3. Das Kurswiki
• http://wissenschaftstheorie.wikispaces.com/
Aufgabenstellungen
• 1. Anwesenheit zu allen Präsenzsitzungen
• 2. Erledigung der Aufgabenstellungen während des Semesters (unbenotet)
• 3. Anfertigen von drei Mikroartikeln (maximal eine Seite) zu mindestens drei
Themen, die im Kurs besprochen wurden
• 4. Anfertigen einer Conceptmap zum Thema "Vorgehen bei einer empirischen
Untersuchung" oder "Grundbegroffe der Wissenschaftstheorie", in der die
zentralen begriffe, die im Kurs thematisiert wurden auftauchen und in Beziehung
zueinenader gesetzt werden.
• 5. Kurze Gesamtreflexion Ihrer Lernergebnisse in Form eines Mikroartikels
(maximal eine Seite)
• Abgabe der Mikroartikel plus Reflexion in einem Dokument von maximal 4 Seiten 3
bis 15.12.2012
14. Wissenschaft–Theorie–Wissenschaftstheorie
Was ist Wissenschaft?
Systematische Tätigkeit: neue Erkenntnisse
hervorbringen, Fragen stellen, Vorhersagen treffen
Arbeitet prognostisch, normativ oder empirisch
Arbeitet entlang einer benennbaren Methodik
Bietet detailgenaue Beschreibungen, Erklärungen und
Interpretationsvorschläge
Belegbarkeit, Überprüfbarkeit, Reproduzierbarkeit 14
15. Was ist Wissenschaft?
Beansprucht allgemeine Gültigkeit? Produziert
letztgültige Wahrheiten? Oder macht Vorschläge
in einem offenen Diskussionsprozess?
Unterschied zwischen Meinung und Wissen,
zwischen Wissenschaft und Ideologie – was als
Ideologie gilt, ist geknüpft an gesellschaftliche
Bedingungen
Denken und Arbeiten innerhalb eines
institutionalisierten Rahmens – Spielregeln
und Zwänge des Wissenschaftsbetriebs 15
28. Wissenschaftstheorie PS TEF 2
Was tun WissenschafterInnen?
Beobachten, beschreiben, erklären, interpretieren ...
ABER
Fakten werden nicht durch korrekte Methoden
„entdeckt“, sondern „geschaffen“ und interpretiert
Auswahl der
Studienobjekte, Perspektive, Untersuchungseinheit ...
entscheidet über Erkenntnis!
Auswahl ist nicht neutral: theoretisches
28
Grundverständnis, persönliche Erfahrungen und
Vorlieben, ontologische Position des/der Forschenden ...
29. Wissenschaftstheorie PS TEF 2
Forschungsprozess beginnt mit Vor-
Urteilen, aber ....
intersubjektive Überprüfbarkeit
methodische Nachvollziehbarkeit
Beweis- und Begründungspflicht
„Öffnen“ für Prüfung, Diskussion, Kritik
29
31. • Wiederholung und Anknüpfung
• Abschluss Wissenschaftstheorie
• Fortsetzung der Vorlesung zu Themen „Wissen“, „Forschung“,
• Simulation/ Konferenz zum Thema „Wissenschaftstheoretische
Grundpositionen“ (Gruppen)
• Empirische Sozialforschung
• Vorlesung Grundbegriffe
• Berühmte Studien
• Definition eigenes Forschungsvorhaben (Gruppen)
31
32. Wiederholung 1
Beispiele von „klassischen“ wissenschaftstheoretischen
Problemfeldern:
• Argumentation und Begründung
• Methoden der Wissensgewinnung bzw. des
Erkenntnisgewinns
• Struktur und Bedeutung von Theorien
• Das Verhältnis von Theorie und Empirie
• Das Verhältnis von Theoriebildung und Wirklichkeit
• Interdisziplinarität und Transdisziplinarität
• Die Frage nach dem Fortschritt der Wissenschaft.
32
33. Wiederholung 2
Beispiele für Fragen, womit sich Wissenschaftstheoretiker
beschäftigen:
• Was sind “wahre” Aussagen und wie findet man sie?
• Wann ist eine Erklärung wissenschaftlich?
• Wie entsteht Wissen?
• Wie können wissenschaftliche Theorien gefunden werden?
• Wie kann man wissenschaftliche Theorien überprüfen?
• Unter welchen Bedingungen sind wissenschaftliche Theorien
gültig und wie kann man sie begründen?
• Ab wann ist eine Erkenntnis „wissenschaftlich“?
33
34. Wiederholung 3
Beispiele für Fragen und Problemfeldern:
• Wie entsteht Wissen?
• Ist eine echte Objektivität möglich?
• Welche Auswirkungen hat die Intersubjektivität auf die
Wirtschaft?
• Formal-logische Problemen, wie die Klärung von
Grundbegriffen, wie
„Theorie“, „Wissenschaft“, „Objektivität“, „Reliabilität“
34
36. Was ist Wissen?
Wissen steht in der allgemeinen Literatur für ein kognitiv
vorhandenes Schema, das bei Individuen und/oder Gruppen aus den
gemachten Erfahrungen resultiert und welches sich aus der
Handhabung von Sachverhalten und Situationen nachhaltig durch die
Anwendung von Informationen und Regeln bestimmen und
begründen lässt.
Vgl. Brockhaus, Band 30, 2006, S. 200.
SS 2010
Erstellt von Christian Vogel, Master of Arts, Dipl.-Ing, Dipl.-Wirt.-Ing
37. Auch anders ausgedrückt!
Wissen ist die Kombination von Daten und Information, unter
Einbeziehung von Expertenmeinungen, Fähigkeiten und
Erfahrung, mit dem Ergebnis einer verbesserten
Entscheidungsfindung. Wissen kann explizit und/oder
implizit, persönlich und/oder kollektiv sein.
Vgl. Europäischer Leitfaden zur erfolgreichen Praxis im Wissensmanagement, Cen (2003), S.10.
