Hebammenforum Dresden - Grundlagen des Geburtsschadensrechts
1. „GRUNDLAGEN DES GEBURTSSCHADENSRECHTS“
5. Hebammenforum, Universitäts-Kinderfrauenzentrum
Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, Dresden
21.10.2017
Dr. Roland Uphoff, Master of medicine, ethics and law
Fachanwalt für Medizinrecht, Bonn
www.uphoff.de
2. 0. Einführung, Büro, Vita, Literatur
I. Grundlagen der Arzthaftung
II. Behandlungsfehler und Aufklärungsversäumnisse im
Geburtsschadensrecht
III. Fazit
IV. Schulterdystokie und Plexusparese – schicksalhaft?
Fallbeispiel
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„Grundlagen des Geburtsschadensrechts“, 5. Hebammenforum, Dresden, 21.10.2017
8. I. Grundlagen der Arzthaftung
1. Zivilrechtliche Haftung wegen Behandlungsfehlern
• Haftung wegen grober Behandlungsfehler
• Haftung nach unzureichender Dokumentation
2. Zivilrechtliche Haftung wegen unzureichender Aufklärung
3. Verstoß gegen Befunderhebungs- und Befundsicherungspflichten
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„Grundlagen des Geburtsschadensrechts“, 5. Hebammenforum, Dresden, 21.10.2017
9. II. Behandlungsfehler und Aufklärungsversäumnisse
1. in der Schwangerschaftsbetreuung
2. beim perinatalen Management
3. unter der Geburt
Insbesondere:
• CTG und MBU
• Aufklärung über alternative
Entbindungsmöglichkeiten/Kaiserschnitt
• E-E-Zeit
4. bei der neonatologischen Neugeborenenversorgung
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„Grundlagen des Geburtsschadensrechts“, 5. Hebammenforum, Dresden, 21.10.2017
10. II. Behandlungsfehler und Aufklärungsversäumnisse
1. in der Schwangerschaftsbetreuung
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„Grundlagen des Geburtsschadensrechts“, 5. Hebammenforum, Dresden, 21.10.2017
12. Das BSG geht von der normgleichen Verbindlichkeit der Richtlinien des GBA
aus (BSG 78,70):
„An die Entscheidungen des Bundesausschusses über den Ausschluss
bestimmter Methoden sind Verwaltung und Gerichte im Grundsatz
ebenso gebunden, wie wenn die Entscheidung vom Gesetzgeber selbst
getroffen worden wird.“
Die Richtlinien der Bundesausschüsse der Ärzte und Krankenkassen über die
ärztliche Versorgung der Kassenpatienten gem. § 91 ff. SGB V sind
verbindlich.
Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 7. Aufl., S. 75:
„Sie legen den Standard insoweit fest, als eine Unterschreitung
unzulässig ist.“
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„Grundlagen des Geburtsschadensrechts“, 5. Hebammenforum, Dresden, 21.10.2017
14. Die Nichteinhaltung bzw. der Verstoß gegen eine Richtlinie der
Bundesausschüsse für Ärzte bedarf einer besonderen medizinischen
Rechtfertigung und indiziert im Einzelfall auch das Vorliegen eines
Behandlungsfehlers.
Richtlinien sind anders als Leitlinien Maßstab für den Standard.
Richtlinien dürfen nicht unterschritten werden.
Ihre Unterschreitung ist unzulässig und ein Indiz für einen Behandlungsfehler.
