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VON ANTI-DISKRIMINIERUNG ZU
DIVERSITÄT IM ARBEITSMARKT
Ein Überblick
Thomas Liebig
Leitender Ökonom
Abteilung für internale Migration
Direktorat für Arbeit, Beschäftigung, und Soziales
In den vergangenen 15 Jahren hatte Deutschland den stärksten
Anstieg in der Beschäftigung von Migrant*Innen aller OECD-Länder
Entwicklung der Beschäftigungsquoten im Ausland Geborener nach Bildungsniveau
2005-2019, 15- bis 64-Jährige
Quelle: OECD Migrationsdatenbank.
-15
-10
-5
0
5
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15
20
Dennoch sind die Erwerbstätigenquoten im Ausland Geborener noch
deutlich niedriger – auch bei gleichem formalen Qualifikationsniveau
Beschäftigungsquoten im Ausland Geborener nach Bildungsniveau
Differenz in Prozentpunkten im Vergleich zu im Inland Geborenen, 15- bis 64-Jährige (ohne Bildungsteilnehmer), 2016-2017
-20
-10
0
10
20
30
Geringqualifizierte Hochqualifizierte
Quelle: OECD und EU (2019) Zusammen wachsen – Integration von Zuwanderern: Indikatoren 2018.
Selbst die Arbeitsmarktintegration von im Inland Geborenen mit im Ausland geborenen Eltern
bleibt hinter der ihrer Altersgenoss*innen mit im Inland geborenen Eltern zurück
- allerdings weniger als in anderen Ländern
Unterschiede in Erwerbstätigenquoten im Vergleich zu im Inland Geborenen mit im Inland geborenen Eltern
Prozentpunkte, 25- bis 34 Jahre alt (ohne Bildungsteilnehmer), 2017
4
Quelle: OECD und EU (2019).
-30
-25
-20
-15
-10
-5
0
5
10
15
Geringqualifizierte Hochqualifizierte
Erhebliche Unterrepräsentation von Jugendlichen mit
eingewanderten Eltern im öffentlichen Dienst
Anteil der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes
In Prozent der Erwerbstätigen im Alter von 15 bis 34 Jahren, ca. 2017
5
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30
40
50
60
Im Inland Geborene mit im Ausland geborenen Eltern Im Inland Geborene mit im Inland geborenen Eltern
Quelle: OECD und EU (2019).
Für Eingewanderte:
• Niedrigeres Bildungsniveau
• Fehlende Kenntnisse der Landessprache
• Schwierigkeiten im Zusammenhang mit dem Transfer und der
Anerkennung im Ausland erworbener Fähigkeiten
Für Eingewanderte und ihre Kinder:
• Diskriminierung
• Fehlendes Netzwerk
• Mangelndes Wissen über den nationalen Arbeitsmarkt
6
Wie können die bestehenden Unterschiede zuungunsten von
Eingewanderten und ihren Kindern erklärt werden?
Ein beträchtlicher Anteil der Jugendlichen mit im Ausland
geborenen Eltern fühlt sich diskriminiert
7
Wahrgenommene Diskriminierung (Eigenangaben)
In Prozent der 15-64-Jährigen, 2008-16
0
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20
25
30
35
40
Im Inland Geborene mit im Ausland geborenen Eltern Im Kindesalter Zugewanderte
Quelle: OECD und EU (2019).
Diskriminierung von Eingewanderten und ihren Nachkommen:
Was wissen wir?
