1. Glossar
Die wichtigsten Begriffe zur
Finanzmarkt- und Eurokrise von A bis Z
Redaktion: Wolfgang Greif & David Mum
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2. Impressum:
Herausgeber: Gewerkschaft der Privatangestellten, Druck, Journalismus, Papier
Alfred-Dallinger-Platz 1, 1034 Wien
Redaktion: Mag. Wolfgang Greif, Abteilung Europa, Konzerne, Internationale Beziehungen &
Mag. David Mum, GPA-djp Grundlagenabteilung
(Quelle u.a. www.dgb.de)
Layout: Ulrike Pesendorfer, GPA-djp Marketing
Fotos: Fotolia, GPA-djp
DVR 0046655, ZVR 576439352
Stand: November 2011
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3. FINANZMARKT- UND EUROKRISE VON A BIS Z
Wer die Finanzmarktkrise und die aktuelle „Eurokrise“ sowie ihre Ursachen und Hintergründe nach-
vollziehen will, der muss auch die Begriffe verstehen, die in politischen Debatten verwendet werden.
Dieses „Krisenglossar“ gibt eine Hilfestellung: von A wie ABS bis Z wie Zinslastquote.
ABS-Wertpapiere liche Dienst zumeist stark eingeschränkt wird. Darüber
Asset Backed Securities (ABS), sind durch Kredite hinaus bewirken exzessive Austeritätsmaßnah-
gedeckte Wertpapiere (asset = Kreditforderung, backed men einen Rückgang des Wirtschaftswachstums, was
= gedeckt, securities = Sicherheiten/Anlagen). In ABS die Gefahr der Rezession in sich trägt. Vielmehr muss
bündeln Banken ihre Kreditforderungen, die sie an priva- es aus Sicht der Gewerkschaften darum gehen, „aus
te Schuldner haben. Diese Kreditforderungen lagern sie der Krise heraus zu investieren“ und die dafür notwen-
dann in eine Zweckgesellschaft aus. Diese Gesellschaft digen Mittel auch auf der Einnahmeseite etwa über die
gibt dann ABS-Wertpapiere heraus, mit denen Kreditfor- Besteuerung von Vermögen und Spekulationsgewinnen
derungen de facto weiterverkauft werden. Wer Anteile (>> Finanztransaktionssteuer) zu lukrieren.
an ABS kauft, erwirbt also im Prinzip den Anteil an ei-
nem Aktenordner voll mit Schuldscheinen. Können die Automatische Stabilisatoren
Schuldner ihre Kredite nicht mehr zurückzahlen, scheitert Als die automatischen Stabilisatoren werden in
auch das ABS-Wertpapier. der Wirtschaftswissenschaft und der wirtschaftspoliti-
schen Diskussion jene Einnahmen- und Ausgaben des
Im Vorfeld der Finanzkrise haben viele US-Banken ihre öffentlichen Haushalts bezeichnet, die sich automatisch
„faulen“ Subprime-Kredite von Geringverdienern in ABS (ohne gezielte wirtschaftspolitische Eingriffe) konjunk-
verpackt und weltweit an Investoren verkauft. So kamen turstabilisierend verändern. In Abschwüngen stimulie-
die „faulen Kredite“ (>> Subprime, faule Kredite) ins in- ren die automatischen Stabilisatoren die gesamt-
ternationale Finanzsystem. wirtschaftliche Nachfrage, in Aufschwüngen dämpfen
sie diese. Der große Vorteil der Stabilisatoren (wozu
Antizyklische Fiskalpolitik auch Sozialausgaben sowie die Abgabensysteme ge-
Unter antizyklischer Fiskalpolitik versteht man eine hören) ist ihre kurzfristige und automatische konjunktu-
Fiskalpolitik, die sich entgegengesetzt zur Konjunktur relle Wirkung.
verhält, d.h. im Konjunkturaufschwung erhöhen sich
die Staatseinnahmen stärker als die Staatsausgaben, So führen etwa höhere Einkommen und mehr Beschäfti-
im Konjunkturabschwung steigen die Staatsausgaben gung im Aufschwung zu höheren Steuerzahlungen. Die-
stärker als die Staatseinnahmen. Letztere können sogar se sollen zum Abbau der Staatsverschuldung verwendet
sinken. Ziel der antizyklischen Fiskalpolitik ist, werden. Im Abschwung nehmen die öffentlichen Haus-
dass extremen konjunkturellen Ausschlägen entgegen halte (überproportional) weniger Steuern ein, während
gewirkt wird und somit eine stetigere wirtschaftliche die Sozialausgaben (Arbeitslosenzahlungen) steigen
Entwicklung erreicht wird. und die Nachfrage stabilisieren. Bei den Sozialaus-
gaben ist die Arbeitslosenunterstützung die wichtigste
Austerität Komponente. Ihre stabilisierende Wirkung ist umso hö-
Unter Austerität (engl. austerity, „Enthaltsamkeit“) her je höher die Nettoersatzrate ist und je länger die
versteht man die strenge Sparpolitik eines Staates. Bezugsdauer ist. Das Abgabensystem wirkt umso stabi-
Durch Drosselung laufender Ausgaben im öffentlichen lisierender je höher sein Progressionsgrad ist.
Bereich, sprich durch strenge Führung des öffentlichen
Haushaltes bei gleichzeitiger Politik der Einschränkung Bail-out - No Bail Out Klausel
des Massenkonsums, in Zeiten ökonomischer Krisen soll Bail-out (engl., „aus der Klemme helfen“) bezeichnet
eine Verbesserung der wirtschaftlichen Situation herbei- in den Wirtschaftswissenschaften den Vorgang der
geführt werden. Schuldenübernahme, der Tilgung oder Haftungsüber-
nahme durch Dritte, insbesondere durch den Staat
Seitens der Gewerkschaften wird dieses Konzept, sich oder staatliche Institutionen, im Fall einer Wirtschafts-,
einseitig „aus der Krise heraus sparen zu wollen“ scharf Finanz- oder Unternehmenskrise.
kritisiert, weil durch die exzessive Kürzung der Staats-
ausgaben jene, die von staatlichen Transferleistungen In der sog. "No-Bail Out"-Klausel in Art. 125 des
abhängig sind, am stärksten betroffen und der öffent- EU-Vertrages wurde bislang festgelegt, dass ein Euro-
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4. FINANZMARKT- UND EUROKRISE VON A BIS Z
Teilnehmerland nicht für Verbindlichkeiten und Schulden dienen die Bilanzsumme und das Volumen spekulati-
anderer Staaten aufkommen muss. Diese Klausel sollte ver Derivatgeschäfte der Banken. Institute mit einer Bi-
gewährleisten, dass für die Rückzahlung öffentlicher lanzsumme unter 1 Milliarde werden nicht besteuert.
Schulden die Staaten selbst verantwortlich bleiben. Ge- Zwischen 1 Milliarde und 20 Milliarden beträgt die
nau das soll nun im Zuge der Einführung eines ständi- Abgabe 0,055%, über 20 Milliarden 0,085%. Speku-
gen Rettungsmechanismus in der Euro-Zone (>> ESM) lative Derivate werden unabhängig von der Bilanzsum-
geändert werden, wozu allerdings eine Änderung der me mit 0,013% besteuert. Die Regierung erwartet sich
entsprechenden Bestimmungen zur Währungsunion in aufgrund dieser Abgabe jährliche Einnahmen von 500
den EU-Verträgen und eine entsprechende (parlamen- Millionen Euro.
tarische) Ratifizierung in allen EU-Mitgliedsstaaten not-
wendig ist. Bankenrettung
Bezeichnet die Versuche von Staaten mit sog. „Rettungs-
Bad Bank paketen“ Banken in der Wirtschafkrise vor dem Bank-
Eine Bad Bank ist eine künstlich geschaffene Tochter- rott zu bewahren. Dabei wurden die Banken bei der
oder Zweckgesellschaft einer Bank, in die sie ihre „fau- Rekapitalisierung druch die Staaten unterstützt. D.h. die
len Kredite“ (>>Faule Kredite) auslagert. Zweck dieses Staaten stellten den Banken Kapital zur Verfügung, da-
Vorgehens ist, dass die „Kernbank“ mit bereinigten Bi- mit diese die Mindestkapitalbedingungen trotz hohen
lanzen auf den Finanzmärkten und gegenüber anderen Abschreibungsbedarfes erfüllen konnten.
