Präsentation für den 13. Intensivkurs zur Pränatal- und Geburtsmedizin: Über die Wichtigkeit einer angemessenen Aufklärung werdender Mütter nach einem vorausgegangenen Kaiserschnitt.
Ein Jahr Patientenrechtegesetz - Bestandsaufnahme und Rückschau
Aufklärung vor und unter der Geburt sowie nach vorangegangener Sectio
1. AUFKLÄRUNG VOR UND UNTER DER GEBURT SOWIE NACH
VORANGEGANGENER SECTIO (UND GEBURTSEINLEITUNG)
13. Intensivkurs Pränatal- und Geburtsmedizin
04.-06.02.2019, Aachen
Dr. Roland Uphoff, Master of medicine, ethics and law
Fachanwalt für Medizinrecht
www.uphoff.de
2. § 630e Abs. I. BGB: Aufklärungspflichten:
„Der Behandelnde ist verpflichtet, den Patienten über sämtliche für die
Einwilligung wesentlichen Umstände aufzuklären. Dazu gehören insbe-
sondere … Risiken der Maßnahmen sowie ihre Notwendigkeit, Dringlich-
keit, Eignung und Erfolgsaussichten …
Bei der Aufklärung ist auch auf Alternativen zur Maßnahme hinzuweisen,
wenn mehrere medizinisch gleichermaßen indizierte und übliche Methoden
zu wesentlich unterschiedlichen Belastungen, Risiken oder Heilungs-
chancen führen können …“
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3. Rechtsprechung:
„In einer normalen Entbindungssituation muss der Arzt grundsätzlich nicht
auf die Möglichkeit einer Schnittentbindung hinweisen …“
Eine Aufklärung ist jedoch erforderlich und muss dann bereits zu einem
Zeitpunkt vorgenommen werden, zu dem sich die Patientin noch in einem
Zustand befindet, in dem diese Problematik mit ihr besprochen werden
kann, wenn
• sich eine Risikogeburt konkret abzeichnet bzw.
• dem Kind bei Durchführung oder Fortsetzung der vaginalen Entbindung
ernstzunehmende Gefahren drohen und
• eine Sectio auch unter Berücksichtigung der Konstitution und der Befind-
lichkeit der Mutter eine medizinisch verantwortbare Alternative
darstellt.“
(BGH, GesR 2005, 116; Martis/Winkhart, Arzthaftungsrecht, 5. Aufl., 305)
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4. Geburtseinleitung mit Wehencocktail
OLG Hamm, Urteil vom 18.09.18, GesR 1/2019, S. 23 (Bespr. Fischer):
Es ist grob fehlerhaft, wenn der Geburtshelfer durch ein „inkonsequentes
Geburtsmanagement“ drohende Gefahren bei dem zu gebärenden Kind
nicht erkennt.
Dieses gilt insbesondere dann, wenn nach ersichtlicher Erfolglosigkeit des
Einleitungsversuchs mit Wehencocktail nicht auf die wirksamere Methode der
Einleitung mit Prostaglandin umgestiegen wurde und die Wirkungen und das
fetale Wohlbefinden nicht engmaschig durch CTG überwacht wurde.
Der bei einzelnen Geburtshelfern noch gebräuchliche Wehencocktail ist nicht
als „milderes Mittel“ der Einleitung, sondern als standardunterschreitendes
und unkalkulierbares Mittel anzusehen.
Wenn die Einleitung überhaupt mit einem solchen Wehencocktail versucht
wird, ist wie bei jeder Einleitung eine engmaschige CTG-Kontrolle zu
fordern.
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6. DGGG, August 2010:
„Eine vaginale Entbindung bei Zustand nach Sectio ist in vielen Fällen
möglich und erfolgversprechend.
Die sorgfältige Aufklärung der Schwangeren über Erfolgschancen und
Risiken sollte rechtzeitig erfolgen und gut dokumentiert werden.
Dabei ist über die höheren Inzidenzen von Plazenta praevia, Plazenta
accreta und increta sowie der Uterusruptur (insbesondere bei wiederholter
Sectio, kurzem Zeitintervall, uterinem Längsschnitt oder bei Geburtsein-
leitung mit Prostaglandinen) aufzuklären.“
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„Aufklärung vor und unter der Geburt …“, 13. Intensivkurs Pränatal- u. Geburtsmedizin, 04.-06.02.2019, Aachen
7. Rath/Gembruch/Schmidt, Geburtshilfe und Perinatalmedizin, 2. Aufl., 632:
„Im Zentrum der Schwangerenvorsorge stehen die ergebnisoffene Beratung
und ein ausführliches Aufklärungsgespräch rechtzeitig vor der Geburt über
den möglichen Geburtsmodus, um der Schwangeren ausreichend Zeit zu
geben, die Vor- und Nachteile beider Vorgehensweisen (vaginaler Entbin-
dungsversuch, evtl. Geburtseinleitung oder elektive Re-Sectio) zu be-
denken.
