Mit der Intuition ist es so eine Sache. Der Mensch profitiert oft von ihr, lässt sich aber auch immer wieder von ihr täuschen. Ein HMI so zu gestalten, dass es intuitiv bedienbar ist, scheint eines der erstre-benswertesten Ziele moderner Software-Entwicklung zu sein, er-spart es doch kostenaufwändige Schulungen, Fehlbedienungen und vieles mehr. Auf dem Weg dorthin unterliegen jedoch viele Software Engineers und sogar HMI Designer der Täuschung Ihrer eigenen In-tuition. Sie bedienen sich beispielsweise intuitiv bei der Nachbardis-ziplin des Corporate Design (CD) – denn dort existieren bereits seit Jahr und Tag Regelwerke zur Schaffung von Konsistenz in Markener-lebnissen: die Corporate Design Styleguides. Leider ist dies eine fal-sche Analogie. Die Regelwerk-Philosophie traditioneller CD Stylegui-des kann nicht so einfach auf moderne HMIs und deren Entwicklung übertragen werden.
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Digitale Transformation - HMI Styleguides im Unternehmen etablieren
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Competence Book - Digitale Transformation
Baustein ll - HMI Styleguides im Unternehmen etablieren
HMI Styleguides
im Unternehmen
etablieren
AUTOR: Thomas Immich, Mitbegründer und Geschäftsführer, Centigrade GmbH
Mit der Intuition ist es so eine Sache. Der Mensch profitiert oft von
ihr, lässt sich aber auch immer wieder von ihr täuschen. Ein HMI so
zu gestalten, dass es intuitiv bedienbar ist, scheint eines der erstre-
benswertesten Ziele moderner Software-Entwicklung zu sein, er-
spart es doch kostenaufwändige Schulungen, Fehlbedienungen und
vieles mehr. Auf dem Weg dorthin unterliegen jedoch viele Software
Engineers und sogar HMI Designer der Täuschung Ihrer eigenen In-
tuition. Sie bedienen sich beispielsweise intuitiv bei der Nachbardis-
ziplin des Corporate Design (CD) – denn dort existieren bereits seit
Jahr und Tag Regelwerke zur Schaffung von Konsistenz in Markener-
lebnissen: die Corporate Design Styleguides. Leider ist dies eine fal-
sche Analogie. Die Regelwerk-Philosophie traditioneller CD Stylegui-
des kann nicht so einfach auf moderne HMIs und deren Entwicklung
übertragen werden.
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Competence Book - Digitale Transformation
Baustein ll - HMI Styleguides im Unternehmen etablieren
Mit Bedacht angegangen, eine gute Idee: das HMI Kit
Geht man einen Schritt weiter, so können HMI Komponen-
ten inkl. Eingabeverhalten, Navigationsverhalten, Animati-
onsverhalten und Visualisierung in sich geschlossen entwi-
ckelt und in Form einer zentralen Bibliothek zur Verfügung
gestellt werden – ein unternehmensweiter Baukasten also,
den man „HMI Kit“ nennen könnte. Diese Investition ist
durchaus sinnvoll, muss jedoch mit Bedacht angegangen
werden.
Die richtige Reihenfolge
Es empfiehlt sich als ersten Schritt, alle wichtigen Nut-
zungsszenarien möglichst detailliert zu kartographieren,
spätere Projektergebnisse kontinuierlich anhand dieser
Nutzungsszenarien zu gruppieren und mittels Usability-
und Integrations-Tests zu validieren, statt einmal initial auf
rein logische Einheiten wie „Farben“, „Layout“ und „Cont-
rols“ zu bauen.
Erst der Rahmen, dann die Wände
Möchte man bei der Entwicklung eines HMI Styleguides
kein Risiko eingehen, so empfiehlt es sich paradoxerweise,
die Verwendung des Begriffs „HMI Styleguide“ möglichst
lange hinauszuzögern. Es müssen vorher viel grundlegen-
dere Weichen gestellt werden, die man in ihrer Summe als
„Corporate UX Framework“ bezeichnen könnte – die Etab-
lierung eines allgemeinen abteilungsübergreifenden Rah-
menwerkes also, welches UX zum strategischen Unterneh-
mensziel erklärt und entsprechend konsequent integriert.
Jenseits der Naivität: UX Management
Wer ernsthaft plant, ein HMI Regelwerk unternehmensweit
oder über Produktgrenzen hinweg zu etablieren, muss in
seinem Organigramm frühzeitig die abteilungsübergrei-
fende Rolle des „UX Managers“ installieren, in dessen Ver-
antwortung ein verbindlicher Design-Abnahme Prozess
definiert und überwacht wird. Problematisch ist nämlich
wie so oft, dass verschiedene Abteilungen auch verschie-
dene Perspektiven auf die Notwendigkeit guter UX haben.
Spur und Überholspur
Natürlich kann man eine uneinige Interessenlage nicht von
heute auf morgen angleichen. Auf der einen Seite besteht
das nachvollziehbare Problem, dass eine Feature-getrie-
bene Abteilung frühe Ergebnisse erwartet, um bei ihrem
marktgetriebenen Voranschreiten nicht blockiert zu sein.
Umgekehrt steht das frühe Corporate UX Framework mit-
samt HMI Kit und HMI Styleguide vor dem Problem, dass
ein Konzept zunächst an verschiedenen Nutzungsszenari-
en verschiedener Abteilungen ordentlich erprobt und vali-
diert werden muss, bevor es unternehmensweit eingesetzt
werden kann.
Das Referenzieren unfertiger HMI Kit Komponenten im An-
wendungscode stellt zu diesem frühen Zeitpunkt also ein
hohes Risiko dar, weshalb Abteilungen letztlich doch ihre
eigenen HMI Komponenten implementieren (die aber lei-
der keinen Gestaltungsrichtlinien folgen, wie in Abbildung
3 gezeigt). Primärer Wunsch dieser Entwicklungsabteilun-
gen ist es, unabhängig von der Entwicklungsgeschwindig-
keit des HMI Kit Teams zu sein (siehe Abbildung 1).
„Möchte man bei der Entwicklung eines HMI Styleguides kein Risiko eingehen,
so empfiehlt es sich paradoxerweise, die Verwendung des Begriffs
„HMI Styleguide“ möglichst lange hinauszuzögern. Es müssen vorher
viel grundlegendere Weichen gestellt werden [...].“