Banken wieder kreditwürdig auftreten kann. Die Frage
ist freilich immer, ob für die Verluste der Bad Bank Am Markt hätten sich die Banken nur zu weitaus un-
letztlich die Kernbank oder im Zuge der „Bankenret- günstigeren Bedingungen oder gar nicht finanzieren
tung“ (>> Bankenrettung) der Staat aufkommen wird. können. Durch die staatlich garantierte Einlagensiche-
rung wurde ein Run auf die Banken verhindert, der
Bank für Internationalen Zahlungsausgleich – diese ruiniert hätte. Die europäischen Banken wurden
Baseler Ausschuss im Zuge der Finanzkrise mit rund 300 Milliarden Euro
Der 1974 von den G10-Staaten gegründete Basler gestützt, also rund 3 Prozent der jährlichen Wirtschafts-
Ausschuss für Bankenaufsicht ist bei der Bank für leistung der EU.
Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) mit Sitz
in Basel angesiedelt. Mitglieder des Ausschusses sind Basel III
Repräsentanten der Bankenaufsicht und der Notenban- Basel III ist ein vom Basler Ausschuss für Bankenauf-
ken der G10-Staaten sowie inzwischen mehrerer Dut- sicht (>> Basler Ausschuss) festgelegtes Regelwerk für
zend weiterer Länder (darunter auch Österreich). Der Banken und andere Finanzinstitutionen. Es legt fest,
Baseler Ausschuss legt rechtlich nicht verbindliche wie viel „Kernkapital“ Banken vorhalten müssen – also
aber von den Mitgliedsstaaten in der Regel übernom- wie hoch das Eigenkapital im Vergleich zum gehandel-
mene Standards für Banken und den internationalen ten Fremdkapital sein muss. Außerdem legt Basel III
Finanzhandel fest. (>> Basel III) Die Bank für Inter- eine Höchstverschuldungsgrenze für Banken fest. In der
nationalen Zahlungsausgleich ist eine internatio- EU werden die 2010 aufgestellten Basel-III-Regeln ab
nale Organisation und gilt auch als „Zentralbank der 2012 umgesetzt.
Zentralbanken“.
Die Vorläufer von Basel III sind auch als Basel II (in der
Bankenangabe EU seit 2007 Pflicht, in den USA noch Ende 2010 nicht
In Folge der Finanzkrise wird in vielen Staaten über umgesetzt) und Basel I (seit 1997) bekannt.
eine Bankenabgabe diskutiert. Die Konzepte sind
dabei vielfältig. Grundsätzlich geht es aber immer um Bretton Woods
eine von Banken und Finanzinstituten zu entrichtende Bretton Woods ist der Name eines Ortes im US-Bun-
Abgabe, Gebühr oder Steuer, mit der sie sich an der desstaats New Hampshire, in dem 1944 die so genannte
Bewältigung der Finanzkrise beteiligen sollen oder mit Bretton-Woods-Konferenz der Vereinten Nationen
der die Risiken künftiger Krisen abgesichert werden. zu Finanz- und Währungsfragen stattfand. Nach der
Ortschaft ist deshalb auch das so genannte Bretton-
In Österreich trat mit 1. Januar 2011 das Stabilitäts- Woods-Abkommen, beziehungsweise Bretton-
abgabegesetz in Kraft, welches Kreditinstitute zu einer Woods-System benannt: Durch das Abkommen
Bankenabgabe verpflichtet. Als Basis der Steuer wurde ein System fester Wechselkurse zwischen den
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5. FINANZMARKT- UND EUROKRISE VON A BIS Z
internationalen Währungen mit dem US-Dollar als Leit- abzusichern: Es ist im Prinzip eine Versicherung gegen
währung etabliert, dass durch Goldreserven gedeckt sinkende oder steigende Kurse, beziehungsweise Prei-
wurde. 1973 wurde dieses feste Wechselkurssystem se. Derivate können so ein sinnvolles Instrument für
aufgelöst. Auf der Bretton-Woods-Konferenz wur- Unternehmen der Realwirtschaft sein, beispielsweise
den außerdem die Gründung der Weltbank (>> Welt- für Landwirte, die sich gegen sinkende Getreidepreise
bank) und des Internationale Währungsfonds (>> IWF) versichern oder für Exportunternehmen, die sich gegen
beschlossen, weshalb diese beiden Organisationen Währungsschwankungen absichern.
auch Bretton-Woods-Institutionen genannt werden.
Von Investmentbanken und Finanzspekulanten wurden
Credit Default Swap Derivate aber in enormem Ausmaß zweck-entfremdet
Ein Credit Default Swap (engl. für Kreditausfall- als „Wette“ auf sinkende oder steigende Kurse ohne
Swap) ist ein Kreditderivat, das es erlaubt, Ausfallri- realwirtschaftlichen Hintergrund genutzt. Mittlerweile
siken von Krediten, Anleihen oder Schuldentiteln zu dienen Derivate überwiegend der Spekulation. Das
handeln. Ein Credit Default Swap ist ein Vertrag Handelsvolumen mit Aktien und Anleihen entsprach
zwischen zwei Parteien, der Bezug auf einen Referenz- 2007 etwa der doppelten weltweiten Wertschöpfung.
schuldner (als Basiswert) nimmt. Eine Vertragspartei, Der Handel mit Börsenderivate war 43 mal so hoch wie
der sogenannte Sicherungsnehmer, bezahlt eine lau- das Welt BIP und der Handel mit außerbörslich gehan-
fend zu entrichtende sowie zusätzlich eine einmalig am delten Derivaten 24 mal so groß.
Anfang zu zahlende Prämie. Dafür erhält er von sei-
nem Vertragspartner, dem Sicherungsgeber, eine Aus- Economic Governance - Wirtschaftsregierung
gleichszahlung, sofern der Referenzschuldner ausfällt. in der EU
Die Europäische Währungsunion beinhaltet zwar eine
Der Credit Default Swaps ähnelt damit einer Kredit- gemeinsame Währungspolitik in der EURO-Zone. Die
versicherung. Allerdings erhält der Sicherungsnehmer Wirtschafts-, Budget- und Steuerpolitik verbleibt aber bis
die Ausgleichzahlung unabhängig davon, ob ihm heute in nationaler Kompetenz. Im Zuge der Krisenbe-
durch den Ausfall des Referenzschuldners überhaupt wältigung wird immer mehr eine Wirtschaftsregierung
ein Schaden entsteht. Credit Default Swaps sind gefordert, die künftig die Wirtschafts- und Finanzpolitik
also ein Instrument, mit dem unabhängig von bestehen- der Euro-Zone koordinieren soll, um die Währungsuni-
den Kreditbeziehungen Kreditrisiken gehandelt werden on krisenfester zu machen. Ein allgemein anerkanntes
können. Referenzschuldner sind typischerweise große, Konzept für eine Wirtschaftsregierung gibt es bislang
kapitalmarktnotierte Unternehmen. Der Markt für Credit nicht. Diese würde jedenfalls eine Abgabe von Kompe-
Default Swaps wuchs bis zur Finanzkrise ab 2007 tenzen auf die europäische Ebene bedeuten.
sehr stark an.
