"Neue Organisationsformen, agile Teams, künstliche Intelligenz ... brauchen wir im Smart Machine Age überhaupt noch Führung?" Diese provokante Frage stellt Marianne Grobner beim Business Summit 2018 in ihrer Keynote. Ihre Botschaft: Let´s RETHINK - CHALLENGE - INNOVATE LEADERSHIP !
3. 308.03.2018
Stellen Sie sich vor:
Sie kommen ins Büro und ihre Führungskraft begrüßt sie freundlich
mit Namen, gibt Ihnen wertschätzend Feedback zu Ihrer
vorbereiteten Präsentation, gratuliert zu einem Auftrag, den Sie an
Land gezogen haben: Dann weist Sie auf zwei Kunden hin, die Sie
wieder kontaktieren könnten, weil diese schon länger nichts von
Ihnen gehört haben und zu guter Letzt…
… teilt Sie Ihnen mit, dass sie beobachtet, dass Sie regelmäßig
nach 23 Uhr noch Mails versenden. Sie sorgt sich um Sie und mahnt
Sie freundlich, dass Sie auf Ihre Gesundheit und Ihren Schlaf achten
sollten.
Welche Bilder kommen Ihnen zu dieser Führungskraft?
Ein Mann...eine Frau ... ein junger Mensch oder eine erfahrene
Person ... oder....
5. 508.03.2018
Im privaten Bereich sind wir das durchaus gewöhnt:
Viele Menschen benutzen
- eine Uhr, die sie daran erinnert, stündlich mal wieder
aufzustehen und sich bewegen
- eine App, die sie – wie früher die Mutter – daran erinnert, ins Bett
zu gehen
- eine App, die kontrolliert, ob sie die Zähne ordentlich geputzt
haben oder genug Wasser trinken.
- soziale Medien, die Ihnen erklären, dass Sie ein Superstar sind,
wenn sie ihr Profil brav gepflegt haben.
9. 908.03.2018
Die Digital Immigrants, welche in der digitalen Welt
groß geworden sind, finden Polaroid-Fotos zwar
richtig cool, aber auch diese werden sofort am Handy
festgehalten.
11. 1108.03.2018
Führungskräfte übernehmen derzeit viele Aufgaben, die –
über kurz oder lang – auch mit Algorithmen und künstlicher
Intelligenz gelöst werden können:
Die Führungskraft als Oberexperte oder Knowhow-Trägerin,
die sich dadurch definiert, dass sie alles im Fachgebiet weiß,
kommt angesichts der immer stärkeren Differenzierung und
kürzeren Halbwertszeit von Wissen unter Druck.
Datenbanken und Algorithmen sind oft schneller.
Führungskräfte, die ihre Energie dafür einsetzen, alles zu
steuern, zu kontrollieren und „im Griff“ zu haben, merken,
dass sie in der Daten- und Informationsflut überfordert sind.
12. 1208.03.2018
Das Tempo unserer Zeit verlangt von Führungskräften
Flexibilität und das Meistern von Komplexität.
Ihre Versuche noch mehr zu arbeiten, zu planen,
kontrollieren, strukturieren, analysieren und steuern helfen
ihnen nicht aus dem Dilemma.
Sie werden zum Flaschenhals im Unternehmen.
Daher werden auch immer häufiger die hierarchischen
Organisationsformen kritisiert. Man verweist auf zu lange
Entscheidungswege, starres Abteilungsdenken, mangelnde
Eigenverantwortung und stellt die Frage nach Alternativen.
15. 1508.03.2018
Bei der Frage nach der optimalen Organisationsform in
unserer Zeit wird angestrengt nach Alternativen gesucht.
Und immer häufiger wird dabei die Führung in Frage gestellt
und Organisationen ohne Führung als Lösung für unsere
VUCA-Welt verkündet.
§ Bedeutet das, wir brauchen keine Führung mehr?
Schmeißen wir in Zukunft alle Chefs raus?
§ Können Organisationen auch ohne Chefs funktionieren?
§ Reichen in Zukunft Eigenverantwortung und
computerunterstützte Steuerung der Prozesse?
16. 1608.03.2018
Um es mit der Analogie einer Bergbesteigung zu
vergleichen:
Laufen in Zukunft alle eigenverantwortlich mit Pulsuhr und
GPS alleine auf die Berge?
19. 1908.03.2018
Oder braucht es die Bergführer, die die Gruppe durch
Gletscherspalten und felsiges Gelände auf den Gipfel
führen?
Ich bin überzeugt: Führung und Hierarchie sind per se nicht
schlecht.
Ganz im Sinne der heutigen Veranstaltung müssen wir sie
aber neu denken, hinterfragen und erneuern.
21. 2108.03.2018
97% der Vorgesetzten halten sich für eine gute
Führungskraft (Gallup Studie 2016).
Nur jeder fünfte Arbeitnehmer (21 Prozent) sagt: „Die
Führung, die ich bei der Arbeit erlebe, motiviert mich,
hervorragende Arbeit zu leisten“.