SS 2010
Erstellt von Christian Vogel, Master of Arts, Dipl.-Ing, Dipl.-Wirt.-Ing
38. Wissen
Ein durchschnittlicher Mensch hat nach ca. 1 Monat 98% seiner
zuvor aufgenommenen Informationen wieder vergessen.
Selbst, wenn er versuchen wollte, vieles zu behalten, verliert er
nach Erhalt und Aufnahme der Information 50% bereits nach
einer halben Stunde und ca. 2/3 nach einem Tag.
Vgl. Klaus Grochowiak (2007) :NLP Practitioner Handbuch, Paderborn: Junfermann Verlag, S. 112.
SS 2010
Erstellt von Christian Vogel, Master of Arts, Dipl.-Ing, Dipl.-Wirt.-Ing
39. Wissensbestandteile
Experte
Anwender
Kompetenz
Beginner
Prozessschritte im Unternehmen
Novize
Wertschöpfung
Wissen
Information
Daten
SS 2010
Erstellt von Christian Vogel, Master of Arts, Dipl.-Ing, Dipl.-Wirt.-Ing
40. Implizites vs. Explizites W.
Explizites Wissen „Doch wie gut das
niemand weiß,
dass ich
Rumpelstilzchen
heiß.“
„We know more than we can tell“.
Polanyi, Michael 1966.
SS 2010
Implizites Wissen
Erstellt von Christian Vogel, Master of Arts, Dipl.-Ing, Dipl.-Wirt.-Ing
41. Unterscheidung von Wissen
Die Unterscheidung von Wissen in implizites und explizites
stammen von Nonaka/Takeuchi (1995) gem. Polanyi (1985). In
ihren Ausführungen gehen sie davon aus, dass der Bezug zum
Wissensmanagement nicht nur über das explizite, sondern
vielmehr auch über das implizite Wissen erfolgen muss.
Vgl. Nonaka/Takeuchi, 1997, S. 72 ffg.
SS 2010
Erstellt von Christian Vogel, Master of Arts, Dipl.-Ing, Dipl.-Wirt.-Ing
42. Professionalität
Kompetenz Verantwortung
Handeln Angemessenheit
Können Wollen
Wissen Anwendung
Information Vernetzung
42
(Wildt 2006)
43. Wissensarten?
Sachwissen Handlungswissen
Know what Know how
Explizites Wissen Implizites Wissen
Sprachlich artikuliert; vom Nicht direkt artikulierbar;
Wissensträger trennbar erfahrungsabhängig
Organisationales Wissen Individuelles Wissen
Wissen der Organisation Wissen der
Organisationsmitglieder
Abb. : Verschiedene Formen von Wissen:
Quelle: Reinmann-Rothmeier, 2001, S. 17.
SS 2010
Erstellt von Christian Vogel, Master of Arts, Dipl.-Ing, Dipl.-Wirt.-Ing
44. Stillschweigendes Wissen
• Für Nonaka/Takeuchi besteht implizites Wissen aus technischen
und kognitiven Elementen. Dabei stellt der technische Aspekt das
konkrete KnowHow, das handwerkliche Geschick und die
Fertigkeiten dar. Die kognitiven Elemente vereinen die mentalen
Modelle, durch die das Individuum Analogien erzeugen und
handhaben kann.
• Als Erweiterung der bisherigen Ausführungen betrachten
Nonaka/Takeuchi Wissen als eine Eigenschaft, die aus der
permanenten Entwicklung durch Interaktion von implizitem und
explizitem Wissen generiert wird. Diese Dimension der SS 2010
Wissensschaffung beschreiben sie als Form einer Wissensspirale.
Vgl. Nonaka/Takeuchi, 1997, S. 72 ffg.
Erstellt von Christian Vogel, Master of Arts, Dipl.-Ing, Dipl.-Wirt.-Ing
45. Implizites vs explizites W.
Explizites Wissen Implizites Wissen
Kodierbares Wissen Stillschweigendes Wissen
Informationen in Büchern, Anweisungen, Einstellungen
Formeln, Zeichnungen Informationen,
Diagrammen, Plänen, Filmen, auf Erfahrungen
Tonbändern /-trägern, usw. dokumentiert Fertigkeiten
sind
Kenntnisse Können, Kompetenz
Vermitteln durch Unterricht Vermitteln durch Anwendungsbezug
Erworben durch Studien Erworben durch Nachahmen, Üben und
kontinuierliches Verbessern
Abb.: Unterschiede zwischen explizitem und implizitem Wissen: SS 2010
Quelle: Ahlert, Olbrich, Schröder (Hrsg.), 2006, S. 42.
Erstellt von Christian Vogel, Master of Arts, Dipl.-Ing, Dipl.-Wirt.-Ing
49. Was tun WissenschafterInnen?
Beobachten, beschreiben, erklären, interpretieren ...
ABER
„(E)very statement of fact implies
assumptions about what is
considered factural ...“
Kees van der Pijl
49
51. Was ist Theorie?
vollständige, durchgängige, in sich widerspruchsfreie
und präzise Erfassung des Gegenstandes
Logische Aussagen und Thesen darüber, wie die
soziale Welt strukturiert ist, wie sie „funktioniert“
wie ihre Teile und diese mit dem „Ganzen“
zusammenhängen
Entwickelt eine eigene Sprache, hat eine bestimmte
Grammatik, legt Bedeutungen fest 51
52. Was ist Theorie?
Theorie = modellhaft, die abstrakte Essenz
abbildend
Entwicklungen der Vergangenheit erklären
und Voraussagen für die Zukunft treffen
intersubjektiv überprüfbar (Empirie!)