Im Rahmen der Einigung auf ein Economic Gover-
Defizitländer – (Export)Überschussländer nance-Paket wird der Sparkurs der EU verstärkt (>>
Als Defizitländer werden jene Staaten bezeichnet, Sixpack). Durch striktere Haushaltskonsolidierung und
die mehr importieren als exportieren, als Überschuss- eine Verschärfung des Stabilitäts- und Wachstumspakts
länder jene, die mehr exportieren als importieren. (>> Stabilitäts- und Wachstumspakt). Die Kommission
Beide tragen zum Entstehen von makro-ökonomischen setzte ihre zwei Hauptideen durch: Im präventiven Arm
Ungleichgewichten (Leistungsbilanzungleichgewichten) des Stabilitäts- und Wachstumspakts orientiert sich das
bei. Die seit Bestehen der Euro-Zone enorm angestie- jährliche Ausgabenwachstum eines Mitgliedsstaates zu-
genen wirtschaftlichen Ungleichgewichte zwischen den künftig an der Wachstumsprognose des BIP, im korrek-
Exportüberschussländern und jenen mit steigend tiven Arm muss die Verschuldung auf die 60%-Grenze
negativer Leistungsbilanz im Euro-Raum müssen als ei- zurückgeführt werden.
ner der wesentlichen Gründe für die aktuelle Eurokrise
gelten. EFSF - Europäische Finanz-
stabilisierungsfazilität
Derivate Die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität
Derivate sind nachgelagerte Finanzprodukte, die sich (EFSF) ist ein Teil des ersten „Euro-Rettungsschirms“
von konkreten Werten oder Wertpapieren wie Aktien, zur Stabilisierung des Euro (>> ESM). Die Unterstüt-
Anleihen oder Rohstoffpreisen ableiten. Der eigentliche zungsregelung der Mitgliedstaaten der Eurozone zur
Zweck eines Derivats war es, sich gegen Kursrisiken Stabilisierung der Europäischen Wirtschafts- und Wäh-
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rungsunion soll dazu dienen, „Staatspleiten“ aufgrund higkeit. Nicht beteiligt sind Großbritannien, Schweden,
der Überschuldung der Staatshaushalte einzelner Mit- Tschechien und Ungarn. Der Euro-Plus Pakt schlägt
gliedsländer und deren negative Folgen für die Ge- Maßnahmen zur wirtschaftspolitischen Koordinierung
meinschaftswährung abzuwenden. Die EFSF firmiert vor, um eine größere Konvergenz der Volkswirtschaften
als Aktiengesellschaft, Anteilseigner sind die Länder der in der Eurozone zu erreichen und nennt folgende Ziele:
Eurozone. Die EFSF soll über von ihr herausgegebene Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung fördern sowie
Anleihen – also de facto gemeinsame Staatsanleihen Finanzstabilität und die langfristige Tragfähigkeit der
aller Euroländer – bis zu 440 Milliarden Euro in den öffentlichen Finanzen stärken, aber u.a. auch Erhöhung
ersten Euro-Rettungsschirm einbringen. des Pensionsalters. Der Euro-Plus Pakt verpflichtet
die beigetretenen Staaten zur Erreichung von Zielen,
Diese von allen Euroländern abgesicherten Anleihen allerdings nicht mehr zu konkreten Maßnahmen. Der
haben derzeit das Rating AAA – die Bestnote. Um die Schwerpunkt des Paktes liegt vor allem auf Bereichen,
Schlagkraft für den EFSF zu erhöhen, soll seine Wir- die in die einzelstaatliche Zuständigkeit fallen. Die Eu-
kung entsprechend eines Beschlusses des Europäischen roländer werden Fortschritte in diesem Pakt anhand ob-
Rates vom Oktober 2011 durch weitere Kredithebel auf jektiver Indikatoren – zum Beispiel der Lohnstückkosten
mindestens eine Billion Euro vervielfacht werden. messen.
Eurobonds – Europäische Anleihen Der Euro-Plus-Pakt ergänzt die Abstimmung der
Über Staatsanleihen nehmen Staaten Kredite am Kapi- nationalen Haushaltsplanung (europäisches Semester)
talmarkt auf, um so ihre Neuverschuldung zu finanzie- und den Europäischen Stabilisierungsmechanismus (>>
ren. Dafür zahlen sie einen bestimmten Zinssatz. Staa- ESM), der ab 2013 als permanenter Krisenmechanis-
ten mit guter Bonität, wie Deutschland oder Österreich mus zukünftige Haushaltskrisen von Mitgliedstaaten
zahlen einen relativ geringen Zinssatz, bei Volkswirt- der Eurozone verhindern soll, sowie die im Rahmen
schaften, die in den Fokus der Finanzmärkte geraten, des sogenannten „Sixpack“, die vereinbarte Verschär-
steigen die Zinsen dagegen gerade in Krisensituationen fung des Stabilitäts- und Wachstumspakts (>>Sixpack).
teilweise enorm an. Während der Europäische Stabilisierungsmechanismus
in den EU-Verträgen festgelegt ist (>>Stabilitäts- und
Der Begriff Eurobonds (Europäische Anleihen) steht Wachstumspakt), basiert der Euro-Plus-Pakt auf frei-
für das Konzept gemeinsamer Staatsanleihen vieler williger Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten.
europäischer Staaten im Euro-Raum. Die Grundidee
ist die, dass die Eurozone – im Gegensatz zur gegen- Das bedeutet auch, dass es direkte Beteiligung natio-
wärtigen Situation, in der jedes Land eigene Anleihen naler Parlamente und keine Beschwerdemöglichkeit ge-
begibt - als Ganze Anleihen auflegt und gemeinsam für genüber nationalen Gerichten gibt.
die Rückzahlung haftet.
Europäischer Stabilitätsmechanismus (ESM)
Würde eine Gruppe von Staaten gemeinsame Staats- Der Europäische Stabilitäts-Mechanismus
anleihen aufnehmen, würde sich der Zinssatz für die (ESM) ist eine Unterstützungsregelung der Mitgliedstaa-
Länder mit guter Bonität kaum verteuern, für die wirt- ten der Eurozone zur Stabilisierung der Europäischen
schaftlich schwächeren aber deutlich senken. Wirtschafts- und Währungsunion, zur Abwendung von
„Staatspleiten“ und deren negativen Folgen für die Ge-
Mittels solcher Europäischer Anleihen würde man meinschaftswährung. ESM steht im Zusammenhang
die Spekulation gegen einzelne Staaten besser verhin- mit der „Eurokrise“ sowohl für den ersten als auch den
dern können, und Peripherieländern den Zugang zu zweiten, dauerhaften „Euro-Rettungsschirm“ (>> Euro-
„frischem“ Geld zu Konditionen ermöglichen, die es Rettungsschirm). Mit dem Stabilitätsmechanismus sollen
ihnen realistisch auch ermöglicht, die aufgebaute Schul- im gegenseitigen Einvernehmen der Euro-Länder und
denlast tragen zu können. unter definierten Auflagen zahlungsunfähige Mitglied-
staaten der Eurozone finanziell mit Krediten der Ge-
Euro-Plus-Pakt meinschaft der Euro-Staaten unterstützt werden.
Der Euro-Plus-Pakt ist ein im Mai 2011 von 17 EU-
Regierungen (Eurozone sowie Bulgarien, Dänemark, Euro-Rettungsschirm
Lettland, Litauen, Polen und Rumänien) verabschiedetes Der erste „Euro-Rettungsschirm“ wurde im Mai
Maßnahmenpaket zur Erhöhung der Wettbewerbsfä- 2010 als „Europäischer Stabilisierungsmecha-
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7. FINANZMARKT- UND EUROKRISE VON A BIS Z
nismus“ (>> ESM) geschaffen und von EU und Inter- Regeln, um nicht zur Gefahr für die Gesamtwirtschaft
nationalem Währungsfonds bestückt. Der Europäische zu werden. Seit den 1970er Jahren wurden die Finanz-
Stabilisierungsmechanismus besteht aus garantierten märkte Welt immer stärker dereguliert. Das Volumen in-
Krediten über 750 Milliarden Euro, die sich aus drei ternationaler Finanztransaktionen nahm stark und stetig
verschiedenen „Töpfen“ speisen: 60 Milliarden Euro zu. Die Finanzmärkte wurden zu angebotsgetriebenen
aus der EU, 440 Milliarden stammen aus der Europäi- Märkten an denen Anlagemöglichkeiten für Überschuss-
schen Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF), einer Zweck- liquidität gesucht werden. Die Deregulierung seit den
gesellschaft, die Anleihen am Kapitalmarkt aufgibt, für 1970er Jahren bezog sich zum Einen auf den Abbau
die alle Mitgliedstaaten der Eurozone gemeinschaftlich von Kapitalverkehrskontrollen, der dazu führt dass Ka-
haften und bis zu 250 Milliarden vom Internationale pital international enorm mobil wurde. Zum anderen
Währungsfonds (>>IWF). wurden viele neue Finanzprodukte zugelassen.
