Das Customer Experience Forum ist eine Plattform für Macher in Unternehmen, die operativ Kundenorientierungsmassnahmen konzipieren, umsetzen und messen.
1. CUSTOMER
EXPERIENCE
FORUM9
Das Magazin
CX-Forum 9, 6. / 7. November 2013
CSS VERSICHERUNG
VON DURCHSCHNITTLICH ZU
GANZ PERSÖNLICH
SEITE 3
SWISSCOM
DIALOG ZWISCHEN
MANAGERN
SEITE 5
SEITE 4
HOCHSCHULE LUZERN
EIN «KPI» FÜR KUNDENZENTRIERUNG
INNOFACT & STIMMT
KUNDEN VERSTEHEN LOHNT SICH
SEITE 8
2. CX-
FORUM
9 Sämtliche Präsentationen und
Impressionen vom CX-Forum 9 und
früheren Foren sind auf unserer
Webseite einsehbar:
www.cx-forum/vergangeneforen
CUSTOMEREXPERIENCEFORUM92
EDITORIAL
Liebe CX-Experten
Jedes CX-Forum ist ähnlich: Eine Gemeinschaft von Gleichgesinnten trifft sich,
tauscht sich aus und hat eine Menge Spass beim Lernen. Und auch wenn
Customer Experience in der Management-Ebene angekommen und längst keine
Orchideen-Thematik mehr ist, pflegen wir bewusst unseren lockeren Stil. Noch
immer ist es legitim, in Jeans und T-Shirt zum Forum zu kommen und noch immer
duzen wir uns an diesen zwei Tagen.
Gleichzeitig ist jedes CX-Forum anders. Immer wieder gab es Neuerungen oder
Umgestaltungen – und nicht etwa, weil wir die Teilnehmenden verwirren wollten,
sondern weil die Inhalte neue Formen erforderten. Beim neunten Forum beispiels-
weise hatten wir gleich drei Keynotes. Die drei Beiträge stehen gleichberechtigt
nebeneinander, weil sie jeweils für ihr Thema eine Schlüsselbedeutung haben.
Die CSS erklärte, wie sie den Wandel zum kundenorientierten Unternehmen an-
gegangen ist (S. 3). Die Swisscom diskutierte auf offener Bühne über Erfolgs-
faktoren und Herausforderungen in der Führung auf dem Weg zu konzernweitem
Human Centered Design (S. 5). Und die Hochschule Luzern hat einen Customer
Centricity Score entwickelt, mit dem auf Basis von Mitarbeiterbefragungen CX
messbar und vergleichbar wird (S. 4). Passend dazu konnten Stimmt und Inno-
fact in ihrer Fallstudie nachweisen, wie CX den Net Promoter Score (NPS) und die
Kaufbereitschaft treibt (S. 8).
Die Themen des neunten Forums zeigen uns exemplarisch, dass für erfolgreiches
CX-Management sowohl die Aussen- als auch die Innensicht wichtig sind.
Neben der Frage «Was erlebt der Kunde?» geht es auch darum, das Bewusstsein für
CX im Unternehmen zu verankern. Die Firmenkultur macht den Unterschied,
dabei sind sich alle Experten einig. Die Branche, in der man operiert, ist dabei
völlig unerheblich. Stellten anfangs Telkos, Versicherungen und Banken die
meisten CX-Pioniere, um sich in gesättigten Märkten zu differenzieren, so gibt es
heute Kundenerlebnis-Management auch beim Optiker (S. 17) und beim Hörge-
räte-Akustiker (S. 15). Das «Kundenorientierungs-Virus» hat sogar die bisher resis-
tente Pharma-Industrie erfasst: UCB Biosciences berichtet über Projekte zu
besseren Information von Patienten (S. 18).
Uns bleibt zu hoffen, dass es gegen dieses Virus nie eine Impfung gibt, denn nach
wie vor wünschen wir uns, dass die Leserinnen und Leser dieses Magazins sich
anstecken lassen von der Begeisterung unserer Community. Die Teilnehmenden
des Forums sollen Staub aufwirbeln, wenn sie nach den zwei intensiven Tagen
zurück in ihren Unternehmen sind. Und sie sollen den Rückenwind mitnehmen,
den das Treffen mit Gleichgesinnten generiert.
INHALTSVERZEICHNIS
3 KEYNOTE CSS VERSICHERUNG
4 KEYNOTE HOCHSCHULE LUZERN
5 DIALOG ZWISCHEN MANAGERN
7 FALLSTUDIE ERSTE BANK
8 FALLSTUDIE INNOFACT STIMMT
9 FALLSTUDIE HELSANA
10 IMPRESSIONEN
12 FALLSTUDIE SWISSCOM
13 FALLSTUDIE FH NORDWESTSCHWEIZ
15 FALLSTUDIE CONNECT HEARING
16 FALLSTUDIE BANK LINTH LLB
17 FALLSTUDIE BÄRTSCHI
18 FALLSTUDIE UCB BIOSCIENCES
19 INITIANTEN
Helmut Kazmaier Frederike BraitingerChristina Taylor Katja Leu
3. CUSTOMEREXPERIENCEFORUM93
KEYNOTE: VON DURCHSCHNITTLICH ZU GANZ PERSÖNLICH — DER WEG DER CSS ZU MEHR KUNDENORIENTIERUNG
VOLKER SCHMIDT, CSS VERSICHERUNG
ERKENNTNISSE
Die Schnittmenge aus
Kundenzufriedenheit,
Prämien und Rentabilität
macht die Konkurrenz
fähigkeit aus.
Zufriedene Kunden bleiben
auch bei höheren Prämien
treu.
Ohne entsprechende
Unternehmenskultur bleibt
Kundenzentrierung ein
leeres Schlagwort.
Ó Modell der Konkurrenzfähigkeit
KEY–
NOTE
Von durchschnittlich zu ganz
persönlich – der Weg der CSS zu
mehr Kundenorientierung
Nach turbulenten Jahren mit einem IT-System-Wechsel, mit Expansi-
onsprojekten, der Integration der dazu gekauften Versicherung Intras
und einer notwendigen finanziellen Sanierung ging es bei der CSS
Versicherung mit der Kundenzufriedenheit bergab. Konzernleitungs-
Mitglied Volker Schmidt erklärt, wie das Unternehmen den Kunden
wieder in den Mittelpunkt gestellt hat.
Die Konkurrenzfähigkeit einer Krankenversicherung
wird massgeblich von zwei Stellschrauben bestimmt:
Der Höhe der Prämien (Marktattraktivität) und dem
Grad der Kundenzufriedenheit. Beide haben deutlichen
Einfluss auf die Rentabilität. Die CSS liegt mit der Höhe
der Prämien ungefähr im Schweizer Durchschnitt. Um
in einen Preiskampf einzusteigen, sei man zu gross, so
Volker Schmidt. Deshalb will sie die Kundenzufrieden-
heit steigern. «Denn», so sagt Volker Schmidt, «zufrie-
dene Kunden bleiben auch bei höheren Prämien treu».
Mit dem Programm «Fit4C» will sich die Versicherung
fit für den Kunden machen. Dabei geht es gleichzeitig
um Customer Experience und Prozess-Redesigns. «Die
Innensicht bei den Prozessen und die Aussensicht beim
CX beeinflussen sich gegenseitig.», so Schmidt. Um
zuerst die Innensicht zu systematisieren, erstellte die
CSS eine Prozesslandkarte. Diese brachte Transparenz
und zeigt nun auf, wer verantwortlich für welche Auf-
gabe ist. Zunächst reagierten die Mitarbeiter sehr
positiv. Jeder sah ein, dass erstmal Verantwortungen
klar sein mussten, wenn man in Sachen Kundenzufrie-
denheit etwas bewegen wollte.
Erfolge messen
Parallel zu den eingeleiteten Massnahmen wurde konsequent
die Kundenorientierung durch einen Customer Experience
Management Ansatz etabliert. Die Kundenstimmen wurden
in dezidierten Cockpits zusammengefasst. Die Kunden – auf-
geteilt in Segmente und Altersgruppen – werden immer wieder
nach ihrer Zufriedenheit pro Touchpoint befragt. Auch der Net
Promotor Score spielt eine grosse Rolle. «Früher mussten un-
sere Mitarbeiter aus ihrer individuellen Innensicht Rechen-
schaft über ihren Kundenkontakt ablegen und im System
eintragen, nach welcher Zeit die Interaktion abgeschlossen
war, also ob sie das definierte Service Level eingehalten haben.»,
so der Manager, «aber hier sind der Manipulation naturgemäss
Tür und Tor geöffnet». Das Häkchen für «das Kundenanliegen
wurde innerhalb von 5 Tagen erledigt», ist schnell gesetzt, auch
wenn dem unter Umständen gar nicht so ist. Da es entscheidend
ist, was beim Kunden ankommt, war es logisch, die Innensicht
mit der subjektiven Wahrnehmung des Kunden zu ergänzen.
Logisch, aber nicht konfliktfrei: Die Mitarbeitenden wandten
ein, dass manch ein Kunde überhaupt nicht beurteilen könne,
ob er fachgerecht beraten worden sei. Als dann auch noch
herauskam, dass trotz all der Massnahmen die Kundenzufrie-
denheit nicht im erwarteten Masse angestiegen war, wuchs
die Frustration innerhalb der CSS. «Bringt das überhaupt etwas?»
war die vorherrschende Frage.
Der Faktor Mensch
«Wir hatten uns um das CX Management und um die Prozesse
gekümmert, also die Systematik aufgebaut. Nun brauchten wir
aber einen Change in der Organisation, um die Mitarbeiter auf
die Reise hin zu einer steigenden Kundenzufriedenheit mitzu-
nehmen.», so Volker Schmidt selbstkritisch. Für solche Change-
Prozesse gibt es Vorbilder: Das Baseballteam der Red Sox be-
kam einen neuen Trainer. Er veränderte nicht nur das Training,
sondern vor allem den Teamgeist. Als Zeichen der Verbunden-
heit schworen alle Spieler, sich nicht mehr zu rasieren. Der
Vollbart wurde zum Markenzeichen, das auch die Fans mit viel
Begeisterung aufnahmen. In der Folge gewann das Team die
Meisterschaft. «Menschen müssen emotional abgeholt werden
– deshalb haben wir in der CSS neue Führungsgrundsätze
aufgestellt.»
Die neuen Methoden
«Unsere Führungskräfte fördern und fordern nun die Kunden-
fokussierung. Gleichzeitig müssen sie sich gefallen lassen, dass
die Mitarbeiter das Verhalten der eigenen Chefs beurteilen.»
Als besonders hilfreich für die Motivation hätten sich Kunden-
reisen herausgestellt, so Schmidt weiter. Wer selber mal vor-
mittags als Kunde im Callcenter anrief, merkte schnell, dass
das Service Versprechen von 90 Prozent Erreichbarkeit nicht
wirklich erfüllt wurde. Teilweise mehrere Minuten Wartezeit
wirkten sich auch nicht gut auf die Zufriedenheit der Anrufer
aus. Aufschlussreich war für die Testanrufer, wie sie durch die
Institutionen gereicht wurden, bis sie einen kompetenten An-
sprechpartner fanden. Für besondere Sensibilisierung sorgte
die Aktion, bei der Konzernleiter und Direktionsmitglieder für
Retention-Anrufe selbst im Callcenter sassen. Sie lernten nicht
nur die Sorgen der Kunden kennen, sondern spürten auch die
Herausforderung der Mitarbeitenden am eigenen Leib. Um
alle 2600 Angestellten der CSS zu motivieren und mit ins Boot
zu holen, liess die Konzernleitung ein humorvolles Schulungs-
video erstellen. Anhand des Beispiels eines italienischen Cafés
lässt sich leichter verstehen, wie Kleinigkeiten im Kunden-
erlebnis sich zu einem grossen Unterschied aufsummieren.
Wenn man unbequem sitzt, nützt der beste Kaffee nichts. Wenn
man unfreundlich behandelt wird, schmeckt der Kuchen nicht.
«Wir haben viele Massnahmen lanciert, um fit für den Kunden
zu werden», sagt Volker Schmidt. «Es geht uns nicht um einen
grossen Wurf, sondern um den steten Tropfen, der den Stein
höhlt. Bis 2018 wollen wir was die Kundenzufriedenheit angeht
den Benchmark in unserer Branche setzen.»