52
53. Wozu Theorie?
um Informationen / „Fakten“ zu ordnen
Werkzeuge, um die soziale Welt zu verstehen bzw.
zu deuten
Probleme zu definieren
Möglichkeiten für Handeln zu erkennen bzw. zu
entwerfen
Den Radius des Mach- und Denkbaren, des Sag-
und Wissbaren erweitern 53
54. Wozu Theorie?
Theorie beeinflusst die Wahl des
Untersuchungsgegenstandes &
die Interpretation der Ergebnisse
„theoriegeleitete Forschung“
„theoriebeeinflusste Fragestellung“ 54
55. Ausgewählte Zitate: Theorie
Theory is a set of logical propositions
…about how the real world is structured,
or the way in which it operates (…)
which aim to explain how development has
occurred in the past, and/or how it should
occur in the future.
Robert P. Potter (2002) 55
56. Was ist Theorie?
Theoretical perspectives serve to define the
nature of and the problems within the „real
world“ of the political economy.
General theory or ontology (…) involves
assumptions regarding the nature of a lived
reality, the way that parts of this reality relate
to the whole, and how that reality changes or
might change over time. 56
Stephen Gill (1993)
57. Was ist Theorie?
There is no theory in itself,
no theory independent of a concrete
historical context. (...)
Theory is always for someone and for
some purpose.
Robert Cox (1995)
57
59. Was ist Wissenschaftstheorie?
Wissenschaftstheorie setzt sich mit den
Bedingungen auseinander, unter denen
Wissenschaft entsteht und betrieben wird
Reflexion über Theorie und die
Konstruktionsregeln von Wissenschaft
59
62. Wissenschaftstheorie – wozu?
Welche (Vor-)Annahmen haben wir über die
soziale Welt, die wir beforschen?
Wie positionieren wir uns selbst als
Forschende?
Wie und mit welchen Techniken können wir
soziale Phänomene erkennen und erforschen?
62
67. Ein klares Verständnis über unsere
Annahmen ist notwendig, um
Verwirrung bei der Diskussion von
theoretischen Standpunkten und Zugängen zu
vermeiden
andere Positionen zu erkennen und die
eigenen Positionen zu begründen
den Zusammenhang zwischen den
Schlüsselkomponenten von Forschung
soziale Realität, Erkenntnisprozess und 67
Methodologie/Methoden – zu verstehen
72. Lösung: Intersubjektivität =
„relative“ Objektivität
• anerkennt Unmöglichkeit der absoluten Objektivität
• verhindert reine Subjektivität; verlangt Wiederholbarkeit der
Feststellung = Reliabilität
• verlangt Nachvollziehbarkeit der Kategorisierung durch jedermann
durch jeden Qualifizierten
• durch Beschreibung der Kategorien
• Erarbeitung von zusätzlichen Prüfverfahren, die unabhängig vom
Einzelbeobachter sind (maschinelle Messung o.ä.)
73. Verifikation und Falsifikation
Aussage über Theoriebestätigung
• Gültigkeit/Wahrheit einer Theorie
• nur dann wahr, wenn alle Aussagen logisch aufeinander aufbauen
und einzeln positiv nachweisbar =
Theoriebildung durch verifizieren (Verifikation)
oder
• schon dann (und nur solange wie) wahr/gültig, wenn ich keine der
Theorie widersprechende Beobachtung mache =
Theoriebildung durch falsifizieren (Falsifizierung)
• Die Qualität einer Theorie ist um so besser, je leichter sie
sich falsifizieren lassen müsste, aber nicht lässt
74. Der Status quo
• Falsifikation
• Gewinnung meist durch Induktion
• Paradigmen als Tatsache und Herausforderung, auf anderen Wegen
zu denken akzeptiert
• schwer, einmal falsifizierte Theorien endgültig zu beseitigen (anders
z.B. ptolemäisches und kopernikanisches Weltbild)
• Änderung der Umstände oder von deren Wahrnehmung kann sie
wieder aktivieren
75. Allgemeine Grundsätze
wissenschaftlichen Arbeitens
(1)
• Bei jeder Untersuchung ist die Art des Gegenstandes zu klären.
• In der Phase der Ideensuche zur Lösung einer Frage oder eines
Problems sind prinzipiell alle Methoden erlaubt.
76. Kriterien jeglicher
Informationsbeschaffung
• Gesuchte Daten
• Relevanz, d.h.nur problembezogene Daten
• Vollständigkeit (Kosten!) der relevanten Daten
• Intersubjektivität (Nachvollziehbarkeit für Dritte)
• Reliabilität (Reproduzierbarkeit der Daten/Ergebnisse)
• Validität (Repräsentativität der Beobachtungen für die Grundgesamtheit)
Sonst Missinterpretation, Spekulation oder gar Fälschung zu erwarten
77. Allgemeine Grundsätze
wissenschaftlichen Arbeitens
(2)
• Ideensuche mit klar definierten Aussagen beenden
Diese Aussagen sind Hypothesen. Popper formuliert die Regel: Je
spezifischer und genauer Hypothesen sind, desto besser sind sie, weil sie
leichter widerlegt werden können. Hält eine Hypothese dann dennoch
stand, dann ist sie auch brauchbarer.
• zweckmäßig, stets mit einer Gliederung zu beginnen
es zeigt sich, welche Gliederungsteile sich bewähren, welche wegfallen
und welche ergänzt werden müssen
78. Allgemeine Grundsätze
wissenschaftlichen Arbeitens
(3)
• Ergebnisse: Trennen zwischen
• rein beschreibenden (deskriptiven) und
• empfehlenden (normativen) Aussagen
• für Letztere: Basis der Bewertung offenlegen; dann kann über
Werturteil rational gesprochen werden, selbst wenn keine
Einigkeit über die Werte herrscht.
• Es interessieren nicht nur die zielführenden Wege, sondern
auch die verworfenen und die Gründe dafür
80. Grundlegende Begriffe
Ontologie: Lehre des Seins
Was existiert? Was kann erforscht werden?
Epistemologie: Lehre des Wissens
Was können wir wissen? Wie können wir Wissen
erlangen?
Methodologie: Lehre von den Methoden
Mit welchen Mitteln und Methoden kann 80
systematisch Wissen gewonnen werden?
