1. Abschnitt I. Geist und/oder Materie
Die große Grundfrage aller, speziell neueren Philosophie ist die nach dem Verhältnis von
Denken und Sein [...], des Geistes zur Natur [...] Die Frage: Was ist das Ursprüngliche, der Geist
oder die Natur? [...] Je nachdem diese Frage so oder so beantwortet wurde, spalteten sich die
Philosophen in zwei große Lager. Diejenigen, die die Ursprünglichkeit des Geiste gegenüber
der Natur behaupteten, also in letzter Instanz eine Weltschöpfung irgendeiner Art annahmen ...
bildeten das Lager des Idealismus. Die anderen, die die Natur als das Ursprüngliche ansehen,
gehören zu den verschiedenen Schulen des Materialismus. (Engels S.274)
(a) Materialismus im Marxismus
(i) Einleitung
Die wohl bedeutendste dieser materialistischen Schulen ist der Marxismus/Kommunismus.
Kaum eine andere philosophische Schule hat sich so umfassend mit der Geschichte der
Menschheit, den grundlegenden Prinzipien des Kosmos beschäftigt und so maßgeblich die
Menschheitsgeschichte mitgeprägt. Marx und Engels entwickelten diese Ideologie angesichts
der enormen Ausbeutung der Arbeiter im 19. Jahrhundert und den Barrikadenkämpfen der
1840er Jahre in verschiedenen europäischen Ländern. Mit ihrer Lehre lieferten sie die
theoretische Grundlage für die weltweit entstehenden Arbeiterbewegungen, die
kommunistischen Revolutionen Anfang des 20. Jahrhunderts und schließlich die
realsozialistischen Staaten. Diese Arbeit befasst sich ausschließlich mit dem Dialektischen
Materialismus (Diamat). Auf andere Teile der marxistischkommunistischen Lehre wie der
Historische Materialismus oder die Politische Ökonomie wird nicht näher eingegangen. Auch
die erkenntnistheoretischen Aspekte des Marxismus werden außer Acht gelassen.
Der Marxismus und die aus ihm resultierenden Bewegungen zeigen einen ausgeprägten
antireligiösen Charakter.
Die sozialen Prinzipien des Christentums haben die antike Sklaverei gerechtfertigt, die
mittelalterliche Leibeigenschaft verherrlicht und verstehen sich ebenfalls im Notfall dazu, die
Unterdrückung des Proletariats, wenn auch mit etwas jämmerlicher Miene, zu verteidigen.
Die sozialen Prinzipien des Christentums predigen die Notwendigkeit einer herrschenden und
einer unterdrückten Klasse und haben für die letztere nur den frommen Wunsch, die ersteren
mögen wohltätig sein.
Die sozialen Prinzipien des Christentums predigen die Feigheit, die Selbstverachtung, die
Erniedrigung, die Demut, kurz alle Eigenschaften der Kanaille … (Marx, Quellenlexikon S.271)
Die Römisch katholische Kirche in Deutschland und später die Russisch Orthodoxe im
slawischen Raum sind für viele Marxisten der Beleg dafür, dass Religion im allgemeinen die
Klassengesellschaft und somit die Ausbeutung des Proletariats unterstützt. Sie verweist auf
eine jenseitige Erlösung oder „illusorisches Glück“ und hindert die Arbeiter so daran sich
„wirkliches Glück“ zu erkämpfen und zu finden. Die Körperfeindlichkeit und
Geistzentriertheit der Kirchen wird als daher als Übel oder Droge angesehen. Mit der
Erlebbarkeit des „wirklichen Glücks“ in einer Klassenlosen Gesellschaft verliert, dieser
Ansicht zufolge, Religion ihre Bedeutung. (vgl. Marx, Quellenlexikon S.270) Der russische
Philosoph Nikolei Berdjajew, in seiner Jugend glühender Anhänger des Marxismus, meint in
seiner Betrachtung „Wahrheit und Lüge des Kommunismus“ dazu, dass der Kommunismus
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2. die „Entlarvung des christlichen Versagens“ sei, für soziale Gerechtigkeit einzutreten. (vgl.