Ó VOLKER SCHMIDT
Mitglied der Konzernleitung,
Leiter Versicherungstechnik Informatik,
CSS Versicherung
4. KEY–
NOTE
CUSTOMEREXPERIENCEFORUM94
Ein «KPI» für
Kundenzentrierung
Jeden Tag stimmen Kunden mit den Füssen ab: sie kaufen dort ein, wo
das Erlebnis für sie stimmt. Viele Unternehmen haben sich deshalb
die Kundenorientierung auf die Fahnen geschrieben und entsprechende
Programme gestartet. Doch bis zum allumfassenden 360-Grad-Erlebnis
ist es ein weiter Weg. Die Hochschule Luzern hat ein Messinstrument
entwickelt, das feststellen hilft, wo man steht und wo es noch hapert.
PROF. DR. ANDREAS BRANDENBERG
Institutsleiter IKM,
Hochschule Luzern Wirtschaft
«Es ist wie im Lieblingsrestaurant», sagt Jan-Erik Baars,
Leiter der Abteilung Design Management der Hoch-
schule Luzern. «Es sind viele Kleinigkeiten, die ein
stimmiges Kundenerlebnis ausmachen.» Die ganze
Unternehmenskultur müsse auf den Kunden ausge-
richtet sein. Eine Ursache für ein mangelndes Kunden-
erlebnis hat der Designer im Silodenken ausgemacht.
Wenn im Verkauf schon an den Kunden gedacht wird,
heisst es noch lange nicht, dass auch in Forschung und
Entwicklung, der Beschaffung oder in der Produktion
kundenorientiert gearbeitet wird. Auch diese Abteilun-
gen haben aber Einfluss auf das Kundenerlebnis, selbst
wenn der Kunde keinen direkten Kontakt zu ihnen hat.
Man brauche den Blick auf’s Ganze.
«Was der Kunde erlebt, ist nur die Spitze des Eisbergs, quasi
das Symptom.», sagt Jan-Erik Baars. «Aber die Ursachen für
eine gänzlich kundenzentrierte Organisation liegen viel tiefer.»
Daher haben die Wissenschaftler die Hypothese aufgestellt,
dass die Gesamtheit der Mitarbeiter der Hebel für erfolgreiche
Kundenerlebnisse ist. «Alle sind beteiligt. Unser Customer
Centricity Score misst deshalb, welchen Grad der Kundenzen-
trierung die Mitarbeiter in ihrer Arbeit verwirklicht sehen.»
Ermittelt wird der Score, indem jeder Mitarbeiter seine Ein-
schätzung zu Kernfragen abgibt und somit einen Wert erzielt.
Die Skala reicht von kunden-avers bis zu -zentriert. Legt man
alle Werte aus allen Abteilungen kreisförmig zusammen, be-
kommt man ein Ergebnis für die Kundenzentrierung des ge-
samten Unternehmens. Das Diagramm wird kaum jemals einen
idealen gleichförmigen Kreis zeigen: Es gibt immer Abweichun-
gen nach oben und unten. An ihnen erkennt man allerdings, wo
man etwas verbessern kann.
Pilotprojekt mit der Swisscom
Die Swisscom war das erste Unternehmen, dass den Grad der
Durchdringung der Kundenzentrierung hat messen lassen. Wir
haben 3000 Mitarbeitende gefragt, woran sie festmachen,
dass ihr Unternehmen kundenzentriert ist.», erklärt Andreas
Brandenberg. «Anfangs hatten wir hundert Items. Nach der
Auswertung der 1100 ausgefüllten Fragebögen konnten wir
dreissig Items als besonders wichtig identifizieren – von
Kundenwissen über Feedback-Kultur bis zu Empathie.» Hinter
jedem der Begriffe stehen konkrete Fragen: «Sind unterschied-
liche Sichtweisen gewünscht» und «Gibt es fachlich gemischte
Teams» ermitteln zum Beispiel einen Wert für die Diversität
des Unternehmens. Aus den dreissig Items wurden acht Fak-
toren destilliert, die als Haupttreiber für gute CX gelten: Agi-
lität, Wissen, Vermittlung, Offenheit, Befähigung, Vertrauen,
Interaktion und Konsequenz. Diese Faktoren wiederum liessen
sich clustern: Es geht bei Kundenzentrierung um die Themen
Umsetzung, Kultur und Leadership.
Die Entstehung des KPI für Customer Centricity
Der Wert für das KPI wird ermittelt, indem man von der Anzahl
zustimmender Antworten, zu Fragen wie «Darf man emotional
argumentieren?» oder «Wird eine non-konformes Privatleben
akzeptiert?», die ablehnenden Antworten abzieht. Somit hat
man einen Wert für den Faktor «Kultur» auf der Customer
Centricity Skala. Nach Auswertung aller acht Faktoren be-
kommt man einen unternehmensweiten Durchschnittswert.
«–28» weist auf Kundenduldung hin. «78» wäre schon gute
Kundenfokussierung. Es lassen sich aber auch Details ablesen:
Zum Beispiel kommt die «78» zustande, weil die Führung eine
«80» beisteuert und damit eine «76» der Kultur wettmacht. Die
«76» der Kultur wiederum kommt zustande, weil der Teilbereich
«Offenheit» nur auf «69» kommt. Das können gute Werte in den
Bereichen «Interaktion» und Konsequenz» nicht ausgleichen.
Die Zahlen, die bei der Berechnung herauskommen, sind zu-
nächst mit Vorsicht zu geniessen. Bei Selbst-Einschätzungen
wird mitunter nicht wahrheitsgemäss geantwortet. Das haben
die Experten bedacht und ein mathematisches «Wahrheits-
serum» eingebaut. Es rechnet gezielt taktische Antworten
heraus.
Selbstdiagnose als ersten Schritt zur Verbesserung
«Anders als beim Zahnarzt braucht man mit dem Tool der HSLU
für die Diagnose keinen Fachmann, sondern nur das Wissen
der Mitarbeiter.», sagt Andreas Brandenberg. Jan-Erik Baars
ergänzt: «Aber genau wie beim Zahnarzt darf man keine Angst
vor der Kontrolle haben. Da muss man durch, wenn man sich
verbessern will.» Der Score alleine nütze aber noch nichts,
warnt er. «Er bildet nur ab, was da ist. Die Organisation muss
Lehren daraus ziehen und aktiv handeln.»
Im nächsten Schritt will die HSLU den CCScore bei anderen
Unternehmen einsetzen. Dann könnte man Ergebnisse verglei-
chen und eine Benchmark für die Maturität von Customer
Centricity setzen. Ausserdem wäre für Wissenschaftler wie für
Praktiker reizvoll, diesen Key Performance Index mit den an-
deren KPIs des Unternehmens in Beziehung zu setzen.
ERKENNTNISSE
Das Kundenerlebnis wird
auch von Unternehmens-
teilen beeinflusst, die nicht
unmittelbar im Kunden
kontakt stehen.
Kundenzentrierung wird
massgeblich von den
Themen Umsetzung, Kultur
und Leadership getrieben.
Die Mitarbeiter sind der
Schlüssel zur Selbstdiagnose.
JAN-ERIK BAARS
Head of Design Management,
Hochschule Luzern Design Kunst
KEYNOTE: EIN «KPI» FÜR KUNDENZENTRIERUNG
JAN-ERIK BAARS PROF. DR. ANDREAS BRANDENBERG, HOCHSCHULE LUZERN
Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.
5. DIALOG
ZWISCHEN
MANAGERN
CUSTOMEREXPERIENCEFORUM95
Ó DAMIAN HOSTETTLER
Leiter interne Kommunikation Geschäftskundenbereich, Swisscom
Ó JÜRG PAULI
Leiter Marketing, Swisscom
Ó CHRISTINA TAYLOR
Leiterin Human Centered Design, Swisscom
Ó RUEDI WIPF
Leiter Customer Experience Design Grosskunden, Swisscom
DIALOG ZWISCHEN MANAGERN: DAS KUNDENERLEBNIS IM ZENTRUM — EINE HERAUSFORDERUNG IN DER FÜHRUNG
JÜRG PAULI, CHRISTINA TAYLOR RUEDI WIPF
MODERIERT DURCH DAMIAN HOSTETTLER, SWISSCOM
Swisscom ist in Bezug auf Customer Experience (CX)
schweizweit führend. Nur wenige Firmen machen sich
so viele Gedanken zum Design von Kundenerlebnissen.
Innerhalb des Unternehmens hat dieser radikale Fokus
einige Veränderungen und Herausforderungen gebracht.
Jürg Pauli (Leiter Marketing), Christina Taylor (Leiterin
Human Centered Design) und Ruedi Wipf (Leiter
Customer Experience Design Grosskunden) diskutierten
– moderiert von Damian Hostettler (Leiter interne
Kommunikation Geschäftskundenbereich). Er fragte
eingangs nach den Erfahrungen der Teilnehmer mit
Human Centered Design.
Jürg: Die Tools, die uns mittlerweile für das Design von Kunden-
erlebnissen zur Verfügung stehen, sind faszinierend. Wir müs-
sen nichts im Kundenerleben als gegeben hinnehmen, sondern
können gezielt steuern, wo es Highlights geben soll und wo wir
mit Low-Lights leben können. Früher gab es bei der Swisscom
eher ein Produkterlebnis. Historisch gesehen standen Ingeni-
eure hinter dem Erfolg. Zuerst gab es jeweils das Produkt, das
sie sich ausgedacht hatten, dann wurde es vermarktet. Heute
versuchen wir anders herum zu denken: Wir legen fest, was
ein Produkt für den Kunden leisten soll, und dann erst wird es
entwickelt.
Christina: Das setzt voraus, dass wir zunächst die unausge-
sprochenen Bedürfnisse der Kunden sehen müssen. Ich plädiere
immer wieder dafür, sich in dieser ersten Phase der Innovation
ein paar Tage Zeit zu nehmen. Man braucht mentalen Freiraum
und ein Team, in dem Menschen mit unterschiedlichen Blick-
winkeln arbeiten.
Ruedi: Für den B2C (Business to Customer) Bereich ist das
leicht vorstellbar: Man sieht den Kunden als Zeitungsleser oder
Shopbesucher ja quasi ständig vor sich. Aber im B2B-Geschäft
(Business to Business) sind sehr viele Individuen auf der Kun-
denseite involviert. Unsere Kundenerlebniskette gleicht mehr
einem Kundenerlebnisteppich. Der Einkäufer erlebt anderes
und hat andere Bedürfnisse als derjenige, der die Rechnung
bezahlt.
Damian: Was wäre hilfreich beim Design von Customer
Experience?
Christina: Der Raum ist ein Erfolgsfaktor. Er bildet die Kulisse
für eine andere, offene Denkweise. Wer sich räumlich vom
täglichen Geschäft entfernt, kann auch gedanklich neue Wege
gehen. Deshalb haben wir das neue ProjectGym geschaffen.
Es bietet freie Räume, in dem sich ein Team aus allen Bereichen
zusammenfinden kann.
Jürg: Im bereits lancierten Projekt «Natel Infinity» habe ich vor
allem darauf geachtet, dass ich im Team Menschen mit unter-
schiedlichem Background habe, die unterschiedlich denken.
Es gab Kreative und Systematiker – das sorgte für eine spe-
zielle Dynamik. Der Kommunikationsfachmann musste eben
auch über Preisgestaltung nachdenken. Anfangs war es
schwierig, aber später, als er die Agenturen briefen musste,
war er im Thema und wusste genau, welche Geschichte wir
erzählen wollten.
Ruedi: Im Grosskundenbereich sind die Projektmanager jetzt
CX Manager – allerdings oft nur dem Namen nach. Die offene
Denkhaltung über Nischen hinweg, das Querdenken, hat sich
noch nicht ganz durchgesetzt. Wir haben eine Taskforce auf-
gestellt, die mit Human Centered Design Methoden neue
mobile Produkte für Grosskunden entwickeln soll. Für das
Projekt haben wir Leute aus der Linie herausgenommen und
hoffen, dass sie die damit erlebten Erfolgsgeschichten im
Unternehmen weitertragen.
Damian: Gibt es denn etwas, was sich durch Human
Centered Design im Produkt ändert?
Ruedi: Bisher fehlte oft die Einfachheit. Ich bin selbst Ingenieur.