81. Wissenschaftstheorie PS TEF 2
Grundlegende Begriffe
Methodologie: Lehre von den Methoden
Mit welchen Mitteln und Methoden kann
systematisch Wissen gewonnen werden?
Methode: Art und Weise des Vorgehens, um
ein bestimmtes Ziel mit bestimmten Mitteln zu
erreichen
Quellen 81
83. Grundlegende Begriffe
Ontologie
What is out there to know about?
who we are
Epistemologie Methodologie
What and how can we How can we go about
83
know about it? acquiring knowledge?
how to know how and what to do
84. Warum sich damit auseinandersetzen?
Ontologische und epistemologische Positionen …
“should not be treated like a “They are like a
sweater that can be `put skin not a sweater:
on when we are addressing they cannot be put
such philosophical issues on and taken off
and `taken off when we whenever the
are doing research.” researcher sees fit.”
...prägen Zugang zu Gegenstand, Theorie, 84
Methoden
Quelle: Marsh/Furlong 2002
87. Rationalismus
• Rene Descartes (1596-
1650): „Ich denke, also
bin ich.“
• Die Sinne können
täuschen, deshalb kann
ich mich nur auf die
Vernunft verlassen.
• Geometrie als ideale
Wissenschaft
89. Empirismus
• Francis Bacon (1561-1626):
„Wissen ist Macht“
• Alles Wissen stammt
letztendlich aus der
Sinneserfahrung.
• Induktion: Durch genaue
Beobachtung erkennen wir
Strukturen und
Regelmäßigkeiten.
• Je höher die Zahle der
Beobachtungen
(Experimente) desto
glaubwürdiger die
abgeleiteten Sätze
• John Locke, David Hume
92. Induktion
• Mehrere Beobachtungen
Querverbindungen suchen
erklärender Grundsatz
nächste Abstraktionsebene der Theorie
Ursprung des Geschehens.
Beispiel Newton und die Gravitation:
Beobachtung: 5 verschiedene Gegenstände fallen alle auf der gleichen
Linie zu Boden;
Theorie: Jeder Gegenstand fällt auf gleicher Linie zu Boden (Bei
Federn z.B. im Vakuum)
Höhere Ebene: die größere Masse zieht die kleinere in Richtung ihres
Schwerpunktes.
93. Fragen zur Induktion
• Muss ich nicht schon eine Vorstellung von der Theorie
haben, um die richtigen Beobachtungen zu machen?
• Kann ich eine derartige Theorie verifizieren, wenn ich doch
nur eine endliche Anzahl von Beobachtungen habe?
94. Deduktion
• Bei der Deduktion gehe ich von einer allgemeinen Forderung
(Postulat) aus und leite daraus zunehmend konkrete und damit
beobachtbare Forderungen ab.
Beispiel Heisenbergs Unschärfetheorem:
• Bei kleinsten Teilchen ist nicht zugleich Lage und Bewegung
beobachtbar.
• Untere abgeleitete Theorieebene: ich kann nur
Aufenthaltswahrscheinlichkeiten angeben.
• Beobachtung: Die Aufenthaltsorte der Elektronen lassen sich nur
als Wolken, nicht als feste Bahnen beschreiben.
95. Fragen zur Deduktion
• Ist es akzeptabel, dass zunächst ohne Rücksicht auf die
Wirklichkeit einfach postuliert wird?
• Ist eine Theorie schon bei einem Gegenbeispiel falsch?
97. Karl Popper (1902-1994):
Kritischer Rationalismus
• Aufgrund des Induktionsproblems wissen wir nie, ob wir
die Wahrheit erreicht haben, wir nähern uns dieser aber
permanent an.
• Falsifikation statt Verifikation
• Hält eine Theorie der Prüfung hingegen stand, so
bewährt sie sich, ohne dass die Theorie dadurch besser
(wahrscheinlicher, glaubwürdiger) wird.
• Falsifikation als Kriterium für wissenschaftliche Aussagen.
• An die Stelle des Beweisdenkens tritt die Idee der
kritischen Prüfung.
• Marxismus und Psychoanalyse hält Popper nicht für
Wissenschaft
98. Karl Popper
• „Ein anderes Kochrezept ist:
Schreibe schwer
verständlichen Schwulst und
füge von Zeit zu Zeit
Trivialitäten hinzu. Das
schmeckt dem Leser, der
geschmeichelt ist, in einem
so ‚tiefen‘ Buch Gedanken
zu finden, die er selbst
schon mal gedacht hat.“
99. Kritischer Rationalismus
• Relativismus oder Dogmatismus? Und was gibt es dazwischen?
• An die Stelle des Beweisdenkens tritt die Idee der kritischen Prüfung
• „Ich kann mich irren. Vielleicht hast du Recht. Zusammen kommen
wir vielleicht der Wahrheit auf die Spur.“
• Politik: „Wie können schlechte Herrscher unblutig abgeschafft und
Missstände beseitigt werden können.“
statt
„Wie errichten wir die ideale Gesellschaftsordnung?=
• Bewusstsein der Fehlbarkeit
• Forderung nach der ständigen kritischen Prüfung von
Überzeugungen und (wissenschaftlichen) Theorien
• methodisches und rationales Vorgehen bei der Lösung von
Problemen (Methodischer Rationalismus).
