Keynote von der #COCON24:
In Veränderungsprozessen in Organisationen ein immer wieder gern gewähltes Mittel: Mitarbeiter werden zu Agenten des Wandels, bekommen Freiraum für eigene Initiativen und sollen helfen, den Prozess des Wandels nachhaltig zu gestalten. Der Grund: Veränderung von oben nach unten verordnet hilft immer weniger. In unserer Session betrachten wir die schwierige Rolle von Change Agents im organisationalen Wandel. Wo dienen sie nur als schmuckes Beiwerk, das Mitarbeiterbeteiligung lediglich simuliert – und unter welchen Umständen entfalten diese meist informell agierenden Gruppen von Mitarbeiter:innen tatsächlich Wirkung. Anhand von Praxisbeispielen zeigen wir Stolpersteine und Erfolgskriterien.
11. Der Schmuckeremit
„700 Pfund erhält derjenige, der
bereit ist, sieben Jahre in der
Eremitage zu bleiben, wo er mit einer
Bibel, einer Brille, einer Fußmatte,
einem Strohsack als Kissen, einer
Sanduhr als Zeitmesser, Wasser als
Getränk und Nahrung aus dem Haus
versehen werden sollte.
Er muss ein wollenes Gewand tragen
und darf sich unter gar keinen
Umständen die Haare, den Bart und
die Nägel schneiden, nicht jenseits
der Parkgrenzen herumstreunen oder
auch nur ein Wort mit dem Diener
wechseln.“
Anzeige aus dem Blackwood Magazin, 1830
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Change Agents: Ursprung
Soziologie
Everett Rogers:
Selbst ernannte! Meinungsführer:innen,
die eine gesellschaftliche oder politische Idee fördern – oder verhindern
Organisationsentwicklung
Unternehmensberater, u.a. John P. Kotter:
Selbst ernannte! Meinungsführer:innen,
die aufgrund ihres Einflusses Veränderungsvorhaben des Managements entweder
fördern – oder verhindern
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Unser heutiges Verständnis von Change Agents
Eine Gruppe von freiwilligen/ernannten Multiplikator:innen,
die
• neben ihren gegenwärtigen Aufgaben
• temporär
• als Rollenvorbilder und/oder Umsetzer:innen
• an Veränderungs-/Transformationsvorhaben mitwirken
Sie demonstrieren, sichtbar für von der Transformation betroffenen
Mitarbeitende, dass Veränderung möglich ist – und die in der
Regel Top Down geplante Transformationsstrategie Sinn ergibt.
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Auf welchen Ebenen kommen Change Agents zum Einsatz?
Vision
Mission
Unternehmensziele
Werte, Leitbilder
Ableitung von Strategischen Maßnahmen
für einzelne Unternehmensfunktionen
Umsetzung von Maßnahmen
der Restrukturierung/des Kulturwandels
Softwareeinführung/Poweruser
Konzeption/Neu-Denken von Geschäftsprozessen aufgrund von
Digitalisierungsprojekten
Operativ
Strategisch
Quelle: kluge_konsorten
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Case 1: Change Agents implementieren ein neues Führungsleitbild
Vision
Mission
Unternehmensziele
Werte, Leitbilder
Ableitung von Strategischen Maßnahmen
für einzelne Unternehmensfunktionen
Umsetzung von Maßnahmen
der Restrukturierung/des Kulturwandels
Softwareeinführung/Keyuser
Konzeption/Neu-Denken von Geschäftsprozessen aufgrund von
Digitalisierungsprojekten
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Case 1 – die Story
Das Unternehmen
• Mittelständisches
Technologieunternehmen
• PE entwickelt gemeinsam mit Management
neue Führungsleitlinien
Die Herausforderung
• Wie stellen wir sicher, daß der mühsam
erarbeitete Konsens der Führungsleitlinien
nicht als Kaffeetassen-Deko endet?
