1. ALL HANDS IN?
Making Diversity Work For All
Wesentliche Ergebnisse des OECD-
Berichts
Paris/Berlin, 2. September 2020
Thomas Liebig
Leitender Ökonom
Abteilung für Internationale Migration
2. Vielfalt in Wirtschaft und Gesellschaft
2
• Nach allen gängigen Maßstäben hat die Vielfalt in Wirtschaft und Gesellschaft
zugenommen, u.a.
– Anstieg des Bevölkerungsanteils von Zuwanderern und deren Nachkommen in fast allen OECD-Ländern
– Zunahme der Erwerbsbeteiligung von Frauen und älteren Arbeitnehmern, OECD-weit
– LGBTI-Personen gehen offener mit ihrer sexuellen Identität um
• Zugleich gibt es noch erhebliche Defizite in der Nutzung der Potentiale diverser Gruppen
– Volkswirtschaftlicher und gesellschaftlicher Effekt ist klar positiv,
Evidenz zum betriebswirtschaftlichen Nutzen weniger eindeutig
• Unklar, welche Massnahmen für welche Gruppen wirken
Frauen
LGBTI
Personen
Migranten &
Ethnische
Minderheiten
Menschen mit
Behinderung
Ältere
Arbeitnehmer
3. Wie steht es um diverse Gruppen im internationalen Vergleich?
3
• Unterstes Quartil
• Zweites Quartil
• Drittes Quartil
• Top Quartil
AUS AUT BEL CAN CHE CHL CZE DEU DNK ESP EST FIN FRA GBR GRE HUN IRL ISL ISR ITA JPN KOR LTU LUX LVA MEX NLD NOR NZL POL PRT SVK SVN SWE TUR USA
Unterschiede in den Beschäftigungsquoten
Geschlecht 9.8 8.0 8.8 5.7 9.1 19.7 14.7 7.4 5.4 11.1 6.6 3.1 7.1 9.1 18.3 14.0 10.3 4.8 6.8 18.2 15.5 19.4 0.4 7.4 3.5 34.0 9.1 3.2 9.8 13.3 6.3 11.7 6.7 2.9 38.5 10.5
Alter 16.6 32.8 29.3 20.1 14.0 9.6 24.6 14.1 12.7 20.7 15.9 18.1 29.2 19.8 29.1 32.0 18.3 6.2 13.0 17.2 10.8 8.9 17.3 43.8 19.0 16.4 17.8 10.5 5.9 33.7 26.3 27.0 43.4 9.8 26.7 16.1
Behinderung 37.8 23.6 34.4 26.3 18.6 33.5 19.9 32.6 24.5 23.2 22.2 17.8 28.8 21.1 34.6 32.8 30.0 11.6 22.8 31.7 33.7 32.7 26.2 20.1 26.0 20.6 43.7
Migranten 3.4 8.5 10.2 2.6 5.9 -14.6 -4.0 8.7 10.9 1.7 2.8 10.8 9.4 2.6 0.8 -5.6 0.3 2.0 -12.4 -2.3 3.6 -3.2 0.4 -6.8 4.0 8.9 14.4 7.5 1.0 -3.5 -7.1 -2.3 3.0 13.5 5.5 -2.3
Einstellungen in der Bevölkerung
Migranten
Ethnische
Minderheiten
LGBTI
4. In Deutschland gab es im vergangenen Jahrzehnt grössere Fortschritte
als in anderen Ländern, vor allem im Hinblick auf Migranten
• Verbesserung • Keine Veränderung • Verschlechterung 4
AU
S
AUT BEL CAN CHE CHL CZE DEU DNK ESP EST FIN FRA GBR GRE HUN IRL ISL ISR ITA JPN KOR LTU LUX LVA MEX NLD NOR NZL POL PRT SVK SVN SWE TUR USA
Entwicklung der Unterschiede in den Beschäftigungsquoten seit 2008
Geschlecht
Alter
Migranten
Entwicklung in den Einstellungen gegenüber diversen Gruppen seit 2008
Migranten
Ethnische
Minderheiten
LGBTI
5. OECD-weit ist eine zunehmende Polarisierung in der Akzeptanz von
Vielfalt zu beobachten
5
Akzeptanz von Vielfalt in der Gesellschaft
0
0.1
0.2
0.3
0.4
0.5
0.6
0.7
0.8
0.9
1
2018 (or latest available year) 2008 (or latest available year)
Quelle: Berechnungen der OECD auf Basis von Gallup Daten. Indikator ist zusammengesetzt aus den Antworten zu folgender Fragen: «Ist Ihre Stadt oder Gemeinde
ein guter Ort für i) ethnische bzw. rassische Minderheiten; ii) schwule und lesbische Personen; iii) Einwanderer.» 0= keine Akzeptanz; 1=volle Akzeptanz.
