BHK Bundestagung - Delegation und Pflegemaßnahmen der Eltern
1. „DELEGATION VON PFLEGEMAßNAHMEN AN DIE ELTERN
– WAS GEHT?“
Bundesverband Häusliche Kinderkrankenpflege e.V. , Bremen
Bundestagung am 24./25.11.2017
Dr. Roland Uphoff, Master of medicine, ethics and law
Fachanwalt für Medizinrecht
www.uphoff.de / www.recht-geburtsschaden.de
2. 0. Einführung
I. Medizinrechtliches und medizin-ethisches Fazit
II. Rechtliche Rahmenbedingungen
III. Entlassmanagement gem. § 39 Abs. 1a SGB V
IV. Resümee
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„Delegation von Pflegemaßnahmen an die Eltern – was geht?“, BHK-Bundestagung. 24./25.11.2017, Bremen
3. Zentrale Fragen:
1. Können, dürfen und sollen pflegerische (oder sonstige medizinische)
Maßnahmen auf die Eltern übertragen werden?
2. Wann und unter welchen Voraussetzungen können Eltern mit ihrem Kind
aus stationärer Betreuung nach Hause entlassen werden?
Eigene Erfahrungen:
1. Es ist beeindruckend, mit welcher Kompetenz/Professionalität die
pflegenden Eltern ihre Kinder in häuslicher Umgebung versorgen.
2. Regelmäßig wird die Mitaufnahme der Eltern bei stationärer Betreuung
der Kinder als notwendige Voraussetzung angesehen.
3. Derzeit existieren keine Urteile, in denen Pflegepersonal wegen
Übertragung von Pflegeleistungen auf Eltern verurteilt wurde.
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„Delegation von Pflegemaßnahmen an die Eltern – was geht?“, BHK-Bundestagung. 24./25.11.2017, Bremen
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„Delegation von Pflegemaßnahmen an die Eltern – was geht?“, BHK-Bundestagung. 24./25.11.2017, Bremen
Zeitschrift „Kinderkrankenschwester“ 07/16, S. 250
5. „Grundsätzlich sollte davon ausgegangen werden, dass Entscheidungen
über den Einsatz lebenserhaltender Maßnahmen nicht nur einer einzelnen
Berufsgruppe obliegen. Vielmehr müssen sowohl Ärzte, Hebammen,
Pflegekräfte sowie natürlich auch die Eltern des betroffenen Kindes in
einem schwierigen Entscheidungsprozess eingebunden werden. Dabei
erfüllen Eltern eine Stellvertreterfunktion, die sie gemeinsam mit den
übrigen Entscheidungsträgern … wahrnehmen.“
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„Delegation von Pflegemaßnahmen an die Eltern – was geht?“, BHK-Bundestagung. 24./25.11.2017, Bremen
6. 6
„Delegation von Pflegemaßnahmen an die Eltern – was geht?“, BHK-Bundestagung. 24./25.11.2017, Bremen
Zeitschrift „Kinderkrankenschwester“ 7/16, S. 256
7. „Im Sinne einer familienzentrierten und patientenorientierten Pflege ist
es notwendig, dass Eltern
• Informationsangebote erhalten,
• die individuelle Versorgung des Kindes erlernen,
• in der emotionalen Bewältigung der Krisensituation Unterstützung bekommen
…“
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„Delegation von Pflegemaßnahmen an die Eltern – was geht?“, BHK-Bundestagung. 24./25.11.2017, Bremen
8. „ … Im Verlauf des Aufenthaltes auf der neonatologischen Intensivstation
verändern sich für Eltern die Anforderungen an die Bewältigung ihrer als
krisenhaft erlebten Situation.