Zusätzlich zu den Hilfen für Griechenland wurden aus Finanzspekulation
dem ersten Euro-Rettungsschirm, der noch bis Spekulation in der Wirtschaft ist eine auf Gewinnerzie-
Juni 2013 läuft, Hilfen für Irland und Portugal finan- lung aus Preisveränderungen gerichtete Geschäftstätig-
ziert. Im Juli 2011 haben die Länder der Eurozone die keit. Ziel jeder wirtschaftlichen Spekulation ist es, einen
Schaffung eines dauerhaft angelegten Rettungsschirms finanziellen Vorteil durch die künftige Realisierung einer
beschlossen. Dieser heißt angelehnt an den ersten Ret- erwarteten Markteinschätzung zu erzielen. Das finan-
tungsschirm „Europäischer Stabilitätsmechanis- zielle Ergebnis einer jeden Spekulation besteht dabei
mus“ (ebenfalls ESM) und muss von den nationalen stets in der Differenz zwischen Kaufpreis und Verkaufs-
Parlamenten bis Ende 2012 ratifiziert werden, um ab preis eines Marktgegenstandes, bereinigt um Kosten
Mitte 2013 den ersten Euro-Rettungsschirm ablösen zu des Handels (Transaktionskosten).
können.
Erfolgreiche Spekulationen sind hauptsächlich auf das
Europäische Zentralbank (EZB) frühzeitige Erkennen und Ausnutzen von vermuteten
Die Europäische Zentralbank (EZB) ist die ge- Fehleinschätzungen des Marktes durch Marktbeteiligte
meinsame Zentralbank der Länder der Europäischen über künftige Kursentwicklungen zurückzuführen. Kor-
Währungsunion. Die EZB bildet zusammen mit den rigiert der Markt anschließend diese Fehleinschätzun-
nationalen Zentralbanken aller EU-Mitgliedsländer das gen, resultieren daraus Spekulationsgewinne. Schlägt
Europäische System der Zentralbanken (ESZB). die Spekulation fehl, so entstehen Spekulationsverluste.
Gemeinsam mit den nationalen Zentralbanken jener
Mitgliedstaaten, die den Euro übernommen haben, Finanztransaktionssteuer (FTT)
bildet die EZB das Eurosystem. Anteilseigner der EZB Mit einer Finanztransaktionssteuer (engl. Finan-
sind die nationalen Zentralbanken der 27 EU-Staaten cial Transaction Tax) würde jedes Finanzgeschäft auf
(also auch der Länder außerhalb der Eurozone). Öster- den Kapital- und Finanzmärkten besteuert, ähnlich der
reich hält über die Österreichische Nationalbank 1,94 Mehrwertsteuer auf Waren und Dienstleistungen. Be-
Prozent an der EZB. reits bei einem minimalen Steuersatz hätten die öffent-
lichen Haushalte erhebliche Mehreinnahmen. Je nach
Faule Kredite Konzept und Schätzung könnten allein in Österreich be-
Als „faule Kredite“ gelten Kreditforderungen einer reits bei Steuersätzen zwischen 0,01 und 0,5 Prozent
Bank, von denen sie bereits weiß oder bei denen sie mit zwischen 600 Mio bis zu 1,1 Milliarden Euro zusätzli-
hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgehen muss, dass che Steuereinnahmen erzielt werden.
die Schuldner die Kredite nicht zurückzahlen können.
Die Finanztransaktionssteuer wäre ein sinnvolles
Finanzmarktregulierung Instrument, um Finanzspekulanten als Verursacher der
Durch die Finanzmarktregulierung sollen die An- Finanz- und Wirtschaftskrise an deren Folgekosten zu
leger vor Ausfallrisiken geschützt, Liquiditäts- und syste- beteiligen, zusätzliche Haushaltsmittel für gute öffentli-
mische Risiken reduziert und somit die Geldversorgung che Leistungen und die Armutsbekämpfung zu generie-
einer Volkswirtschaft sowie Preisstabilität gewährleistet ren, Finanzströme transparenter zu machen und Roh-
werden. Die Finanzmarktregulierung erstreckt sich auf stoff- sowie Wechselkurse zu stabilisieren und auch den
alle drei Bereiche des Finanzmarktes: Banken, Versiche- enormen Umfang der spekulativen Finanztransaktionen
rungen und Wertpapierhandel. Finanzmärkte brauchen effektiv einzuschränken (>> Hochfrequenzhandel).
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8. FINANZMARKT- UND EUROKRISE VON A BIS Z
Eine allgemeine Finanztransaktionssteuer wurde Hedgefonds
bisher in keinem Land eingeführt. Jedoch bestehen in Hedgefonds (engl. „to hedge“ = „absichern“) sind
vielen Ländern Kapitalverkehrsteuern, die Teilaspekte eine spezielle Art von Investmentfonds, die durch eine
abdecken. Am häufigsten sind Börsenumsatzsteuern, spekulative und riskante – oft auch kurzfristige Anla-
die auf Umsätze an Wertpapierbörsen erhoben wer- gestrategie – gekennzeichnet. Hedgefonds bieten
den. In einem Entwurf für den mehrjährigen Finanz- die Chance auf sehr hohe Renditen und tragen ent-
rahmen der EU im Zeitraum 2014-2020 hat die Eu- sprechend ein hohes Risiko. Typisch für Hedgefonds
ropäische Kommission die Einführung einer EU-weiten ist der Einsatz von Derivaten (>> Derivate) und Leer-
Finanztransaktionssteuer vorgeschlagen. Diese verkäufen (>> Leerverkäufe). Hiervon rührt auch der
solle 2014 eingeführt werden. Der Steuersatz soll laut irreführende Name, da diese Instrumente außer zur
internen Berechnungen der Europäischen Kommission Spekulation auch zur Absicherung (Hedging) verwen-
0,1 Prozent auf den Handel von Aktien und Anleihen det werden können. Außerdem versuchen Hedgefonds
und 0,01 Prozent für Derivate von Aktien und Anlei- über Fremdfinanzierung eine höhere Eigenkapitalrendi-
hen betragen. Devisengeschäfte am Spotmarkt sowie te zu erwirtschaften (>> Hebel- oder Leverage-Effekt).
andere Derivate sollen von der Steuer befreit sein. In Die meisten Hedgefonds haben ihren Sitz an Offshore-
Summe ließen sich dadurch rund 50 Milliarden Euro Finanzplätzen(>> Off-Shore-Zentren). Zum Jahresende
einnehmen. 2006 – also kurz vor Ausbruch der weltweiten Finanz-
marktkrise - hatten Hedgefonds weltweit ein Volumen
Giftpapiere von rund 1,6 Billionen US-Dollar.
Als Giftpapiere (englisch: toxic assets) bezeichnet
man umgangssprachlich Wertpapiere und Finanz- Hochfrequenzhandel (HFT)
produkte, deren Werte so stark gesunken und deren Beim Hochfrequenzhandel (HFT, englisch: High
Entwicklungsaussichten so schlecht sind, dass es für sie Frequency Trading) nutzen Investmentbanken Compu-
keine Käufer und keinen funktionierenden Markt mehr terprogramme, um durch sekundenschnelle Käufe und
gibt. Giftpapiere müssten von Banken unter regulä- Verkäufe von Aktien und anderen Wertpapieren Ge-
ren Bedingungen abgeschrieben werden. In Folge der winn zu machen. Dazu benötigen diese Banken „Vor-
Finanzkrise wurde nach Möglichkeiten gesucht, die abinformationen“, die sie von manchen Börsen (wie
Bankenbilanzen von solchen Giftpapieren zu entlas- der amerikanischen NASDAQ) gegen Gebühr erhal-
ten, da deren Anteil im Portfolio mancher Banken einen ten. Millisekunden vor der Durchführung eines Aktien-
existenzgefährdenden Umfang angenommen hatte. kaufs eines Händlers erhalten die Computerprogramme
Eine der diskutierten und in vielen Ländern eingeführten der HFT-Banken dann diese Information. So können
Lösungen war die Einrichtung von Bad Banks (>> Bad sie die entsprechende Aktie dann automatisiert kaufen,
Banks). den Kurs dadurch minimal steigern und an den poten-
ziellen Käufer zum minimal höheren Preis gleich wieder
„Haircut“ - Schuldenschnitt verkaufen. Die Gewinnspanne der einzelnen Transakti-
Schuldenschnitt bedeutet, dass einem Schuldner ein onen ist kaum relevant, durch das automatisierte Ver-
Teil seiner Schulden dauerhaft erlassen wird. Der Schul- fahren sind die Summen der Transaktionen aber enorm:
denschnitt wir auch „harte“ Umschuldung genannt. Das Laut Financial Times macht der HFT bereits 50 Prozent
bedeutet, dass einem Land ein Teil seiner Schulden dau- der Wertpapier-Umsätze in den USA aus. Sowohl in
erhaft erlassen wird. Im Unterschied zu einer Insolvenz den USA als auch in Europa gibt es Bestrebungen den
müssen die Gläubiger bei einem Schuldenschnitt Hochfrequenzhandel zu verbieten.
nicht gänzlich auf alle ihre Forderungen verzichten.
