Benclowitz: Die Kunst ist frei!? Teil I: Tendenzschutz im Betriebs- und Perso...
Dr. Thomas Köstlin: Private Mittel für die Kultur – Strategien im Zeichen der Krise
1. F 3.11
Private Mittel für die Kultur – Strategien
im Zeichen der Krise
Dr. Thomas Köstlin
Die Finanz- und Wirtschaftskrise läutet 2009 nicht das Ende von Mäzenatentum und Sponsoring
ein. Die Krise zwingt aber, sich zu besinnen und die Ausgangslage zu überdenken. Gerade jetzt
muss sich der Kultursektor Strategien überlegen, mögliche Geldgeber – trotz ihrer Finanznöte – für
eine Unterstützung seiner Projekte zu gewinnen. Die Motive der Geldgeber für die Förderung eines
Kulturprojektes rücken dabei stärker ins Blickfeld. Die Unterscheidung zwischen Mäzenen, Spen-
dern und Sponsoren verliert jenseits der unterschiedlichen rechtlichen und steuerlichen Behandlung
an Bedeutung. Kooperationen zwischen Wirtschaft und Kultur in jüngster Zeit liefern dafür gute
Beispiele. Erfolgreich sind dabei vor allem Projekte, die es verstehen, auf die spezifischen Bedürf-
nisse und Wünsche ihrer Geldgeber einzugehen. In einer stärkeren Einbindung und Partizipation
liegt die Zukunft privater Kulturförderung.
Gliederung Seite
1. Die gegenwärtige Situation 2
2. Motive für private Kulturförderung 3
3. Strategien in der gegenwärtigen Krise 5
4. Beispiele aus der Praxis 7
5. Schlusswort 10
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2. F 3.11 Finanzierung und Förderung
Private Kulturförderung
1. Die gegenwärtige Situation
Stimmung in der In der ersten Jahreshälfte 2009 schwankt die Sponsoringszene zwi-
Sponsoringszene schen Sorge und verhaltenem Optimismus. Kultureinrichtungen, die in
Anfang 2009 den letzten Jahren eine mehrjährige Partnerschaft eingegangen waren,
meldeten, dass sich die Sponsoren an diese Vereinbarung halten und
keinen Rückzug planen. Große Kultureinrichtungen wie das Kunsthis-
torische Museum Wien, die Staatsoper in Stuttgart, das Städel Muse-
um in Frankfurt oder die Berliner Philharmoniker haben über die Jahre
ein besonderes Vertrauensverhältnis zu bestimmten Unternehmen auf-
gebaut und durch langfristige Verträge abgesichert.1 Weniger Ausfälle
gab es auch bei Kooperationen, die schon länger vorbereitet waren
und nur noch vertraglich im Herbst zu fixieren waren. Hier befürchtet
die Szene allerdings einen Rückgang für 2010.2
Aktuelle Entwicklung Erste vorsichtige Untersuchungen für den Bereich des Sportsponso-
beim Sportsponsoring rings belegen, wie uneinheitlich die Lage derzeit ist. Ausgerechnet die
von der Krise am heftigsten betroffene Finanz- und Versicherungs-
branche bleibt größter Trikotsponsor in Europa: Die Unternehmen
geben nach einer Erhebung des Kölner Marktforschungsinstituts Sport
und Markt rund 80,7 Mio. Euro für Werbung auf Trikots in den sechs
Top-Fußballligen Europas aus. Die Zeitschrift „Sponsors“ hat 40
wichtige deutsche Sponsoren befragt. Ein Schwerpunkt lag dabei auf
dem Finanz- und Automobilsektor und dem Sportsponsoring. 77,8
Prozent der Unternehmen sehen sich von der Finanzkrise betroffen.
