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Rückblick ouf die I I OO Johr Feier vom 2O. bis 23. Oktober 2O1 I
2. lnholtsvcrzclchnls
Vorwort ........,,...,...... ...................... ?
Eröffnung der historischen Bilderousstollung om 20. Oktober 20i l ..,,...,,..,...,,...4
Hislorische Fotos und Postkorten von Lisdorf ................... l0
Lisdorf - vor I 100 Johron im korolingischen Spötreich Festvortrog onlösslich der
1 l00iöhrigen Erslerwöhnung von Lisdorf...........,...,........ ......,......,,........,....... l8
Festoh onlüsslich der I 100 Johr Feier om 2'1. Oktober 20'l I ....... ................... 23
Festumzug om 23, Ohober 20I 'l ....,...,........ ........,..,.... 30
Impirttum:
Herousgcbcr: V6r€in für Heimolkunde Lisdorf€. V (VHL)
Am Ginsleöerg I3, 66740 Soorlouis-lisdorf
Tel.: 06831/41 d94, fdxr 06A31 /12A7 53
Reddhionr Heiner Groß (vo.oniwörtli.h)
Geors GroB (Pcleorb.iruns und Foror, AOn€s Groß. Monfred Nebeluns
Druck: Oruckerei und Venog Hein: Klein GmbH. Auf &rwi6 7, 66740 Soorlouis-Lildorf
Bonkvsrbinduns6n: Krekspodosse Soo ouis (BLz 593 501 10), Kto.Nr.: 7,4-30088-0
Volksbon! Soorlotr;s (BU 5r3 901 00), Kto.Nr.: I401217629
B€zugspr.is: 3 Euro ie Hefi, Vseinshitglider e.hohsn es ko§Lnlos
Nomedlich gohnnz€ichn.t Adikel geben die I'teinung d€s Vertossers. nicld unbed;nsi de. Redohion wieder.
Nochdrucl, ouch ouszugsweise, nrrr mit Genehmigung d.. Herolrsgebe6
2
3. Verehrle Leserinnen und Leser,
noch einer löngeren Pouse können wir lhnen wieder ein Heimotheft vorslellen, und
zwor eine umfongreiche Sonderausgobe mil vielen Bildern ols Rückblick ouf dos I 100
iöhrige Orfsiubilöum von Lisdod im vergongenen Johr. Diese Pouse wor bedingi durch
die longen und sehr orbeits- und zeitoufwendigen Vorbereitungen für dieses sellene
Ortsiubilöum. Selten desholb, weil nurwenige Orle im Soorlond so olisind wie Lisdorf.
Als Siodileil - übrigens der ölieste von Soorlouis - gehörten wir im vergongen Johr 75
Johre zur Stodt. Wenn ouch dos Ortsiubilöunr von einem großen Orgonisoiionsleorn,
bestehend ous Vedreiern oller Orisvereine und unter der Le;lung von Herbert Germonn
in vielen Sitzungen, Besprechungen und Arbeitslerminen rnusiergühig vorbereitet wur-
de, so verblieb doch sehr viel Arbeit bei dem Heimolkundeverein, dessen Vorsitzender
bereilsvorJohren immerwieder doroulhin gewiesen hotte, dieses sellene 1100 iöhrige
Orisiubilöum gebührend und ongemessen zu feiern. Und dos ist großortig gelungen!
Wos zu Beginn des 2. HoLbiohres 2010, ols ,,so richiig" mit den Vorbereitungen für die
einzelnen Feslveronstoltungen begonnen wurde, noch milvielSkepsis befrochlel worde,
ist donn noch und noch geschwunden und schließlich mit Begeisterung oufgenommen
worden. Je nöher die 4 Fesitoge vom 20. bis 23.Oktober 201 I heronrücklen, desto ei{riger und größer wor dos
Engogemenl der vielen Beteiligten. ln den letzler wochen vor dem Fesi wurde {osi löglich gelogt und für die
Festschri{l, die hisiorische Bilder'Ausstellung und den großen Fest-Urnzug eilrig georbeilei.
Pünkilich zum Fesi konnie eine 130 Seiten umlossende Festschrift mit vielen historischen Bildern und Beitrögen
zur Lisdorfer Ortsgeschichie und den Podroils oller Lisdorfer Vereine vorgeslellt werden.
MitderEröfinungdervonunseremVereinorgonisiertenhistorischenBilderoussiellungom20.Oktober2011in
der Hons-Welsch"Holle wurden die vier Jubilöumstoge vor großem Publikum eingelöutet.
Am Freitog, 2l .Okiober folgte ebenfolls in der Hons-Welsch-Holle der offizielle Festoki mii vielen Gösfen ous noh
und fern, die Cheforgonisotor Herbed Germonn herzlich begrüßte. Es folgten Grußworle von Ministerin Moniko
Bochmonn, die die Schirmherrin M;nisierprösidentin Annegrel Kromp-Korrenbouer on diesem Abend vedrot,
von Oberbürgermeister Rolond Henz, der die Glückwünsche der übrigen 35.000 Soorlouiser Bürgerinnen und
Bürger überbrochle und Postor Rol{ Hiebert, der für die Kirchengemeinden Soorlouis und Lisdorf groiulierte. Un-
ser Lisdoder Stootssekretör Georg Jungmonn hotle es on diesem Abend übernommen, moderierenl durch dos
Progromrn zu führen,
Milorgonisolor und VHL'Vorsitzender Heiner Groß gob einen kurzgefossten Abriss der 1100 jöhrigen Orisge-
schichie, bevor der Hisioriker und Prösident der heimotkundlichen Vereine im Soorlond, Dr. Johonnes Schmitt,
den Festvortrog zum Themo: ,,Lisdorf - vor I 100 Johren im korolingischen Spdireich" hiell, der ungekürzl in dieser
Sonderor-rsgobe obgedrucki ist.