Wir neigen dazu, Produkte mit Funktionalität zu überfrachten.
Aber was nutzt man denn wirklich bei einer Fernbedienung
mit 40 Knöpfen? Im Endeffekt sind es immer die gleichen 5
Tasten, auf die man drückt. Also: Weniger ist mehr! Das gilt
auch für Preispläne. Wir wollen die Kunden nicht länger mit
Details überfordern.
Jürg: Es gibt gerade bei Preisplänen zu viele Optionen, weil
man in der Vergangenheit versucht hat, allen Kunden gerecht
zu werden. Das ist auch für die Mitarbeiter kaum zu handhaben.
Wir müssen den Spagat schaffen zwischen individueller Be-
treuung und Praktikabilität.
Christina: In jedem Design-Prozess ist anfangs alles offen. Man
sammelt alle Ideen. Im Sinne der Einfachheit entscheidet man
später und wirft einiges wieder raus. Das braucht Mut und
Disziplin. Jemand muss die Verantwortung übernehmen. Im
Management, das dafür zuständig ist, sind die Human Centered
Design Kompetenzen aber nicht überall gleich gut. Deshalb
geht bei der Entscheidung die Kundensicht manchmal verloren.
Wir würden uns einiges an Fehlern und Zeit ersparen, wenn
die Entscheider auf unsere Design-Fachleute zurückgreifen
würden. Auch das kann das ProjectGym leisten.
Damian: Man spart auch einiges an Zeit, wenn man
Kunden eine Beta-Version testen lässt. Was haltet ihr
davon?
Christina: Das geht nicht bei jeder Marke und nicht bei jedem
Produkt. Die Beta-Version eines Preisplans zu nutzen, ist un-
denkbar. Hier kann ein Menge Vertrauen verspielt werden. Aber
wir haben bei der Ausgestaltung unserer Shops mit Prototypen
gearbeitet und 16 Versionen getestet, bis wir wirklich zufrieden
waren.
Damian: In vielen Unternehmen hört man von der
Bremsschicht «Mittleres Management». Die Führungs-
ebene will CX, die Mitarbeiter im Kundenkontakt sind
schnell dafür, doch die Teamleiter scheinen schwer zu
überzeugen. Was tut die Swisscom dafür?
Christina: Es ist ein Kulturwechsel. Wir machen Fortbildungen
und Coaching. Ausserdem setzen wir auf virale Verbreitung.
Wer Erfolgsgeschichten im Kadermeeting weitererzählt, trägt
dazu bei.
Jürg: Als besonders wirkungsvoll haben sich Feedbackrunden
bei Iterationen herausgestellt. Wir laden Kader ein, unsere
Prototypen zu bewerten. Die meisten geben gutes Feedback.
Gleichzeitig sind sie einbezogen, lernen die Methoden kennen
und können bei Abschluss des Projekts nicht mehr querschlagen,
denn ihre Argumente sind ja in den Prozess eingeflossen.
7. CUSTOMEREXPERIENCEFORUM97
ERSTE
BANK
FALLSTUDIE: ERSTE BANK ÖSTERREICHISCHEN SPARKASSEN
ANDREA BÖHM JAN SCHÜPBACH
Ideen animieren, projizieren und
dann profitieren
Die Erste Bank der österreichischen Sparkassen hat den Schritt
nach vorn, an die Kundschaft geplant und gewagt. Im September 2013
wurde das Experiment «s Lab» gestartet. Alle Kunden und Kundinnen
wurden animiert und eingeladen, die Zukunft von Erste Bank und
Sparkasse online mit zu gestalten. Darüber referierte Andrea Böhm, die
Customer Experience Managerin der Bank, zusammen mit Jan
Schüpbach, Co-Creation Manager des s Labs.
Mit einer völlig neuen Initiative will man die Kund-
schaft direkt und effektiv ansprechen. Nach dem Motto:
«Love it, Change it, Leave it!» wurden Kunden und
Kundinnen der Erste Bank und Sparkasse in Österreich
aufgefordert, ihre Bedürfnisse, Kritik und Verbesse-
rungsvorschläge online mitzuteilen. Seit dem Start von
s Lab im September 2013 sei die Reaktion und Aktivität
sehr rege, anregend und produktiv, finden die Customer
Experience Manager.
Die Erste Bank wurde bereits 1819 gegründet und bedient
heute mit den Sparkassen 3,2 Millionen Kunden in Österreich.
Die Strategie ist abgesteckt: «Wir wollen die Bank der ersten
Wahl sein, Beratungs- und Servicequalität bieten, wollen zu-
gänglich und transparent sein sowie innovative Bankprodukte
anbieten.», verkündete Andrea Böhm die Ziele. Um sie zu
erreichen, seien Veränderungen nötig. Und um die Verände-
rungen zu schaffen, bräuchte man den Mut, sich auf die Kunden
und Kundinnen zuzubewegen. Diesen Mut brachten Manage-
ment und Mitarbeitende auf: Die neuste Initiative wurde im
September 2013 gestartet. Statt «verweilen und abwarten»
hiess es «vorwärts gehen und animieren».
Erste Bank und Sparkasse gingen also in die Offensive. «Wer
den Löwen beim Jagen sehen will, geht nicht in den Zoo, son-
dern reist in den Dschungel.», beschrieb Referentin Andrea
Böhm sehr anschaulich, was hinter der Initiative «s Lab» steckt.
Man wolle eben die Kunden verstehen, und sie – der entschei-
dende Punkt – aktivieren und mitgestalten lassen. Das An-
liegen: Offen auf die Menschen zugehen, ihre Kritikpunkte
entgegennehmen, sie einbinden und die Zukunft der Bank
gemeinsam gestalten. Kunden sollen an der Produktentwick-
lung und -verbesserung aktiv teilnehmen.
Plattform für Ideenmanagement
Die verantwortliche Managerin Böhm zeichnet die Entwicklung
des Sparkassenlabors «s Lab» nach – vom Ausgangspunkt,
der groben Idee, über die Umsetzung bis zu ersten Erfahrungen.
Das Ziel war umrissen. Dazu brauchte man eine Online-Platt-
form. Wichtig war es, weiss Andrea Böhm, das richtige Team
zusammenzustellen – mit Mitarbeitenden aus der Marktfor-
schung, aus dem IT-Bereich, aus der digitalen Werbung, dem
Community- und Innovationsmanagement. Mit einem Partner
aus München wurde die Ideenmanagement-Plattform aufge-
baut. Gemeinsam wurde geklärt, wie das Angebot aussehen
sollte: Sollte man ausschliesslich über von uns vorgegebene
Projekte diskutieren? Oder können auch die User die Themen
vorgeben? «Wir haben uns entschlossen, auch offene Beiträge
zuzulassen.», berichtete Andrea Böhm. «Wir wollten von Anfang
an eine Fülle von Interaktionsmöglichkeiten mit dem s Lab
anbieten. Die User sollten nicht nur mit uns, der Bank, in Kontakt
treten, sondern auch untereinander. Die Kommunikation unter
den Nutzern sollte gefördert werden.» Ein weiterer wichtiger
Punkt betraf die Belohnung oder Honorierung des Engage-
ments. «Wir haben uns für einen Gamification-Aspekt entschie-
den.», so Andrea Böhm, «so erhalten unsere User Punkte, die
freilich nicht für irgendetwas einzulösen sind.» Die Punkte
dienen dazu, den Status, das Level der Nutzer anzuzeigen. Es
gibt Badges, etwa die ‚Heldin des Monats’. «Wir wollen enga-
gierte, initiative, kreative Köpfe. Und die Leute sollen einfach
Freude haben, dabei zu sein und mitzugestalten.»
Kreatives Potenzial managen
Am Stichdatum 8. Oktober waren bereits 335 User registriert,
mit 155 Beiträgen und 154 Kommentaren, am 15. Oktober dann
schon 353 User, 175 Kommentare und 184 Kommentare. Das
Konzept funktioniert. Der Community-Gedanke ist angenom-
men worden, der Austausch ist rege. Viele sind bereit, sich
mitzuteilen und auszutauschen. Es ist nun Aufgabe des
Customer Experience Managements, das kreative Potenzial
und Know-how zu strukturieren und zu kanalisieren, das heisst,
User und ihre Beiträge zu managen. Jan Schüpbach – neu
installierter Co-Creation Manager des s Labs – setzt den
Schlusspunkt: «Die Leute sollen sich verstanden und begleitet
fühlen. Wir kommunizieren darüber, wo wir stehen, wohin wir
sie mitnehmen und was das Ziel unserer Reise ist. So laden
wir die Nutzer und Nutzerinnen nach der Ideengenerierung im
s Lab zu Co-Creation Workshops ein. Das Ziel ist es, die Ideen
aus dem s Lab sowie jene, die im Workshop direkt entstehen,
zu evaluieren und letztlich die Konzepte an unsere internen
Designprozesse anzudocken.»
ERKENNTNISSE
«Wer den Löwen beim Jagen
sehen will, geht nicht in
den Zoo, sondern reist in den
Dschungel.»
Die User sollten nicht nur mit
der Bank in Kontakt treten,
sondern sich auch untereinan
der austauschen.
Man sollte die Kunden
verstehen, sie aktivieren und
mitgestalten lassen.
ANDREA BÖHM
Customer Experiecnce Manager,
Erste Bank der Österreichischen
Sparkassen Der Mann mit dem Ideen Gebilde.
JAN DIMITRI SCHÜPBACH
Co-Creation Manager s Lab,
Erste Bank der Österreichischen
Sparkassen
8. CUSTOMEREXPERIENCEFORUM98
INNOFACT
STIMMT
FALLSTUDIE: INNOFACT STIMMT
DR. STEFAN NIEBRÜGGE DR. STEFAN LEUTHOLD
Kunden verstehen lohnt sich:
CX treibt den NPS und die
Kaufbereitschaft.
Immer noch stossen überzeugte Verfechter des Customer Experience Manage-
ments in den Unternehmen auf Vorbehalte: CX sei zu wenig messbar. «Wir sind
doch schon kundenorientiert» und «Der Aufwand lohnt sich nicht», glaubt die
Geschäftsleitung. Ausserdem reiche die Erhebung des Net Promoter Score aus.
Die promovierten Psychologen Stefan Leuthold und Stefan Niebrügge haben
nun aber wissenschaftlich erwiesen, dass die Geschäftsleitung einem Irrglauben
aufgesessen ist.
Zusammen mit dem Marktforschungsinstitut INNO-
FACT hat die Stimmt in einer für die Schweiz reprä-
sentativen Studie die Customer Experience von Ver-
sicherungen, Banken, Online-Shops, Telcos und
Medienunternehmen untersucht. Dabei traten erstaun-
liche Zusammenhänge zwischen CX, NPS und Kauf-
bereitschaft zutage.
«Für die Studie haben wir aufgrund der bekannten Bedürfnis-
Pyramide von Forrester Research sechs Statements formuliert»,
erklärt Stefan Leuthold. Das Modell postuliert, dass die Be-
dürfnis-Erfüllung die Basis der Kundenzufriedenheit bildet.
Die Einfachheit, mit der die Kunden dieses Ziel erreichen, stellt
den Mittelbau dar. Die angenehmen Erlebnisse dabei bilden
die Spitze. Tausend Befragte sollten angeben, in welchem Grad
sie den Statements zustimmen. Sie durften aus den fünf Bran-
chen immer dasjenige Unternehmen auswählen, über das sie
am besten Auskunft geben konnten. So waren die Forscher in
der Lage, zu insgesamt 48 Unternehmen Daten zu CX, dem
NPS und der Kaufbereitschaft zu sammeln. Ausserdem wurden
demographische Angaben wie Alter, Geschlecht und Dauer
der Kundenbeziehung erhoben. «Wir wollten herausfinden, in
welcher Wechselbeziehung die drei Messgrössen zueinander
stehen», so Leuthold. Mathematisch exakt konnten die Psy-
chologen ein populäres Vorurteil nach dem anderen entlarven.
«CX ist recht gut genau messbar. Die Werte der untersuchten
Schweizer Unternehmen sind alles andere als perfekt. Und am
wichtigsten: Eine gute CX zu haben zahlt sich aus.