Knapp 15 Prozent der Firmen wollen sofort im Bereich Sponsoring
sparen, ein Drittel gab an, zumindest in Zukunft bei ihren derzeitigen
Verträgen Einsparungen vorzunehmen. 22,2 Prozent wollen in Zu-
kunft allgemein weniger Geld in den Bereich Sport investieren.3
Wirtschaftskrise als Ein nachlassendes Engagement von Sponsoren muss im Übrigen nicht
Anlass zur Überprüfung unbedingt der aktuellen Finanzlage geschuldet sein. Als im Herbst
bisheriger Förder- 2008 die Meldung in der Presse erschien, Volkswagen wolle sein En-
strategien gagement bei den Internationalen Filmfestspielen Berlin, der Berlina-
le, spürbar zurückfahren und die Kultparty „People’s night“ bereits
2009 streichen, ließ der Konzern verlauten, dass man schon seit gut
einem halben Jahr alle Sponsoring-Aktivitäten durchleuchte. Offen-
sichtlich geht es dabei um eine langfristig angelegte Prioritätenver-
schiebung, von der Pressemeldungen zufolge vor allem das Fußball-
Engagement von VW profitieren soll.4 Auch eine renommierte Spon-
soringagentur in England rät Wirtschaftsunternehmen dazu, die Rezes-
sion dazu zu nutzen, ihre Sponsoringportfolios einer kritischen Unter-
suchung zu unterziehen. Die Unternehmen sollten sich – nach einer
Analyse der bisherigen Ergebnisse – von „poor performers“ verab-
schieden, ihre begrenzten Ressourcen konzentrieren und auf diese
Weise gute Projekten zu herausragenden weiterentwickeln.5
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3. Finanzierung und Förderung F 3.11
Private Kulturförderung
2. Motive für private Kulturförderung
Hängt das Sponsoring oder Mäzenatentum doch stärker von langfristi- Wirtschaftliche Bonität –
gen Strategien und Planungen ab als von kurzfristigen Konjunktur- Voraussetzung, nicht
schwankungen – selbst wenn diese zur Zeit besonders groß zu sein Motiv für Förderung
scheinen? Sicherlich ist für private Kulturförderung das wirtschaftli-
che Wohlergehen des Unternehmens, der Stiftung oder des Privatver-
mögens eines Mäzens Grundvoraussetzung für ein Engagement. Hier
gibt es Unterschiede zwischen Wirtschaftsunternehmen und Sponso-
ren einerseits und Mäzenaten (Stiftungen, Privatpersonen) anderer-
seits. Wirtschaftsunternehmen sind als Marktteilnehmer besonders von
der allgemeinen Wirtschafts- und Finanzlage abhängig. Gemeinnützi-
ge Stiftungen, die ihre Gelder quasi treuhänderisch verwalten, aber
auch viele Privatpersonen setzen bei ihrer Vermögensanlage auf grö-
ßere Sicherheit und gehen viel weniger spekulativ vor. Trotzdem blei-
ben sie bei den gegenwärtigen Konjunkturschwankungen selten unbe-
rührt, die finanziellen Einbrüche stellen aber meist nicht das Grund-
vermögen oder die Existenz in Frage.6
Dies bringt uns aber zur eigentlich entscheidenden Differenzierung: Finanzkraft und Motive
Gerade in der Krise darf man nicht die wirtschaftliche oder finanzielle
Potenz eines Sponsors oder Mäzens mit seinen Motiven für ein kultu-
relles Engagement verwechseln. Die private Kunstförderung – egal ob
bei Sponsoren oder bei Mäzenen – ist zwar abhängig von der allge-
meinen Wirtschaftslage. Entscheidend ist aber nicht so sehr die allge-
meine Konjunktur (oder die Erwartungen an die Konjunkturentwick-
lung), sondern die individuelle Vermögenssituation des Unterneh-
mens, der Stiftung oder der Privatperson. Erlaubt diese ein finanzielles
Engagement, ist sozusagen die wirtschaftliche Grundvoraussetzung
geklärt, kommen die eigentlichen Motive für private Kulturförderung
zum Tragen.7 Etwas überspitzt ausgedrückt: Ein Sponsor oder Mäzen
engagiert sich nicht, weil er zuviel Geld hat, sondern weil er damit
Unternehmens- oder Privatinteressen verfolgt.
Bei den Beweggründen der Förderer hat sich – trotz der Krise – er- Was bewegt Wirtschaft
staunlich wenig geändert. Die Motive privater Kulturförderung8 lassen und Private zum
sich danach systematisieren, an welchen Interessen sie sich vornehm- Engagement für
lich ausrichten. Insofern sind zu unterscheiden: die Kultur?