Umschuldungen auf Staatsebene werden meist von in- Internationaler Währungsfonds (IWF)
ternationalen Organisationen und Institutionen wie In- Der Internationale Währungsfonds (IWF) ist eine
ternationalem Währungsfonds, Weltbank oder Pariser Sonderorganisation der Vereinten Nationen (UNO) und
Club koordiniert und begleitet. Diese Organisationen wurde ebenso wie die Weltbank (>> Weltbank) 1944
und die Gläubigerstaaten erlassen Bedingungen und in Folge der Konferenz von Bretton Woods (>> Bretton
Auflagen, die an die Umschuldungsmaßnahmen ge- Woods) gegründet. Fast alle Mitglieder der UNO sind
knüpft werden (>> Troika). Sind privatwirtschaftliche auch stimmberechtigte Mitglieder des IWF – je nach
Unternehmen und Kreditinstitute die Gläubiger von Höhe ihrer Kapitaleinlagen. Das meiste Kapital des
Staatsschulden, erfolgen Verhandlungen über die Um- IWF stellen die USA mit fast 16 Prozent (demnach auch
schuldung im Londoner Club. ein Stimmanteil von 16 Prozent) sowie Deutschland und
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9. FINANZMARKT- UND EUROKRISE VON A BIS Z
Japan mit jeweils rund sechs Prozent. Österreich hält der Handel meist den größten Teil davon ausmacht,
einen Kapitalanteil von unter einem Prozent. Aufga- heißt ein Leistungsbilanzdefizit normalerweise,
be des IWF ist es, die internationale Währungspolitik dass eine Volkswirtschaft mehr importiert als exportiert.
zu koordinieren und die internationalen Finanzmärkte Ein Leistungsbilanzdefizit ist in aller Regel ein In-
zu stabilisieren. Dazu kann der IWF unter anderem dikator für eine schlechte Wettbewerbsfähigkeit (>>
Kredite (auch an Mitgliedsstaaten) vergeben, um Zah- Defizitländer/Überschussländer; Wirtschaftliche Un-
lungsausfälle zu vermeiden. Der IWF gehört neben gleichgewichte).
der Europäischen Zentralbank und der Europäischen
Kommission zu jenen drei Institutionen, die im Zuge der Leverage - Hebelwirkung
die Konsolidierungs- und Sparbemühungen der „Krisen- Der englische Begriff Leverage (wörtlich: Hebelwir-
länder“ überprüfen und ihr Votum darüber abgeben, kung) wird im Finanzsektor in der Regel für den so genann-
ob die jeweils nächste Kreditrate aus dem „Rettungs- ten Leverage-Effekt verwendet. Der Leverage-Effekt
paketen“ ausgezahlt werden (>> Troika). Der IWF beschreibt das finanzwirtschaftliche Phänomen, wo-
vergibt Kredite gegen die Auflage von Konditionen, nach eine kleine Veränderung eines Kurses oder Preises
die einem neoliberalen Politikmodell beruhen: Privati- (Basiswert) zu einem großen Effekt auf einen anderen
sierung von Staatsbetrieben, Kürzung von (Sozial)aus- Kurs oder ein anderes Finanzprodukt hat, das sich auf
gaben, Deregulierung der Märkte, Liberalisierung des den Basiswert bezieht. So entstehen auf den Finanz-
Kapitalverkehrs. Die wirtschaftspolitischen Prioritäten märkten sich selbst verstärkende Ausschläge nach oben
des kreditnehmenden Landes haben sich gänzlich der oder unten. Der Leverage-Effekt ist ein typisches
Rückzahlung der Schulden gegenüber dem Ausland zu Phänomen von Derivaten (>> Derivate).
richten.
Maastricht-Kriterien
Leerverkäufe (EU-Konvergenzkritierien)
Leerverkäufe sind Geschäfte mit Wertpapieren, die Die so genannten Maastricht-Kriterien (eigentlich
der Verkäufer zu einem in der Zukunft liegenden Zeit- EU-Konvergenzkriterien) wurden 1992 im Vertrag
punkt zum Verkauf anbietet, ohne in der Gegenwart be- von Maastricht zwischen den EU-Staaten vereinbart
reits diese Wertpapiere zu besitzen. Bei ungedeckten und bildeten später die Grundlage für die Mitglied-
Leerverkäufen hat sich der Verkäufer (im Gegensatz schaft in der Europäischen Währungsunion, also der
zu gedeckten Leerverkäufen) noch nicht einmal einen Euro-Zone. Die drei wichtigsten Kriterien sind Preissta-
Kaufanspruch auf Wertpapiere gesichert, die er selbst bilität, Haushaltsstabilität und die Stabilität der Zinssät-
bereits weiterverkauft. Bei gedeckten Leerverkäu- ze von Staatsanleihen. In puncto Preisstabilität darf die
fen besitzt der Verkäufer immerhin bereits einen Teil Inflation eines Landes nicht mehr als 1,5 Prozentpunkte
der Wertpapiere oder hat sich zumindest ein Vorkaufs- über der Durchschnittsinflation der drei stabilsten EU-
recht auf die entsprechenden Wertpapiere gesichert. Länder liegen.
Bei Leerverkäufen gewinnt der Verkäufer nur dann,
wenn sich der Kurs für das gehandelte Wertpapier bis Das Kriterium der Haushaltsstabilität fordert von den
zum tatsächlichen Verkaufszeitpunkt fällt, wenn er es EU-Staaten, dass ihre gesamte Staatsverschuldung nicht
also in der Gegenwart zu einem teureren Preis verkauft, mehr als 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) aus-
als er es kurz vor dem tatsächlichen Übergabezeitpunkt machen darf, die jährliche Neuverschuldung nicht mehr
selbst kaufen muss. Bei Leerverkäufen wetten Spe- als drei Prozent des BIP. Außerdem darf der Zinssatz für
kulanten also wie bei Derivaten (>> Derivate) auf die langfristige Staatsanleihen (siehe Staatsanleihen) nicht
Kursentwicklung, ohne dass die Geschäfte durch real- mehr als zwei Prozent über den durchschnittlichen Zins-
wirtschaftliche Werte gedeckt sind. Bei allen Diskussio- sätzen der drei stabilsten EU-Länder liegen.
nen hinsichtlich effektiver Maßnahmen zu einer effizien-
ten Regulierung der Finanzmärkte steht das Verbot von Offshore-Zentren
Leerverkäufen an vorderster Stelle (>> Finanzmarkt- Als Offshore-Zentren bezeichnet man Standorte,
regulierung). die sich durch niedrige Steuern und eine minimale Fi-
nanzmarktaufsicht und -regulierung auszeichnen. An-
Leistungsbilanzdefizit sässige Banken und andere Finanzinstitutionen wickeln
Die Leistungsbilanz ist der Unterschied zwischen einen Großteil ihrer Geschäfte mit dem Ausland ab und
den Exporten und Importen von Gütern, Dienstleistun- Transaktionen und Anlagesummen sind im Vergleich zu
gen und bestimmten Kapitalerträgen und -transfers. Da den sonstigen Wirtschaftsabläufen extrem groß. Viele
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10. FINANZMARKT- UND EUROKRISE VON A BIS Z
Offshore-Finanzplätze liegen auf kleinen Inseln, Staat im Aufschwung bei steigenden Steuereinnahmen
zumeist handelt es sich um ehemalige britische Kolo- seine Ausgaben erhöht und damit die steigende Nach-
nien oder Dependenzen woher ursprünglich auch die frage noch weiter antreibt und im Wirtschaftsabschwung
Bezeichnung stammte (offshore – dt.: außerhalb der bei sinkenden Steuereinnahmen seine Ausgaben redu-
Küstengewässer liegend). Die Regulierung solcher Off- ziert, den allgemeinen Nachfragemangel verstärkt und
shore-Finanzplätze, die mitunter als Steueroasen damit den Abschwung vertieft (>> Austeritätspolitik).