102. Wissenschaftstheoretische Grundpositionen
Positivismus Epistemologische Grundposition
Geht von der Möglichkeit eines direkten Zugriffs auf
„Wirklichkeit“ aus, die entlang von Regelmäßigkeiten
und kausalen Zusammenhängen organisiert ist
Beobachtung, Messung, Experiment – lässt nur
gelten, was demonstrierbar und empirisch belegbar ist
kausale Zusammenhänge feststellen
empirische Fragestellung (was ist) trennen von
normativen (was soll sein) – Wertfreiheit, Objektivität 102
Forscher = getrennt vom Gegenstand, objektiv
104. Wissenschaftstheoretische Grundpositionen
Kritische Einwände gegen Positivismus
Glaube an eine kausal konstruierte Welt
Wissenschaft als neutrale Technik
Objektivität / Irrelevanz des erkennenden Subjekts
ahistorisches Verständnis von Wissen und
Erkenntnis
Zentralität quantitativer Methoden
104
106. Wissenschaftstheoretische Grundpositionen
Konstruktivismus Hermeneutik
Die Welt ist sozial / Die Welt ist nicht
diskursiv konstruiert. unmittelbar und
Subjekte agieren auf eindeutig erfahrbar
Grundlage ihrer Werte und
Erwartungen –
Gesellschaft kann man
sich nur denken als
intersubjektiv konstruiert 106
107. Wissenschaftstheoretische Grundpositionen
Hermeneutik Epistemologische Grundposition
Der Beobachter versteht soziale Handlungen / Akteure
durch Empathie
Dem Verstehen liegen immer Prämissen zu Grunde
Kunst der Interpretation (von Texten, von Handlungen)
Prämissen prägen den Zugang zum Gegenstand und
die Interpretation
Soziale Strukturen existieren nicht unabhängig von
unserer Interpretation 107
Verlangt eine gewisse Forschungsethik
108. Wissenschaftstheoretische Grundpositionen
Epistemologische
Konstruktivismus Grundposition
Es gibt keine unmittelbare Erkenntnis
„Wirklichkeit“ wird nicht abgebildet, sondern erzeugt
Soziale Strukturen existieren nicht unabhängig von
unserer Interpretation
(radikaler K.): Jedes Bild, das wir uns von der Welt
machen, ist eine Konstruktion
Abschied von der Objektivität
108
109. Wissenschaftstheoretische Grundpositionen
Hermeneutik
Methodologie / Methoden
Welt ist nicht unmittelbar und eindeutig erfahrbar
Wechselseitige Abhängigkeit von Vorannahmen
und Ergebnissen
Notwendigkeit von Interpretation
Erschließung von Sinnzusammenhängen
Fokussierung auf qualitative Methoden
Hermeneutischer Zirkel 109
Interpretatives Paradigma
110. Wissenschaftstheoretische Grundpositionen
Konstruktivismus Methodologie / Methoden
Fakten sind ideologisch geladene „Tat-
Sachen“ und keine realen Phänomene
wissenschaftliche Erkenntnis ist mit Macht
verbunden, nicht mit Wahrheit relativ,
kontextgebunden, kontingent
Fokussierung auf qualitative Methoden
110
114. Paradigma (Pl.: ~men/~mata)
• Es handelt sich dabei um allgemein akzeptierte, nicht weiter
hinterfragte Theorien, auf denen wiederum andere aufbauen.
Paradigmen werden vielfach als die bequeme Antwort der
Wissenschaftler auf die unbequemen Fragen, die aus einer
Falsifizierung resultieren, angesehen.
115. Paradigmenwechsel
VWL:
• Die Wirtschaft läuft besser ohne staatlichen Eingriff (neoklassisch;
angebotsorientiert) oder
• staatliche Eingriffe sind unumgänglich für Stabilität und Wachstum
(keynesianisch; nachfrageorientiert)
BWL:
• Motivation oder Zielvereinbarung;
• Visionäre Kraft des Unternehmers und Alleinherrschaft oder
Teamkonzepte.
116. Gruppenarbeit
• Bitte entwickeln sie eine Kurzpräsentation zu den folgenden
Strömungen:
• Empirismus
• Positivismus
• Kritischer Rationalismus
• Konstruktivismus
• Hauptvertreter
• Hauptaussage
• 2 Beispiele
116
117. Wissenschaftstheoretische Grundpositionen
Unterscheidung von Theorien
„problemlösungsorientiert“ vs. „kritisch“
akteursorientiert vs. strukturalistisch
positivistisch vs. normativ
Subjekt-Objekt-Verhältnis
Theorien haben ontologische und
epistemologische Positionen 117
keine Frage von „rechts“ und „links“
118. Wissenschaftstheorie PS TEF 2
Kritische Theorie und integrative
Sozialwissenschaft
Methoden zur Theorien Methoden zur
Bearbeitung des „Vorausgesagtes“ Bearbeitung
Kulturellen der sozialen
Realität
Soziale Realität
Ideologiekritik
Diskursanalyse empirisch-
Hermeneutik analytisches
Dekonstruktion Vorgehen
Werte Daten 118
Ideologien, Deutungen, Analyse des Konkreten
Annahmen; „Bevorzugtes“ „Beobachtetes“
119. Wissenschaftstheoretische Grundpositionen
Theorien und ihre Ontologien &
Epistemologien – Beispiele
Akteursorientierte Theorien:
Rational Choice, Public Choice
Ausgangspunkt = individuelle Einheit (Individuum,
Staat) – agiert in der Welt auf der Grundlage von
Eigeninteressen
Die Welt (Gesellschaft) ist die Summe dieser
Handlungen
Ereignisse haben ihren Ursprung im individuellen 119
Subjekt, das in der Welt aktiv wird
120. Wissenschaftstheoretische Grundpositionen
Strukturalistische Theorien:
Regulationstheorie
Kapitalistische Ökonomie, (National-)
Staaten als regulative Instanzen
Handeln bleibt innerhalb funktionaler
Grenzen
Soziale Klassen und Klassenkonflikt,
regulierender Staat
Problemlösend: Datensammlung für
staatliche Intervention und Regulierung
(positivistisch)
Kritische Theorie: historische Analyse von
120
Akkumulationsweisen und -regimen
121. Wissenschaftstheoretische Grundpositionen
Weltsystemansatz
Kapitalistische Weltwirtschaft, entwickelt sich seit
dem 16. Jahrhundert zu einem starken System
Aufstieg und Niedergang der
hegemonialen Staaten
Staaten – Gesellschaften – Klassen
Peripherie – Zentrum
Lange Wirtschaftszyklen unter wechselnder
Dominanz von produktivem und Finanzkapital
121
Historisch-positivistisch (Annales-Schule)
122. Wissenschaftstheoretische Grundpositionen
Marxistische Imperialismus- und
Abhängigkeitstheorien
Ungleiche Entwicklung
Konflikt und Krieg, Ausbeutung
Geschichte ist die Geschichte eines
Kampfes mit offenem Ausgang
Gesellschaft (Objekt) besteht aus sozialen
Klassen (Subjekte)
Kritisch-dialektisch: gegen Harmonie,
Widersprüche! Wissen hat 122
Klassencharakter
124. Aufgabe 1
In Dreiergruppen:
Suchen Sie sich eine Theorie aus, die sie im Studium bereits
kennen gelernt haben und recherchieren sie kurz dazu – was
macht die Theorie aus? Was beschreibt sie?