8
• Subjektive und objektive (tatsächliche) Diskriminierung stimmen nicht zwangsläufig
überein – beide Probleme sind aber wichtig und messen unterschiedliche Dinge
• Objektive Diskriminierung wurde in allen OECD Ländern beobachtet, in denen dies
systematisch untersucht wurde
• Große Unterschiede in Diskriminierung zwischen verschiedenen Gruppen: Im Durschnitt über alle Länder
und Studien müssen Eingewanderte und deren Nachkommen 50% mehr Lebensläufe schicken, um zu
einem Bewerbungsgespräch eingeladen zu werden (Zschirnt and Ruedin, 2016)
• Diskriminierung ist in KMUs stärker ausgeprägt als in großen Unternehmen
• Diskriminierung ist höher in schwachen Arbeitsmärkten (z.B. Baert et al., 2013)
• Signale der «Integration» in die «Mehrheitsgesellschaft» reduzieren Diskriminierung erheblich
• Evidenz, dass Migrant*innen Diskriminierung kompensieren, indem sie mehr Bewerbungen
schreiben
Interaktion mit Diskriminierung aufgrund der Religion
Rückrufquoten für Bewerbungen auf Stellenausschreibungen zur Büroassistenz in Deutschland:
20% 14% 4%
Quelle: Weichselbaumer (2016)
Diskriminierung von Migrant*innen und deren Nachkommen:
Was wissen wir?
10
• Mangel an Bewusstsein: Im EU-Durchschnitt weiß nur ein Viertel der
Eingewanderten und deren Nachkommen, dass es einen rechtlichen Rahmen
gibt, der sie vor Diskriminierung schützt
• Anti-Diskriminierungsstellen: Diskriminierungsfälle, die von Anti-
Diskriminierungsstellen behandelt werden, bilden nur die Spitze des Eisbergs
ab (z.B. wurden in Deutschland im Jahr 2019 nur etwa 1000 Fälle von ethnischer/
Migrant*innnen-Diskriminierung von der Anti-Diskriminierungsstelle des Bundes untersucht)
• Unerklärte Unterschiede in Ergebnissen vs. Diskriminierung: Nicht alle
beobachteten, anhaltenden Benachteiligungen von Eingewanderten und deren
Nachkommen sind auf Diskriminierung zurückzuführen
=> Notwendigkeit einer Politik der Chancengleichheit=> Gleichstellungspolitik oder
«Diversitäts»-Politik (wobei Diversität ein Begriff ist, der eine Reihe benachteiligter
Gruppen umfasst)
Politikmaßnahmen zur Förderung der Eingliederung
ethnischer Minderheit…was hat sich bewährt? (I)
Antidiskriminierungsgesetzgebung
• Existiert praktisch überall (mit unterschiedlicher Gruppenabdeckung)
• Wenig konkrete Evidenz, aber Hinweise auf positive Effekte auf
Beschäftigung und Löhne
• Angst der Arbeitgeber*innen vor Rechtsstreits kann negative
Konsequenzen haben
Aktive Förderungsmaßnahmen
• Lange Tradition aktiver Förderungsmaßnahmen in den USA;
vereinzelte Versuche in Europa (Niederländische Politikmaßnahmen in
den 1990er Jahren; Flämische Diversitätspolitik in den frühen 2000er
Jahren; Maßnahmen für den staatlichen Sektor in einigen nordischen
Ländern)
• Positiver Effekt auf Beschäftigung und Löhne in den USA vor allem für
weiße Frauen- eher weniger für ethnische Minderheiten/Migrant*Innen
Finanzielle Anreize
• 15 OECD Länder berücksichtigen Diversitätskriterien bei der Vergabe
öffentlicher Aufträge
• Lohnsubventionen müssen sorgfältig geplant sein, Erfolg hängt von der
betroffenen Gruppe und der Heterogenität innerhalb der Gruppe ab 11
Politikmaßnahmen zur Förderung der Eingliederung