6. Trotz Fortschritten ist der Rechtsschutz gegen Diskriminierung in
Deutschland noch vergleichsweise wenig bekannt
6
0
10
20
30
40
50
60
70
80
90
2015 2007
Öffentliches Bewusstsein über Rechte im Falle von Diskriminierung oder Belästigung
Quelle: Berechnungen der OECD auf Basis der Eurobarometer.
7. Politikmaßnahmen zur Förderung der Eingliederung
verschiedener Bevölkerungsgruppen…was hat sich bewährt? (I)
Antidiskriminierungsgesetzgebung
• Existiert praktisch überall (unterschiedliche Gruppenabdeckung)
• Wenig konkrete Evidenz bzw. Wirkung, aber Hinweise auf
positiven Effekt auf Beschäftigung und Löhne
• Angst der Arbeitgeber vor Rechtsstreits kann negative
Konsequenzen haben
Aktive Förderungsmaßnahmen
• Lange Tradition aktiver Förderungsmaßnahmen in den USA;
Geschlechterquoten in Vorständen in den letzten 10 Jahren in
Europa zunehmend verbreitet (6 Länder)
• Positiver Effekt auf Beschäftigung und Löhne in den USA, vor
allem für weiße Frauen - eher weniger für ethnische Minderheiten
Finanzielle Anreize
• 15 OECD Länder berücksichtigen Diversitätskriterien bei der
Vergabe öffentlicher Aufträge
• Lohnsubventionen müssen sorgfältig geplant sein, Erfolg hängt von der
betroffenen Gruppe und der Heterogenität innerhalb der Gruppe ab
7
8. Politikmaßnahmen zur Förderung der Eingliederung
verschiedener Bevölkerungsgruppen …was hat sich bewährt? (II)
Kontaktaufnahme (“Outreach”)
• Mangel qualifizierter Bewerber als größtes Hindernis laut Personal-
Umfrage (47%)
• Frauen und Minderheiten tendieren dazu, weniger Netzwerke und
fehlendes Wissen über offene Stellen zu haben
Anonyme Bewerbungen
• Seltene Praxis (6% der Firmen in Personal-Umfrage)
• Pilotprojekte in europäischen Ländern zeigen Vorteile für von
Diskriminierung betroffenen Gruppen; aber in vielen Kontexten
nicht anwendbar
Diversitätstraining
• Am stärksten verbreitetes Instrument (44%) in Personal-Umfrage
• Kann zum gegenteiligen Effekt führen, wenn nicht sorgfältig
geplant
• Effekte verschwinden schnell wieder - Training muss mit
strukturellen Maßnahmen verknüpft werden
8
9. • Evidenz weist darauf hin, dass verhältnismäßig privilegiertere Gruppen
(Frauen und Minderheiten mit akademischem Hintergrund) am meisten
profitieren
• Politik-Fragebogen zeigt, dass mehr für höhere Positionen gemacht wird
– Geschlechterquote in europäischen Vorständen hat nicht zum Aufstieg weiblicher
Mitarbeiter auf den unteren Hierarchiestufen geführt (Maida and Weber 2018)
Herausforderungen für effektive Politikmaßnahmen (I):
Gerechten Zugang gewährleisten
Maßnahmen müssen Vielfalt innerhalb diverser Gruppen mit
einbeziehen und ihren sozioökonomischen Hintergrund berücksichtigen
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10. • Erhebliche negative Reaktionen gegenüber Diversitätsmaßnahmen von Teilen
der Bevölkerung
– Selbst Menschen, die der Meinung sind, dass mehr für die Förderung der Vielfalt am
Arbeitsplatz getan werden sollte, befürworten die Umsetzung solcher Maßnahmen an
ihrem eigenen Arbeitsplatz nicht (Eurobarometer, 2015).