Zusammenfassende Darstellung der Rechtsprechung und Diskussion zur
Relevanz von Leitlinien und Richtlinien in Martis/Winkhart, Arzthaftungsrecht,
4. Aufl., S. 571 ff.
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„Grundlagen des Geburtsschadensrechts“, 5. Hebammenforum, Dresden, 21.10.2017
15. Viehweg, a.a.O.:
„Ziel der Mutterschaftsrichtlinien ist die Abwendung möglicher Gefahren
für Leben und Gesundheit von Mutter und Kind sowie die frühzeitige
Erkennung mütterlicher oder kindlicher Gesundheitsstörungen
einschließlich der rechtzeitigen Zuführung zu einer weiteren Diagnostik
und ggf. Behandlung. Die Mutterschaftsvorsorge ist somit ein
Präventionsprogramm, dessen vorrangiges Ziel und Effizienz in der
frühzeitigen Erkennung von Risikoschwangerschaften und
Risikogeburten bestehen …“
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„Grundlagen des Geburtsschadensrechts“, 5. Hebammenforum, Dresden, 21.10.2017
16. OLG München, OLGR 2001, 109:
„Bei erkennbaren Entwicklungsstörungen des ungeborenen Kindes ab
der 33. SSW muss der Gynäkologe einen Spezialisten hinzuziehen oder
die Schwangere in ein Perinatalzentrum einweisen. Erforderlich ist ein
verstärktes Risikomanagement, insbesondere zusätzliche Unter-
suchungen wie Ultraschallmessungen, CTG und Messungen des
Schädel- und des Thoraxdurchmessers.“
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„Grundlagen des Geburtsschadensrechts“, 5. Hebammenforum, Dresden, 21.10.2017
17. OLG Köln, Urteil vom 06.03.2002 (AHRS III, 1948/302):
„In dem Unterlassen der vorgeburtlichen Schätzung des
Geburtsgewichts kann eine Verletzung der Befunderhebungspflicht
liegen.“
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„Grundlagen des Geburtsschadensrechts“, 5. Hebammenforum, Dresden, 21.10.2017
18. OLG Hamm, Urteil vom 30.01.2008 (AHRS III, 1948/307):
„Treten bei einer hochschwangeren Frau ein Fruchtwasserverlust und
periodische Schmerzen im Sinne von möglichen Wehen auf, sind
weitere Untersuchungen des Muttermundzustandes vorzunehmen.
Außerdem hat in einem solchen Fall eine tägliche Kontrolle der
Entzündungszeichen durch eine CRP-Messung und eine Leukozyten-
Bestimmung zu erfolgen.“
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19. Mutterschaftsrichtlinien erfordern ein abgestuftes und risikoadaptiertes
Schwangerschaftsmanagement
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„Grundlagen des Geburtsschadensrechts“, 5. Hebammenforum, Dresden, 21.10.2017
21. „Schnittstellenproblematik“
Beim Übergang von frauenärztlicher Schwangerschaftsbetreuung und
Entbindungsklinik dürfen die erfassten und notwendigen Informationen
nicht verlorengehen.
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„Grundlagen des Geburtsschadensrechts“, 5. Hebammenforum, Dresden, 21.10.2017
23. Insbesondere Mutterschaftsrichtlinien A Nr. 8.:
„Der betreuende Arzt soll die Schwangere in der von ihr gewählten
Entbindungsklinik rechtzeitig vor der zu erwartenden Geburt vorstellen.“
Insbesondere Mutterschaftsrichtlinien B: Erkennung und besondere
Überwachung der Risikoschwangerschaften und Risikogeburten
• nach Anamnese
• nach Befund
(detaillierter Katalog, welche Risiken nach den Mutterschaftsrichtlinien
beachtet werden müssen (u.a. Zustand nach Sectio; Erstgebärende über 35;
Diabetes mellitus; Mehrlinge; Überschreitung des Geburtstermins etc.))
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„Grundlagen des Geburtsschadensrechts“, 5. Hebammenforum, Dresden, 21.10.2017
24. II. Behandlungsfehler und Aufklärungsversäumnisse
2. beim perinatalen Management
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„Grundlagen des Geburtsschadensrechts“, 5. Hebammenforum, Dresden, 21.10.2017
25. „Das Versorgungsniveau von Frauen und Kindern in der Geburtshilfe
ist unabhängig von Ort und Krankenhausgröße und unabhängig von
der Uhrzeit jederzeit zu realisieren“
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„Grundlagen des Geburtsschadensrechts“, 5. Hebammenforum, Dresden, 21.10.2017
26. Das perinatale Management hat sich entsprechend dem
Schwangerschaftsrisiko einzurichten; insbesondere bei vorzeitigem
Blasensprung und/oder Frühgeburtlichkeit muss nachhaltig und
intensiv reagiert und kontrolliert werden.