Werte, Leitbilder
Bildquelle:
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Erfolgsfaktoren
• Auswahl von Change Agents
• Sehr regelmäßige Projektbegleitung
• Rolle von PE
• Involvement des Managements
• Sponsor aus dem Management
• Freiraum
• Management von Konflikten und Mediation
• Unterstützung bei Methodik und
Lösungsfindung
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Case 2: Change Agents setzen die identifizierten Handlungsfelder aus einem
topdown konzipiertenRestrukturierungsprozess um
Vision
Mission
Unternehmensziele
Werte, Leitbilder
Ableitung von Strategischen Maßnahmen
für einzelne Unternehmensfunktionen
Umsetzung von Maßnahmen
der Restrukturierung/des Kulturwandels
Softwareeinführung/Keyuser
Konzeption/Neu-Denken von Geschäftsprozessen aufgrund von
Digitalisierungsprojekten
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Case 2 – die Story
Das Unternehmen
• Behörde mit ca. 1000 Mitarbeiter:innen
• Vorstand entwickelt Zukunftsbild und erarbeitet
mit ca. 30 Abteilungsleitern in einem Open Space
rund 40 Maßnahmen zur Prozessoptimierung
und verbesserten Arbeitskultur
Die Herausforderung
• Wie stellen wir sicher, daß die Mitarbeitenden –
nach mehreren versandeten “ab jetzt wird alles
besser” Initiativen daran glauben, dass jetzt
wirklich alles besser wird?
Bildquelle:
Umsetzung von Maßnahmen
der Restrukturierung/des
Kulturwandels
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Erfolgsfaktoren
• Das (neue) Vorstandsteam tritt erkennbar als
Team auf > ein starkes Signal, daß etwas anders
ist als früher
• Das Vorstandsteam ist NICHT Auftraggeber der
Maßnahmen, sondern “Sounding Board”;
es wird, um in den Sprintmeetings der
Transformationsteams vor allen Dingen Fragen
zu stellen – anstelle Anweisungen zu geben, eng
im Kommunikationsverhalten begleitet
• Die Change Agents werden – angesichts der
engen Resourcenlage der Gesamtorganisation –
sehr sorgfältig ausgesucht: Keine Rebellen, keine
Schmuckeremiten – sondern echte Macher:innen
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How To: Wie greifen die Aktivitäten der unterschiedlichen Teams -
Soundingboard – Transformation Office – Transformation Teams aus Change
Agents ineinander?
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How To: Das Organigramm
1. In dieser Organisationskultur ist
eine eindeutige
Organisationsstruktur der
Change-Agents unabdingbar –
daher entwickeln wir eine für alle
absolut transparente
Berichtstruktur.
How To: Die Change Agents
2. Der Prozess der Auswahl sowie
die Konfiguration der
Projektteams sowie ihr
Bewegungsrahmen sind klar
festgelegt
How To: Das Transformation Office
3. Eine zentrale
Kommunikationseinheit sorgt für
Informationsfluss und unterstützt
die Transformations-Teams
methodisch und organisatorisch
Transformation Office
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Case 3: Change Agents führen ein Enterprise Social Network (ESN) ein
Vision
Mission
Unternehmensziele
Werte, Leitbilder
Ableitung von Strategischen Maßnahmen
für einzelne Unternehmensfunktionen
Umsetzung von Maßnahmen
der Restrukturierung/des Kulturwandels
Softwareeinführung/Keyuser
Konzeption/Neu-Denken von Geschäftsprozessen aufgrund von
Digitalisierungsprojekten
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Case 3 – die Story
Das Unternehmen
• Ein internationales
Versicherungsunternehmen
• IT führt in Abstimmung mit dem noch wenig
digitalaffinen Vorstand, ein Enterprise Social Network
(ESN)
Die Herausforderung
• Wie stellen wir sicher, daß das Ziel barrierefreier
Kommunikation und Kollaboration in einem ESN erreicht
wird – in einer traditionellen Hierarchie, für die nicht nur
die Software-Nutzung, sondern kulturelle
Metakompetenzen wie Transparenz und Augenhöhe vor
allem seitens der Entscheider:innen als wichtige Enabler
einer effizienten Arbeitskultur akzeptiert und erlernt
werden müssen?