Diese Entwicklung lässt sich beschreiben als ein Lernweg, auf dem sie sich
• von anfänglich passiven Zuschauern im Umfeld einer technikdomi-
nierten Intensivmedizin zu
• aktiven GestalterInnen der Eltern-Kind-Beziehung und
• anerkannten PartnerInnen der professionellen Akteure bewegen …“
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„Delegation von Pflegemaßnahmen an die Eltern – was geht?“, BHK-Bundestagung. 24./25.11.2017, Bremen
9. „Die sechs vorrangigen Bedürfnisse in Bezug auf die tägliche Pflege des
Kindes sind bei den Eltern wie folgt beschrieben:
1. Eltern wollen korrekte Informationen erhalten,
2. Eltern wollen von den Pflegenden positiv wahrgenommen werden,
3. Eltern wollen in die Pflege des Kindes einbezogen werden,
4. Eltern wollen das Kind beobachten und beschützen,
5. Eltern wollen durch die therapeutische Interaktionsbeziehung zu den
Pflegenden das Kind beruhigen,
6. Eltern wollen die individuelle Pflege des Kindes gewährleisten …“
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„Delegation von Pflegemaßnahmen an die Eltern – was geht?“, BHK-Bundestagung. 24./25.11.2017, Bremen
10. „Welche Unterstützungsbedürfnisse werden formuliert und eingefordert?
1. Mütter wollen ihre Kompetenzen in der eigenständigen Versorgung ihres
Kindes ausbauen,
2. Eltern wollen handlungspraktische Fertigkeiten im Umgang mit ihrem
Kind erlernen,
3. Eltern wollen mehr und mehr in wichtige Entscheidungsprozesse
einbezogen werden,
4. Eltern wünschen sich persönliche Wertschätzung und emotionale
Zuwendung, um Vertrauen in die Pflegekräfte zu erlangen …“
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„Delegation von Pflegemaßnahmen an die Eltern – was geht?“, BHK-Bundestagung. 24./25.11.2017, Bremen
11. Medizin-ethisches Fazit:
In der Pflegepraxis ist aus ethischer, pflegerischer und familien-/kind-
orientierter Sicht die Einbindung und Übertragung von Maßnahmen der
Eltern unabdingbar!
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„Delegation von Pflegemaßnahmen an die Eltern – was geht?“, BHK-Bundestagung. 24./25.11.2017, Bremen
12. Obladen, ehem. Direktor der Klinik für Neonatologie der Charité
Berlin, in: Dudenhausen, Praktische Geburtshilfe, 21. Aufl. 2011,
Seite 404:
„Hauptaufgaben der Kinderkrankenschwester sind:
• pflegerische und emotionale Unterstützung der Mutter beim
Erlernen der Versorgung des Kindes, beim Stillen und beim
rooming-in,
…“
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13. Immanuel Kant, Die Metaphysik der Sitten, 1797:
„Die Kinder, als Personen, haben … ein Recht auf ihre Versorgung
durch die Eltern, bis sie vermögend sind, sich selbst zu erhalten …“
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„Delegation von Pflegemaßnahmen an die Eltern – was geht?“, BHK-Bundestagung. 24./25.11.2017, Bremen
14. § 1627 BGB:
„Die Eltern haben die elterliche Sorge in eigener Verantwortung
und im gegenseitigen Einvernehmen zum Wohle des Kindes
auszuüben.“
§ 1666 BGB:
„Gerichtliche Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls“
(insbesondere die Weigerung, medizinisch zwingend indizierte
Maßnahmen/Operationen durchzuführen).
§ 1631 BGB:
„Die Personensorge der Eltern umfasst insbesondere die Pflicht und
das Recht, das Kind zu pflegen, zu erziehen und zu beaufsichtigen
und seinen Aufenthalt zu bestimmen.“
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15. Delegation und Substitution in der Kinderkrankenpflege
Assistenz
Hilfeleistung in Verantwortung des anordnenden Arztes/Pflegers
Delegation
Übertragung der Durchführungskompetenz zur Ausübung
heilkundlicher/pflegerischer Tätigkeiten in eigener Verantwortung (über das
„Wie“)
Substitution
Übertragung der Entscheidungskompetenz (über das „Ob“)
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16. Voraussetzungen und Grenzen der Delegation in der Pflege
Die Delegation an die Eltern ist entsprechend der Delegation an
nichtärztliche Gesundheitsberufe
• abhängig von Schwierigkeit/Gefährlichkeit/Vorhersehbarkeit
der Maßnahme,
• abhängig von einer Anleitung,
• abhängig von der Überwachung (in der Regel nicht nur
stichprobenhaft),
• abhängig von der Kompetenz der Eltern,
• abhängig von der Erreichbarkeit des Arztes/Pflegepersonals.