Gute CX sorgt für guten NPS
Die Werte in Bezug auf Kundenerfahrungen schwanken bei
den meisten der untersuchten Unternehmen zwischen «ganz
okay» und «gut». Kein einziges Unternehmen erreichte ein
«hervorragend», dafür waren sechs gerade mal «genügend».
«Hätten wir internationale CX Profis wie Apple oder Amazon
einbezogen, wäre das Ergebnis sicher anders ausgefallen», so
der Stimmt-Partner. «Bei den Schweizer Unternehmen ist
eindeutig noch Platz nach oben.» Faszinierend deutlich war
die Korrelation zwischen guten Kundenerlebnissen und der
Weiterempfehlungsrate. Stefan Leuthold wird energisch:
«Wenn ihr etwas im Unternehmen bewirken wollt, wollt ihr
sicher Wachstum oder Profitabilität – also wollt ihr den NPS
steigern. Und schaut mal, was ein gutes CX bewirkt: Ein Un-
ternehmen kann den NPS um 90 Punkte steigern, wenn es
seine Customer Experience um einen einzigen Punkt verbes-
sert!» Längst nachgewiesen ist der Zusammenhang zwischen
ERKENNTNISSE
CX ist messbar und es ist
nachweisslich wirtschaftlich
sinnvoll.
Gute Kundenerlebnisse haben
einen grossen Einfluss auf die
Weiterempfehlungsrate.
Bei der Verbesserung des
CX helfen Segmentierung und
Customer Journeys
DR. STEFAN LEUTHOLD
Partner, Stimmt
DR. STEFAN NIEBRÜGGE
Vorstand, Innofact
guten NPS Werten und einem guten Wachstum und Profitabi-
lität. «Promotoren sind profitablere Kunden als Detraktoren.
Also sind Unternehmen mit mehr Promotoren profitabler als
Unternehmen mit mehr Detraktoren.» CX sorge für reale Wert-
schöpfung. Allein den NPS zu erheben reiche nicht, weil man
dann noch nicht wisse, wo man für Verbesserungen genau
ansetzen müsse.
Umsetzungstipps vom Marktforscher
Hat sich ein Management erst einmal zu CX durchgerungen,
können die Wissenschaftler noch fundierte Tipps für die Um-
setzung eines Programms geben. «Die Kundensegmentierung
und die Ausarbeitung von Customer Journeys bilden unstrittig
die Basis für ein erfolgreiches CX.», sagt Stefan Niebrügge.
Denn nicht jeder Kunde braucht die gleiche Customer Experi-
ence. «In einem Schwimmbad gibt es Planscher, Athleten,
Wellnesser, Familien und andere Nutzer.», gibt er als Beispiel.
«Der Betreiber muss sich überlegen, welche Zielgruppen er
bedienen will und welche nicht. Will er expandieren, lohnt auch
ein Blick auf die Nicht-Nutzer und die Gründe für ihre Absti-
nenz.» Hat man die Gruppen identifiziert, helfen idealtypische
Personas, sich die Zielgruppe und ihre Bedürfnisse plastisch
vor Augen zu führen. «Auf diese Art kommen wir vom undif-
ferenzierten Massenmarketing zum kundenindividuellen
Marketing.»
Das immer gleiche Vorgehen
Die Marktforscher beginnen mit dem Sammeln von Material
und lassen auf einem Fragebogen Statements zum Kundener-
lebnis bewerten. Diese vielen Statements werden dann mittels
Faktorenanalyse geclustert. Dann weiss man genau, welche
Statements wie zusammenhängen. Hat man siebzig State-
ments, werden daraus vielleicht neun Einstellungsdimensionen
oder eben Faktoren. Das können Beschreibungen sein wie
«treu» oder «preissensitiv». Kombiniert mit soziodemografi-
schen Daten erhält man Typen. Man vergleicht in mehreren
Durchgängen die Aussagen und Daten und bekommt Gruppen,
zum Beispiel «über 60 Jahre alte Online Shopper, die selten
zuhause sind und wenig auf den Preis achten.». Innerhalb der
Segmente hat man also Personen, die sich ähnlich verhalten,
und die man mit derselben Ansprache und denselben Marke-
ting-Massnahmen gewinnen kann. Nach Aussen sind die
Segmente klar abgegrenzt. Der Unterschied zwischen den
Kundengruppen ist so gross, dass dieselben Angebote kaum
überall eine gleich gute Customer Experience bewirken
können.
Von den 48 gemessenen Unternehmen ist kein
einziges Unternehmen Hervorragend. Die
Werte in Bezug auf Kundenerfahrung schwanken
bei den Unternehmen, so erreichten lediglich
10 Unternehmen ein Gut, 32 ein OK und 6 Unter
nehmen sind Ungenügend.
Die Regressionsanalyse zeigt den erstaunlich
starken Zusammenhang von Customer Experience
und Net Promoter Score.
9. HELSANABis zum Jahr 2010 war das Thema Social Media bei
Helsana ein Tabu. Was, wenn auf der eigenen Facebook-
Fanpage etwas zum Thema Einheitskasse gepostet
wird? «Nein danke!», lautete der Tenor. Doch dann kam
der Herbst 2010 und mit ihm ein massiver Prämienan-
stieg. Nichts ging mehr. Der Servicelevel war im Keller,
der Kundendienst stark überlastet. Mit den angestamm-
ten Strukturen weiterzuarbeiten, konnte nicht die
Lösung sein. Doch welche Massnahmen adressiert man,
damit das Unternehmen ein Jahr später nicht vor den-
selben Herausforderungen steht? Die Konzernleitung
erkannte das Problem und leitete für 2011 folgende
unkonventionelle Massnahmen ein: Alle Mitarbeiten-
den aus dem Konzernbereich Produkte – vom Back-
office-Mitarbeitenden bis zum KL-Mitglied (und als
Special Guest der CEO) – wurden für zehn Tage zum
Dienst im Contactcenter eingesetzt, um die Mitarbei-
tenden an der Front zu unterstützen und vom Kunden-
kontakt zu lernen. Ein weiteres Zeichen, dass die an-
fängliche Skepsis der Geschäftsleitung überwunden
wurde: Der Antrag auf Social Media im Rahmen eines
moderierten Kunden-helfen-Kunden-Forums wurde
angenommen. Die Helsana Community als Multiplika-
tor der Customer Experience wurde ins Leben gerufen.
Ein Jahr später wird das Forum noch wenig genutzt
Als nun ein Jahr später die Versicherungspolicen in den Brief-
kästen hunderttausender Kunden eintrafen, erreichten uns die
Kunden per Telefon dank der zusätzlichen Ressourcen aus dem
Management wieder ohne Wartezeiten. Sie suchten deshalb
erst gar nicht nach alternativen Kontaktkanälen wie dem
Kundenforum.
Als sich das Unternehmen die Frage stellte, wie die Commu-
nity Plattform anders genutzt werden könnte – beispielsweise
für gelebte Customer Experience –kam es auf zwei völlig neue
Ansätze: Die Schaffung von online-Mehrwerten zu offline-
Themen und die Sichtbarmachung von Kundenerlebnissen.
Community bietet Mehrwerte
Das unausgesprochene Versprechen von Helsana lautet: «Wir
begleiten Dich». So engagiert sich die Versicherung beispiels-
weise als Sponsor von Sportveranstaltungen wie dem Berner
Frauenlauf. Genau dieses mit positiver Energie geladene
Engagement bringt Helsana nun in Form von Mehrwerten in
die Social Media-Kanäle ein. So steht der Experte, der im Forum
praktische Tipps rund um das Thema Laufen postet, den Be-
suchern am Sportevent persönlich mit einer kostenlosen Lauf-
schuhberatung oder Tipps zu individuellen Lauftechniken zur
Verfügung. Die Helsana Trail App für die 120 Trails, welche
Helsana in der Schweiz unterhält, wird über alle Kanäle kom-
muniziert. Und auch die Nachbetreuung erfolgt via Experten-
Blog mit hilfreichen Hinweisen für Laufbegeisterte.
Die Helsana-Family – erlebte Customer Experience
Die Attiswiler Familie mit den Eltern Michael und Nicole, deren
drei Söhnen Oliver (14), Lukas (11) und Felix (6) sowie Cousin
Florian (12), Grossvater Ruedi, Grossmutter Johanna, Tante
Vreni und Schwiegervater Bernhard ist die vor kurzem ins
Leben gerufene Helsana-Family. «Die Familie macht das
Thema Customer Experience erlebbar. Obwohl sich zuerst
Skepsis gegen zu viel Transparenz regte, dürfen wir die
Helsana-Family bereits nach der kurzen Zeit als Erfolgsstory
bezeichnen.», so Marco Nierlich. Die Familie besucht Helsana-
Events, bloggt im Kundenforum und nimmt an Sportveranstal-
tungen teil. «Mit der Familie vernetzten wir Online, Offline,
Social Media, schaffen Mehrwert und ein durchgängiges
Kundenerlebnis», sagt Nierlich. Dabei sind die Familienmit-
glieder ganz frei in ihren Blog-Themen und der Auswahl ihrer
Helsana-Events. Mit der Familie hat Helsana ein sympathi-
sches Aushängeschild mit Repräsentanten jeder Altersgruppe
gefunden, die ihre Themen und Erfahrungen zu Gesundheit,
Freizeit, Sport und Familienleben mit der Community teilen.
Gleichzeitig wirkt die Familie nach innen: Wertvolles Feedback
zum Krankenkassen-Familien-Alltag wandert direkt von der
Familie in den Service und die Produktentwicklung.
Fazit
Mit der Community und den Familienmitgliedern als realen
Personae ist es Helsana gelungen, Kunden zu involvieren und
Mehrwerte zu transportieren. Die Community ist heute nicht
mehr nur dazu da, um den Kundendienst zu unterstützen,
sondern um mit relevanten Beiträgen Nutzen zu generieren.
Themen, welche Family und Community beschäftigen (wie
beispielsweise Feedbacks zu Mailings oder zur Verständlich-
keit der Kommunikationsmassnahmen von Helsana), finden
sich schon wenig später im Forum wieder. Auch intern wird
der Nutzen immer besser erkannt und Helsana-eigene Themen
wandern zunehmend direkt in die Community, wie beispiels-
weise aktuell das Thema Komplementärmedizin. Und vor allem
kann Helsana mit ihrer Family und Community das ganze Jahr
über mit positiven Kundenerlebnissen und Touchpoints abseits
der Rechnungs- und Prämienwelt punkten.
9CUSTOMEREXPERIENCEFORUM9
MARCO NIERLICH
Projektleiter Bestandesmarketing,
Community Manager, Helsana
Experten liefern praktische Tipps,
beispielsweise zur richtigen Bergauf-Lauftechnik
oder zum richtigen Laufschuh.
Gelebte und erlebte
Customer Experience
FALLSTUDIE: HELSANA
MARCO NIERLICH
Der Kontakt zu Krankenkassen gestaltet sich in der Regel unerfreulich
bis buchstäblich schmerzhaft. Rechnungen, Prämienerhöhungen
und Schadensfälle dominieren die Kundeninteraktion. Doch es geht
auch anders. Helsana suchte nach neuen, positiven Kontaktpunkten.
Und wurde nach einigen Hürden und Mutproben auch fündig.
ERKENNTNISSE
Offenheit und Transparenz
haben sich bewährt.
Eine Community lebt vom
Mehrwert, den sie bietet.
Konkrete Menschen vor
Augen zu haben, hilft in der
Wirkung nach innen und
aussen.
Marathon statt Sprint:
Ausdauer und Hartnäckig
keit zahlen sich aus.
Social Media? Nein danke! Zu viel Transparenz
wollte die Konzernleitung zu Beginn nicht. Heute
sind die Community und die Helsana-Family
eine Erfolgsgeschichte.
12. CHRISTOPH STRZELETZ-IVERTSEN
Human Centered Design Consultant, Swisscom
MARCO WYTTENBACH
Customer Interaction Designer/Projektleiter, Swisscom
Serviceunterbrüche — Das Worst Case Szenario für einen Operator.
Das Ziel: 1 Unterbruch, optimal begleitet und kommuniziert,
sowie 1st Time Right Prinzip beim Routertausch.