Und 60% der Mitarbeitenden haben innerlich gekündigt.
Man sagt der Fisch beginnt am Kopf zu stinken, wenn man
ausdrücken will, dass Missstände meist in der
Führungsetage ihre Ursache haben.
22. 2208.03.2018
Ich behaupte, auch der Wandel beginnt am Kopf, nämlich in
den Köpfen der CEOs, Vorstände und Geschäftsführer.
Wer am meisten umlernen muss, sind die Topmanager.
Und der Wandel beginnt zwar in den Köpfen des
Topmanagements, er muss aber verankert werden in den
Herzen, als in den Grundhaltungen. Wir müssen unsere
mentalen Modelle und unsere Handlungsmuster in Frage
stellen. Führung braucht ein Update - wie ein Computer
auch.
24. 2408.03.2018
Vorgesetzte
• die ihren Mitarbeitenden nichts zutrauen und glauben, dass
ohne sie als SMARTE, schlaue, intelligente Besserwisser“
nichts läuft
• die mit Kontrollwahn glauben, alles mit Zahlen
kontrollieren zu können und im Griff zu haben,
• die in Wettbewerb gehen und den Anspruch auf HIPPO-
Entscheidungen (highest paid persons opinion) erheben
• die Informationen für sich behalten
• die keine Fehler akzeptieren und daher nichts Neues
ausprobieren
• die nur das hören, was ihre Urteile und Meinungen
bestätigt
• die nur sagen statt zu fragen
sind ein Auslaufmodell aus dem vorigen Jahrhundert.
25. 2508.03.2018
Diese Art von Führung funktioniert ja schon jetzt nicht mehr
und in Zukunft schon gar nicht.
Zur Navigation ins Smart Machine Age (SMA), ins Zeitalter
der selbstlernenden Maschinen, sind andere Fähigkeiten
gefragt.
Hier ein kleiner Routenplaner für Führung ins SMA...
28. 2808.03.2018
Entwickeln Sie ein kraftvolles Zukunftsbild für Ihr
Unternehmen. Man spricht heute gerne auch von einem
Massive Transformation Purpose MTP, einer anspruchsvolle
Zweckbestimmung der Organisation, die eine Branche oder
die Gesellschaft transformiert - ganz im Sinne von Martin
Luther King: „I have a dream“.
TED - ideas worth spreading oder
Google: “Organize the world’s information.”
29. 2908.03.2018
Wir müssen ja nicht unbedingt die ganze Welt mit unseren
Unternehmen transformieren, um Mitarbeitende anzuspornen,
aber ein Zukunftstbild für die Organisation kann allen eine
sinnvolle Richtung vorgeben. Sinnvoll und kraftvoll ist es dann,
wenn es mehr beinhaltet als nur die hochgerechneten Umsatz-
und Ertragsziele für die nächsten 3-5 Jahre. Es gibt Antwort
auf die Frage: „Wozu gibt es uns?“
Und wie kommen wir zu diesem Zukunftsbild, wenn wir
Führung neu denken? Nicht in einem Strategie-Ausschuss,
nicht mit externen Strategieberatern, sondern in einem
gemeinsamen Entwicklungsprozess, an dem sich alle
beteiligen können – in Großgruppen, in Arbeitskreisen oder
mit Online-Tools.
31. 3108.03.2018
Um zu diesem Zukunftsbild zu kommen, müssen wir auch
immer wieder raus aus dem Autopilot-Modus, in dem wir
funktionieren und hinein in die Präsenz. Wenn wir zur Ruhe
kommen, uns Zeit nehmen für Reflexion, digital abschalten,
Natur erleben, wahrnehmen, erspüren beginnt unser Ego zu
schweigen und wir bekommen Zugang zu unserer Intuition,
nehmen Entwicklungen wahr, sehen und begreifen das
Unsehbare und spüren, was „stimmig“ ist.
Diese innere Aufmerksamkeit und Achtsamkeit erreichen
wir nicht, wenn wir ein paar Wochen im Urlaub versuchen zu
entspannen. Wir müssen im Alltag Oasen der Ruhe finden - sei
es durch phasenweises digitales Abschalten und Meditation,
Yoga, Musizieren, Wald-Spaziergänge, Joggen,...
33. 3308.03.2018
Dadurch entsteht innere Gelassenheit im Sinne von:
„Relax – nothing is under control“.
Wir wissen nicht, was alles auf uns zukommt, wir wissen nur:
Wir werden lernen mit Unsicherheit zu leben und wie beim
Autofahren im Nebel heißt das: Auf Sicht fahren und achtsam
wahrnehmen, was uns entgegenkommt.
36. 3608.03.2018
Im Umgang mit neuen Technologien bewegen sich
Führungskräfte im Spannungsfeld zwischen Euphorie und
Verweigerung:
In vielen Unternehmen sind die IT-Kosten zwar
überproportional gestiegen und es wurde viel in große EDV-
Projekte investiert. Man möchte gern „app to date“ sein.
