Schön. Und bei jeder Einführung wurde Ihnen eine Zeitersparnis und der Wegfall administrativer Arbeiten versprochen. Stimmt’s? Wenn dem aber so wäre, dann müssten Sie jetzt doch eigentlich Zeit im Überfluss haben. Um richtig gutes Personalmarketing zu machen. Aus Ihren Stellenanzeigen Werbeanzeigen für Stellen zu machen. Die Korrespondenz mit Ihren Bewerberinnen endlich aufzufrischen. Sich persönlich um die För- derung Ihrer High-Potentials zu kümmern. Um ein richtig cooles Projekt auf- zugleisen. Um Ihr Ideenmanagement zu revolutionieren. Um Ihre Arbeitszeit zu reduzieren. Oder von mir aus, um an Fachtagungen herumzulümmeln oder sogar Däumchen zu drehen. Ist das bei Ihnen eingetreten? Eben. Mehr Normal hilft, den Spannungsabfall in der Arbeit zu verhindern – und somit ein Brown-out bei den Talenten. Mehr Normal hilft, Mitarbeitende leistungsfähig und -willig zu halten.
  • 17. DENKZETTEL Werden Sie Widerstandskämpfer gegen entmündigende Abläufe und schaffen Sie Schranken ab. Schenken Sie (wieder) mehr Vertrauen. Der Führungsgrund- satz 4.0 lautet: Vertrauen ist gut. Kontrolle meist nicht besser. Viele und detaillierte Regeln führen nicht zu mehr Sicherheit. Glauben Sie nicht alles, was sich da an schwerfälligen Prozessen unter dem unverfänglichen Deckmäntelchen von Corporate Governance und Prozessoptimierung anschleicht. Entmündigen Sie die Halbgötter des Einkaufs, betrachten Sie Führungskräfte, Projektleiterinnen und generell alle Mitarbeitenden (wieder) als mündige, entscheidfähige Menschen. Bekämpfen Sie die Auswüchse des Prozesswahns – und werben Sie mit schlanken oder wieder entschlackten Prozessen, mit konkreten Entscheidkompetenzen und mit abgeschafften Reglementen. Fangen Sie bei Ihren eigenen Prozessen an, zum Beispiel dem Bewerbungsprozess. Machen Sie es wie Steve Jobs: Stellen Sie smarte Mitarbeitende ein, die Ihnen sagen, was zu tun ist. Nicht umgekehrt.