fungieren gehört u.a. zu den zentralen Forderungen
hinsichtlich einer effektiven Finanzmarktregulierung (>> Rating
Finanzmarktregulierung). Mit einem Rating (wörtliche Übersetzung: Bewertung)
wird in der Finanzwirtschaft die Sicherheit einer Anlage
Private Equity bewertet. Ratings werden von Ratingagenturen (>>
Private Equity (wörtlich übersetzt: privates Kapital) Ratingagenturen) in Form von Rating-Noten vergeben.
bezeichnet „außerbörsliches Eigenkapital“, also die Be- Die Bestnote ist AAA, die schlechteste Note je nach
teiligung privater Kapitalgeber an nicht-börsennotierten Ratingsystem C oder D. Nicht nur Aktien-Indizes und
Unternehmen. Private-Equity-Gesellschaften (Ka- Anlageprodukte haben inzwischen ein Rating, auch
pitalbeteiligungsgesellschaften) kaufen sich im Auftrag Staaten werden auf ihre Kreditwürdigkeit hin bewertet.
privater Investoren (oft auch Hedgefonds (>> Hedgfe- Die Rating-Note eines Staates kann massive Auswirkun-
fonds) bei Unternehmen ein. gen auf die Zinssätze haben, die er für seine Staatsan-
liegen zahlen muss.
Private-Equity Fonds beteiligen sich an Unterneh-
men oder übernehmen diese ganz. Dann werden diese Ratingagenturen
zerlegt: profitable Teile werden gleich verkauft, der Rest Ratingagenturen sind sind keine staatlichen oder
wird profitabel gemacht und schließlich mit Gewinn öffentlich-rechtlichen Institutionen, sondern gewinn-
veräußert. Private-Equity Firmen sind im Gegen- orientierte Privatunternehmen, die die Kreditwürdigkeit
satz zu Hedge Fonds (>> Hedgfefonds) auch an klei- (Bonität) von Unternehmen, Staaten und Finanzproduk-
nen Unternehmen interessiert oder an Unternehmen die ten bewerten. Die Agenturen fassen jedes Ergebnis (Ra-
(noch) nicht an der Börse sind. Objekte sind privatisier- ting) in einem Ratingcode zusammen, der in der Regel
te Firmen, KMUs, die Nachfolger suchen oder verkaufte von AAA bzw. Aaa (beste Qualität) bis D (zahlungsun-
Tochterfirmen oder börsenotierte Unternehmern, die als fähig) reicht. Wer ein gutes Rating hat, kann sich auch
unterbewertet eingeschätzt werden. Private-Equity günstiger verschulden und zu niedrigeren Zinsen Geld
Fonds wollen ein Unternehmen in der Regel nach 3 bis ausborgen. Derzeit haben noch 6 Staaten der EURO-
4 Jahren mit Gewinn wieder abstoßen. Die sehr hohen Zone die beste Bewertung (dreifaches A, triple A):
Renditeziele von 15 bis 40 % pro Jahr können durch Frankreich, Deutschland, Luxemburg, Österreich, die
„übliche“ Mittel wie Investitionen oder Produktivitätsstei- Niederlande und Finnland.
gerungen nicht erreicht werden. Daher werden auch
massiver Personalabbau und Verschlechterung der Be- Das internationale Finanzmarkt-Rating wird heute von
zahlung eingesetzt. drei großen US-Ratingagenturen Fitch, Moody’s
und Standard&Poor’s dominiert. An allen drei großen
Der Kauf von Unternehmen wird von den Private- Agenturen sind auch Finanzinvestoren als Eigentümer
Equity Gesellschaften oft über Kredit finanziert. beteiligt. Da Schuldner und nicht Investoren die größte
Die Schulden werden aus den Barmitteln der übernom- Einnahmequelle der Agenturen darstellen, liegt hier die
menen Firma abgezahlt. Die Erhöhung der Verschul- Gefahr eines Interessenkonfliktes nahe.
dung (Fremdkapitalfinanzierung) stellt eine einfache
Möglichkeit dar, die Rendite auf das dadurch viel gerin- Ratingagenturen sind im Verlauf der Finanzkrise
gere Eigenkapital zu steigern. Die hohe Verschuldung ab 2007 in die Kritik geraten, weil sie hochriskante
stellt ein hohes Risiko für die Unternehmen dar, sobald Finanzprodukte, die mit zum „Crash“ der Finanzmärk-
die Wirtschaft in einen Abschwung gerät. te führten, als sichere Anlagen bewertet hatten. Auch
ENRON und Lehman Brothers erhielten bis zum Zusam-
Prozyklische vs konjunktur- menbruch Bestnoten. In der „Schuldenkrise“ verschie-
gerechte Budgetpolitik dener Euro-Länder ab 2009 gerieten die Agenturen
Eine prozyklische Budgetpolitik verstärkt konjunk- erneut in die Kritik, weil sie die Krise durch das will-
turelle Schwankungen. Dies geschieht dann, wenn der kürlich wirkende Herabstufen der Ratings von Ländern
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11. FINANZMARKT- UND EUROKRISE VON A BIS Z
wie Griechenland, Portugal, Irland oder französischer konjunkturbereinigt auf 0,35 Prozent des Bruttoinland-
Großbanken noch verschärften. Deshalb fordern Kriti- produktes (BIP) zu begrenzen. Werden in konjunktur-
ker Ratingagenturen besser zu kontrollieren. In Eu- schwachen Phasen mehr Kredite aufgenommen, muss
ropa wird über die Gründung einer europäischen Ra- dies in konjunkturell starken Phasen wieder ausgegli-
tingagentur diskutiert, um die Macht der drei großen chen werden.
US-Ratingagenturen zu brechen.
Der Beschluss über die Einführung einer sog. Schul-
Realwirtschaft denbremse ist wirtschaftspolitisch bedenklich (kon-
Die Realwirtschaft bildet zusammen mit dem Fi- traktive Effekte) und wird zu massiven Sparpaketen
nanzsektor (Finanzwirtschaft) die beiden grundlegen- führen. Die Schuldenbremse suggeriert, die Staats-
den Teile der Gesamtwirtschaft. Die Realwirtschaft verschuldung wäre ein Problem unverantwortlicher
besteht aus Dienstleistungs- und Industrieunternehmen Budgetpolitik, was angesichts der Finanz- und Wirt-
sowie aus landwirtschaftlichen Betrieben, die konkre- schaftskrise mitnichten der Fall ist. Der Schuldenstand
te Werte produzieren oder generieren. Im Gegensatz in der Eurozone sank von 72,8% vor ihrer Gründung
dazu handelt die Finanzwirtschaft lediglich mit Finanz- auf 66,1% des BIP 2007. Erst die Bankenrettungen und
werten. Ursprünglicher Zweck der Finanzwirtschaft war Konjunkturinvestitionen im Rahmen der Finanzmarkt-
es, die Realwirtschaft mit Finanzmitteln und Krediten zu krise nach 2007 ließen die Staatsausgaben in den
versorgen. Im Zuge der Deregulierung der internationa- meisten EU-Mitgliedsstaaten wieder enorm ansteigen.
len Finanzmärkte hat sich die Finanzwirtschaft weitge- Eine Schuldenbremse kann zur Investitions-, Be-
hend von der Realwirtschaft abgekoppelt, so dass schäftigungs- und Wachstumsbremse werden. Um die
die gehandelten Finanzwerte oft nicht mehr von rea- 0,35% an strukturellem Defizit zu erreichen, müssten in
len Werten gedeckt sind und die Gefahr von „Finanz- Österreich bis 2017 9 Mrd. EUR im jährlichen Budget
blasen“ steigt. eingespart werden. Konjunkturelles Gegensteuern ist
dann nur noch sehr eingeschränkt möglich.