Berdjajew S.36)
(ii) Die zentr ale Stellung der Mater ie
Marx und Engels, die mit dem Marxismus ein umfassendes Gedankengebäude schufen,
beließen es jedoch nicht bei der Kritik der Institution Kirche. Ein Grundsatz dieses
Materialismus ist das „Rationalitätsprinzip“. Friedrich Engels fordert in ihm, die Welt „aus
sich selbst zu erklären“ und lehnt grundsätzlich alle Erklärungsmodelle ab, die in einer
transzendenten Ursache wurzeln. (vgl. Schülerduden S.99) Dieser Materialismus und die
damit verbundene Ablehnung Gottes werden in einem marxistischen Lehrbrief
folgendermaßen argumentiert:
Übrigens behauptet die Theologie, dass dieser Gott weder eine räumliche noch zeitliche
Ausdehnung besitze … Ein solcher Gott wäre das räumliche und zeitliche Nichts und das
Bewegungslose. Ein solches absolutes Nichts kann natürlich nicht der Schöpfer von
irgendetwas, noch dazu der ganzen Welt, sein.
Ein immaterieller, unbewegter „Erstbeweger“, ein faktisches Nichts soll als absoluter Geist oder
Gott Materie und Bewegung schaffen? Das ist mit den Erkenntnissen der Wissenschaft nicht zu
vereinbaren. Man kann an einen solchen Gott nur glauben, aber ihn nicht mit logischen und
wissenschaftlichen Gründen beweisen. (marx. Lehrbrief Nr.7)
Ein außermenschlicher, außerweltlicher Geist, der dieses Sein geschaffen haben könnte, ist kein
Gegenstand ernsthaften, wissenschaftlichen Denkens, sondern höchstens des Glaubens und
Aberglaubens. Er ist der zunächst verselbständigte und dann verhimmelte menschliche Geist,
sonst nichts. Es gibt nur das eine Sein, die eine Welt, zu der der Mensch mit seinem Geist gehört.
Es gibt nicht zwei Welten, eine diesseitige und eine jenseitige. Diese jenseitige Welt ist, wie
gesagt, nur die Welt des verhimmelten Menschengeistes. Die Welt ist ein einheitliches,
"diesseitiges" Ganzes. (marx. Lehrbrief Nr.2)
Demnach ist Gott ein Hirngespinst, ein „verhimmelter“ menschlicher Geist, der wiederum nur
in Abhängigkeit von der Materie existieren kann. Materie und die ständige Bewegung dieser
werden als absolute Konstanten im Universum angesehen.
Die Wissenschaft sagt nicht nur aus, dass die Welt, so wie sie heute existiert, in Bewegung ist,
sondern die Wissenschaft hat auch unumstößlich bewiesen — und zwar durch das Gesetz der
Erhaltung von Masse und Energie — dass Materie und Bewegung zwar in mannigfaltiger Form
existieren, aber dass sie sich immer nur in andere Formen der Materie und Bewegung
verwandeln, niemals aber aus dem Nichts entstehen oder in ein Nichts verschwinden können.
Sie sind unerschaffbar und unzerstörbar. (marx. Lehrbrief Nr.7)
Der marxistische Denker Ernest Mandel drückt dies so aus: „Bewegung, allgemeine
Evolution beherrscht jedes Sein. Dieses ist materiell.“ (vgl. Mandel S.176)
Dabei geht der Dialektische Materialismus davon aus, dass unsere Empfindungen Abbilder
der Realität sind“ und die Natur oder Materie für den Menschen vollständig erkennbar ist.
(iii) Geist und Bewusstsein
Das Erreichen höherer „Geistesqualitäten“ geht im Marxismus mit der Entwicklung
komplexerer materieller Systeme einher. Mandel schreibt in seiner „Einführung in den
Marxismus“ dazu:
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3. Die Grundeinheit der Materie ist das Atom, das wiederum aus kleinen Partikeln besteht. Atome
in der kombinierten Form von Molekülen, bilden zusammen die Grundelemente der
Erdoberfläche und der Atmosphäre. So ergeben Wasserstoff und Sauerstoff in einer
bestimmten Kombination Wasser. Andere Moleküle bilden Metalle, Säuren oder Basen.