Thomos Hodz, der Bürgermeisler von Ensdorf, ließ es sich nicht nehmen ols Nochbor herzlich zu groir,Jlieren und
ouf die iohrhundertlonge enge Verbundenheii von Lisdorf und Ensdorf hinzuweisen. Ensdorl gehöde bis kurz vor
Ende des 19. .lohrhunderls zur Plorrei Lisdorf und bis I 936 zur Amtsbürgermeislerei Lisdorl.
Am Somstog, 22.Oktober wurde von Poslor Rolf Hiebert in der Lisdorfer Plorrkirche eine Feslmesse zelebriert, die
der Kirchenchor,,Cöcilio" gesonglich gestolleie. Anschließend wurde in der Hons-Welsch'Holle ein Dorfgemein-
schoftsobend gefeied, den die Ortsvereine mii Musik, Gesong, Sketchen und Mundortvorlrögen unterholtsom
gesiolleten.
AlsobsoluierHöhepunktderJubildums-FestivitötenfolgteomSonntog,23.OktoberbeistrohlendemSonnenschein
ein großoriiger historischer Festumzug mil etwo 40 Motivwogen, weileren hislorischen Fohrzeugen und vielen
Fußgruppen und onnöhernd S00Teinehmerin hisiorischen Gewändern, derlousendevon Besuchern noch Lisdorf
lockie. Diese woren begeisled von dem Geboienen.
Zur besserer Verstöndigung dereinzelnen Festumzugsmotive wurde iedes durch ein im Ateliervon Dipl.-Designer
Bernd Howner gefertigien schönen Schilder ongekündigi. Außerdem wurden on die Besucher ebenfolls ein von
Bernd Howner gestolieter informoiiver Flyer verleilt, in dem der Festumzug in Wort und Bild erlöuted wurde.
Mit dem Festumzug woren die Festveronstoltungen ober noch nichi zu Ende. Die historische Bilderoosstellung
wurde ous der Hons-Welsch-Holle in den großen Aussfellungsroum des städtischen Museums in die Koserne Vl
verlogerl und dort bis Ende November 2011iöglich gezeigt. Dodurch konnten mehrere tousend Besucher die
Ausstellung sehen.
Trotz der erheblichen Mehrkosien, die diese Sonderousgobe verursochf,stellen wir sie ollen Mitgliedern kos-
ienlos zu. Für eine kleine Spende sind wir ober sehr donkbor.
Die nöchsle Ausgobe des He;motblofies mil okluellen Berichlen über die große Gedenkfeier für Prof. Ecker
und dos Grünkohlessen mil der M;nislerprösidentin sowie dos Ortgeschehen wird Anfong des neuen lohres
erscheinen.
lch wünsche ollen Leserinnen und Lesern ein gesegneles Weihnochlsfesl und einen guten Rulsch ins Neuelohr.
Viel Spoß beim Beirochien der Bilder in dieser Sonderousgobe.
lhr Heiner Groß
Vorsilzender des Vereins lür Heimqtkunde Lisdorf e.V.
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Dompl-Bückerei und Hondlung Wilhelm Breinig in der Feldslroße im Johre I904
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Bouernhous in der Provinziolstroße Nr.l l7 um 1930
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Bouorbeiter bei Erweitorung der Pforrkirche I928
Bouernfomilie mit fferdefuhrwerk vor ihrem Hous in der ,Wolfsgoss" 1937
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Ernledonkfesi 1937 - LisdorJer Musikverein beim Fesiumzuo
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"ledonktesl I938 - Jungbör,,rennnen und Jungf'ouen rril Er- eI rone
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Erntedonkfesi 1948 -Lisdorfer Mödchen mit Erntekronz vor der Pforrkirche
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E'.iedonkfest 1950 - Festwogen mit der Erntekön;sin Roso Rullons, Kuischer Erich Klein und Reiter Adolf Schmitt
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lFhrEqtEhl6donkf6n 1956 - Der Prösident d€r Londwirtscho{lskomm6r d€s Soorlondss Johon n Schmih E.ker
wöhrend seiner Ansproche ouldem S.hülhof, inks sitzend PosrorAlois Löw, rechh Meßdiener
Erntedonklee 1960 Lisdor{er S.huimödchen (vorne) LJnd Londiusend lhinren) mii Erniekrone, Ernrekronz
und Gemüsekörben noch der kirchlichen Sesnuns vor,,sreidos.h Wirtscholi"
INlI
16
18. Dr. Johqnnes Schmitt
lisdorl - uor 1100 lahren
im lmrolingischen Snätreich
Feslvorlrog onlässlich der llOOiöhrigen Erslerwöhnung
von Lisdorf*
Sehr geehrte Domen und
Herren,
wenn wir uns heuie mit der
Geschichte Lisdor{s be-
schöfiigen und in diesem
Zusommenhong noch der
Funktion von Geschichie
{rogen, möchte ich sie
mil der provozierenden
Feststelluno verblüffen :
, "Geschrchle
bedeulet ei-
/ gentlich Zr.:kunft" ,Ge-
schichle o s Wissenschofl
Scholen einer Zwiebel Einheiten, die sich gegenseilig
beeinflussen können und überiogern. Aber für die
Menschen vor Od sind die Lokolgeschichle und die
Regionolgeschichte in ersler Linie, und ouch dies
mog nicht verblüffend sein, für ihre unmittelbore
Lebenswelt von besonderer wichiigke;t: für die po-
litische Ordnung, die Gesellschofi, die Wirtschoft
und die Kullur
Dorum gehl es mir heute: Dorzusiellen. wie Lisdorf in
die frönkischen Zeit, olso von seiner ongenommenen
Gründung in der 2. Hülfte des 6. bis zu Beginn des
10. Johrhunderts, bis zu seiner urkundlichen Erster-
wöhnung, eingebunden wor.