Nehmen Sie Stellung (Ontologie, Epistemologie,
Methodologie) (15 Minuten) + Sharing back
In 5er Gruppen: Jede Gruppe nimmt sich eine
Grundposition an und bereitet ein Konferenz vor.
Es muss entschieden werden, wie das Unternehmen
herausfinden kann, welche neuen Features die Handys der
nächsten Generation haben sollen? Machen Sie einen 124
kleinen Forschungsplan und argumentieren Sie aus ihrer
Position heraus. (20 Min.) + Konferenz (45 Min.)
125. Wissenschaftstheorie PS TEF 2
Literaturhinweise
• Cox, Robert W. (1995): Critical Political Economy. In: Hettne, Björn (ed.):
International Political Economy. Understanding Global Disorder. London: Zed
Books, 31-45.
• Gill, Stephen (1993): Epistemology, Ontology and the "Italian School". In: ders.
(ed.): Gramsci, Historical Materialism and International Relations, 21-48.
• Marsh, David/Furlong, Paul (2002): A Skin, not a Sweater: Ontology and
Epistemology in Political Science. In: Marsh, David/Stoker, Gerry (eds.): Theory
and Methods in Political Science. Basingstoke: Palgrave, 17-41.
• Potter, Robert P. (2002): Theories, strategies and ideologies of development. In:
Desai, Vandana/Potter, Robert B. (eds.): The Companion to Development Studies.
London: Arnold, 61-65.
• Van der Pijl, Kees (o.J.): Sources of Contemporary Theory in Global Political 125
Economy. University of Sussex, Department of International Relations and Politics.
127. Gralki - WS 06/07 Feb. 07 – Vorlesung: Einführung in die Soziologie – Thema: Empirische Sozialforschung
Eine Bemerkung vorab
Wahrheiten werden in der Welt der Wissenschaft und
außerhalb allseits akzeptiert.
Der Wissenschaftsphilosoph Thomas Kuhn
(1922 – 1996) sieht das aber anders
Er führt den Begriff “Paradigma“ ein und
stellt den Wissenschaftsverlauf ganz
anders dar
Er sagt, dass Wissenschaft eher wie ein demokratisches System funktioniert.
Es gibt eine herrschende Wissenschaftsauffassung und es gibt die
Wissenschaftler, die etwas anderes für wahr halten. Diese Gruppe versucht die
vorherrschende Vorstellung zu widerlegen und übernimmt eines Tages die
Macht
Dies bezeichnet Kuhn als Paradigmenwechel
128. Gralki - WS 06/07 Feb. 07 – Vorlesung: Einführung in die Soziologie – Thema: Empirische Sozialforschung
Was ist empirische Sozialforschung?
Empirische Sozialforschung = Daten erheben,
auswerten und interpretieren
ES kann einfach sein – und ist deswegen nicht
automatisch schlecht
ES kann kompliziert sein – und ist deswegen nicht
automatisch gut
Gut und schlecht korreliert auch nicht immer mit
bedeutungsvoll und bedeutungslos
ES ist ein großer Bereich der Soziologie
ES wird häufig mit Forschung gleich gesetzt
129. Gralki - WS 06/07 Feb. 07 – Vorlesung: Einführung in die Soziologie – Thema: Empirische Sozialforschung
Wozu braucht man empirische Sozialforschung?
Um Hypothesen und Theorien zu überprüfen
Um Hypothesen und Theorien entwickeln
Um Planungs- und Entscheidungsprozesse zu fundieren
Um praktische Probleme zu bewältigen
Um Qualität und Erfolg zu messen (Evaluation)
130. Gralki - WS 06/07 Feb. 07 – Vorlesung: Einführung in die Soziologie – Thema: Empirische Sozialforschung
Methoden sozialwissenschaftlicher empirischer
Forschung: Das Experiment
Welche Forschungsmethoden stehen zur Verfügung?
Experiment
Beobachtung
Befragung
Inhaltsanalyse
Mit diesen vier Bergriffen sind Gruppen von Methoden
benannt
Wir beginnen mit der Methodengruppe Experiment
131. Gralki - WS 06/07 Feb. 07 – Vorlesung: Einführung in die Soziologie – Thema: Empirische Sozialforschung
Methoden sozialwissenschaftlicher empirischer
Forschung: Das Experiment
Experimentalgruppe Kontrollgruppe
Start
Ende
Veränderung: Form, Veränderung: keine
Farbe, Distanz
Experimente sind selten in der Soziologie / Gründe
132. Gralki - WS 06/07 Feb. 07 – Vorlesung: Einführung in die Soziologie – Thema: Empirische Sozialforschung
Methoden sozialwissenschaftlicher empirischer Forschung
Berühmte Experimente
Die Hawthorne Experimente
Hawthorne: 1924 bis 1932 in den Hawthorne Werken (Western Electric)
in Illinois
Untersuchungen zur Erhöhung der Arbeitseffektivität
Veränderung der Beleuchtung
Arbeitsleistung stieg
Die Arbeitsleistung stieg aber auch in der Kontrollgruppe
Die Arbeitsleistung fiel nicht als die Helligkeit wieder vermindert wurde
Hawthorne Effekt: Verhalten ändert sich wenn man im Mittelpunkt steht
Vom Taylorismus zum human-relation Ansatz
133. Gralki - WS 06/07 Feb. 07 – Vorlesung: Einführung in die Soziologie – Thema: Empirische Sozialforschung
Methoden sozialwissenschaftlicher empirischer Forschung
Berühmte Experimente
Das Milgram Experiment
Problem: Gehorsam / Nationalsozialismus (Germans are different)
V = Versuchsleiter
L = „Lehrer“
S = „Schüler“
S soll Aufgaben lösen, L soll ihn bestrafen,
wenn die Antwort falsch ist.