• Kundenorientierte Motive: Sponsoring soll die Beziehungen zu
Kunden des Unternehmens verbessern oder neue Endverbraucher-
schichten erschließen.
• Produktorientierte Motive: Über Sponsoring soll ein bestimmtes
Produkt besser bekannt gemacht werden.
• Partnerorientierte Motive: Mit Hilfe von Sponsoring sollen Ge-
schäftspartner, aber auch Politik oder Lobbygruppen, besser er-
reicht werden, um sie für die Interessen des Unternehmens einzu-
nehmen.
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4. F 3.11 Finanzierung und Förderung
Private Kulturförderung
• Unternehmensinterne Motive: Sponsoring, häufig aber auch Mäze-
natentum, kann dazu beitragen, die Mitarbeitermotivation zu verbes-
sern, aber auch die Mitarbeiter stärker in die Marketingstrategien
einzubinden und als Mitstreiter für die Unternehmensziele zu ge-
winnen. Es geht zentral um die Steuerung der Unternehmenskultur.9
• Imageorientierte Motive: Private Kulturförderung kann in Öffent-
lichkeit und Politik das Image des Unternehmens oder des Mäzens
verbessern oder profilieren. Das Unternehmen oder der Mäzen
kann sich darüber als „good corporate citizen“ profilieren, der sei-
ner „corporate social/cultural responsibility“ über private Kultur-
förderung nachkommt. In vielen Fällen spielt auch die Integration
in das gesellschaftliche Umfeld einer konkreten Region eine wich-
tige Rolle.10
• Altruistische Motive: Sie finden sich vor allem beim klassischen
Mäzenatentum und sind dort definitionsgemäß die Haupttriebfeder.
Bei Kleinspendern ist dies ganz offensichtlich. Je größer aber das
Engagement ist, desto eher kommen hier noch Imagegesichtspunk-
te dazu. Sogar die selbstlosesten Großspender müssen heute akzep-
tieren, dass ihr Engagement gleichzeitig ihr persönliches oder un-
ternehmerisches Standing in der Öffentlichkeit verbessert. Die
meisten Großmäzene sind sich bewusst, dass ihr Vorbild weitere
kleine und große Spender nach sich ziehen kann und damit die
„Veröffentlichung“ ihrer guten Tat nicht nur ihr Image fördert, son-
dern auch der Sache dienlich ist. Die altbekannte Maxime „Tue
Gutes und rede darüber“ wirkt immer in doppelter Weise – für die
Sache und für die Person.
Nicht Einzelmotive, In der Praxis tritt selten einer dieser Motivationsstränge in Reinkultur
sondern Motivpakete auf. Insbesondere Sponsoren verfolgen stets mehrere Motive mit un-
ausschlaggebend terschiedlicher Intensität. Beim Kultursponsoring sind die kunden-
oder produktorientierten Motive eher selten ausschlaggebend. Kultur-
sponsoring ist beispielsweise gegenüber dem Sportsponsoring kaum
konkurrenzfähig, da es meist nur einen verhältnismäßig kleinen Kreis
potentieller Adressaten erreicht. Zum einen eignet sich das klassische
Werbe-Instrumentarium des Kultursponsorings (Logoabdruck, Bran-
ding, Hospitality) kaum für eine gezielte Ansprache breiter Kunden-
gruppen. Zum anderen gibt es im Kulturbereich selten Großereignisse,
bei denen man Endverbraucher für bestimmte Produkte gewinnen
kann. Ausnahmen bestätigen die Regel: Insbesondere die großen Film-
festspiele in Cannes oder Berlin werben regelmäßig für bestimmte
Produkte oder Marken (Autos, Kosmetik, Mode, Schmuck). In Lon-
don oder Paris ist es in den letzten Jahren zu Sponsoringkooperationen
bei Großausstellungen gekommen.
Besonders wichtig: Tatsächlich zielt Kultursponsoring nach allgemeiner Erfahrung ganz
Imageprofilierung überwiegend auf die Verbesserung oder Profilierung des Images.11
Kunst und Kultur bieten dem Sponsor eine ganze Palette positiver
Imagefaktoren wie Qualität, Innovation, Kreativität oder Sinnlichkeit,
die er auf seine Produkte oder Dienstleistungen übertragen kann.
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