Denn, und dos isl ein weilers Zie rreines Voriroges,
ich will on der Lisdorfer Geschichie illustrieren, wie
die frönkische Epoche, vor ollem ln der Korolingerzeil
dos Fundomenl zur europöischen Geschichte gelegi
hoi, zurnindest bis zur Fronzösischen Revo ullon, und
wie somil die Fronken in einigen, sogor wesenllichen
Bereichen die Wegbereiler Europos geworden sind.
Diese Geschichte beginni mit einer großen und
nochholtigen Migroiionsbewegung im Rohmen der
,!ölkerwonderung". Seit der Mitte des 5. lohrhun-
deris bricht die römische Herrschoft im mittleren und
nördlichen Gollien zusommen und vom Nieder- und
Miltelrhein dringen die Fronken nun nicht mehr
roubend und plündernd wie im Johrhunderi zuvor,
sondern siedelnd, Zug um Zug in dos heulige Fronk-
reich bis zur Loire vor. Diese so genonnle ,,{rdnkische
Londnohme" selzte sich ouch noch koniinuierlich fori,
ols Chlodwig om 500 die Fronken einie, sich zum
römisch-koiholische Chrislenlum bekonnle und ous
chrisllichen, germonischen und römischen Elemenlen
Leitlinien eine Stootes schuf, on denen enilong sich
Europo bis zur Fronzösischen Revolution entwickelte.
Auch del'nte er se;n Reich durcr Eroberr,ngszuge
noch Südenr Burgund, Aquitonien und in dos Wesi'
gotenreich or.:s, 300 Johre spöler wird Korl der Große
diese imperiole Bohn Iortsetzen und beenden.
Entlong der Soor und Mosel drongen die Fronken
wohl in slörkerem Moße in der zweiien Höifte des 6.
lohrhunderfs vor. Dies geht hervor ous orchöologi-
schen Belegen direkt, erschlossen indes ous Poirozini'
en, olso über die Heiligen, denen die Kirchen geweihi
woren, und ous Odsnomen, Toponymen. Für Lisdor{
hoben wir noch keinen Nochweis von frdnkischen Rei-
hengröbern oder frühen Sied ungsspuren. Aber ous
Di Joho.nes Schmili
prösideni des Londesverbon6".ist Zukunflsforschung". Die
opr t-,sror .(h- ( Jtr-, e re.Verblüffunq und über ro-
vp'e ne dp( Soor ono.s e v scrung lvill ich indes so
ouflösen: Geschichte isl nichl ollein dozu do. ouFzu-
zeigen, ,,wie es eigenl ich gewesen sei". So hol es der
große Historiker Ronke im I 9..lohrhundert formuliert.
Dies tut Geschichie ouch. Sondern Geschichte und
dos isl mein grundlegendes Poslulol soll in ersler
Linie dozu dienen, die Gegenwori zu versfehen, die
sich ous der Vergongenheit entwickelt hoi. Denn in
der Gegenworl ist die Vergongenheil in Elemenlen
oufgehoben, im Sinne von bewohrl.
Ich will es noch mehr zugespitl Iormulieren: Nur wer
die Vergongenheit kennt, versleht die Gegenworl
und konn künftiges Hondeln donoch ousrichten-
Geschichte hot olso in ersler Linie einen Bezug zur
Gegenwort. Und dieser Gegenwortsbezug vermif-
telt uns dos Orientierungswissen, dos nölig isi, um
bewusst zu bewohren oder zr..r veröndern. Trodition
und Fortschritt sind gewissermoßen so die beiden
Seilen der Medoille Geschichte. Urr es on e nem
regionolen Beispiel zu erlöutern: Wie will ich heute
die dröngenden Probleme der wirtschoftlichen Struk,
iurkrise und Arbeitslosigkeit on der Soor verslehen
und eine odöquole Antworl finden, wenn ich mich
nichl weit einlosse ouf die Geschichte der lndust-
riolisierung der Soorgegend und deren Foigen für
den soziolen Wondel seit über zwei Johrhunderten?
ln diesem Geschichisversländnis gibt es ouch kei-
ne unterschiedliche Wedigkeit der Röume, die die
Hislorikerunlersuchen: Lokolgeschichie Regionol-
geschichte - notionole Geschichte - europöische
Geschichie und sogor im Rohmen der Globolisierung
neoerdings Weltgeschichie bilden gleichsom wie die
l8
19. .
den ungewöhnlich seltenen Potrozinien der Lisdorfer
Kirche. den domo s nur in Soisson verehrlen Heiligen
Crispinus und Crispinionus, lössl sich vermulen, doss
schon 570 eine Kirche vorhonden wor. Auch der
Odsnome gibf einen slorken Hinweis, denn monche
der heutigen Ortsnomen ouf -dorf, etwo Hütiersdorf,
sind wohl von {rdnkischen Personennomen, meisiens
dem des Siedlungsgründers obgeleiiet.
lm Folle Hüjlersdorl ist dieses dos,,Dorf des Hittin";
bei Lisdorf, wie Wolfgong Houbrichs plousibel her-
leiien konnle, dos Dorf eines Leoz, enislonden ous
einem germonischen leut, dos,,klein" bedeuiet, olso
der,,Kleine", wenn es ols Personennome zu versle-
hen ist.