Konzeption/Neu-Denken von
Geschäftsprozessen aufgrund
von Digitalisierungsprojekten
Bildquelle:
Softwareeinführung/Keyuser
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Erfolgsfaktoren
• Auswahlverfahren der Change Agents:
Bewerbungsverfahren, das weniger auf technische
Skills als auf positive Einstellung zur Veränderung
fokussiert ist.
• Schneeballsystem: Neue Kohorten von Multiplikatoren
werden von bereits Aktiven ausgebildet.
• Pull statt Push für Führungskräfte: Erzeugen eines
Klimas, das neugierige Führungskräfte einlädt zum
Neudenken der Kommunikation und Kollaboration –
Konzentration auf veränderungsbereite FKs.
• Schutz: Freiraum für Steuerungsteam und Change
Agents vor Durchgriff der Hierarchie (“Können Sie das
bitte löschen!”, ”Das macht den Leuten Angst”)
Bildquelle:
35. 1. Ressourcen
Ressourcen seitens der Entscheider:innen in Form von Zeit, Geld und Interesse
vermitteln die Ernsthaftigkeit der Absicht, nachhaltig etwas zu ändern. Fehlt eines
41. Auch ein Transformationsvorhaben aus der Mitte erfordert eine akribische
Projektorganisation und Methodenkompetenz – sonst riskiert man Frust und Disengagement.
4. Struktur
43. Ein Team von Change Agents, sei es noch so engagiert, funktioniert nicht ohne Steuerung durch
ein unterstützendes Transformationsbüro (oder eine PE/OE, die sich dieser Aufgabe widmen
kann)
5. Organisation
45. Es lohnt sich, in den Auswahlprozess viel Energie zu investieren: Meta-Kompetenzen wie
Resilienz und Veränderungsbereitschaft sind entscheidender als konkrete Skills.
6. Auswahlprozess
47. Die Methodenkompetenz muss oft erst aufgebaut werden: Von der Kommunikation über die
Steuerung bis zum Umgang mit Widerständen.
7. Methodenkompetenz
49. Auch ein Team von hochengagierten Change Agents erfordert ein intensives, gut moderiertes
Teambuilding, in dem besonders der Norming-Phase eine wichtige Bedeutung zukommt.
8. Teambuilding
51. Communication is all around and all above:
Ohne wirksame Kommunikation IM Agents-Team, aber auch in die Organisation und dort wo
möglich nach extern lassen sich Transformationsanliegen nicht in die Breite bringen.
9. Kommunikation
52. How To - Erfahrungen aus unserer Praxis
1. Ressourcen seitens der Entscheider:innen in Form von Zeit, Geld und Interesse vermitteln die Ernsthaftigkeit der
Absicht, nachhaltig etwas zu ändern. Fehlt eines dieser drei Elemente, sind Frustration und Misserfolg
vorprogrammiert.
2. Freiraum zum Gestalten ist für Change Agents wie Luft zum Atmen:
Sowohl inhaltlich wie zeitlich.
3. Management-Teams tun gut daran, der Versuchung, sich „wie gewohnt“ als Auftraggeber:in eines Projektes zu
verstehen, zu widerstehen.
4. Auch ein Transformationsvorhaben aus der Mitte erfordert eine akribische Projektorganisation und
Methodenkompetenz – sonst riskiert man Frust und Disengagement.
5. Ein Team von Change Agents, sei es noch so engagiert, funktioniert nicht ohne Steuerung durch ein
unterstützendes Transformationsbüro (oder eine PE/OE, die sich dieser Aufgabe widmen kann)
6. Es lohnt sich, in den Auswahlprozess viel Energie zu investieren: Meta-Kompetenzen wie Resilienz und
Veränderungsbereitschaft sind entscheidender als konkrete Skills.
7. Die Methodenkompetenz muss oft erst aufgebaut werden: Von der Kommunikation über die Steuerung bis zum
Umgang mit Widerständen.
8. Auch ein Team von hochengagierten Change Agents erfordert ein intensives, gut moderiertes Teambuilding,
in dem besonders der Norming-Phase eine wichtige Bedeutung zukommt.
9. Communication is all around and all above:
Ohne wirksame Kommunikation IM Agents-Team, aber auch in die Organisation und dort wo möglich nach extern
lassen sich Transformationsanliegen nicht in die Breite bringen.