– Menschen benachteiligter “Mehrheitsgruppen” könnten das Gefühl haben, “den Kürzeren
zu ziehen” gegenüber diversen Gruppen
• Politische Entscheidungsträger und Firmen müssen das Ziel der
Diversitätspolitik proaktiv kommunizieren
Herausforderungen für effektive Politikmaßnahmen (II):
Umgang mit potenziellen negativen Rückwirkungen
Diversitätspolitik muss Teil eines umfassenderen Paketes
sozialpolitischer Maßnahmen sein, die gleiche
Ausgangsbedingungen und Chancengleichheit zum Ziel haben
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11. • Ineffektive Diversitätspolitik kann zu mehr Schaden als Nutzen führen
• Mit der bloßen Existenz von Diversitätspolitik in Firmen
– Neigen Gruppen mit hohem Status dazu, Beschwerden als ungerechtfertigt abzuweisen
(Kaiser et al. 2013)
– Urteilen Richter in Diskriminierungsfällen nachsichtiger (Edelman et al. 2011)
– Erkennen Frauen und Minderheiten selbst seltener Diskriminierung (Brady et al. 2015)
Herausforderungen effektiver Politikmaßnahmen (III):
Vermeidung von «Schaufensterpolitik»
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12. Gewährleistung eines breiteren und
gerechteren Zugangs zur Förderung von
Diversität
Einbeziehung von Diversität in
öffentlichen Maßnahmen aller Bereiche
Einbettung der Diversitätspolitik in
umfassendere sozialpolitische
Maßnahmen
Einbeziehung der stigmatisierenden
Effekte gruppenspezifischer
Politikmaßnahmen
Antizipation möglicher negativer Reaktionen
zu Diversität
12
Empfehlungen für staatliches Handeln
Betriebwirtschaftliche Vorteile von Diversität
stärken
Unterstützung von Unternehmen, vor
allem von KMUs, in ihren Bemühungen
zu mehr Diversität
Bewusstsein schaffen für
Diskriminierung und Anti-
Diskriminierungsschutz
Sicherstellen, dass die öffentliche
Verwaltung eine Vorbildunktion einnimmt
Verbessern der Datenlage über diverse
Gruppen im Arbeitsmarkt
13. Klares Kommunizieren über Begründungen für Maßnahmen :
Chancengleichheit eher durch ‘Öffnen der Schranken’ als durch Absenkung der
Messlatte
Ansprechen potentieller Bewerber mit diversem Hintergrund und
Ermutigung, sich zu bewerben
Entwickeln umfassender Diversitätsstrategien:
Nicht nur Rekrutierung, sondern auch Förderung und Bindung mit messbaren
Zielen
Bekämpfung von Diskriminierung im Einstellungsverfahren und am
Arbeitsplatz
Gewährleistung eines breiteren und gerechteren Zugangs zur Förderung
von Diversität:
Bekämpfung von Benachteiligung innerhalb von Gruppen, um zu vermeiden, dass
Menschen in privilegierten Positionen übermäßig stark profitieren
13
Empfehlungen für Unternehmen
14. • Die COVID-19 Pandemie bedroht den Fortschritt in der Integration benachteiliger Gruppen,
der in den letzten zehn Jahren erreicht wurde
• Schlechte Diversitätspolitik kann mehr Schaden als Nutzen anrichten
• Die Lücke zwischen postiven volkswirtschaftlichem und sozialem Effekten der Einbindung
benachteiligter Gruppen und dem betriebswirtschaftlichen Nutzen (Kosten?) schliessen
• Die Bedeutung von Netzwerken starker berücksichtigen
• Diversität breiter aufstellen
– Nicht nur Mitarbeitereinstellung, sondern auch Beförderung und Mitarbeiterbindung
– Nicht (zumindest nicht in erster Linie) für die Bevorzugten innerhalb der benachteiligten Gruppen
– Intersektionalität beachten
• Kommunikation zu Diversitätsthemen starker in den Vordergrund rücken
– Wortwahl beachten
– Es geht nicht um niedrigere Hürden für einzelne Gruppen, sondern um Chancengleichheit
– Betonung von Gemeinsamkeiten statt von Unterschieden
Schlussbemerkungen:
Für eine zukunftsgerichtete Diversitätspolitik
15. Für weitere Informationen zum Bericht und zur Arbeit
der OECD zum Thema Diversität
Thomas.Liebig@oecd.org
http://www.oecd.org/berlin/presse/making-
diversity-work-for-all.htm