Dos nochholtigste Ergebnis der frönkischen Lond-
nohme ist die schon im 9. lohrhundert sich her-
ousbildende Sprochgrenze zwischen germonischen
Diolekten und der fro nzösischen Sproche.5ie verlöuft
bis heule von Belgien quer durch Loihringen bis zu
dem Vogesenkomm. Die Soorregion indes wird bis
heute durch die Grenze zwischen dem MoselJrdnki-
schen und Rheinf ränkischen geteilt.
Aber wer woren nun diese frünkischen Siedler?
Domii isl eine Froge und ouch ein Forschungsproblem
ongesprochen, doss ich vor bold 40 Johren in meire
Doktororbeit behondelt hobe: Woren die Fronken
ursprünglich, wie dos Worl froncus = frei nohelegf,
Freie, olso freie Bouern, die mit ihrem König noch
Aufgebot in den Krieg zogen und mit dem vom Kö-
nig ernonnien Grofen ols Richter in den Gouen die
Gerichisgemeinde bildeien. Die Gegenposilion soh
in dem Adel von Anfong on die führende Schicht,
einen Slond; Bouern woren demzulolge generel
Leibeigene. Freie Bouern gob es nur ouf Königsgot,
die so genonnlen Kön;gs{reien.
Wie so oft in der Forschung und ouch im Leben sind
die Gegenposiiionen obsolui gesefzt und desholb ver-
fölschend. Die von mir fovorisierle Lösung versuchle,
hier kurz dorgestellt, zu vermitleln. Die frönkischen
Volksrechte konnten bis in die korolingische Spölzeit
keinen Adel im Rechfssinn, olso ols Rechbslond,
wie er in der Fronzösischen Revolution oulgehoben
wurde. Und dennoch gob es de focto seii der frühen
Merowingefteit ein führende Schichf. eine sozioLe und
polilische Elile gewissermoßen, die in unierschiedli-
chen Reichsieiien über weilgesireuten Grundbesitz
vedügle die uniereinonder konkurrierte, wenn es golt,
evo dos Aml eines Grofen zJ erhohen oder ols Able
und Bischöfe zu fungieren, mit der Tendenz sogor,
die erworbenen Amter in der Fomi ie zu vererben.
ln der merowingischen Spötzeii, dem quellenormen
7. ]ohrhundert, übernohmen Adelsfomilien ols Hous-
-eier die politische Herrschoft und im 8. Johrhundert
/erdröngle der Housmeier Pippin, der dieses Amt von
seinem Voter Kod Mortell ererbl hotte, den letzten
'.4erowingerkönig. Pippin ous der Fomilie der spöte-
'e. Korolinger ließ sich mit Zuslimmung des Adels
-rd des Popstes zum König wöhlen und erhielt die
kirchliche Solbung. Seinem Sohn, Korl dem Großen.
indes gelong es, eine Gruppe meisi gleicholiriger
Adliger ous dem Moos'Moselroum, in dem ouch die
Korolinger ihre Herrschoffsbosis besoßen, ouf seine
Herrschoffsziele zu verpflichten, ouch ouf die weitere
Exponsion des Reiches.
Diese von den Historikern ols ,,Reichsoristokrotie" be-
nonnte odelige El;te setzte Korl ouf Bischolstühle und
vprriel^ ihnen Ab-eien urd G'ofschoften. So errongen
etwo die in unserem Roum begüterien Widonen, sie
woren ouch Bischöfe in Trier und grÜndeien dos Klos-
ler Mellloch, Herrschoftsrechte in ltolien und stellten
im 9. Johrhundert dorl sogor Koiser ln der zweilen
Hölfte des 9. Johrhunderts konnten die Herrscher der
Teilreiche koum gegen die führenden Adelsfroktionen
regieren,
So wurde die in der Fronkenzeil enislondene Aris-
lokroiie ein konstiiulives Element der europöischen
Verfossungsgeschichie, in Deutschlond sogor über die
Fronzösische Revolulion hinous bis ins 20.lohrhunderl.
Nun zurück zu den freien Bouern.
Sie gob es bestimmt in größerer Zohl zv Zeii det
frönkischen Londnohme, ober schon in der Regie-
rungszeii Korls des Großen werden sie in der Geseiz-
gebung ongesprochen und Moßnohmen zum Schutz
scheinen nö1i9, denn der König verbietet weltlichen
und geistlichen Großen die verormlen Fre;en zu
unlerdrücken und zu verknechlen. Gegen Ende des
9. Johrhunderts sind sie wohl im frcinkischen Kern-
gebiet gönzlich verschwunden. Nur in Rondzonen,
etwo in Norddeutschlond und in der Schweiz, hoben
sie sogor dos Mittelolter überlebi.
Die freien Bouern sind seit dem Frühmitielolter in
einer rechllichen und soziol-ökonomischen lns lulion
oufgegongen, die im Fronkenreich enlsiond und ersl
in der Fronzösischen Revolution durch die Bouernbe-
freiong oufgehoben und beseiligi wurde: in der so
genonnlen Grundherrschoft. 5ie lormte und prögte
fundomenlol die ldndliche Gesellschoft. Grundherr-
scholt, so hot die Wissenschofi definiert, ist Herrschoft
des Adels, ober ouch kirchlicher lnstitutionen, eiwo
von Ableien und Bischofskirchen, über Lond und
Leute: Der Grundherr isi Obereigeniümer des Grund
und Bodens, der on die Bouern ols Unlereigenlümer
verliehen isl und von diesen vererbt und mit Zustim-
mung des Grundherrn sogor verkouft werden konn.