Die Stärke der Stromstöße steigt von
Mal zu Mal in 15V Schritten
S ist ein Schauspieler!
134. Gralki - WS 06/07 Feb. 07 – Vorlesung: Einführung in die Soziologie – Thema: Empirische Sozialforschung
Methoden sozialwissenschaftlicher empirischer Forschung
Berühmte Experimente
Das Milgram Experiment
Spannung Reaktion des „Schülers“
75 V Grunzen
120 V Schmerzensschreie
150 V sagt, dass er an dem Experiment nicht mehr
teilnehmen will
200 V Schreie, „die das Blut in den Adern gefrieren lassen“
300 V Er lehnt es ab zu antworten
über 330 V Stille
135. Gralki - WS 06/07 Feb. 07 – Vorlesung: Einführung in die Soziologie – Thema: Empirische Sozialforschung
Methoden sozialwissenschaftlicher empirischer Forschung
Berühmte Experimente
Das Milgram Experiment
Anzahl
Spannung (Volt)
Vpn: Abbruch
bis 300 V 0
300 V 5
315 V 4
330 V 2
345 V 1
360 V 1
375 V 1
390 V bis 435 V 0
450 V 26
62,5% der „Lehrer“ bestraften bis 450 V.
Der Lehrer bestand auf Fortsetzung
136. Gralki - WS 06/07 Feb. 07 – Vorlesung: Einführung in die Soziologie – Thema: Empirische Sozialforschung
Methoden sozialwissenschaftlicher empirischer Forschung:
die Beobachtung
Teilnehmende Beobachtung
Die teilnehmende Beobachtung wird in der natürlichen Lebenswelt des
Beobachteten eingesetzt wird.
Bei teilnehmender Beobachtung nimmt der Sozialforscher als
Beobachter am Alltagsleben der ihn interessierenden Personen oder
Gruppen teil.
Die Beobachtung wird vornehmlich dort praktiziert, wo es um ansonsten
schwer zugängliche soziale Felder geht, bzw. relatives Neuland betreten
wird.
Die (teilnehmende) Beobachtung soll es ermöglichen, wissenschaftlich
abgesichert fremde (Sub)Kulturen zu verstehen. Das Fremdverstehen ist
Voraussetzung und Methode der Beobachtung.
Das alltägliche Verstehen unterscheidet sich u.a. von dem wissenschaftlichen
der Beobachtung dadurch, dass ersteres eher pragmatisch, emotional-
teilnehmend, letzteres eher kognitiv-betrachtend und analytisch ist.
137. Gralki - WS 06/07 Feb. 07 – Vorlesung: Einführung in die Soziologie – Thema: Empirische Sozialforschung
Methoden sozialwissenschaftlicher empirischer Forschung:
die Beobachtung
Teilnehmende Beobachtung
Das angestrebte Sinnverstehen durch teilnehmende Beobachtung
erfordert jedoch beide Elemente. Je nach Rolle des Beobachters
im Feld ergeben sich unterschiedliche Verhältnisse.
Das Sinnverstehen muss methodisch kontrolliert erfolgen.
Exkurs: Flander´sche Interaktionsanalyse
1 = Dozent spricht Ergebnisse:
2 = Student spricht 1,1,1,1,1,3,3,3,5,5,5,5,1,1,1
3 = Frage des Dozenten
4 = Frage des Studenten
5 = Stille
138. Gralki - WS 06/07 Feb. 07 – Vorlesung: Einführung in die Soziologie – Thema: Empirische Sozialforschung
Methoden sozialwissenschaftlicher empirischer Forschung: d
Berühmte Befragungen: Die Arbeitslosen von Marienthal
139. Gralki - WS 06/07 Feb. 07 – Vorlesung: Einführung in die Soziologie – Thema: Empirische Sozialforschung
Methoden sozialwissenschaftlicher empirischer
Forschung: die Befragung
Marie Jahoda Hans Zeisel Paul Lazarsfeld
Was für eine Arbeit war das? Beobachtung? Befragung?
Action research?
Auf jeden Fall ein Meilenstein der Soziologie
Berühmte Befragungen: Die Arbeitslosen von Marienthal
140. Gralki - WS 06/07 Feb. 07 – Vorlesung: Einführung in die Soziologie – Thema: Empirische Sozialforschung
Methoden sozialwissenschaftlicher empirischer
Forschung: die Befragung
Marienthal
Berühmte Befragungen: Die Arbeitslosen von Marienthal
141. Gralki - WS 06/07 Feb. 07 – Vorlesung: Einführung in die Soziologie – Thema: Empirische Sozialforschung
Methoden sozialwissenschaftlicher empirischer Forschung: d
Berühmte Befragungen: Die Arbeitslosen von Marienthal
Marienthal Dorf Nähe Wiens.
1830 Textilfabrik,
Je größer Betrieb, desto organisierter Arbeiter.
Einwohner überwiegend sozialdemokratisch.
Partei, Gewerkschaft gegründet;Konsumverein
sowie verschieden Arbeitertheater und diverse Vereine bilden sich
( z.B. Hasenzüchterverein ).