ethnischer Minderheit…was hat sich bewährt? (II)
Kontaktaufnahme (“Outreach”)
• Mangel qualifizierter Bewerber*innen als größtes Hindernis laut
Personal-Umfrage
• Migrant*innen tendieren dazu, weniger Netzwerke und fehlendes
Wissen über offene Stellen zu haben
“Anonyme” Bewerbungen
• Seltene Praxis
• Pilotprojekte in europäischen Ländern zeigen Vorteile für
Migrant*innen und deren Nachkommen; aber nicht anwendbar in
KMUs
Diversitätstraining
• Am meisten verbreitetes Instrument
• Kann zum gegenteiligen Effekt führen, wenn nicht sorgfältig geplant
• Effekte verschwinden schnell wieder- Training muss mit
strukturellen Maßnahmen verknüpft werden
12
• Evidenz weist darauf hin, dass verhältnismäßig privilegiertere Gruppen
(hohes Einkommen/ akademischer Hintergrund) am meisten profitieren
von den Förderungsmaßnahmen
• Häufig Fokus auf höheren Positionen
• Nur die Hälfte der bestehenden Anti-Diskriminierungsgesetzgebungen in
OECD-Ländern deckt auch Diskriminierung aus sozioökonomischen
Gründen ab
Herausforderungen für effektive Politikmaßnahmen (I):
Gerechten Zugang gewährleisten
Maßnahmen müssen Vielfalt innerhalb der Migrant*innen mit einbeziehen
und auch den sozioökonomischen Hintergrund berücksichtigen
13
• Erhebliche negative Reaktionen gegenüber Maßnahmen zur Förderung von
Migrant*innen von Teilen der „Mehrheitsbevölkerung“
• Selbst Menschen, die der Meinung sind, dass mehr für die Förderung der Vielfalt am
Arbeitsplatz getan werden sollte, befürworten die Umsetzung solcher Maßnahmen an ihrem
eigenen Arbeitsplatz nicht (Eurobarometer, 2015).
– Menschen benachteiligter “Mehrheitsgruppen” könnten das Gefühl haben, “den Kürzeren
zu ziehen” gegenüber Migrant*innen
• Notwendigkeit, Ziele der Diversitätspolitik proaktiv zu kommunizieren
Herausforderungen für effektive Politikmaßnahmen (II):
Umgang mit potenziellen negativen Rückwirkungen
Diversitätspolitik muss Teil eines umfassenderen Paketes
sozialpolitischer Maßnahmen sein, die gleiche
Ausgangsbedingungen und Chancengleichheit zum Ziel haben
14
• Ineffektive Diversitätspolitik kann zu mehr Schaden als Nutzen führen, wenn
die grundlegenden Ursachen nicht angegangen werden
• Mit der bloßen Existenz von Diversitätspolitik in Firmen
– Neigen Gruppen mit hohem Status dazu, Beschwerden als ungerechtfertigt abzuweisen
(Kaiser et al. 2013)
– Urteilen Richter*innen in Diskriminierungsfällen nachsichtiger (Edelman et al. 2011)
– Erkennen Migrant*innen selbst seltener Diskriminierung (Brady et al. 2015)
Herausforderungen effektiver Politikmaßnahmen (III):
Vermeidung von «Schaufensterpolitik»
15
• Diskriminierendes Verhalten und Stereoptype sind weit verbreitet
• Die Lösung des Problems beginnt mit Bewusstseinsbildung - nicht nur für das Thema und
für die Rechte gegen Diskriminierung, sondern auch für die Worte, die zur Beschreibung
verwendet werden
• Rechtlicher Schutz ist wichtig, aber reine Anti-Diskriminierung reicht nicht aus, um
Chancengleichheit zu erreichen
• Politikmaßnahmen zur Überwindung der Benachteiligung müssen sich stärker auf die
Überschneidung mit sozioökonomischer Benachteiligung konzentrieren - auch in ihren
intergenerationalen Auswirkungen
