Ein freier Web-Index
Prof. Dr. Dirk Lewandowski
Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg
dirk.lewandowski@haw-hamburg.de
@Dirk_Lew
HAW Hamburg, 25.3.2014
Agenda
1.  Bedeutung der Suchmaschinen und Marktmacht
2.  Ergebnispräsentation und Nutzerverhalten
3.  Probleme und (vermeintliche) Lösungen
4.  Vision: Ein freier Web-Index
Bedeutung der Suchmaschinen und Marktmacht
Wer das Internet nutzt, nutzt Suchmaschinen
•  Suchmaschinen sind der beliebteste Dienst des Internt (Purcell, Brenner &
Raine, 2012; van Eimeren & Frees, 2013)
van Eimeren, B.; Frees, B. (2013): Rasanter Anstieg des Internetkonsums – Onliner fast drei Stunden täglich im Netz:
Ergebnisse der ARD/ZDF-Onlinestudie 2013. Media Perspektiven 54(7-8), 358-372.
Masse
• In Deutschland in einem
Monat 5,6 Milliarden
Suchanfragen („Kern-Suche“).
• Pro Tag: >180 Millionen
• Pro Stunde: 7,5 Millionen
• Pro Minute: 125.448
• Pro Sekunde: 2.091
ComScore. (2010). comScore Reports Global Search Market Growth of 46 Percent in 2009.
http://comscore.com/Press_Events/Press_Releases/2010/1/Global_Search_Market_Grows_46_Percent_in_2009
Der Suchmaschinenmarkt (Deutschland)
ComScore-Zahlen März 2012;
http://www.focus.de/digital/internet/netzoekonomie-blog/suchmaschinen-googles-marktanteil-steigt-
auf-96-prozent-in-deutschland_aid_723240.html
95,9
1,1
0,9
0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100
Google
Bing
Yahoo
Index vs. Suchinterface
•  Geschäftsmodell Partnerindices
–  Eine Suchmaschine mit eigenem Index stellt ihre Ergebnisse und ihre
Textanzeigen dem Partner zur Verfügung
–  Das mit den Werbeklicks verdiente Geld wird nach einem vorher festgelegten
Schlüssel zwischen Suchmaschine und Partner aufgeteilt
•  Attraktivität des Modells
–  Minimale zusätzliche Kosten pro Anfrage für die gebende Suchmaschine
–  Enorme Kostenersparnis für die nehmende Suchmaschine (Betrieb einer eigenen
Suchmaschine entfällt)
–  Ergebnis: Ausdünnung des Suchmaschinenmarkts
Die Geschichte der Web-Suchmaschinen
Grafik mit historischer Entwicklung unter http://www.bruceclay.com/eu/serc_histogram/histogram.htm
Ergebnispräsentation und Nutzerverhalten
Wandel der Trefferpräsentation: Mehr Macht für die
Suchmaschine, weniger Entscheidungsfreiheit für den Nutzer?
1.  Trefferliste
–  Lesen von oben nach unten; Positionseffekte
2.  Universal-Search-Ergebnisseite
–  Grundsätzliche Beibehaltung der Listendarstellung
–  Lenkung der Aufmerksamkeit durch grafische Elemente, Hervorhebungen
3.  Direkte Antworten / extrahierte Informationen
–  Aufbrechen der Listendarstellung
–  Ergebnisseiten bestehen nicht mehr notwendigerweise aus Verweisen auf
Dokumente
xxxx
•  xxxx
xxxx
•  xxxx
Probleme und (vermeintliche) Lösungen
Bias der Suchmaschinen
•  Drei Ebenen von Suchmaschinen-Bias (Weber, 2011)
–  Implementierung der Suchmaschine
–  Verhalten der Anbieter von Inhalten
–  Nutzung von Suchmaschinen
à  Eine „verzerrungsfreie“ Suchmaschine kann es nicht geben
•  Verzerrungen werden zum Problem durch die Kombination von
•  Dominanz des Modells „algorithmische Web-Suchmaschine“
•  Dominanz von Google in diesem Bereich
•  Nutzerverhalten
Über was haben Suchmaschinen eigentlich Macht?