CUSTOMEREXPERIENCEFORUM912
SWISSCOM
FALLSTUDIE: SWISSCOM
CHRISTOPH STRZELETZ-IVERTSEN MARCO WYTTENBACH
Das Baustellen-Erlebnis
Kunde an Technik: «Wir benötigen mehr Bandbreite!» Technik an
Kunde: «Wir bauen Dir das Netz der Zukunft!» Und was das
bedeutet, lässt sich nur mit einem Wort beschreiben: Baustelle.
Physische Baustelle und Kundenbaustelle. Aber muss eine
Baustelle immer etwas Schlechtes sein? Swisscom zeigt, wie
man selbst den Telko Worst Case «Dienst ist nicht verfügbar.»
in ein positives Kundenerlebnis verwandeln kann.
Was wäre unser Leben ohne unsere Lieblingsspielzeuge!
Smartphone, Tablet, TV und Youtube, Voice und Tele-
presence, und bitte alles in HD und Stereo. All das
erfordert eine Menge Bandbreite – schliesslich nehmen
die Anzahl der Endgeräte und die Intensität ihrer
Nutzung für Kommunikation und Medienkonsum lau-
fend zu.
Nun ist die Swisscom bestrebt, ihr Handeln konsequent an
den Kunden auszurichten und deren Bedürfnisse zu verstehen.
Deshalb ist es erklärtes Ziel, Kunden eine Best Net Experience
zu bieten, die neben dem technischen Angebot von Band-
breite noch eine Vielzahl anderer Facetten hat. Der steigende
Bedarf an höherer Bandbreite ist dabei eine der Herausforde-
rungen. Bewältigt wird sie durch den Ausbau des Glasfaser-
netzes und den Einsatz hybrider Technik. Aber Aus- und
Umbauarbeiten haben Nebenwirkungen: sie bedeuten Service-
unterbrüche! «Wer eine Familie mit pubertierenden Teenagern
zu Hause hat, kann erahnen, welche Unannehmlichkeiten
warten, wenn es zu mehrfachem Youtube- und Facebook-
Entzug kommt,» sagt Christoph Strzeletz-Ivertsen. Eine zweite
Herausforderung folgt aus der Bewältigung der ersten: Im
Zuge des Technologiewandels zeigte sich, dass bei knapp zehn
Prozent der Swisscom Kunden ein Routerwechsel nötig ist,
damit sie vom neuen Netz profitieren können. Allein schon die
Vorstellung ist für alle nicht-Technik-affinen Anwender ein
Gräuel.
Soll-Erlebnis aus Sicht des Kunden
Eines war nach der ersten Router-Tauschwelle Ende 2012 klar:
Ein längerer Unterbruch ist für die Kunden besser als mehrere
kurze Unterbrüche. Swisscom hat deshalb für die zweite
Welle im April 2013 die kleinen Unterbrüche zu einem zusam-
mengefasst und die Kunden via Brief über die genaue Zeit
informiert. Aber was geschieht erfahrungsgemäss mit so einem
Brief? Der Kunde liest ihn, entscheidet, dass er für ihn nicht
relevant ist und schmeisst ihn weg. Wenn er dann während
des Unterbruchs doch zu Hause ist, erinnert er sich garantiert
nicht mehr an das Schreiben. Deshalb entschied die Swisscom,
den Unterbruch und Routertausch getrennt voneinander zu
kommunizieren. Sie schickte zuerst einen eingeschriebenen
Brief zum neuen Router. Es folgte das Routerpäckli (ohne Ein-
schreiben, damit der Kunde nicht zu Post laufen muss) mit
wichtigen Hinweisen. Im Contactcenter wurde ein «Interactive
Voice-Response»-Menüpunkt zum Thema Routertausch pro-
grammiert, wodurch ein Drittel der Anrufe abgefedert werden
konnten.
Einige Kunden mussten an den Routertausch erinnert werden.
Zur Motivation schickte Swisscom diesen Kunden eine
Schokolade gemeinsam mit dem Reminder zur Motivation.
Doch bei der Swisscom sind Vertragsinhaber und Nutzer eher
selten dieselbe Person. Den Brief lesen also meistens Eltern.
Die jugendlichen Nutzer bleiben eventuell uninformiert. Deshalb
erinnerte die Swisscom ihre Kunden zusätzlich multimedial
via Nachrichten auf dem Browser, auf dem TV und/oder mittels
SMS. Anschliessend folgte der Reminder, dass der Unterbruch
nun tatsächlich stattfinden wird. Wenn es so weit ist und alle
Medien abgeschnitten sind, kann es trotzdem sein, dass ver-
wunderte Kunden vom Handy aus bei der Swisscom nach-
fragen. Für diesen Fall läuft wieder die IVR, dass der Service
gerade jetzt unterbrochen ist mit der Info, wann wieder alles
funktionieren wird.
Mit Taste Buy zum ROI
Der Routertausch war nachträglich betrachtet der «kleinere»
Auftrag – er betraf knapp zehn Prozent der Kunden. Doch von
einem Serviceunterbruch sind alle Swisscom Kunden betroffen.
Sie werden mit verschiedenen Marketing-Massnahmen über
ihre neuen Möglichkeiten im Netz informiert. Eine Option ist
hier «Taste Buy». Der Kunde kann nach dem Unterbruch
einfach und ohne Aufwand neue Serviceerlebnisse kennenler-
nen und testen. «Statt nur mit Text-getriebenem Marketing zu
arbeiten, wollen wir unseren Kunden direkt nach dem Umbau
ermöglichen, die Vorteile, von denen wir sprechen, persönlich
zu erleben. Sicherlich auch mit dem Ziel, den Kunden für die
neuen und erweiterten Produktangebote zu interessieren und
zu begeistern», sagt Christoph Strzeletz und spricht den letzten
Schritt im Soll-Erlebnis der Kunden im Unterbruchsprozess an.
Wie haben die Kunden reagiert?
Swisscom befragte ihre Kunden, wie sie den Routertausch und
den Serviceunterbruch erlebt haben. Die Ergebnisse sind er-
freulich: Im Vergleich zur ersten Welle im Dezember 2012 haben
die Kunden den gesamten Vorgang des Routertauschs als
wesentlich einfacher erlebt. Die Einfachheit des Routertauschs
korreliert stark mit der erlebten Einfachheit des gesamten
Prozesses. Die Schokolade im Erinnerungsschreiben sowie der
neue Anleitungsfilm auf den Hilfeseiten wurden ebenfalls
mehrheitlich als positiv wahrgenommen.
Das höchste Gut der Swisscom ist das Vertrauen ihre Kunden.
Diese sollen den Unterbruch verstehen und nicht im Vertrauen
erschüttert werden. Die Kunden in zwei Wellen durch den
Prozess zu begleiten, lieferte wichtige Erkenntnisse. «Der Satz
‚der Dienst ist nicht verfügbar’ ist das Schlimmste für einen
Operator», so Marco Wyttenbach. «Aber Dank der Informationen
versteht und akzeptiert der Kunde den Unterbruch.» Und wer
weiss, vielleicht kommt er dank Taste Buy beim direkten
Vergleich auch auf den Geschmack und bestellt ein Upgrade
auf sein Abo.
ERKENNTNISSE
Nicht immer den Kunden
fragen, was er möchte,
sondern konkrete Hand
lungsangebote unterbreiten.
Frühzeitiges Prototyping:
Einholen von Feedback
zahlt sich aus, da schnelles
Lernen möglich wird.
Nicht nur stur Aufträge
entgegen nehmen, sondern
frühzeitig versuchen zu
verstehen, wo die wirklichen
Probleme sind.
13. FACHHOCH-
SCHULE
NORDWEST-
SCHWEIZ
CUSTOMEREXPERIENCEFORUM913
FALLSTUDIE: FACHHOCHSCHULE NORDWESTSCHWEIZ
PROF. DR. NIKOLINA FUDURIC
Die Geburtsstunde des Wow
Nikolina Fuduric erzählt gerne Geschichten. Das sei ihr
kroatisches Erbe, sagt die Amerikanerin, die auf besten
Wege ist, sich in der Schweiz einbürgern zu lassen.
Aktuell erzählt und sucht die Forscherin Geschichten
zum Thema Authentizität. Sie hat die These aufgestellt,
dass ein Kundenerlebnis nur dann einen «Wow»-Effekt
hat, wenn es von authentischen Mitarbeitern vermittelt
wird.
Jeder kann sich das vorstellen: Wenn der Angestellte am Tresen
nur deshalb einen schönen Tag wünscht, weil es in seinen
Arbeitsvorschriften steht, dann kann man auf den Gruss auch
verzichten. Die Mitarbeiter im Kundenkontakt haben es aber
wirklich nicht leicht: Um unternehmensweit ein standard-
mässig gutes CX zu gewährleisten, haben viele Firmen detail-
lierte Handlungsanweisungen herausgegeben. Das Verhalten
der Angestellten ist zu einem Differenzierungsmerkmal für die
Marke geworden. Aber wie weit dürfen die Vorschriften gehen?
Wie soll man gut gelaunt auf die Kunden zugehen, wenn man
Kleidung tragen muss, in der man sich nicht wohlfühlt? Wie
kann man ordnungsgemäss sympathisch und offen wirken,
wenn man von Haus aus nun mal schüchtern ist? Mitunter hat
die richtige Person den falschen Job. Und nicht jeder kann gut
mit den Anforderungen umgehen: «Manche Angestellte haben
sich eine Business-Persönlichkeit geschaffen.», konstatiert
Nikolina. «Sie tragen im Geschäft eine Maske und sind nur
nach Feierabend sie selber.» «Authentisches Verhalten bleibt
dabei logischerweise auf der Strecke.»
Die Unternehmenskultur ist der Schlüssel
Professor Fuduric hat als Beraterin Einblick in die Praxis unter-
schiedlichster Unternehmen bekommen. «Im Workshop sind
sich die Manager schnell einig, was passieren muss, um die
Orientierung auf den Kunden zu verbessern – aber wenn man
nach einem halben Jahr wieder dort ist, ist oft nichts davon
umgesetzt.» Die Gründe für die Probleme bei der Implemen-
tierung seien meist die gleichen. Es geht um Vorbehalte der
Mitarbeiter. Sie reichen von «das darf ich nicht» über «das
bringt ja doch nichts» bis zu «das geht mich nichts an». «Sehr
verbreitet ist auch die Angst vor Fehlern.», so Nikolina Fuduric.
«Also tun die Mitarbeiter vorsichtshalber gar nichts.» Einen
typischen Fall hat die Professorin bei einer kleinen Firma in
Basel erlebt: «In dem Unternehmen wussten die Chefs durch
Customer Journey Analysen genau, wo ihre Probleme lagen.
Die Angestellten am Front End aber gaben vor, dass alles
reibungslos laufe.» Offenkundig hatten sie Angst vor Verände-
rungen. Die Mikrokultur im Unternehmen stimmte nicht. Sie
erlaubte den Angestellten nicht, sich authentisch zu verhalten.
Es mangelte an Mut. «Nur wenn wir den Mut finden, uns
authentisch zu verhalten, brechen wir aus den ‚business as
usual’ aus und kommen zu neuen Win-Win-Situationen.», glaubt
die Wissenschaftlerin.
Kollektive versus individuelle Authentizität
Wer in einer Organisation arbeitet, muss sich an zahllose im-
plizite und explizite Regeln halten. Doch wann sind die Regeln
so starr, dass aus der Community quasi eine Sekte wird und
die positiven Effekte ins Gegenteil umschlagen? Das will Pro-
fessor Fuduric erforschen. Ende 2014 will sie Ergebnisse vor-
legen und vielleicht ein Tool für die Messung des Grads der
Authentizität zur Verfügung stellen. Damit würde das Thema
endlich akademisiert. «Noch steht es weit oben auf der Bedürf-
nispyramide, doch ich gehe von der These aus, dass es von
grundlegender Wichtigkeit ist.» Ganz von vorne anfangen muss
die Wissenschaftlerin nicht. Die bisherige Forschungsliteratur
kennt immerhin schon Strategien für die Konstruktion, den
Erhalt, die Verstärkung, die Instand-Setzung und den Ausbau
von Legitimität im Unternehmen (Beaulieu Pasquero 2003).
