2. Das Einstellungsinterview:
Drei einfache Feststellungen zum Einstieg…
• Das Einstellungsinterview ist diagnostisch besser als sein Ruf
• Es ist im Grunde ganz einfach:
- Man muss die richtigen Fragen richtig stellen
- Man muss die Antworten richtig interpretieren und bewerten
• In der Praxis wird das diagnostische Potenzial meist nicht voll ausgeschöpft
3. Vorgehensweisen zur Anforderungsanalyse
(idealtypisch)
Sammlung von Informationen über die Ausbildung und Stelle:
• Dokumentenanalyse: Ausbildungs(rahmen)pläne, Prüfungsanforderungen,
Stellenbeschreibung, Arbeitsplatzbeschreibung, Erwartungen von Kunden
• Experteninterview
• Extremgruppenanalyse
• Stellenspezifische Critical Incidents identifizieren
• Faktorenanalyse
• Bedeutsamkeitsstatistik / Gewichtung der Merkmale
4. Pragmatisch „abgespeckte“ Anforderungsanalyse…
„Möchte man lege artis vorgehen,
so ist das nicht von einem Interviewer
im Vorfeld seiner Gespräche
durch intuitives Erwägen
der mutmaßlich relevanten Konstrukte zu erledigen.
Andererseits ist jede Art von Anforderungsbezug besser als gar keine,
weshalb dort, wo kein systematisches Verfahren
der Anforderungsanalyse und ihrer Transformation in ein Diagnoseverfahren
zur Anwendung kommt,
zumindest eine Sichtung von Tätigkeitsbeschreibungen und
die Befragung sachkundiger Personen unternommen werden sollte.“
5. (Pragmatisches) Fazit Anforderungsanalyse
Minimale Anforderungen:
• Sichtung von Tätigkeitsbeschreibungen
• Befragung sachkundiger Personen
• Nach Möglichkeit Critical Incidents identifizieren
• Ergebnisse aufschreiben, erläutern, diskutieren – Advocatus diaboli einsetzen
Ergebnis der Analyse:
• Reduktion auf erfolgsrelevante, spezifisch messbare Eigenschaften (ca. 5 - 6)
• Generierung von (situativen) Fragen/Simulationen/Übungen
• Grundlage für Interviewleitfaden
17. Situative Frage „Gewissenhaftigkeit“
Sie haben in einer wichtigen Sache eine falsche Entscheidung getroffen, die das Unternehmen Geld
kosten wird. Sie befürchten, dass Ihr Ausbilder sehr verärgert sein wird, wenn er davon erfährt. Was
tun Sie?
0 Punkte: Vielleicht gelingt es mir, die Sache bald wieder in Ordnung zu bringen, sodass er davon gar
nichts erfahren muss.
1 Punkt: --
2 Punkte: Ich informiere trotzdem meinen Ausbilder. Ich bemühe mich, ihm verständlich zu machen,
wie es dazu kommen konnte.
3 Punkte: --
4 Punkte: Ich informiere ihn trotzdem unverzüglich und erkläre ohne Umschweife, was passiert ist.
Dann mache ich ihm Vorschläge, was getan werden kann – vor allem, was ich tun möchte-,
um den Schaden gering zu halten.
18. Fragetechnik und Effekte – Best practise Beispiele
• Offene Fragen: - Was?
- Wie?
- Welche?
- Womit?
- Wodurch?
- Warum/Wozu?
• Geschlossene Fragen: Bewusste Beschränkung auf kürzestmögliche
Antwort. Der gute Redner durchbricht die vorgegebene Eindrängung oder
übernimmt gar die Lenkung des Gesprächs.
• Mehrfachfragen: Aneinanderketten von vielen Fragen um zu
diagnostizieren, ob der Bewerber in der Lage ist, umfangreichere
Information in seinem Arbeitsgedächtnis zu speichern. Abarbeitung:
Nacheinander? Synthese? Reduktion der Antwort auf den leichtesten Teil?