In einer bestimmten Kombination von Bedingungen brachte die Evolution der anorganischen
Materie organisches Leben hervor. Aus diesem entwickelten sich Pflanzen und Tiere. […] Eine
dieser Arten, die Menschenaffen, auf deren Höhepunkt eine neue Art – der Mensch – stand.
(Mandel S.176)
Geistige Eigenschaften des Menschen wie zum Beispiel Bewusstsein oder Wille sind
demnach das Resultat einer bestimmten Anordnung von Materie. Dieses Prinzip ist im
Marxismus als Gesetzt des Umschlags von Quantität in Qualität bekannt, auf das im
Abschnitt II noch eingegangen wird.
Es endet jedoch nicht bei der Einzelperson, sondern setzt sich auf sozialer Ebene fort. Die
Ansammlung von Elementen der gleichen Stufe führt ab einem, nicht genauer definierten,
Punkt zu einer Veränderung ihrer Eigenschaften. Dieser Vorgang kann mit der Entwicklung
einer Dorfgesellschaft zu einer städtischen praktisch erläutert werden. Mit dem Anwachsen
der Bevölkerung eines Dorfes wächst nicht nur die verbaute Fläche oder die Anzahl von
Personen in dieser Gemeinschaft. Über diese quantitative Veränderung hinaus findet an einer
bestimmten Stelle eine Art „urbane Revolution“ statt. Völlig neue Berufszweige entstehen in
der Region. Es zirkulieren unter den Bewohnern Dienstleistungen und Waren die in einer
Agrargesellschaft undenkbar gewesen wären. (vgl. Mandel S.183)
Eine genauere Betrachtung erfordert in diesem Zusammenhang der marxistische
Bewusstseinsbegriff. In „Grundlagen des MarxismusLeninismus“, einem Hauptwerk der
Sowjetphilosophie ist nachzulesen:
Die Idealisten und die Gegner des Marxismus unterstellen dem materialistischen Marxismus
immer wieder, er behaupte, das Bewusstsein sei etwas Materielles. Sie tun das um den
marxistischen, philosophischen Materialismus leichter „widerlegen“ zu können. Das ist ein alter
Trick: Zuerst erklärt man den Gegner für dumm um ihn dass „siegreich“ kritisieren zu können.
(Grundlagen des MarxismusLeninismus S.38)
Die Ansicht unser Bewusstsein sei etwas rein Materielles wird von Sowjetphilosophen als
„Vulgärmaterialismus“ abgelehnt. Für den marxistischen Materialisten ist demnach
Bewusstsein eine Eigenschaft oder ein Produkt der Materie. Ein marxistischer Lehrbrief hält
fest:
Das Bewußtsein ist das Produkt eines materiellen Organs, das sich in Jahrmillionen der
Entwicklung des Lebens auf der Erde herausgebildet hat. Es ist „nichts anderes als das im
Menschenkopf umgesetzte und übersetzte Materielle.“ (Anm. an dieser Stelle berufen sich die
Autoren auf Karl Marx) (marx. Lehrbrief Nr. 7)
Genauer ist Bewusstsein die höchste Form einer „Eigenschaft“ oder „Fähigkeit“ der Materie,
die als „Widerspiegelung“ bezeichnet wird. (vgl. Schülerduden S.99)
Widerspiegelung ist die allgemeine Eigenschaft und Fähigkeit der Materie in allen ihren
unterschiedlichen Entwicklungsstufen, bei äußerer Einwirkung materieller Gegenstände durch
inner Veränderung dieser Gegenstände zu reproduzieren. (Wörterbuch S.301)
Auf niederer physikalischer Ebene „spiegelt“ ein Gegenstand einfallendes Licht (oder ein
Teich den Mond in der Nacht) wider und erscheint daher farbig. Eine komplexere Form dieser
„Widerspiegelung“ stellt die chemische Reizbarkeit von Eiweißkörperchen, oder noch
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4. komplexer allgemein die Reizbarkeit von Lebewesen, dar. „Geistige“ Attribute, wie Intellekt
oder Emotionen, sind demnach eine Höherentwicklung dieser Form von Reizbarkeit oder
Widerspiegelung. Sie kann jedoch auch aktiv die Materie gestalten:
Das Bewußtsein des Menschen widerspiegelt nicht nur die objektive Welt, sondern schafft sie
auch [...], d.h., daß die Welt den Menschen nicht befriedigt und der Mensch beschließt, sie
durch sein Handeln zu verändern. (Lenin Werke Bd. 38 S.203/204 zitiert nach Giller S.24)
(iv) Definition von Mater ie
Physikalische Erkenntnisse wie die Einsteins, dass Materie und Energie Formen ein und
desselben sind, forderten die marxistische Philosophie zu einer Neudefinition des Begriffs
„Materie“ heraus. Demnach definierte Lenin Materie wie folgt:
Die Materie ist eine philosophische Kategorie zur Bezeichnung der objektiven Realität, die dem
Menschen in seinen Empfindungen gegeben ist, die von unseren Empfindungen kopiert,
fotografiert, abgebildet wird und unabhängig von ihnen existiert. (Lenin S.124)
Diese Definition ist auch heute noch durchaus maßgebend. Unter dem Stichwort Materie wird
man auch heute auf Wikipedia mit Lenins Erklärung konfrontiert.