Doch nach wie vor gibt es keine übersichtlichen Dashboards.
Wichtige Daten können nicht in Echtzeit abgerufen werden
und in vielen Top-Management –Teams kennt sich niemand so
recht aus mit den neuen Technologien und Buzzwords wie
Industrie 4.0, Big Data, Data Mining, ...
37. 3708.03.2018
Wenn wir Algorithmen und Daten sinnvoll nützen wollen, so
gehören in Zukunft die Geeks, die Datenwissenschaftler, viel
mehr in die Geschäftsplanung und Steuerung eingebunden.
Der Harvard Professor Thomas Davenport bezeichnet den
Beruf „Data Scientist“ als den „Sexiest Job of the centrury“
Die Chief Information Officer (CIOs) werden und sollen eine
wichtige Funktion im Management einnehmen. Die Führung
muss entscheiden, wofür sie Technologien einsetzen will:
Für totale Überwachung und Kontrolle oder um Wissens-
Management zu unterstützen, transparente Daten für Planung
und Entscheidungen zu liefern, interne Kommunikation und
Zusammenarbeit zu erleichtern, Unternehmenswerte und
Innovationen im Online-Dialog mit tausenden Stakeholdern
innerhalb weniger Stunden zu entwickeln.
39. 3908.03.2018
Auch in der Zusammenarbeit in einem Team in der modernen
Wissensgesellschaft wird Führung in Zukunft gefordert sein,
umzudenken. Wir sollten lernen mit Nichtwissen und Respekt
vor dem Wissen der anderen zu leiten und vor allem eines
etwas zu lernen:
Fragen!
Fragen nicht im Sinne von Inquisition und Schuldsuche.
Fragen ohne schon vorab innerlich zu urteilen und
Glaubenssätze verteidigen.
Der amerikanische Organisationspsychologe und
Managementprofessor Ed Schein nennt das in seinem Buch
„Humble Inquiry“: Offen, neugierig und demütig fragen statt
ständig zu sagen, zu befehlen und zu urteilen. Große Ohren
statt großer Mund. Den Vorschlägen und Ideen im Team
Aufmerksamkeit und Raum schenken.
41. 4108.03.2018
Was bedeutet das für die Zusammenarbeit?
Es geht nicht um die Selbstdarstellung der Führungskraft,
nicht um das Ego der Chefs, sondern um das gemeinsame
Entwickeln und Vorantreiben der Organisation. Oder wie es
Claus Otto Scharmer beschreibt:
Jeder, der sich für die zukunftsgerichtete Entwicklung
der Organisation einsetzt, führt.
42. 4208.03.2018
Was bedeutet das für die Führung?
Führung muss dafür ein Klima und Rahmenbedingungen
schaffen, dass Neues entstehen kann. Es ist zu wenig, allen
Mitarbeitenden neue Tools und Methoden wie Scrum oder
Design Thinking beizubringen, Strukturen wie Holokratie
überzustülpen.
Es geht vielmehr darum, die Mitarbeitenden zu befähigen
und ihnen zu ermöglichen, dass sie eigenverantwortlich
denken und – vor allem ihre Fachaufgaben – selbständig
lösen können.
43. 4308.03.2018
Wie kann nun so eine generative Community entstehen?
- Mehr Zusammenarbeit in abteilungsübergreifenden
Teams um das starre Abteilungsdenken aufzulösen.
- Auch Kunden in die Zusammenarbeit ( bei der
Produktentwicklung, im Wissensmanagement,...)
einbinden.
- Abschaffen von Einzelzielen und Einzelprämien.
- Förderung der generationenübergreifenden
Zusammenarbeit.
- Einbinden von jungen Mitarbeitenden in die
Zukunftsarbeit: z.B. regelmäßig „Junge Wilde“ in den
Strategieausschuss berufen oder einen Zukunftskreis mit
Vertretern aller Altersgruppen ins Leben rufen, der über
Entwicklungen und neue Ideen nachdenkt.
45. 4508.03.2018
Dieser Ansatz ist eigentlich nicht neu, sondern seit
Jahrhunderten bekannt: Schon 540 n.Chr. schrieb der
Heilige Benedikt in seiner Regula Benedicta, zur Frage, wie
ein Abt ein Kloster führen solle:
„Sooft etwas Wichtiges im Kloster zu behandeln ist, soll der
Abt die ganze Gemeinschaft zusammenrufen und selbst
darlegen, worum es geht. ...
Dass aber alle zur Beratung zu rufen seien, haben wir deshalb
gesagt, weil der Herr oft einem Jüngeren offenbart, was das
Bessere ist.“
Unterstützen wir also die Jüngeren in ihrer fachlichen und
persönlichen Entwicklung, dass sie eigenverantwortlich
arbeiten können. Geben wir ihnen im Sinne des heiligen
Benedikt die Chance, ihre Ideen für die Zukunftsentwicklung
der Organisation einzubringen und umzusetzen.