Marienthal besitzt aktive und engagierte Bewohner
1929 schließt die Fabrik mit der Konsequenz einer nahezu totalen
Arbeitslosigkeit, dies ist Untersuchungsgegenstand der
Studie die eine Gruppe von Sozialwissenschaftlern unter der Leitung
Marie Jahoda Paul Lazarsfeld Hans Zeisel.
142. Gralki - WS 06/07 Feb. 07 – Vorlesung: Einführung in die Soziologie – Thema: Empirische Sozialforschung
Methoden sozialwissenschaftlicher empirischer
Forschung: die Befragung
Berühmte Befragungen: Die Arbeitslosen von Marienthal
Methodik der Untersuchung:
Kombination von qualitativen und quantitativen Methoden verwendet.
Begriffssysteme empirisch belegt, statistische Daten und soziale Reportagen.
Die Studie begann mit offenen Fragen und nicht mit einer Theorie
oder einem festem Methodenplan.
Material der Auswertung: Katastenblätter 478 Familien, Zeitverwendungsbögen,
Lebensgeschichten, Anzeigen, Beschwerden, Protokolle ärztlicher
Untersuchungen, Schulaufsätze, Wahlergebnisse, Geschäftsbücher
des Konsumvereins, Mitgliederverzeichnisse der Vereine, diverse Statistiken
und Interviews
143. Gralki - WS 06/07 Feb. 07 – Vorlesung: Einführung in die Soziologie – Thema: Empirische Sozialforschung
Methoden sozialwissenschaftlicher empirischer
Forschung: die Befragung
Berühmte Befragungen: Die Arbeitslosen von Marienthal
Arbeitslosigkeit und Zeitverwendung
(Langzeit)- Arbeitslosigkeit verändert Lebenstempo.
Um nicht alleine zu Hause zu sitzen, verbringen die Männer ihre Zeit auf
der Strasse „trödeln herum“.
Beobachtet wurde dies durch Messung der Gehtempi auf der Hauptstrasse.
Von hundert Männern die durch die Strasse gehen, bleiben mindestens 2/3
zweimal stehen Frauen nur 1/6, diese haben immer noch ihre festen
Aufgaben im Haushalt zu verrichten, wodurch der Tag strukturiert wird.
Durch Arbeitslosigkeit gewonnene freie Zeit erweist sich nicht als Gewinn
im Sinne von Freizeit, es ist viel eher leere Zeit. Es fehlen materielle und
moralische Möglichkeiten die Zeit zu verwenden um z.B. zu lesen oder.
„Das Nichtstun beherrscht den Tag“ und die Menschen haben verlernt
ich zu beeilen, verlieren das Zeitgefühl >> was bedeutet das für einen
möglichen Widereinstieg in das Arbeitsleben nach der Langzeitarbeitslosigkeit?
144. Gralki - WS 06/07 Feb. 07 – Vorlesung: Einführung in die Soziologie – Thema: Empirische Sozialforschung
Methoden sozialwissenschaftlicher empirischer
Forschung: die Befragung
Berühmte Befragungen: Die Arbeitslosen von Marienthal
Schrumpfen der Lebensäußerungen – Gleichgültigkeit
- nachlassendes Interesse an der Politik, sinkende Mitgliederzahlen an Vereinen
Beispiel: Arbeitslosigkeit beeinflusst Leselust und Art der Lektüre.
Nach Schließung der Fabrik, sinkende Ausleihzahlen an der Marienthaler Bibliothek,
Rückgang der Abonnementenzahlen der Arbeiterzeitung um 60%, obwohl
sehr billig, „Kleines Blatt“ obwohl gleiche polit. Richtung und mehr um das
doppelte teuer, aber mehr Unterhaltung nur 27%.
>> Betroffene sagen selber aus, dass sie keine Muße zum
Lesen haben (auch Frauen)
145. Gralki - WS 06/07 Feb. 07 – Vorlesung: Einführung in die Soziologie – Thema: Empirische Sozialforschung
Methoden sozialwissenschaftlicher empirischer Forschung: die Befragung
Berühmte Befragungen: Die Arbeitslosen von Marienthal
Auswirkung der Situation auf die Kinder:
- a) Resignation der Eltern: schränkt kindlichen Horizont,Wünsche
und Phantasien ein.
Auch: „Infektionsmodell“ genannt.
- Kinder haben keine typischen „Traumberufe“ vor Augen, viele schreiben
im Aufsatz: „Was ich einmal werden will“, dass sie Fabrikarbeiter werden
wollen, bzw. sehen sich teilweise selbst als Arbeitslose in der Zukunft.
- Weihnachtswünsche hatten im Durchschnitt einen Preis von
12 Schilling, in anderen Orten ohne Arbeitslosigkeit: 36 Schilling.
Aufsätze oft im Konjunktiv geschrieben: „Wenn die Eltern Arbeit
hätten würde ich mir … wünschen“.
- b) Gesundheitszustand aller Marienthaler Kinder unter 14 Jahren:
Stufen I (gut), II (mittel) und III (schlecht) - eigentlich nicht subjektiv,
aber hängt stark damit zusammen: G. zustand I II III Anzahl
Kinder
Eltern mit 19 15 0 34
Arbeit
Eltern ohne 31 144 103 278
Arbeit
314
146. Gralki - WS 06/07 Feb. 07 – Vorlesung: Einführung in die Soziologie – Thema: Empirische Sozialforschung
Methoden sozialwissenschaftlicher empirischer
Forschung: die Befragung
Berühmte Befragungen: Die Arbeitslosen von Marienthal
Extrem knappes Einkommen
zwingt Menschen zu Verhaltensweisen, die sonst nicht zum
Vorschein gekommen wären/Essen von Hund und Katze /Diebstähle
z.B. Kohlediebstähle bei der Bahn (Behörden verfolgen diese noch
nicht einmal mehr)
147. Aufgabe:
• Entwickeln Sie eine Idee für eine Forschungsfrage
• Wie könnte man diese Untersuchen?
• Experiement
• Teilnehmende Beobachtung
• Befragung
147