(b) Die Dualität von Geist und Materie in der Vereinigungslehre
(i) Einleitung
Bei der Vereinigungslehre handelt es sich um die Lehren und Offenbarungen des Rev. Sun
Myung Mun, die zum ersten Mal in den 1950er Jahren niedergeschrieben wurden. Im Laufe
seines geistlichen Amtes sind diese von seinen Nachfolgern systematisiert worden. Rev. Mun
stammt aus einer ursprünglich konfuzianistischen Familie, die sich in seiner Kindheit zum
Christentum bekehrt hat. (vgl. offizielle Website) Muns Lehre kommt demnach aus einem
koreanisch christlichen Hintergrund, geht jedoch weit darüber hinaus. Er und seine
Nachfolger bezeichnen die Vereinigungslehre als universell und essentiell für die Lösung
aller Probleme, mit denen sich die Menschheit konfrontiert sieht. Diese Arbeit befasst sich
ausschließlich mit der Sicht der Vereinigungslehre auf den Ursprung des Kosmos, die
Beziehung von Geist und Materie, sowie auf die Prinzipien der Dialektik.
An vielen Stellen spricht Rev. Mun davon, dass der Kommunismus „besiegt“ oder „zerstört
werden muss.“ In denselben Ansprachen macht er jedoch oft auch Aussagen, die diesen
Worten völlig zu widersprechen scheinen:
In der Welt gibt es grob gesagt zwei große Ideologien, nämlich Demokratie und
Kommunismus. Sie sind miteinander in Konflikt. Es ist der, weltweite Ebene ausgedehnte, Kampf
zwischen Kain und Abel. Dies ist der Kampf zwischen Brüdern. Es müssen daher Eltern
kommen, um die Disharmonie zwischen den Brüdern auszusöhnen. (Mun bei einer Ansprache
am 20. Oktober 1974 in Barrytown, New York)
In diesem Kontext ist es von Bedeutung zu erwähnen, dass Sun Myung Mun 1948 zu 5 Jahren
Zwangsarbeit in einem Nord Koreanischen Arbeitslager verurteilt worden ist. 1971 gründete
Mun die „International Federation for Victory Over Communism“. (vgl. offizielle Website)
Mehr zu den Aktivitäten der Vereinigungsbewegung mit KommunismusBezug findet sich in
Abschnitt III dieser Arbeit.