Der Grundherr ist Leibherr, seine Grundholden sind
Leibeigene, die, schollenpflichtig, keine Freizügig-
keit besifzen und selbst zur Heirot den Konsens des
Leibherrn brouchen. Der Grundherr ist Schuizherr,
er soll, und dqs wor in Kriegs- und Krisenzeiien ein
besonderes Motiv die Freiheit ouFzugeben, Leib und
Leben seiner Grundholden schülzen und sie ouch
noch oußen vor einem Gericht vertrelen. lnnerholb
der Grundherrschofi sproch der Grundherr Recht
über den Verbond seiner,,forilio", die ie ein eige-
nes Hofrecht ousbilden konnte, dos zuweilen ouch
schriftlich fixiert wor Schließlich konnte der Grundherr
J
19
20. ouf seinem Grund und Boden eine Kirche bouen
lossen; donn konnle er den Priesler einsetzen und
beonspruchle einen Teil des Zehnten, der Abgobe
der Mitglieder einer fforrei.
Für oll diese Rechte stonden dem Grundherrn Ab-
goben und Diensle, olso Fronen, zu, zumol Fronen
donn, wenn der Grundherr in der Grundherrschoft
selbst einen Hof bewirtschoften ließ.
Ansonslen woren die Diensle in Geld oblösbor, donn
spricht mon von einer Rentengrundherrscho{t; ober
diese finden wir verslörkt erst sei dem Hochmittelolter
Konfliktreich konnte die Sitrrotion sich gestolten, wenn
in einem Dorf mehrere Grundherren sich die Herr-
scho{t teilten und folglich nur Teile einer Herrschoft
besoßen.
So lösst sich elwo vermuten, doss der in der Lis-
dorJ-Urkunde von 91 1 genonnte Bischof von Com-
broi, Stephon, zweifellos ein Grundherrwor und wohl
nur einen Teil der,!illo" Lisdorf bzw. seines Bonnes
besoß, den König Korl mil besonderen Rechlen ous-
stottete.Um weiter beim Lisdorfer Beispiel zu bleiben:
Seit dem I l. Johrhundert scheint Lisdorf in den Ein-
Ilussbereich der Grofen von Soorbrücken gelongl zu
sein, die mit dem Königsgut Wodgossen ousgestottel
wurden und seit dem Johre 1080 ols Grofen im unte-
ren Soorgou fungierten und so regionole Bedeulung
erlonglen. Sie erworben ols Grundherren Rechte und
Besit in Lisdorf, selzlen Minisleriole zur Verwoltung
ein und vergoben dorl ouch Güter on die Prömons-
lrolenseroblei Wodgossen. Diese hotlen sie ll35
gegründet und reichlich dotiert.
ln den Johren zwischen 1200 und1500 gelongte
noch und noch der gesomte Lisdorfer Bonn und ouch
die Pforrei Lisdorf, zu der bis in dos 19. Johrhundert
ouch Ensdorf gehörle, on die AbteiWodgossen. Der
Abl wor mil nL,r geringen Einschrönkungen in Lisdorf
zugleich Grund-, Leib-, Gerichts- und Kirchenherr,
die grundherrschoftlich obhöngigen Leibeigenen
hotfen nur ihm Abgoben und Fronen zu leislen. Dem
Polronohherren ollein floss der Zehnte zu. Die Rechte
und fflichten des Grundherrn und der Grundholden,
der obhöngigen Bouern, regellen in derMilte des 15.
Johrhunderls zwei Weislümer, die bis zur Fronzösi-
schen Revoh.:lion in Gellung blieben.
Eng mil der Grondherrschoft ols Herrschoftsystem
verbunden und verzohnt wor dos ökonomische
System dos sich ebenfolls in frönkischer Zeii ous'
bildele und in Grundzügen ouch bis zur Fronzö-
sischen Revolution bestond. Die mittelolierliche
Gesellschoft wor eine böuerliche Gesellschoft, die
im Rohmen von Dörfern und kleineren Weilern die
vorhondenen ökonomischen Ressourcen nuHe. Die
Dörfer bildeten die so genonnle Agrorgeme;nde,
die Weide, Wold und Wosser genossenschoftlich
besoß. Die einzelnen Höuser holten neben den in"
dividuell bebouten Görten Anteile unlerschiedlicher
Größe on der Feldflur: Diese wor im Rohmen der
Zwei' oder Dreiflurenwirlscholt einem festgelegten
20
Nutzungsrhythmus unlerworfen. Jöhrlich wechselte
der Anbou von Sommergelreide und Wintergetrei-
de; im dritten.Johr log donn die Flur broch, konnte
sich gewissermoßen erholen, donn ober wurde dos
Vieh des Dorfes zur Weide ouf die Broche gefüha.
Diese Dreiflurenwirtschoft holie gemeinschoftliche
Regelungen und Fesllegungen zur Bedingung, so
etwo musste gleichzeiiig gepflügt, eingesöt oder
geernlet werden. ln Dorfversommlungen wurden
diese Regelungen gefunden und jeweils festgelegt.
Genossenschofllich wurde die Allmende zur Weide
genutzl, ofl wor dos wen iger fruchtbo res oder nur mit
Schwierigkeilen zu bebouendes Buschgelönde. Auch
die Wiesen woren in der Regel gewissermoßen privol
genufzl, slonden ober noch der Grummelernte ollen
Dorfbewohnern ols Weide zur Verfügung.