Feige, Kreißsaalkompendium, Kreißsaalstandards, S. 173:
„Notwendig ist eine risikoadaptierte und vorausschauende
Geburtsbetreuung“
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„Grundlagen des Geburtsschadensrechts“, 5. Hebammenforum, Dresden, 21.10.2017
27. BGH, AHRS II, 1220/112, 10:
„Es muss ein „Sicherheitsprogramm“ anlaufen, um bei Erreichen
der 24-Stunden-Grenze ein Amnioninfektionssyndrom sicher
auszuschließen.“
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„Grundlagen des Geburtsschadensrechts“, 5. Hebammenforum, Dresden, 21.10.2017
28. OLG Celle, AHRS 2500/75, 210, 212; OLG Düsseldorf, AHRS 5000/47, 80;
OLG Hamburg, AHRS 6565/23; OLG Oldenburg, AHRS II, 2500/155, 124:
„Gegen die Infektionsgefahr beim vorzeitigen Blasensprung muss
die Geburt kurz gehalten werden und unter ständiger ärztlicher
Beobachtung und Kontrolle ablaufen.“
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„Grundlagen des Geburtsschadensrechts“, 5. Hebammenforum, Dresden, 21.10.2017
29. OLG Hamburg, AHRS 6565/23, 30:
„Wird die nach einem vorzeitigen Blasensprung in der 36. SSW
gebotene Kaiserschnittentbindung hinausgezögert, so liegt ein grober
Behandlungsfehler vor, der dem Arzt die Beweislast für das Fehlen der
Schadensursächlichkeit auferlegt.“
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„Grundlagen des Geburtsschadensrechts“, 5. Hebammenforum, Dresden, 21.10.2017
30. OLG Hamm, Urteil vom 03.05.1995 (AHRS II 1955/105):
„Nach Eintritt der Eröffnungsphase einer Frühgeburt sind eine
kontinuierliche CTG-Kontrolle sowie eine Kontrolle des Mutter-
mundes erforderlich.“
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31. OLG Stuttgart, Urteil vom 13.04.1999, AHRS II, 1955/121:
„Bei der Eingangsuntersuchung einer Schwangeren nach
Blasensprung muss die Lage des Kindes sicher abgeklärt
werden. Darüber hinaus muss der Höhenstand des Feten
zuverlässig festgestellt werden. Das Unterlassen der
Erhebung dieser grundlegenden Befunde begründet einen
Behandlungsfehler.“
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„Grundlagen des Geburtsschadensrechts“, 5. Hebammenforum, Dresden, 21.10.2017
32. II. Behandlungsfehler und Aufklärungsversäumnisse
3. unter der Geburt
Insbesondere:
• CTG und MBU
• Aufklärung über alternative Entbindungsmöglichkeiten/Kaiserschnitt
• E-E-Zeit
• unzureichende Organisation/Zusammenarbeit zwischen Hebamme
und Facharzt
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35. Insbesondere:
CTG und MBU
Die Kardiotokographie ist ein unverzichtbarer Teil der fetalen
Überwachung während der Schwangerschaft und unter der
Geburt. Bei Veränderungen der fetalen Herzfrequenz ist ein
abgestuftes und differenziertes Behandlungskonzept notwendig.