«Möglicherweise lassen sich hier Erkenntnisse auf die Authen-
tizität übertragen.» Ausserdem haben Yagil und Medler-Liraz
2013 fünf Dimensionen von Authentizität in der Interaktion mit
Kunden festgestellt. Demnach gibt es menschliche Eigenschaf-
ten, die dem authentischen Service entgegen stehen, es gibt
aber auch die Identifikation mit der Aufgabe, die psychologische
Autonomie (die durch spontanes Verhalten und Gefühle mal
mehr, mal weniger förderlich ist), das ehrliche authentische
Verhalten und die Kosten von Authentizität. Wer ganz er selber
ist, muss gegebenenfalls mit sozialer Ablehnung, Kontrollver-
lust und dem Gefühl der Illoyalität leben. Um die Modelle zu
diskutieren und mehr über Authentizität im Customer Service
herauszufinden, sucht Professor Fuduric nun noch Fallbei-
spiele aus der Praxis.
ERKENNTNISSE
Authentisches Verhalten
von Führung und Mitarbei
tern ist unverzichtbar.
Die Unternehmenskultur
muss den Mut zur Authen-
tizität fördern.
Wir brauchen ein Tool für
die Messung des Grads der
Authentizität.
In der Theorie findet jeder Kundenorientierung gut. Kein Kunde,
kein Manager, kein Mitarbeiter wird sagen, dass es falsch ist,
sich auf die Bedürfnisse der Kunden auszurichten. In der Praxis
aber tun sich die Unternehmen schwer. Die Umsetzung von
kundenorientierten Strategien scheint oft an der organisatorischen
Komplexität zu scheitern. Warum, fragt sich Nikolina Fuduric.
PROF. DR. NIKOLINA FUDURIC
Institute for Competiveness Communication,
Fachhochschule Nordwestschweiz
Authentisches Verhalten trotz Verhaltenskodex und unterschiedlichsten
Charaktereigenschaften — eine Herausforderung.
15. 15CUSTOMEREXPERIENCEFORUM9
FALLSTUDIE: CONNECT HEARING
DAVID RESCH
ERKENNTNISSE
800 Millionen Menschen
leiden an Hörminderung,
aber nur ein Bruchteil
davon kann oder will
Hörhilfen annehmen.
Eine freundliche Atmos-
phäre mit, einem Licht-,
Duft- und Soundkonzept
sorgt für Akzeptanz.
Den Kunden annehmen,
begeistern und wie
einem König begegnen!
DAVID RESCH
Senior Marketing Manager,
Connect Hearing
CONNECT
HEARING
Der Kunde ist König!
Unter dem Motto «Hear the World» ist Sonova angetreten, das richtige
Hören den Menschen schmackhaft und dienlich zu machen. Die Sonova
Holding AG ging am 1. August 2007 aus der Phonak Holding AG
hervor. Sonova hat eine Initiative entwickelt, den internationalen Markt
mit neuem Kunden-Konzept umzugestalten und zu beleben. David
Resch, Senior Marketing Manager Connect Hearing, berichtete über
seine Erfahrungen.
Mit einer neuen Marketinginitiative ist Sonova angetre-
ten, Kunden zu bestärken sich Hörschwächen zu stellen
und entsprechende Hörhilfen anzunehmen. «Connect
Hearing» heisst die Lösung des POS-Konzepts. Dabei
geht es um nichts anderes als um das Wohlbefinden der
Kunden, um innovative Überzeugungsarbeit, Hörver-
ständnis und Verbesserung.
Die Sonova Holding AG mit Hauptsitz in Stäfa führt die Hör-
geräte-Marken Phonak und Unitron sowie Advanced Bionics,
ihrerseits bei der Entwicklung moderner Cochlea-Implantate.
Die Connect Hearing Group als Servicenetzwerk von Hörge-
räteanbietern gehört ebenfalls zum Konzern. Diese international
operierende Einzelhandelskette hat sich in ihrem Leitbild
vorgenommen, Information, Aufklärung, Screening, Beratung
und Unterstützung der Kunden zu verbessern und so die
höchstmögliche Kundenzufriedenheit zu erreichen.
Enormes Kundenpotential
Das Geschäft mit Hörgeräten floriert: 2012/13 gab es einen
Umsatz von 1,8 Milliarden Franken, 100 Millionen mehr als im
Vorjahr. Doch auch diese Zahl ist ausbaufähig. Man hat nämlich
festgestellt, dass noch ein enormes Kundenpotenzial vorhanden
ist. Denn 800 Millionen Menschen – 16 Prozent der Weltbevöl-
kerung – leiden an Hörminderung, doch nur ein Bruchteil davon
kann oder will bisher Hörhilfen annehmen. Warum nur so
wenige? David Resch, Senior Marketing Manager, klärt auf:
«61,3 Prozent der Betroffenen meinen, Hörgeräte seien zu teuer.
19,9 Prozent der Leute ist es peinlich, ein Hörgerät zu tragen,
und 17,4 Prozent meinen, es nütze wenig und bringe nichts.
Dabei werden Hörgeräte von den Krankenkassen unterstützt.»
Wenn auch nicht immer komplett, muss man hinzufügen. Kein
Wunder also, dass das Durchschnittsalter der Hörgerät-Nutzer
70 Jahre beträgt. «Man sei alt oder werde als alt betrachtet,
meinen viele», wusste Resch zu berichten. Diese scheinbar
biologische, in Wirklichkeit psychologische Grenze gilt es also
zu überschreiten, ist den Marketingexperten klar. Bei einer
Umfrage (1137 Befragte mit unversorgtem Hörverlust) gaben
50 Prozent der Leute an, trotz Hörminderung oder -verlust noch
keinen Arzt aufgesucht zu haben. Nach der Anpassung eines
Geräts sehen die Aussagen anders aus. 237 Hörgerätebesit-
zer (49 Prozent) der Altersgruppe 45 bis 64 Jahren gaben zu:
«Ich hätte mich viel eher für ein Hörgerät entscheiden sollen.»
36 Prozent meinten gar, dass sich ihr Liebesleben verbessert
hätte, seit sie ein Hörgerät tragen. 70 Prozent bestätigten,
dass sie beim Sport kein Problem mit dem Hörgerät hätten. Das
ist wichtig, denn nicht nur alternde Menschen sind nicht immer
ganz Ohr. 665 000 Kinder wurden und werden jährlich mit
Hörleiden geboren. Aufklärung und Hilfe tut not. Die Initiative
«Hear the World» wurde von Sonova lanciert, um für das Thema
«Hören, Hörminderung und Hörverlust» zu sensibilisieren. Die
Kampagne spricht soziale und emotionale Konsequenzen an,
informiert über Prävention und Lösungen. In diesem Zusam-
menhang wurde die Hear-the- World-Foundation gegründet,
eine Stiftung, die die Betroffenen einer Hörminderung und
ihre Familien unterstützt.
Den Weg zum Hörgerät erleichtern
Sonova will über «Connect Hearing» Filialen den Kunden den
Weg erleichtern ihre Hörprobleme zu lösen, ganz einfach da-
durch, dass sie sich in den Räumen wohlfühlen. Insbesondere
in den USA habe man grossen Nachholbedarf festgestellt, so
David Resch. Viel zu oft glichen die Kabinen bei den Audiologen
dort eher einer beängstigenden Kammer als dem einer freund-
lichen Praxis. Dem soll abgeholfen werden. «Wir wollen eine
freundliche Atmosphäre schaffen mit moderner Technologie,
einem eigens entwickelten Licht-, Duft- und Soundkonzept.»,
referierte David Resch. Man weiss um die Wichtigkeit der
Räumlichkeiten. «Wir verbringen 80 Prozent der Zeit mit Bera-
tung und das bisher auf engem Raum, auf nur 20 bis 30 Prozent
der Ladenfläche. Das muss sich ändern. Wir müssen Kunden
annehmen, begeistern und wie einem König begegnen. So
können wir sie überzeugen, Hörhilfen anzunehmen und ein
Hörgerät zu kaufen.», spricht der Experte Resch. «Der Lobby-
raum sollte nur 20 bis 30 Prozent der Fläche ausmachen. In den
USA haben wir einen entsprechenden Pilot-Store eingerichtet.»
In die Schweiz wird dieses Konzept aber nicht kommen. «Hier
sind wir keine eigenständigen Retailer, sondern reine Bera-
tungsdienstleister.»
Geschichten erzählen
Neben der Hardware – den Stores – spielt auch die Software –
der zwischenmenschliche Kontakt – eine Rolle: «Wir müssen
den Menschen zuhören, und so haben wir die Aktion ‚Better
hearing starts with a story. Tell us yours’ gestartet. Menschen
werden ermuntert, ihre wahre Geschichte zu erzählen.» Die
Testimonials wirken überzeugend, weil echte Kunden sich
dafür zur Verfügung gestellt haben. Lisa Smith ist so eine, die
online erzählt, wie sie Besprechungen nur noch mühevoll folgen
konnte. Sie ist Naturfreundin, verbringt viel Zeit in der Wildnis
unter freiem Himmel. Sie entschied sich für Phonak, ein wasser-
resistentes Hörgerät. «Ihre Aussage ist für uns wegen der
Authentizität der beste Werbespot.», so David Resch.
Das Umfeld soll helfen Betroffene
zu aktivieren.
Echte Kunden geben authentische
Testimonials.
16. BANK
LINTH LLB
CUSTOMEREXPERIENCEFORUM916
FALLSTUDIE: BANK LINTH LLB
RETO HAHN
Einfachheit stiftet Kundennutzen
Ein greifbares Bankprodukt? Eine Flatfee im Banking? Ein Halbtax im
Private Banking? Gibt’s nicht? Doch! Die Bank Linth macht das Banking
richtig einfach für ihre Kunden. Und will damit aus der Vielfalt der
unübersichtlichen Bankenwelt hervorstechen – mit Klarheit, Einfachheit
und viel Kundennutzen.
Auch wenn die Bank Linth die grösste Regionalbank
der Ostschweiz ist, so ist sie doch in der dichten Schwei-
zer Bankenwelt nur eine von vielen. «Die Region ist
overbanked. Es gibt mehr als genug Banken. Und diese
unterscheiden sich weder in ihren Produkten noch in
ihren Kommunikationsbotschaften. Die Auswahl für
den Kunden ist also alles andere als einfach.», so Reto
Hahn. Deshalb setzte die Bank auf Differenzierung.
«Wir wollen nicht ein Berg sein, sondern der Berg. Wir wollen
das Matterhorn der Schweizer Banken werden.» Doch es geht
nicht nur um Differenzierung, sondern in erster Linie darum
Kundennutzen zu stiften. Um herauszufinden, was für die
Kunden zählt, initiierte die Bank Kundenworkshops und fragte
nach, wie sie sich positiv von der grauen Bankenlandschaft
abheben können. Die Ergebnisse? Verblüffend einfach! Nämlich
mit unkomplizierten und intelligenten Lösungen, klarer Sprache
und Nähe.
Einfachheit in drei Etappen
«Wir arbeiten daran, das Bankgeschäft zu vereinfachen, weil
Einfachheit Kundennutzen stiftet.», sagt Reto Hahn. Dazu
zählen Zeitersparnis, Klarheit und Komfort. Um die Einfachheit
zu kommunizieren, entschied sich die Bank Linth für eine ganz
neue Form der Image-Werbung: Statt dauerglücklicher junger
Menschen und Segelboot-Sujets setzt die Bank Linth auf sym-
pathische und einfache Illustrationen. Doch Imagekommuni-
kation ist erst der Anfang. In Etappe 2 geht es darum, einfache
Kundenerlebnisse zu schaffen. Mit Organisation, Methodik und
cleveren Kopien ist es der Bank Linth gelungen, schnell zur
erlebbaren Einfachheit zu gelangen. Die ersten Erfolge liessen
nicht lange auf sich warten: Mit einem konkreten Umsetzungs-
programm und gezielten Leuchtturmprojekten nähert sich die
Bank Schritt für Schritt Richtung Gipfel der Einfachheit.