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5. (ii) Die Beziehung von Geist und Mater ie
Vereinigungslehre und Marxismus unterscheiden sich grundlegend in ihrem Ausgangspunkt,
von dem aus versucht wird des Kosmos zu erklären. Die ersten Sätze des ersten Kapitels des
„Göttlichen Prinzips“ machen diesen Unterschied fest:
Aus tiefster Seele suchten Menschen zu allen Zeiten nach Antworten auf die existenziellen
Fragen über das menschliche Leben und das Universum, doch ohne wirklichen Erfolg. […] Um
diese Fragen zu lösen, reicht es nicht die sichtbare Wirklichkeit zu untersuchen. Das zentrale
Thema ist hierbei die ursächliche Realität. Die Hintergründe des Menschlichen Lebens und der
Existenz des Universums können nicht ohne ein Verständnis um das Wesen Gottes geklärt
werden. (Das Göttliche Prinzip S.19)
Eine Aussage das dem „Rationalitätsprinzip“ des Marxismus widerspricht. Die
Vereinigungslehre besagt, dass das Universum nicht aus sich selbst heraus erklärt werden
kann. So wie ein Bild den Charakter eines Künstlers ausdrückt, drückt sich die erste Ursache
im Kosmos aus. Diese erste Ursache wird als Gott bezeichnet. Rev. Mun sagt dazu:
Wir sind das Resultat einer Ursache. Es muß also irgendeine Ursache existieren, die unerläßliche
Realität ist. Welchen Namen wir für diese Ursache wählen, spielt keine Rolle. Das Wichtigste ist
die Tatsache, daß sie existiert. (Mun Glaube und Wirklichkeit S.15)
Das Betrachten und Untersuchen der Schöpfung kann uns, der Vereinigungslehre nach, helfen
die erste Ursache besser zu erfassen. (vgl. Das Göttliche Prinzip S.20)
Das erste Prinzip im das die Vereinigungslehre beschreibt ist die Polarität Yang und Yin, oder
Maskulinität und Femininität. Vom Wechselspiel zwischen Proton und Elektron auf atomarer
Ebene, über die Polarität von Staubgefäß und Fruchtknoten im Pflanzenreich bis hin zu Mann
und Frau beim Menschen ist dieses Prinzip im gesamten Kosmos präsent. (vgl. Abb.1)
Demnach muss, gemäß der Vereinigungslehre, auch Gott, der transzendente Ursprung, diese
Polarität in sich vereinigt haben. Diese Form der Polarität wird als horizontal bezeichnet, was
Gleichwertigkeit ausdrücken soll. (vgl. Das Göttliche Prinzip S.20, Giller S.48 ff)
Eine weitere und noch fundamentalere Struktur, nach der das Universum aufgebaut ist, sieht
die Vereinigungslehre in der Polarität von „innerem Wesen“ und „äußerer Gestalt“. Durch die
Kombination von Tönen mit Frequenz, Wellenlänge, Amplitude usw. (Äußerer Gestalt)
werden Gefühle des Komponisten (Inneres Wesen) ausgedrückt. (vgl. Abb.2)
Wie die jüngsten Erkenntnisse der Physik gezeigt haben, lassen sich Energie und Masse nicht
mehr voneinander trennen. Sie hängen über die Einsteinformel E=mc² zusammen. … Das
bedeutet daß die „Energie“ der Grundstoff aller Materie ist. Was ist es nun, das die Energie in
ihre Form bringt? Was bewirkt, daß aus derselben Energie einmal ein Photon, einmal ein
Elektron, Proton, Meson etc. entsteht? Bei allen diesen Teilchen ist die Äußere Wesensart (Anm.
Äußere Gestalt) gleich, die Innere Wesensart (Anm. Inneres Wesen) jedoch verschieden.
(Giller S.41 f)
Diese Form der Polarität wird in der Vereinigungslehre als „vertikal“ bezeichnet. Das Innere
Wesen steht dem Äußeren gegenüber in der Subjektposition und drückt sich dadurch aus.