Rekapitalisierung der Banken
Bankenrekapitalisierung bedeutet die Erhöhung Sixpack – Verschärfung des europäischen
des Kernkapitals der Banken, entweder durch Finan- Stabilitätspaktes
zierung am Markt oder durch staatliche Aufstockung Im 3. Quartal 2011 wurden vom EU Ministerrat und
ihres Kapitals. Als ein Resümee der Finanzmarktkrise dem EU-Parlament in insgesamt 6 europäischen Rechts-
wird eine höhere Eigenkapitalausstattung der Banken akten (daher der Begriff „Sixpack“) eine Verschärfung
gefordert. Das Eigenkapital soll adäquat zu den Risiken des europäischen Stabilitätspaktes (>> Stabilitäts- und
sein und ausreichen, um die Einlagen der Gläubiger Wachstumspakt) verabschiedet, mit dem Ziel die euro-
nicht zu gefährden. Eine höhere Eigenkapitalquote soll päische Schuldenkrise zu überwinden. Defizitsünder
die Banken bei Krisen widerstandsfähiger machen. Al- sollen früher und härter bestraft werden, die EU-Kom-
lerdings bedeutet eine höhere Eigenkapitalquote auch, mission wird gestärkt. Dies stellt die größte Reform
dass die Banken weniger Kredite vergeben können und der Währungsunion seit Einführung des Euro dar. Die
damit auch geringere Umsätze und Gewinne erzielen. Kommission kann künftig in die nationalen Haushalts-
planungen der 17 Euroländer eingreifen und bei der
Schattenbanken Steuergesetzgebung und Sozialleistungen mitreden.
Als Schattenbanken gelten Institutionen, die zwar Zudem kann sie Regierungen leichter als bisher zur
bankenähnliche Finanzgeschäfte machen, aber nicht Senkung der Staatsausgaben oder anderen wirtschafts-
als Finanzinstitut registriert sind. Bekanntestes Beispiel politischen Korrekturen zwingen und auch Kontrollen
für Schattenbanken sind Hedgefonds (>> Hedge- vor Ort vornehmen:
fonds).
So soll es etwa zur vorweg Koordinierung der nationa-
Schuldenbremse len Haushaltspolitiken sowie zur Beobachtung und zu
Als Schuldenbremse werden institutionelle Selbst- Gegenmaßnahmen bei makroökonomischen Ungleich-
bindungen bezeichnet, durch die Regierungen sich und gewichten kommen. Das jährliche Wachstum öffentli-
zukünftigen Regierungen massiv die Möglichkeit ein- cher Ausgaben darf das mittelfristige Wirtschaftswachs-
grenzen, Kredite zur Finanzierung von Staatsausgaben tum nicht überschreiten, es sei denn die Ausgaben sind
aufzunehmen. Auch in Österreich soll der Bund darauf durch einnahmeseitige Maßnahmen gedeckt. Wenn
verpflichtet werden, die jährliche Netto-Kreditaufnahme die öffentliche Verschuldung den Wert von 60% des BIP
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12. FINANZMARKT- UND EUROKRISE VON A BIS Z
übersteigt, muss die Abweichung im Schnitt der letzten schen und internationalen Großbanken „verschuldet“.
3 Jahre jährlich um ein Zwanzigstel reduziert werden.
Darüber hinaus wird ein Verfahren der umgekehrten Staatsschuldenkrise
Mehrheit eingeführt: Sanktionen bei Verfehlungen, die Die Staatsschuldenkrise im Euroraum ist eine Fol-
die Kommission vorschlägt, gelten als verfehlt wenn der ge der Finanzmarktkrise seit 2008. Im Zuge der Ban-
Rat nicht binnen 10 Tagen mit qualifizierter Mehrheit kenrettungen und der Wirtschaftskrise 2009 ist die
dagegen stimmt. öffentliche Verschuldung in der EU stark ange-stiegen.
Die Finanzmärkte waren bei manchen hochverschul-
Der ÖGB kritisiert, dass mit diesem „Sixpack“ eine deten Staaten nur mehr bereit diesen zu sehr hohen
beschäftigungswirksame Wachstumspolitik in der Zinsen Geld zu borgen, weshalb sich diese nicht mehr
EU weiter erschwert werde, der einseitige Sparkurs refinanzieren konnten. 2010 hat Griechenland die tat-
und die wirtschaftliche und soziale Krise in einigen sächliche Höhe seiner defizitären Haushaltslage sowie
Mitgliedstaaten werden weiter verschärft. Ein neuer seines übermäßigen Verschuldungsgrads offengelegt
Mechanismus zur Bekämpfung „makroökonomischer und konnte sich danach am Kapitalmarkt nicht mehr
Ungleichgewichte“ soll schließlich Staaten mit einem ausreichend refinanzieren und damit auch die fälligen
Leistungsbilanzdefizit auf einen strikt neoliberalen Kurs Schulden und Zinsen nicht mehr bedienen. Neben Grie-
der Wettbewerbsfähigkeit bringen, notfalls auch mit chen-land mussten sich bislang auch Irland und Portugal
Sanktionen. Die Politik von „Überschussstaaten“, die beim europäischen Rettungsschirm (>> ESFS - European
mit niedrigen Lohnsteigerungen und Sozialabbau ihre Financial Stability Facility) Geld leihen.
Wettbewerbsfähigkeit zu Lasten anderer Mitgliedstaa-
ten erhöhen, bleibt dagegen weitgehend unangetastet. Staatsverschuldung
Die Staatsverschuldung einer Volkswirtschaft wird
Stabilitäts- und Wachstumspakt entweder in absoluten Zahlen der Landeswährung
Der Europäische Stabilitäts- und Wachstumspakt oder im Vergleich zum Bruttoinlandsprodukt als Pro-
fordert im Wesentlichen, dass im Zusammenhang mit zentsatz angegeben. Für die Staatsverschuldung gibt
dem Euro die Mitgliedsstaaten in wirtschaftlich norma- es verschiedene Definitionen und Begriffe: Der Gesamt-
len Zeiten einen annähernd ausgeglichenen Staatshaus- schuldenstand eines Staates ist die Summe der Staats-
halt sowie eine Begrenzung ihrer öffentlichen Verschul- anleihen (>> Staatsanleihen), mit denen der Staat bei
dung beachten. Der im EU-Recht verbindlich festgelegte den Käufern der Staatsanleihen „verschuldet“ ist. Die
Stabilitäts- und Wachstumspakt gibt die sog. Neuverschuldung ist die Differenz zwischen dem Ge-
„Maastricht-Kriterien“ vor (>> Maastricht-Kriterien), wo- samtschuldenstand des aktuellen Jahres zum Vorjahr.
nach Staaten die Höhe ihres jährlichen Haushaltsdefi- Sowohl der Gesamtschuldenstand als auch die Neuver-
zits auf 3% ihres Bruttoinlandsprodukts (BIP) und den schuldung werden oft im Verhältnis zum BIP angege-
Stand ihrer öffentlichen Verschuldung auf 60% ihres ben. Die Maastricht-Kriterien in den EU-Verträgen (>>
BIPs begrenzen müssen. Die Euro-Teilnehmerstaaten Maastricht-Kriterien) sehen etwa eine Gesamtverschul-
sind verpflichtet, dem ECOFIN-Rat (EU Finanzminis- dung von höchstens 60 Prozent des BIP und eine Neu-
terrat) jährlich aktualisierte Stabilitätsprogramme vor- verschuldung von höchstens drei Prozent des BIP vor.
zulegen.