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17. OLG Köln, Urteil vom 21.08.1996; AHRS 2005/165:
„… Bei der Frühgeburt eines Kindes in der 28. SSW handelt es sich
um ein erhebliches Risiko für das Kind, welches eine besondere
ärztliche Fürsorge erfordert. Dazu gehören zunächst geburtshilfliche
Kontroll- und Unterstützungsmaßnahmen während des Geburts-
vorganges als auch eine fachkundige postpartale Betreuung (…).“
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18. Die Delegation/Substitution der pflegerischen (oder sonstigen medizinischen)
Maßnahmen auf die Eltern sind abhängig zu machen von
1. patientenorientierter Risikoabschätzung (Kindeswohl!)
2. Anleitung, Training, Kenntnisstand und Fähigkeiten der Eltern,
3. dem Risiko der durchzuführenden Maßnahme (Arztvorbehalt!).
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19. Die Antwort/Herausforderung besteht darin,
1. nichts ohne die Einwilligung und Mitwirkung der sorgeberechtigten
Eltern zu unternehmen
2. und gleichzeitig dem medizin-ethischen Prinzip der Fürsorge verpflichtet
zu bleiben, die Willensäußerung der Sorgeberechtigten stets mit den
gesundheitlichen Interessen des Kindes abzugleichen.
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„Delegation von Pflegemaßnahmen an die Eltern – was geht?“, BHK-Bundestagung. 24./25.11.2017, Bremen
Zeitschrift „Kinderkrankenschwester“ 06/16, S. 229
21. § 39 Abs. 1a SGB V:
„Die Krankenhausbehandlung umfasst ein Entlassmanagement
zur Unterstützung einer sektorenübergreifenden Versorgung der
Versicherten beim Übergang in die Versorgung nach Kranken-
hausbehandlung.“
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22. Das umfasst
1. Planung des Übergangs in die ambulante Versorgung,
2. Organisation der erforderlichen weiteren Versorgung durch einen
Entlassplan,
3. Kontaktaufnahme mit den benötigten Leistungserbringern,
4. Sicherstellen des zeitgerechten Einsatzes der Leistungserbringer.
Problem/Exkurs: Dürfen externe Dritte beim Entlassmanagement
im Krankenhaus beteiligt werden? Darf Entlassmanagement
ausgelagert werden? (outsourcing) (Zeitschrift GesR 6/2016, S. 339)
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23. Das Entlassmanagement hat sich gleichfalls an den o.g. haftungsrechtlichen
Rahmenbedingungen zu orientieren:
1. Wie gestaltet sich die patientenorientierte Risikoeinschätzung?
2. Wie sind die Eltern trainiert und informiert? Sind sie kompetent?
3. Sind eine ausreichende Beratung und Anschlussbehandlung
sichergestellt?
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24. Notwendigkeit der sogenannten therapeutischen Sicherungsaufklärung:
Der Arzt/Pfleger hat den Patienten grundsätzlich therapeutisch aufzuklären.
Er muss
1. zum therapiegerechten Verhalten informieren,
2. den Patienten vor unbekannten Gefahren warnen,
insbesondere auch zur Wiedervorstellung in einem bestimmten zeitlichen
Abstand raten.
In allen Fällen geht es darum, den Patienten Informationen über Risiken zu
verschaffen, deren Kenntnis bei einem Laien nicht vorausgesetzt werden kann,
3. über die Notwendigkeit einer weiteren Behandlung aufklären,
4. über therapierichtiges Verhalten bei fehlender Mitwirkung belehren.
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25. Insbesondere beim Entlassmanagement ist gegenüber den Eltern
1. die therapeutische Sicherungsaufklärung ernst zu nehmen und
2. das Aufklärungsgespräch ausführlich (mit Merkblatt!) zu
dokumentieren.
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26. Resümee:
1. Die Übertragung/Delegation von pflegerischen Maßnahmen auf
Eltern ist im Rahmen einer familienzentrierten Pflege unter
Berücksichtigung einer patientenorientierten Risikoabschätzung
(Kindeswohl!) zulässig und wichtig.
2. Das Entlassmanagement orientiert sich an einer patientenorientier-
ten Risikoabschätzung mit Einbindung der informierten, trainierten
und motivierten Eltern.
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27. DIE ELTERN KOMMEN ZU UNS MIT IHREM
WICHTIGSTEN: IHREN KINDERN
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