DerWold indes, der zr-r iedem Dorf gehörte, jo gehö-
ren mussie, wor von unschölzborem Weri in diesem
böuerlichen ökonomischen Syslem. Er lieferte dos
Bouholz zur Herstellung der Höuser. Steinbouten
woren im Dor{ unserer Region bis in die Neuzeit
eher eine Ausnohme. lm Wold wurde dos Nutzholz
gewonnen. Aus diesem stellten die Bouern ihre Ge-
rölschoften meislens selbsl her. Dos Brennholz kom
fost ousschließlich ous dem Wold, dieser wor olso
der Houptenergielieferonl bis weil in dos lndust"
riezeiloher. Frouen und Kinder sommelten im Wold
Beeren, Pilze, Wildfrüchle, Nüsse und Buchecker zur
Ölherstellung und Loub, dos im Winter ols Viehstreu
im Stollverwendet wurde. Schließlich diente derWold
ols Viehweide, vor ollem zur Mosl der dörflichen
Schweineherde.
DosJogdrechtstond den Bouern im Wold, ouch wenn
er der Dorfgenossenschoft selbst gehörte, nicht zu,
sondern exklusiv dem Adel.
Von der Bedeulung des Woldes für die dörflich-böu-
erliche Okonomie her ist erklörlich, doss Ar..rsein-
ondersetzungen um den Wold zwischen odligen
Grundherren und leibeigenen Bouern innerholb
eines Dorfes Iost zur Regel gehörten, io oft sogor zll
mossiven Konflikten und Prozessen {ühren konnlen
und desholb Bemühungen erforderlich schienen, in
weistümern die Rechte und fflichte der Kontrohenten
ouf Douer feslzulegeo.
Diese von mir knopp skizzierte so genonnle Agror-
gemeinde, olso die böuerliche, privote Nufzung von
Gdrien und Ackern und die genossenschoft iche Nut-
zung der Allmende Wold und der Allmende Weide
blieb weitgehend unveröndert bis ins 18.lohrhundert
und der Grund dofür ist die Bevölkerungsentwick-
lung, die ebenfolls seil der frönkischen Zeit gewisse
Konslonlen oufwies: Die Bevölkerung wuchs nur ge-
ring oder koum. Es gob zwor eine hohe Gebudsrote,
ober ouch eine fost gleich hohe Kinderslerblichkeit.
Zudem dezimierlen Seuche, Kriege und Hungersnöte
gewissermoßen die Bevölkerung und schmolzen
so e;nen demogrolischen Zuwochs ob. Beispiele
dofür sind ouch in unserer Gegend die Pest im 14.
21. G
lohrhundert und der 3Ojöhrige Krieg im 17. Johr"
hundert. ln der Korolingerzeit und ouch seit dem12.
Johrhundert wurden Wölder gerodet und neue Dör-
fer ongelegi. Vom I I . bis zum I4 Johrhundert soll
sich die Bevölkerung Mitleleuropos elwos mehr ols
verdoppelt hoben. Seit dem 13. Johrhundert zogen
die wochsenden S1ödte die zunehmende Bevölke-
rung on, zudem ouch slrömie mil der so genonnten
Ostsiedlung ein Teil der überschüssigen Bevölkerung
ous dem Altsiedelond in den Osten.
ln diesem Allsiedellond, olso ouch in Lisdorf, wor es
infolge des geringen Bevölkerungswochslums nichl
nölig, neue Acker durch Roden, olso or,;f Koslen des
Woldes, onzulegen, so doss dieser seinen ökonomi-
schen Nutzen verlor, ouch nicht nö1ig die Höfe infolge
des Erbrechls so oufzuteilen, doss sie unrentobel ge-
worden wören, zumol der Grundherr dies verhindert
hdtte, um dodurch seine Einkünfte nichtzu schmölern.
Die böuerliche Wirlscholt wor - und ouch dies ist
eine Konslonte seit der frönkischen Zeit - bis weit in
die Neuzeit eine Subs;slenzwirtschoft, die in der Re"
gel die produzierten Güter selbst konsumierle, olso
ouch nichl oder koum für einen Morkt Nohrungs-
miltel erzeugfe, sondern nur so viele, doss die Bor.:-
ern - und dos isl der Quellenousdruck dofür - eine
,,or.:skömmliche Nohrung" besoßen r.rnd doneben die
herrschoftlichen und kirchlichen Abgoben zr.:meist ols
Nolurolien leislen konnten.
Allerdingswor in unserer Region Lisdorf dieAusnoh-
me von dieser Regel. Denn seit dem 14. Johrhundert
wor in der Nöhe mit der lothringischen Amtsstodt
Wollerfongen ein stödtischer Morkt entstonden,
den die Lisdorfer Bouern bedienen und on dem
sie verdienen konnten. Mit der Gründung der
Feslungsslodt Soorlouis erhielt Lisdorf eine neue
ökonomische Chonce zur Versorgung der nohen
Stodtbevölkerung und der Gornison. Domil begonn
die bis heute gewissermoßen ols,,Symbiose" zu
bezeichnende ökonomische Beziehung der Lisdorler
Gemüsebouern zu den Soorlouiser Konsumenlen,
ober ouch die Abhöngigkeit des Bouerndorfes von
der Feslungssiodt und die Bindung on deren politi-
sches Schicksol.