•  Über das, was überhaupt in den Index aufgenommen wird
–  Technisch bedingte Probleme der Web-Indexierung
–  Demokratisch legitimierter Ausschluss von Inhalten
–  Willkürlicher Ausschluss von Inhalten
•  Über das, was wir als Nutzer zu sehen bekommen
–  Reihung der Dokumente
–  Anordnung der Suchergebnisseiten
–  Direkte Antworten
Zusammenspiel zwischen Suchenden und Suchmaschinen
•  Diskrepanz zwischen der Bedeutung der Suche und dem Verständnis
der Nutzer
–  Kenntnis der Suchmöglichkeiten
–  Kenntnis der Funktionsweise von Suchmaschinen
–  Kenntnis der Geschäftsmodelle der Suchmaschinen
•  Wesentliche Probleme entstehen erst aus der Marktsituation heraus
–  Einfluss der Ergebnisdarstellung
–  Einfluss der Suchmaschinenoptimierung
–  Sammlung von Nutzerdaten
à Nur die Schulung der Nutzer und eine Vielfalt auf dem Suchmaschinen-
markt kann zu einer gesellschaftlich befriedigenden Lösung führen.
Warum brauchen wir mehr als eine Suchmaschine?
•  Meinungsvielfalt
•  Wahl zwischen verschiedenen (algorithmischen) Sichten auf die Welt
•  Ideologiefreie Suchmaschinen sind nicht möglich
Hatten wir das alles nicht schon mal?
•  Idee: Dem Marktführer Google eine Alternative gegenüberstellen
•  Quaero/Theseus: Finanzierung eines „Google Killers“?
–  Quaero: Technologien für die Multimedia-Suche
–  Theseus: Semantische Technologien im Business-to-Business-Kontext (ohne
expliziten Fokus auf Suche)
•  Bereits in der Vergangenheit heftige Kritik an der Idee,
Suchmaschinen(technologie) staatlich zu fördern
•  Problem: Eine einzige Alternative.
•  Scheitern aus verschiedenen Gründen möglich, u.a.
–  Schlechtes Marketing
–  Gestaltung der Benutzeroberfläche
–  ...
Die “lokale Kopie” des Web
Risvik, K. M., & Michelsen, R. (2002). Search engines and web dynamics. Computer Networks, 39(3), 289–302.
Die wirtschaftliche Perspektive
•  Nur die größten Internet-Unternehmen können es sich leisten, eigene Web-
Indexe aufzubauen
•  Microsoft ist neben Google das einzige Unternehmen, das über einen
umfassenden Web-Index verfügt
•  Yahoo hat seinen eigenen Index bereits vor einigen Jahren aufgegeben
•  Momentan scheint der Aufbau eines eigenen Web-Index für keinen Anbieter
attraktiv zu sein – auch wenn der Zugriff auf die Daten für eine Vielzahl von
Unternehmen wertvoll wäre
Vision: Ein freier Web-Index
Lösung
•  Man muss die Bedingungen schaffen, die die Schaffung alternativer
Suchmaschinen ermöglichen
•  Dies würde Innovationen durch Firmen, Institutionen und Individuen fördern.
•  Dies würde zu einem fairen Wettbewerb um die besten Ideen, wie man
diesen Index (für Suchanwendungen und andere Zwecke) nutzen könnte,
führen
Vision
•  „Ein für alle zu fairen Konditionen zugänglicher Index des Web“
–  „Für alle“ meint, dass jeder Interessierte auf diesen Index zugreifen
kann.
–  „Faire Bedingungen“ bedeutet nicht unbedingt kostenlos, sondern kann
auch ein faires Bezahlmodell vorsehen.
–  Unter „zugänglich“ ist zu verstehen, dass der Index leicht automatisch
abgefragt werden kann. Weiterhin sollte tatsächlich alles im Index
enthaltene auch abfragbar sein.
–  Und „Index des Web“ meint schließlich möglichst alle Inhalte des Web
(und ggf. darüber hinaus).