So einfach wie möglich, aber nicht einfacher
Simplify-Techniken halfen der Bank dabei, sich auf das Wesent-
liche zu konzentrieren, Unwichtiges zu entfernen, Kompliziertes
zu ersetzen. «Wir haben uns neu organisiert. Wir haben die
Masse von der Ausnahme getrennt. Man sollte nicht über
Spezialfälle diskutieren, sonst wird man nie einfach in den
Prozessen oder Produkten.», so Reto Hahn. Auch gegen cleveres
Kopieren spricht für den Leiter Produkt- und Vertriebsmanage-
ment nichts. «Wir haben aus der Branche rausgeschaut und
Bewährtes abgeschaut. Was der Kunde aus anderen Branchen
kennt und schätzt, haben wir übernommen.» Dabei muss das
richtige Mass an Einfachheit gefunden werden – schliesslich
sollen die Kunden nicht das Gefühl haben, die Bank nehme
das Thema auf die leichte Schulter. Frei nach Einstein: «Man
sollte alles so einfach wie möglich machen, aber nicht ein-
facher.» Vier erfolgreiche Leuchtturmprojekte zeigen auf, wie
«richtig einfach» richtig gut ankommt.
Richtig einfach Kunde werden
Weil es für den ersten Eindruck keine zweite Chance gibt,
widmete sich die Bank dem Anfang der Kundenerlebniskette:
dem Eröffnungsprozess. Hierfür hat sich das Unternehmen das
liebgewonnene Starterpaket aus der Telekombranche abge-
guckt und den Erstkontakt massiv vereinfacht: Kunden erhal-
ten ein einfaches Formular mit einem Talon, welcher bereits
Kontonummer, IBAN, BIC etc. enthält. Diesen kann der Kunde
abtrennen und mitnehmen – Sein Konto ist bereits eröffnet.
Den oberen Teil des Formulars füllt der Berater aus und schickt
ihn an das Backoffice. «70 Prozent der Eröffnungen funktionie-
ren über diesen einfachen Prozess.», so Reto Hahn. Nach dem
Besuch bekommt der Kunde das Bank Linth Starterpaket per
Briefpost nach Hause geschickt. Es enthält seine Karte, den
E-Banking-Zugang sowie die Dokumente für den Kunden,
einfach beschriftet und verständlich. Das Ergebnis: Zeiterspar-
nis und Komfortgewinn für 1200 Neukunden seit Mitte 2012
und ein greifbares Bankprodukt, das Freude macht.
Halbtax im Anlagegeschäft
Dass «richtig einfach» auch im Private Banking funktioniert,
beweist die neue Gebührenstruktur. An Stelle der mehrseitigen
Tarifinfos tritt heute eine einzige übersichtliche Seite, die
Klarheit in den Gebührendschungel bringt. Der Kunde wählt
wie beim Bahnfahren den Normaltarif, das Dreiviertel- oder
Halbtax. Das anlegerfreundliche Abo verkaufte sich seit
Januar 2012 über 500 mal und brachte endlich Gebühren-
Klarheit für 14 000 Anlagekunden.
Die erste Flatrate im Banking
Weil Klarheit ein wesentliches Element von Einfachheit ist,
bietet die Bank Linth die erste echte Flatfee im Banking und
einen individuellem Zins, den der Kunde selbst, abhängig von
seinem Sparguthaben, bestimmen kann. Von der richtig ein-
fachen Lösung profitieren seit Mai 2013 bereits 1000 Kunden.
Klartext-Initiative
Verständliche und übersichtliche Kundendokumente waren
das Ziel der Klartext-Initiative. Aus den AGB wurde alles her-
ausgestrichen, was in den letzten 160 Jahren nie eingetroffen
ist, oder wo die Bank ohnehin immer kulant ist. Die Schrift
wurde vergrössert, weniger Wörter, weniger Zeichen, dafür
mehr Absätze sorgen für Verständlichkeit. Die Formalitäten
wurden auf das Minimum reduziert. Anstelle von vier Doku-
menten – die im übrigen alle viermal erstellt, erklärt, gelesen,
verstanden, geprüft und abgelegt werden müssen – tritt neu
ein einziges Dokument. Damit fallen 15 000 Formulare pro Jahr
weg – zur Freude von Mitarbeitenden und Kunden.
Das Fazit von Reto Hahn: «Es ist nicht einfach, richtig einfach
zu sein, aber es lohnt sich!».
ERKENNTNISSE
Schnelle Ergebnisse
motivieren zu noch mehr
Einfachheit.
Masse und Ausnahme
trennen, sonst wird man nie
einfach in Prozessen und
Produkten.
Clever kopieren: von
anderen Branchen lernen
und Gutes übernehmen.
Zu Dir oder zu mir? Mit erfrischenden
Illustrationen kommuniziert Bank Linth wie
einfach Banking sein kann.
Aus vormals 4 Dokumenten wird neu eines —
Das spart 15 000 Formulare pro Jahr.
RETO HAHN
Leiter Vertriebs- und Produktmanagement,
Bank Linth LLB
17. BÄRTSCHI
Bärtschi Optik ist in Bern ein Begriff. Natürlich will
man Brillen und Linsen verkaufen, aber nicht umsatz-
orientiert, sondern engagiert und begeisternd. Wie
kann man Mitarbeitende nachhaltig für Kundenerleb-
nisse begeistern, war die Frage. Und Frank Bärtschi
hatte einige Antworten parat.
Klar und scharf sehen und dabei gut und modisch aussehen,
will jeder – auch wenn er Brillenträger ist. Fachberatungen gibt
es zuhauf auf dem Markt. Was kann man tun, um sich gegen-
über der Konkurrenz durchzusetzen, sich einen Vorteil zu
verschaffen? Das Angebot von Bärtschi Optik in der Berner
Altstadt geht über die reine Brillenpräsentation hinaus. Mode
und Kosmetik sind ebenfalls Thema. Ausserdem haben die
Optiker im August 2013 eine Wohlfühloase für Augenmessun-
gen eingerichtet. Das bedeutet: Mehr Aufmerksamkeit für die
Augen der Kunden. Einher geht damit eine Art Charme-Offen-
sive, die bereits erste Früchte trägt. Bärtschi Optik erhielt 2013
den Internationalen DNEye Award, verliehen von Brillenher-
steller Rodenstock. Die High-Performance-Gläser von Roden-
stock sind eine Sache. Sie seien die derzeit besten Brillengläser
auf der Welt, heisst es. Doch ihre Vermarktung und Vermittlung
sind ebenso wichtig. «Hightech allein macht noch keine Kun-
den glücklich.», weiss Geschäftsführer Frank Bärtschi. «Denn
selbst die beste Technologie ist meistens nur so gut wie die-
jenigen, die sie anwenden. Die optimale Lösung für den Kunden
steht und fällt mit der Beratung, und hier haben wir offensicht-
lich den richtigen Weg eingeschlagen.» Konkret heisst das, es
steht immer der Mensch im Zentrum. «Wir halten uns immer
vor Augen, dass jeder Mensch einzigartig ist. Nur so können
wir die echten Bedürfnisse des einzelnen Kunden herausfiltern
und die optimale Lösung finden.»
Begeistert Kunden begeistern!
Seit 66 Jahren verschafft das Berner Unternehmen Bärtschi
seinen Kunden Durchblick. Natürlich will man vordergründig
vor allem Brillen und Linsen an Mann und Frau bringen, aber
mit Engagement und Einsatz. Dazu müssen die derzeit 36
Mitarbeitenden für Kundenerlebnisse sensibilisiert werden. Sie
sollen begeistert Kunden begeistern. Wie macht man das? Wie
impft man das seinen Mitarbeitenden ein? «Das beginnt bereits
mit der Mitarbeiterauswahl. Klar, geht es auch bei uns um
Leistungsorientierung, aber auch um die persönliche Wirkung
und den Einfluss, und am Ende um Kundenserviceorientierung.
Dieses Ziel muss jedem klar sein.» Sachkenntnis und Kompe-
tenz genügen nicht. Sie sind nur eine Voraussetzung. In der
Mitarbeiterführung legt Frank Bärtschi besonderen Wert auf
das Vertrauensumfeld, das er gezielt im Unternehmen schafft.
«Die Stichworte sind Transparenz – Handlungsraum – Umgang
mit Fehlern.» Das bedeutet: Die Führung muss offensiv agieren
und offen sein, über geplante Massnahmen orientieren, die
Mitarbeitenden teilnehmen lassen. Dazu führe man zweimal
wöchentlich Mikro-Sitzungen individuell für das Personal durch,
berichtete Bärtschi, und einmal wöchentlich am Samstag eine
Sitzung für alle. So könne man nicht nur Gerüchten und Miss-
verständnissen vorbeugen, sondern auch die interne Kommu-
nikation konstruktiv beeinflussen und interne Abläufe opti-
mieren. Fairness gegenüber den Angestellten spielt für den
Optiker auch eine grosse Rolle. «Wir wollen gemeinsam Berge
versetzen, da müssen auch der Lohn und die Life/Work Balance
stimmen.» Der Einzelne darf sich weder ausgenutzt noch über-
lastet fühlen.
Konstruktive Kontrolle
Dem Coaching, internen Schulungen und Weiterbildungen
kommen auf dem Weg zur Kundenorientierung grundlegende
Bedeutung zu. «Die Führung muss Spuren legen. Aber Projekte
und Ziele sowie die Strategie müssen selbst erarbeitet werden.
Wir fragen die Mitarbeiter: Was sind die wirklich guten Ideen?
Was schlagen Sie vor?» So könnten Mitarbeitende einbezogen,
begeistert und motiviert werden.
Trotz des erwähnten Vertrauensumfelds kommt auch Bärtschi
Optik nicht ohne Kontrolle und Kritik aus. Der Begriff ‚Kontrolle’
möge ja negativ besetzt sein, räumt der Unternehmer ein, «Aber
die Frage ist doch: Wie übt man sie aus, wie setzt man Kritik
positiv um. Man kann kontrollieren, um zu loben», verrät Frank
Bärtschi, der mit Feuer und Flamme für offene konstruktive
Kommunikation einsetzt. «Man muss das Ganze betrachten.
Also, wenn dies oder das angesprochen wird, muss man han-
deln. Es muss ein DANN und nicht ein ABER folgen.» Wichtig
seien Echtheit, Ehrlichkeit, Einsatz.
Wer Frank Bärtschis feurigen Ausführungen folgt und seine
Firmen-Performance erlebt, lässt sich anstecken. Er wirkt
authentisch. Sein Erfolgsrezept lautet: Begeisterung aus Über-
zeugung ist ansteckend und begeistert. «Zeit einsetzen, lohnt
sich. Und am Ende gewinnen alle.» Die Firmenphilosophie wird
gelebt und umgesetzt. Dann kann nicht einmal die tägliche
Routine zu einem Nachlassen der Bemühungen führen: «Wer
begeistert ist, lässt sich vom Alltag nicht einlullen, geht moti-
viert auf den Kunden zu und spult nicht nur sein Pensum ab.»
17CUSTOMEREXPERIENCEFORUM9
Begeisterung für den Durchblick
FALLSTUDIE: BÄRTSCHI OPTIK
FRANK BÄRTSCHI
Das Familienunternehmen Bärtschi Optik hat sich auf die Fahnen
geschrieben, nicht nur fachlich und persönlich zu orientieren
und beraten, sondern auch Kunden zu begeistern. Dazu wurde an
der Zeitglockenlaube in Bern im Sommer 2013 eine Wohlfühloase
für Augenmessungen eröffnet und gleichzeitig eine Charme-
Offensive angeschoben. Mitinhaber und Geschäftsführer Frank
Bärtschi berichtete über Hintergründe, Motivationsstrategie
und Umsetzung.
ERKENNTNISSE
Begeistert Kunden
nachhaltig begeistern.
Wir müssen Kunden
annehmen, begeistern
und wie einem König
begegnen.
Die beste Technologie
ist meistens nur so
gut wie diejenigen, die
sie anwenden.
FRANK BÄRTSCHI
Mitinhaber und Geschäftsführer,
Bärtschi Optik
Interne Abläufe optimieren:
Mitarbeiter begeistern, Weichen stellen
18. UCB
BIOSCIENCES
CUSTOMEREXPERIENCEFORUM918
FALLSTUDIE: UCB BIOSCIENCES
UTE CONRADI
Wege entstehen im Gehen
Wer an Parkinson leidet, fühlt sich – wie eine Patientin einmal
erklärte – «wie hinter einer Plexiglasscheibe», selbst in jenen Stunden
des Tages, in denen Medikamente die Symptome unterdrücken.
Für diese Patienten sucht UCB neue Behandlungsalternativen. Wenn
die Wissenschaftler etwas Vielversprechendes gefunden haben,
muss ein Pharmaunternehmen in klinischen Studien die Wirksamkeit
der neuen Medikamente nachweisen. Patienten, die an solchen
Studien teilnehmen wollen, müssen vorher eine Einverständniserklä-
rung unterschreiben. «Diese hat UCB jetzt patientenfreundlicher
gestaltet.», wie Ute Conradi berichtet.