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„Grundlagen des Geburtsschadensrechts“, 5. Hebammenforum, Dresden, 21.10.2017
36. OLG München, AHRS 3010/38; OLG Oldenburg, VersR 1997, 1236;
OLG Celle, AHRS 2500/71; OLG Stuttgart, AHRS 2500/56:
„Es gehört zum zwingenden geburtshilflichen Standard, den
Geburtsverlauf sorgfältig, insbesondere mittels CTG, zu überwachen.“
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37. OLG Oldenburg, VersR 1991, 1177; OLG Schleswig, VersR 1994, 1068;
OLG Oldenburg, VersR 1993, 1021:
„Der Abbruch einer CTG-Kontrolle trotz suspektem Verlauf ist grob
fehlerhaft; die weitere CTG-Kontrolle ist medizinisch zweifelsfrei
geboten.“
37
„Grundlagen des Geburtsschadensrechts“, 5. Hebammenforum, Dresden, 21.10.2017
38. OLG Oldenburg, VersR 1997, 1236; OLG München, VersR 1991, 586:
„Die Hebamme muss ein pathologisches CTG erkennen und die
ärztliche Entscheidung darüber herbeiführen, wie weiter verfahren
werden soll. Der Arzt ist sofort hinzuzuziehen und muss über die
weiteren Geburtsmaßnahmen entscheiden.“
38
„Grundlagen des Geburtsschadensrechts“, 5. Hebammenforum, Dresden, 21.10.2017
39. OLG Oldenburg, AHRS 3210/100:
„Die Hebamme muss auch Präpathologien im CTG erkennen
können und bei ihrem Vorliegen rechtzeitig den Arzt hinzuziehen.“
„Mikroblutuntersuchungen sind bei aufgetretenen CTG-Pathologien
Befunde, die medizinisch zweifelsfrei erhoben werden müssen
(Dokumentationslücke oder Befunderhebungsmangel!).“
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„Grundlagen des Geburtsschadensrechts“, 5. Hebammenforum, Dresden, 21.10.2017
40. Uphoff/Hindemith, Die zivilrechtliche Haftung des Geburtshelfers,
ZGN 2011, S. 227, 228:
„Die typischen geburtshilflichen Risikofälle sind
• keine rasche Geburtsbeendigung bei drohender intrauteriner
Asphyxie („time is brain“), weil
1. das CTG nicht geschrieben oder falsch interpretiert wird,
2. die notwendigen Entscheidungen mit erheblicher Verzögerung
getroffen werden,
3. die medizinisch gebotene Mikroblutuntersuchung verabsäumt wird.
40
„Grundlagen des Geburtsschadensrechts“, 5. Hebammenforum, Dresden, 21.10.2017
41. Uphoff/Hindemith, Die zivilrechtliche Haftung des Geburtshelfers,
ZGN 2011, S. 228:
• keine engmaschige Beobachtung von Reaktion auf Entzündungs-
parameter bei vorzeitigem Blasensprung (s.o.)
• Nichterkennen von Prodromal-Symptomen bei Frühgeburts-
gefahr (s.o.)
• unzureichende Reaktion auf und Kontrolle der intrauterinen
Wachstumsreduktion (s.o.)
41
„Grundlagen des Geburtsschadensrechts“, 5. Hebammenforum, Dresden, 21.10.2017
42. Insbesondere:
Aufklärung über alternative Entbindungsmöglichkeiten
Bestehen deutliche Anzeichen dafür, dass im weiteren Verlauf eines
Entbindungsvorganges eine Situation eintreten kann, in der eine normale
vaginale Entbindung kaum noch in Betracht kommt, sondern eine Schnitt-
entbindung notwendig oder zumindest zu einer echten Alternative zu einer
vaginalen Geburt wird,
42
„Grundlagen des Geburtsschadensrechts“, 5. Hebammenforum, Dresden, 21.10.2017
43. dann muss der geburtsleitende Arzt die Mutter bereits zu einem Zeitpunkt
über die unterschiedlichen Risiken der Entbindungsmethoden aufklären
und die Entscheidung einholen, zu dem sie sich noch in einem Zustand
befindet, in dem diese Problematik mit ihr besprochen werden kann
(grundlegend BGH, AHRS II, 4490/100).
43
„Grundlagen des Geburtsschadensrechts“, 5. Hebammenforum, Dresden, 21.10.2017
44. Insbesondere:
E-E-Zeit
OLG Braunschweig, MDR 1998, 907:
„Ein Notfallkrankenhaus muss sicherstellen, dass eine erforderliche
sofortige Schnittentbindung innerhalb von 20 Minuten nach
Indikationsstellung durchgeführt werden kann.“
44
„Grundlagen des Geburtsschadensrechts“, 5. Hebammenforum, Dresden, 21.10.2017
45. OLG Saarbrücken, OLGR 1999, 460:
„Seit 1996 ist eine E-E-Zeit von 20 Minuten einzuhalten.“
DGGG:
Resultieren E-E-Zeiten über 20 Minuten, müssen die organisatorischen
Abläufe verbessert werden (Frauenarzt 1992, 261).