Web-Index-Workshop 2014

  • 1.
    Ein freier Web-Index Prof.Dr. Dirk Lewandowski Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg dirk.lewandowski@haw-hamburg.de @Dirk_Lew HAW Hamburg, 25.3.2014
  • 2.
    Agenda 1.  Bedeutung derSuchmaschinen und Marktmacht 2.  Ergebnispräsentation und Nutzerverhalten 3.  Probleme und (vermeintliche) Lösungen 4.  Vision: Ein freier Web-Index
  • 3.
  • 4.
    Wer das Internetnutzt, nutzt Suchmaschinen •  Suchmaschinen sind der beliebteste Dienst des Internt (Purcell, Brenner & Raine, 2012; van Eimeren & Frees, 2013) van Eimeren, B.; Frees, B. (2013): Rasanter Anstieg des Internetkonsums – Onliner fast drei Stunden täglich im Netz: Ergebnisse der ARD/ZDF-Onlinestudie 2013. Media Perspektiven 54(7-8), 358-372.
  • 5.
    Masse • In Deutschland ineinem Monat 5,6 Milliarden Suchanfragen („Kern-Suche“). • Pro Tag: >180 Millionen • Pro Stunde: 7,5 Millionen • Pro Minute: 125.448 • Pro Sekunde: 2.091 ComScore. (2010). comScore Reports Global Search Market Growth of 46 Percent in 2009. http://comscore.com/Press_Events/Press_Releases/2010/1/Global_Search_Market_Grows_46_Percent_in_2009
  • 6.
    Der Suchmaschinenmarkt (Deutschland) ComScore-ZahlenMärz 2012; http://www.focus.de/digital/internet/netzoekonomie-blog/suchmaschinen-googles-marktanteil-steigt- auf-96-prozent-in-deutschland_aid_723240.html 95,9 1,1 0,9 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 Google Bing Yahoo
  • 7.
    Index vs. Suchinterface • Geschäftsmodell Partnerindices –  Eine Suchmaschine mit eigenem Index stellt ihre Ergebnisse und ihre Textanzeigen dem Partner zur Verfügung –  Das mit den Werbeklicks verdiente Geld wird nach einem vorher festgelegten Schlüssel zwischen Suchmaschine und Partner aufgeteilt •  Attraktivität des Modells –  Minimale zusätzliche Kosten pro Anfrage für die gebende Suchmaschine –  Enorme Kostenersparnis für die nehmende Suchmaschine (Betrieb einer eigenen Suchmaschine entfällt) –  Ergebnis: Ausdünnung des Suchmaschinenmarkts
  • 8.
    Die Geschichte derWeb-Suchmaschinen Grafik mit historischer Entwicklung unter http://www.bruceclay.com/eu/serc_histogram/histogram.htm
  • 9.
  • 10.
    Wandel der Trefferpräsentation:Mehr Macht für die Suchmaschine, weniger Entscheidungsfreiheit für den Nutzer? 1.  Trefferliste –  Lesen von oben nach unten; Positionseffekte 2.  Universal-Search-Ergebnisseite –  Grundsätzliche Beibehaltung der Listendarstellung –  Lenkung der Aufmerksamkeit durch grafische Elemente, Hervorhebungen 3.  Direkte Antworten / extrahierte Informationen –  Aufbrechen der Listendarstellung –  Ergebnisseiten bestehen nicht mehr notwendigerweise aus Verweisen auf Dokumente
  • 11.
  • 12.
  • 14.
  • 15.
    Bias der Suchmaschinen • Drei Ebenen von Suchmaschinen-Bias (Weber, 2011) –  Implementierung der Suchmaschine –  Verhalten der Anbieter von Inhalten –  Nutzung von Suchmaschinen à  Eine „verzerrungsfreie“ Suchmaschine kann es nicht geben •  Verzerrungen werden zum Problem durch die Kombination von •  Dominanz des Modells „algorithmische Web-Suchmaschine“ •  Dominanz von Google in diesem Bereich •  Nutzerverhalten
  • 16.