Noch der Fronzösischen Revolulion, die Lisdorfer
Bouern woren nun freigeworden und besoßen ihren
Grund und Boden ols freies Eigentum, erweiterle Lis-
dorf seine ökonomischen Möglichkeiten, ollerdings
nun unter Bedingungen der bis heute onholbnden
lnduslriolisierr.rng und des domil verbundenen so-
ziolen Wondels. Es stieg bis 1900 zr,rm ,,größten
Gemüsebouerndorf der Rheinprovinz" (A. Finken-
berg) ou[ tJnd I 967 zöhlte mon in Lisdorf noch I 20
houpiberufliche Londwirte und 70 bis 100 Einwohner.
dle Londwirte im Nebenerwerb woren.
Adelsgesellschoft. Grundherrschoft, Agrorgemeinde
und Bevölkerungsentwicklung, die von mir dorge-
siellten in frönkischer Zeit sich herousbildenden
Grundslrukturen, woren ouch für Lisdorf Grund-
dolen seiner Geschichle von seiner Gründung um
570 bis zum Johre 9l l. in dem Lisdorf in einer
Königsurkunde erstmols erwöhnl wurde.
ln diesem Zeilroum von fosr 350lohren gob es nur
den Zeitobschnitl von co. 700 bis 843, zum Verlrog
von Verdun, in dem dos{rönkische Reich nicht geteilt
wor, gewissermdßen ein Einheitsreich dorstellte, He-
rousrogend dobei die Herrschoft Korls des Großen,
der den Zeitgenossen schon ols,,Leuchllurm Euro-
pos" golt. ln seinem christlich fundierten Koiserlum
schuf er durch eine Reihe von Reformmoßnohmen
die Grtrndlogen für ein gesomteuropöische Kultur.
Die {rönkische Kultur wurde europöische Leilkuhur.
Diese Höhe konnte sein Sohn Ludwig der Fromme
nichl holten. Er wor gezwungen, ous dem Einheits-
reich für seine drei Söh.e drei Teile zu bilden: dos
Wesfronkenreich unterKorl dem Kohlen, dosostfrön-
kische unter Ludwig dem Deurschen, wie er erst spöler
genonnl wurde. Dos Mittelreich, die Medio Froncio,
die von der Nordsee bis noch Mitleliiolien reichte,
dozu des Koiserlum erhieli Lothor l. Auch dessen
Reichsteil wurde noch seinem Tod erneut oufgeteilt:
in dos spöler so genonnle ,,Lolhoringien", benonnl
noch Lothor ll., in Burgund und ltolien.
Lolhoringien indes, und ;n dessen Mitte etwo log Lis"
dorf, pendelte gewissermoßen bis zum Johre 925, ols
es endgültig durch Vertrog on dos Ostfronkenreich
kom, zwischen dem Ost- und Westreich- Dobei ent-
schieden wie me;slens in derfrönkischen Geschichte
wechselnde Adelsf roktionen die polilische Zuordnung
dieser Region. Die Stellung des regionolen Adels
wor zudem dodurch gestörkt, doss er und nicht die
königliche Zentrolgewolt Schuh bei den Normonne-
nein{öllen zu bieten schien.
895 konnte Arnulf ols ostfrönkischer König seinen
Sohn Zwenlibold in Lolhoringien einsetzen, ober
dieser scheilerte on einer storken Adelsopposition.
lm Johre 900 huldigte der lothoringische Ade noch
Ludwig dem Kind, ollerdings wondte sich eine sturke
Adelsportei unter dessen Herrschofi gegen die Kon-
rodiner, die im Oslreich immer slörkerwurden. Diese
stellten dort ob 9l i mit Konrod l. den ersten König,
der kein Korolinger wor.
Der lothoringische Adel, on seiner Spitze der Grof
Reginor, huldigte indes dem westfrönkischen König
Korl lll., der Ende des Johres 91 1 in Lothoringien die
Herrschofl onlrol.
Am 20. Dezember 9l I slellte Korl lll. {ür Bischof
Stephon von Combroidie Urkunde ous, in der Lisdorf
zum ersten Mole genonntwurde und die desholb ouch
den Anloss für die diesjöhrigen Feierlichkeiten zum
1 1 00 jöhrigen Jubilöum der Ersterwöhnung dorstellt.
Die Urkunde, die ersle für Lothoringien überhoupt,
liegt im Originol vor. wurde wöhrend des Mittelol-
ters im Combroier Bistumsorchiv und wird heute im
Deportementsorchiv in Lille ou{bewohrt.
Longe Zeii brouchle es, bis die Forschung den in der
Urkunde genonnten Orl ,,Letslorphem" mil unseaem
2l
22. Lisdorf idenlifizierte, ober die lndizien, die hier ober
nicht dorgestellt werden können, sind eindeutig.
lch möchte zunöchsf den lnhoh der lJrkunde refe-
rieren, Einzelheilen erlöulern und schließlich, dos
wird sie sicher erneul verblüffen, die herousrogende
Bedeutung dieses Dokumenls heroussiellen.
Korl lll. betont einleitend, doss die Freigebigkeit des
Königs gegenüber einem ,,Gelreuen", hier Bischof
Stephon, zur Ehre des ihm überlrogenen Königturrs
und zu dessen,,Einheif" und zu dessen ,,Bewohrung"
beitrügen. Die Grofen Werner und Theoderich, so
der König weiier, seien ols so genonnle lnlervenien-
ten olso gewissermoßen o s Fürsprecher on ihn
mit einer Bitle herongelrefen. Hier folge ich n,.:n der
deuischen lJberseizung: Die Villo, dos Hofgut bzw.
die Grundherrschoft Lisdorf, ein völerliches Erbe des
Bischofs, einsi ousgezeichnet durch den heiligen Leib
des Crispinus. im Niedgou om Fluss mil Nomen Soor
gelegen, sei vielerlei Gefohren ousgesetzl: sowohl
durch dos borborische Volk, domit sind wohl die Un'
gorneinfülle gemeint, ols ouch durch innere Sireiiig'
keiten, wohl sind domii odlige Fehden ongesprochen.