• Die Bedeutung von Reichweite/sozialen Netzwerken bei der Arbeitssuche lässt Raum für
ein stärkeres zivilgesellschaftliches Engagement
• Die Corona-Krise gefährdet die erheblichen Fortschritte der Integration der letzen Dekade
- sie ist ein Härtetest für das Thema
Schlussbemerkungen
Für weitere Informationen zur Arbeit der OECD zu diesem
Thema:
Thomas.Liebig@oecd.org
http://oe.cd/diversity-2020
http://www.oecd.org/migration/integrationpoliciesandindicators.htm

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Von Anti-Diskriminierung zu Diversität im Arbeitsmarkt

  • 1. VON ANTI-DISKRIMINIERUNG ZU DIVERSITÄT IM ARBEITSMARKT Ein Überblick Thomas Liebig Leitender Ökonom Abteilung für internale Migration Direktorat für Arbeit, Beschäftigung, und Soziales
  • 2. In den vergangenen 15 Jahren hatte Deutschland den stärksten Anstieg in der Beschäftigung von Migrant*Innen aller OECD-Länder Entwicklung der Beschäftigungsquoten im Ausland Geborener nach Bildungsniveau 2005-2019, 15- bis 64-Jährige Quelle: OECD Migrationsdatenbank. -15 -10 -5 0 5 10 15 20
  • 3. Dennoch sind die Erwerbstätigenquoten im Ausland Geborener noch deutlich niedriger – auch bei gleichem formalen Qualifikationsniveau Beschäftigungsquoten im Ausland Geborener nach Bildungsniveau Differenz in Prozentpunkten im Vergleich zu im Inland Geborenen, 15- bis 64-Jährige (ohne Bildungsteilnehmer), 2016-2017 -20 -10 0 10 20 30 Geringqualifizierte Hochqualifizierte Quelle: OECD und EU (2019) Zusammen wachsen – Integration von Zuwanderern: Indikatoren 2018.
  • 4. Selbst die Arbeitsmarktintegration von im Inland Geborenen mit im Ausland geborenen Eltern bleibt hinter der ihrer Altersgenoss*innen mit im Inland geborenen Eltern zurück - allerdings weniger als in anderen Ländern Unterschiede in Erwerbstätigenquoten im Vergleich zu im Inland Geborenen mit im Inland geborenen Eltern Prozentpunkte, 25- bis 34 Jahre alt (ohne Bildungsteilnehmer), 2017 4 Quelle: OECD und EU (2019). -30 -25 -20 -15 -10 -5 0 5 10 15 Geringqualifizierte Hochqualifizierte
  • 5. Erhebliche Unterrepräsentation von Jugendlichen mit eingewanderten Eltern im öffentlichen Dienst Anteil der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes In Prozent der Erwerbstätigen im Alter von 15 bis 34 Jahren, ca. 2017 5 0 10 20 30 40 50 60 Im Inland Geborene mit im Ausland geborenen Eltern Im Inland Geborene mit im Inland geborenen Eltern Quelle: OECD und EU (2019).
  • 6. Für Eingewanderte: • Niedrigeres Bildungsniveau • Fehlende Kenntnisse der Landessprache • Schwierigkeiten im Zusammenhang mit dem Transfer und der Anerkennung im Ausland erworbener Fähigkeiten Für Eingewanderte und ihre Kinder: • Diskriminierung • Fehlendes Netzwerk • Mangelndes Wissen über den nationalen Arbeitsmarkt 6 Wie können die bestehenden Unterschiede zuungunsten von Eingewanderten und ihren Kindern erklärt werden?
  • 7. Ein beträchtlicher Anteil der Jugendlichen mit im Ausland geborenen Eltern fühlt sich diskriminiert 7 Wahrgenommene Diskriminierung (Eigenangaben) In Prozent der 15-64-Jährigen, 2008-16 0 5 10 15 20 25 30 35 40 Im Inland Geborene mit im Ausland geborenen Eltern Im Kindesalter Zugewanderte Quelle: OECD und EU (2019).