    Über was habenSuchmaschinen eigentlich Macht? •  Über das, was überhaupt in den Index aufgenommen wird –  Technisch bedingte Probleme der Web-Indexierung –  Demokratisch legitimierter Ausschluss von Inhalten –  Willkürlicher Ausschluss von Inhalten •  Über das, was wir als Nutzer zu sehen bekommen –  Reihung der Dokumente –  Anordnung der Suchergebnisseiten –  Direkte Antworten
  • 17.
    Zusammenspiel zwischen Suchendenund Suchmaschinen •  Diskrepanz zwischen der Bedeutung der Suche und dem Verständnis der Nutzer –  Kenntnis der Suchmöglichkeiten –  Kenntnis der Funktionsweise von Suchmaschinen –  Kenntnis der Geschäftsmodelle der Suchmaschinen •  Wesentliche Probleme entstehen erst aus der Marktsituation heraus –  Einfluss der Ergebnisdarstellung –  Einfluss der Suchmaschinenoptimierung –  Sammlung von Nutzerdaten à Nur die Schulung der Nutzer und eine Vielfalt auf dem Suchmaschinen- markt kann zu einer gesellschaftlich befriedigenden Lösung führen.
  • 18.
    Warum brauchen wirmehr als eine Suchmaschine? •  Meinungsvielfalt •  Wahl zwischen verschiedenen (algorithmischen) Sichten auf die Welt •  Ideologiefreie Suchmaschinen sind nicht möglich
  • 19.
    Hatten wir dasalles nicht schon mal? •  Idee: Dem Marktführer Google eine Alternative gegenüberstellen •  Quaero/Theseus: Finanzierung eines „Google Killers“? –  Quaero: Technologien für die Multimedia-Suche –  Theseus: Semantische Technologien im Business-to-Business-Kontext (ohne expliziten Fokus auf Suche) •  Bereits in der Vergangenheit heftige Kritik an der Idee, Suchmaschinen(technologie) staatlich zu fördern •  Problem: Eine einzige Alternative. •  Scheitern aus verschiedenen Gründen möglich, u.a. –  Schlechtes Marketing –  Gestaltung der Benutzeroberfläche –  ...
  • 20.
    Die “lokale Kopie”des Web Risvik, K. M., & Michelsen, R. (2002). Search engines and web dynamics. Computer Networks, 39(3), 289–302.
  • 21.
    Die wirtschaftliche Perspektive • Nur die größten Internet-Unternehmen können es sich leisten, eigene Web- Indexe aufzubauen •  Microsoft ist neben Google das einzige Unternehmen, das über einen umfassenden Web-Index verfügt •  Yahoo hat seinen eigenen Index bereits vor einigen Jahren aufgegeben •  Momentan scheint der Aufbau eines eigenen Web-Index für keinen Anbieter attraktiv zu sein – auch wenn der Zugriff auf die Daten für eine Vielzahl von Unternehmen wertvoll wäre
  • 22.
  • 23.
    Lösung •  Man mussdie Bedingungen schaffen, die die Schaffung alternativer Suchmaschinen ermöglichen •  Dies würde Innovationen durch Firmen, Institutionen und Individuen fördern. •  Dies würde zu einem fairen Wettbewerb um die besten Ideen, wie man diesen Index (für Suchanwendungen und andere Zwecke) nutzen könnte, führen
  • 24.
    Vision •  „Ein füralle zu fairen Konditionen zugänglicher Index des Web“ –  „Für alle“ meint, dass jeder Interessierte auf diesen Index zugreifen kann. –  „Faire Bedingungen“ bedeutet nicht unbedingt kostenlos, sondern kann auch ein faires Bezahlmodell vorsehen. –  Unter „zugänglich“ ist zu verstehen, dass der Index leicht automatisch abgefragt werden kann. Weiterhin sollte tatsächlich alles im Index enthaltene auch abfragbar sein. –  Und „Index des Web“ meint schließlich möglichst alle Inhalte des Web (und ggf. darüber hinaus).