Die Aussage, „Geist (Anm. Inneres Wesen) und Körper (Anm. Äußere Gestalt) sind zwei,
wechselseitig in Beziehung stehende, Aspekte des Menschen“ (vgl. Das Göttliche Prinzip
S.21), erläutert die Auffassung von Geist (Inneres Wesen) und Materie (Inneres Wesen) in der
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6. Vereinigungslehre weiter. Inneres Wesen, z.B. die Gefühle des Komponisten, Naturgesetze
oder der menschlicher Geist, und Äußere Form, z.B. Töne, Energie, der menschliche Körper,
benötigen einander um ihren gemeinsamen Zweck zu erfüllen. (siehe Stichwort Herz unten)
Der Vereinigungslehre nach muss wiederum auch Gott diese beiden Polaritäten in sich
vereinigt haben. Dieser Äußere Aspekt Gottes wird als „Universale Ursprungs
energie“ bezeichnet. Diese Energie wird als „Ursprung aller Energien und Kräfte“ bezeichnet,
„welche die Existenz geschaffener Wesen ermöglichen“. (vgl. Das Göttliche Prinzip S.26)
Mit diesen Erklärungen entzieht sich die Vereinigungslehre der marxistischen Religionskritik
(siehe I.a.ii), die sie für teilweise gerechtfertigt hält. (vgl. Giller S.26, Das Göttliche Prinzip
S.9 ff) Eine exakte Erläuterung der Universalen Ursprungsenergie bleibt die Literatur der
Vereinigungsbewebung jedoch schuldig.
Der Vereinigungslehre nach trägt jede Wesenheit die Polaritäten von Yang und Yin, sowie die
von Innerem Wesen und Äußerer Form, in sich. Doch auch Beziehungen zwischen
Wesenheiten entsprechen diesen Prinzipien. Die Beziehung zwischen Gott, dem Ursprung des
Universums, und dem Universum wie folgt zusammen:
Das Universum in seiner Gesamtheit ist substantieller Objektpartner Gottes. Das Universum ist
aus zahllosen, einzigartigen Manifestationen der polaren Wesenszüge Gottes gebildet, [...]. (Das
Göttliche Prinzip S.25)
(iii) Das Her z
Die Vereinigungslehre kann entsprechend der, oben angeführten, Einteilung der Philosophien
von Engels, weder den materialistischen Richtungen, noch denen des Idealismus zugeordnet
werden. Im Zentrum der Vereinigungslehre steht ein neuer Begriff, das Herz (kor.심정, chin.
心情, Schim Tschông). Der Vereinigungslehre nach treten Inneres Wesen und Äußere Form
ausgerichtet auf das Herz, ihren gemeinsamen Zweck oder Sinn, in Beziehung. Das Herz ist
daher die Essenz des Wesens Gottes und die treibende Kraft für die Erschaffung des
Universums.
Es (Anm. das Herz) ist der zentrale Kern Gottes und des Menschen. Als innerster Bereich
bestimmt das Herz ganz wesentlich die Persönlichkeit eines Menschen. Aus dem Herz
entströmen alle Impulse der Liebe. Der Impuls des Herzens ist ununterdrückbar. Aus dem
Herzen entspringt die Sehnsucht nach einem Gegenüber, mit dem man sein Leben in ganzer
Fülle teilen kann. Gottes Herz ist von so großer Bedeutung, dass alle Seine anderen
Eigenschaften davon bestimmt sind. Die gesamte Schöpfung ist ein Ausdruck von Gottes Herz.
(Das Göttliche Prinzip S.461)
(iv) Abbildungen und Tabellen
Abb. 1
Positivität (Anm. Yang) Negativität (Anm. Yin)
Elementarteilchen Positive Ladung Negative Ladung
Atome Positiv Negativ
Moleküle Kation Anion
Geosysteme Land Meer
Pflanzen Staubgefäße Fruchtknoten
Tiere männliche Tiere weibliche Tiere
Mensch Mann Frau
(Giller S.54)
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7. Abb. 2
Innere Wesensart Äußere Wesensart
Elementarteilchen Innerer Charakter Energie
des Teilchens*
Atome Innerer Charakter Teilchen
des Atoms* (Atomkörper)
Moleküle Innerer Charakter Atome
des Moleküls* (Molekülkörper)
Geosysteme Innerer Charakter anorganische Materie
des Geosystems* (Himmelskörper)
Pflanzen Pflanzenpsyche Pflanzenkörper
Tiere Tierpsyche Tierkörper
Mensch menschlicher Geist menschlicher Körper
* Man sieht, in der wissenschaftlichen Sprache sind keine differenzierten Begriffe dafür
vorhanden, was wiederum zeigt, dass die Forschung sich bis jetzt kaum mit diesen Dingen
auseinandergesetzt hat. (Giller S.47)
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