Desholb sollte die Villo ouch wegen der Kürze der
Gefohr drohenden Zeit durch ein Kostell befesligt
werden, dos Morkirechi eines Hondelsplotes so wie
die Erloubnis zum Schlogen von Münzen und den
SchL,n der königlichen lmmunitöt erhohen.
Und mii Zuslimmung des Grolen im Niedgou, eines
gewissen Liutord, gewöhrt der König für Siephon und
seine Erben lolgende Rechie: dos BeJesligungsrechl.
dos Morktrecht, dos Münzrecht und die lmmunität, die
sogor nöher besiimmt wird: Kein lnhober stootlicher
Gewolt dorfin der lmmunitöt Gericht holten, Friedens-
gelder oder Eidesheller einfordern, olle fiskolischen
Einkünfte gehören dem lnhober der lmmunitöt.
Nun zur Bewertung der Urkunde.
Die ongeführten Personen lossen sich nicht weiler
identi{izieren, lediglich von Bischof Stephon erfohren
w;r, doss er ous dem Elsoss herslommen sollle.
Die Urkunde ist eigentlich die Verleihung des Siodt-
rechts on Bischof Stephon, und zwor nichl für die
Bischofstodt Combroi, sondern für sein Erbgut in
der Villo Lisdorf: Er dorJ ouf dem Lisdorfer Bonn
eine Stodfgründen. Er ist deren Slodlherr. Die Stodt
besilzt lmmuniföf, der Stodlherr verfügt über dos Be-
{esligungsrecht, dos Münzrecht und dos Morktrechl.
Aber solche Urkunden, zumol mil der Reihung der
rechllichen Elemenle, finden sich erst in der Otto-
nenzeii, frühesiens seit der Mitie des 9. Johrhunderts,
olso 50 Johre spdter und zwor ousschließlich für
Bischofstödte, ober noch nicht für dos Erbgut eines
Hochodligen und dessen künflige E,ben.
Stephon und seine Erben werden gewissermoßen ,,po-
tentielle" Stodtherren, die die verliehen Rechie nuizen
können, dos Morkrecht hondhoben und Münzen prö-
gen und für die Befesiigung der Slodt Sorge frogen.
Aber dieses Stodtrechl isl nie umgesefzl, olso reoli-
siert worden: Lisdorl ist nichi be{esfigl worden, ouch
nicht Spuren einer Mouer ließen sich spdter finden,
keine Hondwerker und Höndler hoben sich in Lisdor{
niedergelossen, kein Morkt wurde obgeholten, keine
Münzen weisen Lisdorf ols Prögeorl ous.
Genou dies indes ließ Andreos Moilönder nicht ru-
hen und er wollte 1976 mii der l-.lrkunde von 9l I
nochweisen, doss nichl Lisdorf, sondern Wol er{ongen
die {ür Lisdorl vorgesehen Rechte genu}zi hobe. ln
der Gründungsstodt Wolderlingen (Wollerfongen on
der Soor), so seine kühne These, sei die europdische
Slodtfreiheit entstonden wie in den nochnormonni-
schen Gründungsslädlen der Grofschoft Flondern.
Mit dieser These hot sich leider die siodi- und ouch
die regionoigeschichtliche Forschung bis heute nicht
ouseinondergesel_zt.
Die Forschung hol ober ouch bis heuie nichi die dor-
gestellte Bedeutung der Urkundevon 911 gewürdigi.
Die Urkunde für Lisdorf konn - und dos isf ihre
herousrogende Bedeutung - ols erste europäische
Stodirechtsverleihung überhoupi gellen, ouch wenn
die Urkunde oufgrund der Ze;tumstönde nicht reoli-
siert worden ist.
Die Lisdorf-Urkunde bildeie so im Johre 9l I einen
Morkslein der europäischen Stodtgeschichtsenf-
wicklung.
DAS SOLLTE ANLASS GENUG SEIN, DIESES IUBI.
LAUM ZU FEIERNl
*DerVodrog wurde om 21. Oklober 2011 geholten.
Der Redetext blieb unverönder1.
Lediglich die Literolur wurde zugefügt:
Arni Finkenberg, Die Ortsgeschichle von Lisdorf.
Von der Steinzeit bis zur Gegenwort (Geschichte der
Kreisstodt Soorlouis 5), Soorlouis 1997.
Andreos Moilönder, Die Enfstehung der europdischen
Siodffreiheit in der Gründungsslodt Wolderfingen
(Wollerfongen on der Soor), in der Grofschoft Wol-
lerfongen und in den nochnormonnischen Grün-
dungsstödten der Grofschoft Flondern om Anfong
des 10. Johrhunderls und ihre Auswirkung ouf die
olten Stödte, Soorlouis 1976.
Festschrifl zum.Jubildum. Lisdorl (9I l -201 I) - I I00
lohre, Soorlouis 20,l l.
lohonnes Schmitt, Dos olie Dorf in der Au. Vom
frönkischen Gutshof zum bedeuienden Gemüse-
bouerndorf, Lisdorlfeiert den 1 100. Johrestog seiner
Ersierwdhnung, in: Soorgeschichte(n) Heft 3, 201 l,
s. 25 ff.