  • 8. Diskriminierung von Eingewanderten und ihren Nachkommen: Was wissen wir? 8 • Subjektive und objektive (tatsächliche) Diskriminierung stimmen nicht zwangsläufig überein – beide Probleme sind aber wichtig und messen unterschiedliche Dinge • Objektive Diskriminierung wurde in allen OECD Ländern beobachtet, in denen dies systematisch untersucht wurde • Große Unterschiede in Diskriminierung zwischen verschiedenen Gruppen: Im Durschnitt über alle Länder und Studien müssen Eingewanderte und deren Nachkommen 50% mehr Lebensläufe schicken, um zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen zu werden (Zschirnt and Ruedin, 2016) • Diskriminierung ist in KMUs stärker ausgeprägt als in großen Unternehmen • Diskriminierung ist höher in schwachen Arbeitsmärkten (z.B. Baert et al., 2013) • Signale der «Integration» in die «Mehrheitsgesellschaft» reduzieren Diskriminierung erheblich • Evidenz, dass Migrant*innen Diskriminierung kompensieren, indem sie mehr Bewerbungen schreiben
  • 9. Interaktion mit Diskriminierung aufgrund der Religion Rückrufquoten für Bewerbungen auf Stellenausschreibungen zur Büroassistenz in Deutschland: 20% 14% 4% Quelle: Weichselbaumer (2016)
  • 10. Diskriminierung von Migrant*innen und deren Nachkommen: Was wissen wir? 10 • Mangel an Bewusstsein: Im EU-Durchschnitt weiß nur ein Viertel der Eingewanderten und deren Nachkommen, dass es einen rechtlichen Rahmen gibt, der sie vor Diskriminierung schützt • Anti-Diskriminierungsstellen: Diskriminierungsfälle, die von Anti- Diskriminierungsstellen behandelt werden, bilden nur die Spitze des Eisbergs ab (z.B. wurden in Deutschland im Jahr 2019 nur etwa 1000 Fälle von ethnischer/ Migrant*innnen-Diskriminierung von der Anti-Diskriminierungsstelle des Bundes untersucht) • Unerklärte Unterschiede in Ergebnissen vs. Diskriminierung: Nicht alle beobachteten, anhaltenden Benachteiligungen von Eingewanderten und deren Nachkommen sind auf Diskriminierung zurückzuführen => Notwendigkeit einer Politik der Chancengleichheit=> Gleichstellungspolitik oder «Diversitäts»-Politik (wobei Diversität ein Begriff ist, der eine Reihe benachteiligter Gruppen umfasst)
  • 11. Politikmaßnahmen zur Förderung der Eingliederung ethnischer Minderheit…was hat sich bewährt? (I) Antidiskriminierungsgesetzgebung • Existiert praktisch überall (mit unterschiedlicher Gruppenabdeckung) • Wenig konkrete Evidenz, aber Hinweise auf positive Effekte auf Beschäftigung und Löhne • Angst der Arbeitgeber*innen vor Rechtsstreits kann negative Konsequenzen haben Aktive Förderungsmaßnahmen • Lange Tradition aktiver Förderungsmaßnahmen in den USA; vereinzelte Versuche in Europa (Niederländische Politikmaßnahmen in den 1990er Jahren; Flämische Diversitätspolitik in den frühen 2000er Jahren; Maßnahmen für den staatlichen Sektor in einigen nordischen Ländern) • Positiver Effekt auf Beschäftigung und Löhne in den USA vor allem für weiße Frauen- eher weniger für ethnische Minderheiten/Migrant*Innen Finanzielle Anreize • 15 OECD Länder berücksichtigen Diversitätskriterien bei der Vergabe öffentlicher Aufträge • Lohnsubventionen müssen sorgfältig geplant sein, Erfolg hängt von der betroffenen Gruppe und der Heterogenität innerhalb der Gruppe ab 11