Ein Pharmaunternehmen sucht sich seine Studienteil-
nehmer nicht selber aus. Es sind die Ärzte, die ihre
Patienten fragen, ob sie Interesse an der Teilnahme
haben. «Parkinson-Patienten haben manchmal nur ein
paar gute Stunden am Tag. Wenn wir sie bitten, zusätz-
liche Untersuchungen über sich ergehen zu lassen und
für uns Fragebögen auszufüllen, müssen wir uns be-
wusst sein, wie kostbar diese Zeit für die Patienten
ist.», so Ute Conradi. Im Gegenzug bekommen diese
Menschen die vage Hoffnung, dass es ihnen mit dem
neuen Präparat besser geht als bisher und sie intensiver
von ihrem Arzt betreut werden. «Aber auch Altruismus
ist oft eine Triebfeder zur Teilnahme – nach dem Motto:
Wenn es mir nicht hilft, so hilft es dann doch vielleicht
anderen.», erzählt die Leiterin des Creative Lab, in dem
bei UCB innovative Lösungen entwickelt werden.
Nun hätte die Pharmaindustrie jeden Grund, den Studienteil-
nehmern Wertschätzung entgegen zu bringen, doch die Verant-
wortlichen dürfen nach gesetzlichen Bestimmungen keinerlei
Kontakt zu den Menschen haben. Sie werden wegen der strikten
Neutralität zu einer anonymen Nummer. Doch an einer Stelle
haben die Forscher die Gelegenheit, Patienten direkt anzuspre-
chen: sie müssen eine Patienten-Einverständnis-Erklärung
verfassen. In diesem sogenannten «Informed Consent» werden
potentielle Teilnehmer mit allen entscheidungsrelevanten In-
formationen über die Studie versorgt. Üblicherweise ist dieses
Dokument ein juristisch korrekt formuliertes Formular, das den
Ansprüchen von Wissenschaftlern genügt. «Unser Creative Lab
hat die Aufgabe bekommen, ein Fenster im Elfenbeinturm zu
öffnen: Wir sollten die Patientensicht in diesen Entscheidungs-
prozess einbringen.», sagt Ute Conradi. Dazu befragte das
Creative-Lab-Team Patienten, Ärzte und Angehörige. «Die
meisten waren erfreut, gefragt zu werden. Wir mussten nur
zuhören.» So wurde auch die Idee, die Einverständniserklärung
über einen Tablet-PC abzuwickeln, schnell beerdigt. Ganz
unterschiedliche Argumente von Patienten und Ärzten führten
dazu, uns auf wichtigere Veränderungen im Entscheidungs-
prozess zu konzentrieren.», fügt Ute Conradi weiter an. Das
Verfahren war sehr aufschlussreich: «Wir haben daran gemerkt,
dass wir keine Ahnung von den wahren Patientenbedürfnissen
haben.»
Eintauchen in die fremde Welt
Das Creative Lab organisierte einen Workshop mit Patienten
und Mitarbeitern aus verschiedenen Unternehmensbereichen.
Ganz bewusst wurde dabei die «ja, aber»-Mauer ausgeblendet,
die bisher häufig Kreativität ausgebremst hatte. «Natürlich gibt
es Restriktionen durch Regularien, durch behördliche Geneh-
migungen, aber die haben wir in der ersten Phase einfach
durch die Fokussierung auf die Patientenbedürfnisse ausge-
blendet.» Die Entwickler hörten von den Patienten, dass sie
beim konventionellen Formular oft schon Probleme beim Um-
blättern hatten. Ein gebundenes Dokument wäre hilfreich.
Doch auch der Inhalt des «Informed Consent» war reformbe-
dürftig. Einige Leser hatten Schwierigkeiten, sich auf den
komplizierten Text zu konzentrieren. Andere reagierten mit
Zynismus auf das Amtsdeutsch, in denen die Sätze formuliert
waren. Gemeinsam schufen die Workshop-Teilnehmer zwei
Prototypen. Inspiriert von den Anleitungen für Gesellschafts-
spiele versuchten sie in einer neuen Broschüre, der «Hilfe-
stellung zur Entscheidungsfindung», die notwendigen Infor-
mationen so zu präsentieren, dass man sie schnell versteht.
Dieses Heft kann der Arzt nun dem Patienten aushändigen.
Wenn dieser sich dann für die Studie anmelden will, bekommt
er ein offizielles Dokument, das aber aus dem früheren Amts-
deutsch in Alltagssprache übersetzt wurde.
Skepsis in der Linie
«Sechs Wochen haben wir uns für das Prototyping genommen
und dann im Unternehmen die Ergebnisse vorgestellt.», erzählt
Ute Conradi. «Die Lösung begeisterte, aber bei vielen blieb
auch eine gewisse Skepsis.» «Das kriegt ihr nie durch die Be-
hörden.» war der Tenor. Doch der Erfolg strafte die Skeptiker
Lügen: Sowohl in Deutschland als auch in den USA wurden
die neuen Dokumente von den jeweiligen Behörden genehmigt.
Ein wichtiger Schritt! Als nächstes nimmt sich das Creative
Lab die Beipackzettel vor. Auch hier ist einiges zu tun.
ERKENNTNISSE
Patienten sind auch
Menschen und wollen als
solche wahrgenommen
werden.
Patienten bei der Entwicklung
von Produkten einzubeziehen
bringt Wettbewerbsvorteile.
Die Pharmaindustrie muss
umdenken, denn die
Patienten fordern mittlerweile
Kundenorientierung.
UTE CONRADI
Senior Director, Head of the Biodevelopment
Creative LAB, UCB Biosciences
Traditionell orientierte Manager in der Pharmaindustrie
mussten erst lernen, auf die Patienten zu hören.
19. INITIANTEN
Stimmt Swisscom
– die Initianten
ZEIT
FÜR EINE
BILANZ
2009 haben Swisscom und Stimmt das Customer Expe-
rience Forum begründet. Aus einer kleinen Gesprächs-
runde wurde eine Grossveranstaltung, an der im Laufe
der Zeit CX-Experten aus rund neunzig Organisationen
ihr Wissen geteilt haben. Nun – neun Foren später –
ziehen die Gründer Bilanz und planen die Zukunft. Das
Forum in seiner bisherigen Form wird es nicht mehr
geben. Stattdessen planen sowohl Swisscom als auch
Stimmt neue Formate. Christina Taylor, Leiterin Human
Centered Design bei der Swisscom, und Helmut Kaz-
maier, Partner von Stimmt, lassen die vergangenen
Erlebnisse Revue passieren:
Christina: Eines meiner persönlichen Highlights ist immer
noch das erste Forum. Wir hatten einen Teil der Geschäfts-
leitung dazu eingeladen und haben mit den Teilnehmern eine
Art Speeddating gemacht. Keiner wusste, was dabei auf ihn
zukommt, aber alle waren mit Feuereifer dabei. Es gab so viel
Energie und Schwung. Hier kamen Steine ins Rollen, die zu
einer neuen Denkweise und einer neuen Führungskultur bei-
getragen haben.
Ein anderes Highlight habe ich gerade beim letzten Forum
erlebt. Ein Mitarbeiter kam dadurch auf die Idee, die Ge-
sprächsführung mit Swisscom-Geschäftskunden von Grund
auf zu reformieren. Er hatte schon konkrete Pläne, hat sie in
Kurzform an die Geschäftsleitung gebracht und damit offenen
Türen eingerannt. Jetzt kann er sie umsetzen: Aus unseren
technik-begeisterten Verkäufern werden kundenorientierte
Problemlöser. Ohne den Drive, den der Einzelne aus dem Forum
mitgebracht hat, hätten wir für diesen Kulturwechsel länger
gebraucht.
Im Ganzen haben wir mit dem Forum viel bewirkt. Swisscom-
intern konnten wir viele Kompetenzen aufbauen und weiter-
entwickeln. Und in der Aussenwirkung haben wir den guten
Ruf der Swisscom im deutschsprachigen Raum gefestigt.
Helmut: Die Ursprungsidee des Forums «Share, Engage,
Connect, Experience» hat sich bewährt. Niemand hat sich bei
uns berieseln lassen, sondern musste aktiv teilnehmen. Man
sollte eigene Erfahrungen vermitteln und durfte gleichzeitig
von den Erfahrungen der anderen profitieren. Das hat in zwei
Fällen geradezu exemplarisch geklappt. Sowohl von der Ergo-
Versicherung als auch von Phonak/Sonova waren Teilnehmerin-
nen dabei, die bei ihrem ersten Besuch viel gelernt haben und
in ihren Organisationen – mit grossen wirtschaftlichen Aus-
wirkungen – viel bewirkt haben. Bei ihrem zweiten Besuch als
Referenten konnten sie viel weitergeben, vor allem auch den
Beweis, dass CX für Unternehmen einen realen, messbaren
Wertzuwachs ermöglicht.
Unabhängig von solchen Einzel-Erlebnissen bin ich stolz, dass
wir mit dem Forum dazu beigetragen haben, den CX-Gedanken
ins Bewusstsein vieler Akteure zu bringen. Niemand geht heute
noch davon aus, dass Kundenerlebnis-Management ein kurz-
fristiger Hype ist, für den sich nur Schöngeister interessieren.
Ausserdem haben wir auch die Methodik gelehrt. Jeder, der mit
dem Thema befasst ist, kennt inzwischen Arbeitsmittel wie die
Kundenerlebniskette oder ist von der Zentrierung auf den Kunden
überzeugt.
Die Bilanz fällt also eindeutig positiv aus. Ausserdem
gilt das CX-Forum als wichtigste deutschsprachige Ver-
anstaltung zu Customer Experience. Warum wird es
trotzdem keine Neu-Auflage geben?
Helmut: Wir haben eine gewisse Sättigung erreicht. Den «alten
Hasen» können wir nichts Neues mehr bieten, ohne dabei New-
comer zu überfordern. Das Thema «CX» ist inzwischen so er-
wachsen, dass es unterschiedliche Interessengruppen gibt. Mit
einem Forum können wir nicht allen gerecht werden. Also hat
sich Stimmt entschlossen, für die Geschäftsleitungsebene einen
«Executive Circle» aufzubauen, in dem in anderer Flughöhe über
das Thema diskutiert wird. Für das traditionelle Forums-Publi-
kum gibt es den «Practitioner Circle», bei dem Praktiker ihre
Erfahrungen austauschen und dazu lernen. Und dann bieten wir
noch die «CX-Practice-Days» als intensives Training an. Für
Stimmt geht es also breit weiter.
Christina: Wir haben – wie immer im Human Centered Design
– mit unseren Kunden gesprochen, also mit den internen Forums-
Teilnehmern. Deshalb wissen wir, dass wir uns weiterentwickeln
müssen. «CX» als Thema bleibt der Swisscom selbstverständlich
erhalten, aber zukünfig eben in anderer Form. Wir erarbeiten
gerade ein neues Format und werden die Community auf «http://
www.cx-forum.ch» auf dem Laufenden halten. Ich bin sehr
dankbar für die offenen Gespräche, die ich in der Vergangenheit
mit Gleichgesinnten auf dem Forum habe führen dürfen. Das
möchte ich auch in Zukunft nicht missen.
HELMUT KAZMAIER
CX-Forum Initiant
Partner, Stimmt
CHRISTINA TAYLOR
Leiterin Human Centered
Design, Swisscom
In diesem Sinn: Von Seiten
aller Organisatoren ein herzliches
Dankeschön an die Community!
Wir werden uns sicher nicht aus
den Augen verlieren.
20. IMPRESSUM
HERAUSGEBER
CX-Forum
www.cx-forum.ch
KONZEPT UND REDAKTION
Frederike Braitinger, Stimmt
www.stimmt.ch
Inka Grabowsky,
Customer Competencies
www.customer-competencies.ch
TEXT
Inka Grabowsky, Claudia Gabler,
Rolf Breiner
FOTOGRAFIE
Steffen Böttcher
www.derstilpirat.de
CX-Forum Team
GESTALTUNG UND REALISATION
Eclat, Erlenbach ZH
www.eclat.ch