Dieses Aufklärungsgespräch muss in der Patientenakte dokumentiert
werden.“
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8. Rath/Gembruch/Schmidt, Geburtshilfe und Perinatalmedizin, 2. Aufl., 632:
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9. Insbesondere:
Präpartuale Risikoabschätzung
Insbesondere Mutterschaftsrichtlinien A Nr. 8.:
„Der betreuende Arzt soll die Schwangere in der von ihr gewählten
Entbindungsklinik rechtzeitig vor der zu erwartenden Geburt vorstellen.“
Insbesondere Mutterschaftsrichtlinien B: Erkennung und besondere
Überwachung der Risikoschwangerschaften und Risikogeburten
• nach Anamnese
• nach Befund
(detaillierter Katalog, welche Risiken nach den Mutterschaftsrichtlinien
beachtet werden müssen (u. a. Zustand nach Sectio; Erstgebärende über 35;
Diabetes mellitus; Mehrlinge; Überschreitung des Geburtstermins etc.))
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10. Insbesondere: Geburtseinleitung bei Zustand nach Sectio
Die medikamentöse Geburtseinleitung bei Zustand nach Sectio erhöht das
Risiko der Uterusruptur um das Vierfache, d.h. von 0,7% auf 2,4%.
(Schneider/Husslein/Schneider, Geburtshilfe, 2016, 757)
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11. Landgericht Bonn, Urteil vom 28.01.2013 (Az. 9 U 266/11):
„Die Geburt des Klägers aufgrund des im Jahre 2004 vorangegangenen
Kaiserschnittes hätte nicht mittels des Medikaments Cytotec eingeleitet
werden dürfen.
Nach den einschlägigen Leitlinien ist ein vorangegangener Kaiserschnitt eine
absolute Kontraindikation und entspricht daher nicht den Regeln der
ärztlichen Kunst. …“
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12. weiter: Landgericht Bonn, Urteil vom 28.01.2013 (Az. 9 U 266/11):
„Bei den aufgezählten Fehlern handelt es sich … um grobe Behandlungsfehler
in dem Sinne, dass das Vorgehen…aus medizinischer Sicht nicht mehr
verständlich ist und Ärzten schlechterdings nicht unterlaufen darf. …
Nicht zuletzt dieses Risiko (Hyperstimulation) ist der Grund dafür, dass
Cytotec bei vorangegangenem Kaiserschnitt als absolut kontraindiziert
angesehen wird …“
Die Gabe von Cytotec bei Schwangeren mit Zustand nach Sectio ist grob
fehlerhaft.
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„Aufklärung vor und unter der Geburt …“, 13. Intensivkurs Pränatal- u. Geburtsmedizin, 04.-06.02.2019, Aachen
13. Schneider/Husslein/Schneider, Geburtshilfe, 2016, 758:
„Vor einer Geburtseinleitung bei Zustand nach Sectio müssen in jedem Fall
in einem ergebnisoffenen Gespräch ausführlich mit der Schwangeren Vor-
und Nachteile abgewogen werden und eine gemeinsame Entscheidung
muss gefunden werden.
Auf all die oben erwähnten Punkte ist in einem Aufklärungsgespräch zur
Geburtseinleitung bei Zustand nach Sectio hinzuweisen, insbesondere
wenn die mit einem höheren Rupturrisiko behafteten Prostaglandine
verwendet werden …“
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„Aufklärung vor und unter der Geburt …“, 13. Intensivkurs Pränatal- u. Geburtsmedizin, 04.-06.02.2019, Aachen
14. Fazit:
Ein Risiko von 2,4% bzw. eine Vervierfachung des Rupturrisikos bei
Geburtseinleitung beim Zustand nach Sectio sind medizinjuristisch und
Medizinethisch nicht akzeptabel.
Die Vornahme einer Re-Sectio ist eindeutig vorzugswürdiger.
Zumindest ist eine ärztliche Empfehlung, eine vaginale Geburt bei Zustand
nach Sectio unter medikamentöser Geburtseinleitung vorzunehmen, medizin-
juristisch kritisch. Gefordert ist eine „schonungslose“ Aufklärung.
„Once a cesarean, always a cesarean!“
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„Aufklärung vor und unter der Geburt …“, 13. Intensivkurs Pränatal- u. Geburtsmedizin, 04.-06.02.2019, Aachen
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