Steueroasen
Staatsanleihen Als Steueroasen werden Staaten oder Gebiete be-
Auch Staaten müssen sich für ihre Neuverschuldung zeichnet, die keine oder besonders niedrige Steuern
„frisches“ Geld besorgen. Neben Steuereinnahmen ge- auf Einkommen oder Vermögen erheben und so für
ben sie dafür sog. Staatsanleihen heraus. Wer eine Kapital aus Ländern mit höheren Steuersätzen attrak-
Staatsanleihe kauft, gewährt dem Staat im Prinzip tiv sind. Steueroasen sind meist kleine Länder, die im
einen Kredit zu einem bestimmten Zinssatz. Staaten Verhältnis zu den dort stattfindenden finanziellen Trans-
können ihre Staatsanleihen entweder auf den nationa- aktionen und dem vorhandenen Kapital eine geringe
len oder internationalen Finanzmärkten platzieren (also Wirtschaftsaktivität aufweisen und über eine wenig
an Banken und Großanleger verkaufen) oder private regulierte Wirtschaftspolitik verfügen. Steueroasen
Anlegern anbieten. Japan beispielsweise verkauft einen ermöglichen es Konzernen, Steuern zu sparen. Vermö-
Großteil seiner Staatsanleihen an die eigenen Bürger/ gende Privatpersonen können durch Verlagerung ihres
innen und inländische Investoren, Griechenland hinge- Wohnsitzes Steuerzahlungen entgehen. Dabei werden
gen ist zu einem erheblichen Teil bei vielen europäi- Einkommen, die in Hochsteuerländern erzielt werden,
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13. FINANZMARKT- UND EUROKRISE VON A BIS Z
nicht dort versteuert. Steueroasen verwickeln größe- faule Kredite) in gebündelte Wertpapiere wie die ABS
re Staaten, die umfangreiche öffentliche Leistungen zur (siehe Asset Backed Securities) und verkauften sie an
Verfügung stellen, in einen Wettbewerb um niedrige Banken und Investoren (sog. Subprime-Markt). So
Steuern. Das Tax Justice Network (eine NGO) schätzt gelangten die „faulen Kredite“ in den internationalen
die durch Offshore-Finanzplätze (>> Offshore-Zentren) Finanzhandel und wurden zu einem wesentlichen An-
entgangenen Steuereinnahmen auf weltweit etwa 255 stoß der Finanzkrise ab 2007 – daher auch der Begriff
Milliarden Dollar pro Jahr. So werden etwa die entgan- Subprime-Krise.
genen Steuereinnahmen der USA werden auf etwa 70
Milliarden Dollar geschätzt. Too big to fail - Systembanken
Als systemrelevant oder too big to fail („zu groß,
Stresstest für Banken um zu scheitern“) bezeichnet man Unternehmen, meist
Stresstests sind ein Instrument des Risikomanagements. Finanzinstitutionen wie Banken oder Versicherungen
Mittels Szenariotechniken werden hierbei die Auswir- bei denen man annimmt, dass sie allein aufgrund ih-
kung einer außergewöhnlich starken Veränderung exo- rer Größe faktisch davor geschützt werden, insolvent
gener Faktoren auf Unternehmen, Anlageportfolien, Ren- zu werden. Als Systembanken gelten Institute, de-
diten oder ähnlichem untersucht. Auch das europäische ren Bestandsgefährdung aufgrund ihrer Größe, der
Bankensystem wird seit 2010 Stresstests unterzogen. Intensität ihrer Interbankenbeziehungen und ihrer en-
Bei diesem wird eine heftige Rezession simuliert, die mit gen Verflechtung mit dem Ausland erhebliche negative
einem Einbruch an den Aktienbörsen und Turbulenzen Folgeeffekte bei anderen Kreditinstituten auslösen und
am Markt für Staatsanleihen einhergeht. 2010 wurden zu einer Instabilität des Finanzsystems führen könnte.
beim Stresstest insgesamt 91 europäische Großbanken Wenn Unternehmen oder Geschäftspartner davon aus-
unter die Lupe genommen. Durchgefallen sind sieben gehen, ein Unternehmen sei aufgrund seiner Größe vor
kleinere Institute, darunter fünf spanische Sparkassen. jeder Insolvenzgefahr geschützt, schafft dies Anreize,
Den Stresstest 2011 haben von 90 geprüften Banken Risiken einzugehen, die ansonsten nicht eingegangen
8 Banken nicht und 16 nur knapp bestanden. würden.
Structured Investment Vehicle (SIV) Tobin-Tax
So genannte Structured Investment Vehicle (SIV) Die Tobin-Steuer (engl. Tobin-Tax) wurde 1972 von
sind Zweckgesellschaften, die von Finanzinstituten ge- James Tobin vorgeschlagen. Diese Steuer sollte auf
gründet werden, um Wertpapiere zu vertreiben, die internationale Devisengeschäfte eingehoben werden,
auf Forderungen beruhen (also Kreditforderungen an um mit sehr niedrigen Steuersätzen auf sämtliche in-
Schuldner oder Liefer- und Warenforderungen an Pro- ternationale Devisentransaktionen die kurzfristige Spe-
duzenten und Dienstleister). Im Vorfeld der Finanzkrise kulation auf Währungsschwankungen einzudämmen.
wurden verstärkt „faule Kredite“ (>> faule Kredite) von Eine Steuer, die alle Finanztransaktionen umfasst ist ein
Banken in ein SIV ausgelagert, um sie zu „refinanzie- weitgehenderes Konzept als die Tobin-Tax, die nur
ren“ – also zu verkaufen. Structured Investment Devisentransaktionen belastet hätte (>> Finanztransak-
Vehicle wird in der Finanzwelt oft auch mit dem Be- tionssteuer).
griff „Refinanzierungsstruktur“ bezeichnet.
Troika
Subprime – Subprime-Krise Im Zusammenhang mit der „Eurokrise“ bezeichnet der
Subprime (engl. „unter Bestnote“ oder „zweitklas- Begriff Troika die drei Institutionen EU-Kommission,
sig“) bedeutet im Geschäft mit Immobilienhypotheken Europäische Zentralbank (>> EZB) und Internationaler
für private Kreditnehmer mit geringen Einkommen, die Währungsfonds (>> IWF). Diese Troika prüft die Kon-
kaum kreditwürdig sind. Auf dem US-amerikanischen solidierungs- und Sparbemühungen der „Krisenländer“
Hypothekenmarkt wurden solche Kredite seit Anfang und gibt ein Votum ab, ob die jeweils nächste Kreditrate
der 1990er Jahre massenhaft an Geringverdiener ver- aus dem „Rettungspaketen“ ausgezahlt werden kann.
geben, später auch in UK und anderen europäischen
Staaten. Die Subprime-Kreditnehmer konnten ihre Weltbank
Raten nur so lange bezahlen, wie die Immobilienprei- Die Weltbank wurde ebenso wie der Internationale
se stiegen und die Zinsen extrem niedrig blieben. Als Währungsfonds (>> IWF) 1944 in Folge der Konfe-
dieser Effekt 2007 in den USA ausblieb, verpackten renz von Bretton Woods gegründet (>> Bretton Woods).
viele Hypothekenanbieter die „faulen Kredite“ (>> „Weltbank“ ist der umgangssprachlich verwendete
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14. FINANZMARKT- UND EUROKRISE VON A BIS Z
Begriff für die „Weltbankgruppe“, der insgesamt fünf Zugespitzt haben sich die wirtschaftlichen Ungleichge-
Organisationen angehören, darunter die Internationale wichte seit Ende der 1990er Jahre zwischen den USA
Bank für Wiederaufbau und Entwicklung. Die Stimm- als größtem Defizitland und China, Deutschland sowie
anteile der Mitgliedsländer der Weltbank richten sich Japan (abgesehen von den OPEC-Ländern) als den
nach ihren Kapitaleinlagen. Die größten Anteilseigner größten Überschussländern.
sind die USA (15,9 Prozent), Japan (6,8 Prozent) und
China (4,4 Prozent). Deutschland hält vier Prozent an Auch innerhalb der Euro-Zone bestehen hohe Un-
der Weltbank. gleichgewichte, die möglicherweise die europäische
Währungsunion vor eine Zerreißprobe stellen werden.
Aufgabe der Weltbank ist es, „wirtschaftliche Entwick- Während Griechenland, Spanien und Portugal hohe
lung von weniger entwickelten Mitgliedstaaten durch Leistungsbilanzdefizite aufweisen, hat Deutschland seit
finanzielle Hilfen, Beratung sowie technische Hilfe zu Einführung der Währungsunion seine Überschüsse aus-
fördern und so zur Umsetzung internationalen Entwick- gebaut (>> Defizitländer/Überschussländer; Leistungs-
lungsziele beizutragen“. Allerdings steht die Weltbank bilanzdefizite).
auch in der Kritik, weil sie mit der das Prinzip der Priva-
tisierung zur Grundlage ihrer Arbeit erklärt hat. Zinslastquote
Ein Begriff, der häufig im Zusammenhang mit der Staats-
Wirtschaftliche Ungleichgewichte verschuldung eines Landes genannt wird. Die Zinslast-
Unter „globalen Ungleichgewichten“ werden größere quote gibt an, wie viel Prozent seines Gesamthaushalts
Leistungsbilanzüberschüsse bzw. -defizit zwischen ver- ein Staat für die Zinstilgung seiner Staatsschulden aus-
schiedenen Ländern und Ländergruppen verstanden. geben muss.
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