  • 12. Politikmaßnahmen zur Förderung der Eingliederung ethnischer Minderheit…was hat sich bewährt? (II) Kontaktaufnahme (“Outreach”) • Mangel qualifizierter Bewerber*innen als größtes Hindernis laut Personal-Umfrage • Migrant*innen tendieren dazu, weniger Netzwerke und fehlendes Wissen über offene Stellen zu haben “Anonyme” Bewerbungen • Seltene Praxis • Pilotprojekte in europäischen Ländern zeigen Vorteile für Migrant*innen und deren Nachkommen; aber nicht anwendbar in KMUs Diversitätstraining • Am meisten verbreitetes Instrument • Kann zum gegenteiligen Effekt führen, wenn nicht sorgfältig geplant • Effekte verschwinden schnell wieder- Training muss mit strukturellen Maßnahmen verknüpft werden 12
  • 13. • Evidenz weist darauf hin, dass verhältnismäßig privilegiertere Gruppen (hohes Einkommen/ akademischer Hintergrund) am meisten profitieren von den Förderungsmaßnahmen • Häufig Fokus auf höheren Positionen • Nur die Hälfte der bestehenden Anti-Diskriminierungsgesetzgebungen in OECD-Ländern deckt auch Diskriminierung aus sozioökonomischen Gründen ab Herausforderungen für effektive Politikmaßnahmen (I): Gerechten Zugang gewährleisten Maßnahmen müssen Vielfalt innerhalb der Migrant*innen mit einbeziehen und auch den sozioökonomischen Hintergrund berücksichtigen 13
  • 14. • Erhebliche negative Reaktionen gegenüber Maßnahmen zur Förderung von Migrant*innen von Teilen der „Mehrheitsbevölkerung“ • Selbst Menschen, die der Meinung sind, dass mehr für die Förderung der Vielfalt am Arbeitsplatz getan werden sollte, befürworten die Umsetzung solcher Maßnahmen an ihrem eigenen Arbeitsplatz nicht (Eurobarometer, 2015). – Menschen benachteiligter “Mehrheitsgruppen” könnten das Gefühl haben, “den Kürzeren zu ziehen” gegenüber Migrant*innen • Notwendigkeit, Ziele der Diversitätspolitik proaktiv zu kommunizieren Herausforderungen für effektive Politikmaßnahmen (II): Umgang mit potenziellen negativen Rückwirkungen Diversitätspolitik muss Teil eines umfassenderen Paketes sozialpolitischer Maßnahmen sein, die gleiche Ausgangsbedingungen und Chancengleichheit zum Ziel haben 14
  • 15. • Ineffektive Diversitätspolitik kann zu mehr Schaden als Nutzen führen, wenn die grundlegenden Ursachen nicht angegangen werden • Mit der bloßen Existenz von Diversitätspolitik in Firmen – Neigen Gruppen mit hohem Status dazu, Beschwerden als ungerechtfertigt abzuweisen (Kaiser et al. 2013) – Urteilen Richter*innen in Diskriminierungsfällen nachsichtiger (Edelman et al. 2011) – Erkennen Migrant*innen selbst seltener Diskriminierung (Brady et al. 2015) Herausforderungen effektiver Politikmaßnahmen (III): Vermeidung von «Schaufensterpolitik» 15
  • 16. • Diskriminierendes Verhalten und Stereoptype sind weit verbreitet • Die Lösung des Problems beginnt mit Bewusstseinsbildung - nicht nur für das Thema und für die Rechte gegen Diskriminierung, sondern auch für die Worte, die zur Beschreibung verwendet werden • Rechtlicher Schutz ist wichtig, aber reine Anti-Diskriminierung reicht nicht aus, um Chancengleichheit zu erreichen • Politikmaßnahmen zur Überwindung der Benachteiligung müssen sich stärker auf die Überschneidung mit sozioökonomischer Benachteiligung konzentrieren - auch in ihren intergenerationalen Auswirkungen • Die Bedeutung von Reichweite/sozialen Netzwerken bei der Arbeitssuche lässt Raum für ein stärkeres zivilgesellschaftliches Engagement • Die Corona-Krise gefährdet die erheblichen Fortschritte der Integration der letzen Dekade - sie ist ein Härtetest für das Thema Schlussbemerkungen
  • 17. Für weitere Informationen zur Arbeit der OECD zu diesem Thema: Thomas.Liebig@oecd.org http://oe.cd/diversity-2020 http://www.oecd.org/migration/integrationpoliciesandindicators.htm