19. Fragetechnik und Effekte – Best practise Beispiele
• Suggestivfragen: „Meinen Sie denn, dass Sie sich hier wohlfühlen könnten?“
„Halten Sie sich für Teamfähig?“
„Schönes Wetter heute, oder?“
Diagnostisches Mittel, wenn Suggestion den gegenwärtigen Werthaltungen
entgegenläuft: „Wann haben Sie es denn mal mit den Regeln nicht ganz so
genau genommen, um gute Noten zu erzielen?“
Gefahr: Signal falscher Werthaltung
• Alternativfragen: „Lagen Ihre Stärken eher in den schriftlichen oder in den
mündlichen Leistungen?“
„Würden Sie eher in einem Einzelzimmer oder in einem
Großraumbüro arbeiten?“
Hier: Aufschluss über das Kontaktverhalten
• Auswahlfragen: „Womit waren Sie am erfolgreichsten – mit der
Bearbeitung von Details, mit der Lösung von
Organisationsproblemen, in der Zusammenarbeit mit
anderen – oder womit?“
Regt sprachlichen Einfallsreichtum an
20. Fragetechnik und Effekte – Best practise Beispiele
• Kenntnisfragen:
Bieten sich besonders bei Befragungen durch Fachvorgesetzte an, die sowohl
die Relevanz der Frage als auch die Qualität der Antwort beurteilen können
• Sequenzielle Fragetechnik und Konkretisierungsfragen:
„Wo liegen Ihre fachlichen Interessen?“ – Antwort
„Was waren Ihre Lieblingsfächer?“ – Antwort
„Welche Themen haben Sie besonders Interessiert?“ – Antwort
Vorschicht: Abfragecharakter
• Biographiebezogene Fragen
• Situative Fragen
21. Beliebte Schwächen
„Man muss die richtigen Fragen stellen“ –
„Man muss die Fragen richtig stellen“
Schlecht: Besser:
• Was sind ihre Schwächen? • Welches Bild haben Ihre Bewunderer von
Ihnen, welches Ihre Gegner?
Worin haben die Kritiker Recht, worin
Unrecht?
• Haben Sie ein technisches Verständnis? • Haben Sie je ein Modellflugzeug gebaut,
das geflogen ist?
• Warum haben Sie die Schule • Als ich damals die Schule abbrechen
abgebrochen? wollte, lag das daran, dass meine Freunde,
die schon Geld verdienten, Autos hatten
und schöne Urlaube machten, was ich mir
nicht leisten konnte. War das bei Ihnen
auch der Grund?
22. Best practice Beispiel:
Ein fertiger Interviewleitfaden – Aber Vorsicht!
• Konfirmatorische Fragen: Unbewusst bevorzugt solche Informationen
sammeln, enkodieren und behalten, die eine zuvor aufgestellte Hypothese
bestätigen.
“Was schätzen Sie am meisten an der Arbeit in großen Gruppen?“
• Diskonfirmatorische Frage:
“Haben Sie sich in einer Situation schon mal schüchtern gefühlt oder
verhalten?“
• Diagnostische Frage:
“In welchen Situationen bevorzugen Sie Einzelarbeit und in welchen
Situationen bevorzugen Sie Teamarbeit?“
23. Positives und negatives non-verbales Verhalten
• Blickkontakt, Lächeln, Kopfnicken (= Wertschätzung)
• Signale der Aufmerksamkeit und Zuwendung: Lebhaftigkeit,
Stimmmodulation, Verhaltenssymetrien (Spiegeln), direkte Bestärkung
positive Stimmung, stärkere Öffnung, verbesserte Kontaktaufnahme
• Stirnrunzeln, Kopfschütteln, Vermeidung von Blickkontakt
(nonverbal „kaltes Verhalten“)
Unsicherheit schlechtere Bewertung des Bewerbers
• Seitens der Bewerber negativ beurteilt wird:
Stress und Machtausübung
(it´s nice to be important, but it´s more important to be nice“…)
Andererseits:
Signale die den eigenen Status betonen, sind bei geschickter und
rollenadäquater Vorgehensweise eher von Vorteil, denn statushohe und
auch etwas ältere Interviewer werden von Bewerbern bevorzugt, wirken
glaubwürdiger und erhalten offenere Informationen von ihren
Gesprächspartnern. Überdies werden Fachvertreter gegenüber
Personalleuten bevorzugt.
24. ZUAMMENFASSUNG:
Maßnahmen zur methodischen Verbesserung
des Interviews
• Anforderungsbezogene Gestaltung
• Beschränkung auf diejenigen Merkmale, die nicht anderweitig zuverlässiger
ermittelt werden können
• Verwendung eines Interviewleitfadens mit teilstrukturiertem Ablauf und
verankerten Skalen
• Sequenzielle Fragetechniken, Fragestil dem Bewerber anpassen
• Integration von Verfahrenskomponenten aus dem Assessment Center
(z. B. Selbstvorstellung)
• Trennung von Informationssammlung und Entscheidung =
jede Antwort sollte für sich genommen unmittelbar bewertet werden,
ebenso sind Registrierungen von Verhaltensbeobachtungen unverzüglich
vorzunehmen. Erst nach Abschluss des Gesprächs werden diese Notizen zu
einer Gesamtbewertung aggregiert.
• Vorab-Standardisierung der Gewichtungs- und Entscheidungsprozedur