45
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46. Genauer: E-E-E-Zeit
Feige, Frauenheilkunde 2001, 422:
„Die Leistungsfähigkeit einer Geburtsklinik kann (…) daran gemessen
werden, wie kurz die Zeitdauer zwischen Erkennen der Notsituation
und Entscheidung zur notfallmäßigen Entbindung ist.“
46
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47. OLG Hamm, VersR 1980, 648:
„Es stellt einen groben Behandlungsfehler dar, wenn in einer
Entbindungsstation eines Krankenhauses der behandelnde Arzt
zu der Zeit nicht anwesend ist, in der über das weitere ärztliche
Vorgehen eine Entscheidung getroffen werden muss.“
47
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48. OLG München, VersR 1991, 586:
„Es muss organisatorisch sichergestellt sein, dass die erforderliche
Entscheidung zur Notsectio rechtzeitig getroffen werden kann.“
OLG Schleswig, AHRS II, 2500/103:
„Bei feststellbarer Sauerstoffminderversorgung, wiederholtem Abfall
der Herzfrequenz und Eintritt eines Geburtsstillstandes ist unverzüglich
die Entscheidung über eine Schnittentbindung herbeizuführen.“
48
„Grundlagen des Geburtsschadensrechts“, 5. Hebammenforum, Dresden, 21.10.2017
50. II. Behandlungsfehler und Aufklärungsversäumnisse
4. bei der neonatologischen Neugeborenenversorgung
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51. Aus neonatologischer Sicht ist eine frühzeitige und ausreichende
Intervention bei fetalem Stress indiziert. Diese ist im Zweifel nur durch
einen erfahrenen und kompetenten Neonatologen gewährleistet. Es gilt,
dass sofort und dauernd aus neonatologischer Sicht reagiert werden
muss (vgl. Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für perinatale Medizin).
51
„Grundlagen des Geburtsschadensrechts“, 5. Hebammenforum, Dresden, 21.10.2017
52. Feige, Frauenheilkunde, 2001, 426:
„Es ist absurd, Feten sub partu kontinuierlich zu überwachen,
um dann deprimiert geborene Kinder nur diskontinuierlich
mit unzureichenden Methoden oder gar nicht mehr zu
überwachen.“
52
„Grundlagen des Geburtsschadensrechts“, 5. Hebammenforum, Dresden, 21.10.2017
53. Schulte, Der Gynäkologe, 1997, 7:
„Geburtsassoziierte persistierende Hirnschäden treten
besonders bei solchen Kindern auf, die perinatal oder auch in
der frühen Postnatalperiode eine Depression vitaler Parameter
und/oder eine Azidose aufgewiesen haben. Deshalb ist eine
sorgfältige und qualifizierte Überwachung solcher Neugeborenen
auch längere Zeit nach der Geburt notwendig.
53
„Grundlagen des Geburtsschadensrechts“, 5. Hebammenforum, Dresden, 21.10.2017
54. Eine alleinige Kontrolle der Apgar- und pH-Werte reicht nicht aus.
Grundsätzlich müssen die wichtigsten vitalen Funktionen überwacht
werden. Zu beachten ist, dass die sekundäre Verschlechterung der
vitalen Parameter oft bedenklicher ist als eine Beeinträchtigung
mittelbar nach der Geburt.“
54
„Grundlagen des Geburtsschadensrechts“, 5. Hebammenforum, Dresden, 21.10.2017
55. OLG Oldenburg, VersR 1989, 1300:
„Ein Neugeborenes, welches eine Asphyxie erleidet, ist intensiv zu
beobachten und unverzüglich zu behandeln.“
55
„Grundlagen des Geburtsschadensrechts“, 5. Hebammenforum, Dresden, 21.10.2017
56. OLG München, VersR 1997, 977:
„Ein grobes Fehlverhalten liegt auch dann vor, wenn das Pflegepersonal
eines Belegkrankenhauses bei einer mehrere Stunden nach der Geburt
eintretenden bläulichen Verfärbung von Gesicht und Händen eines
Neugeborenen nicht unverzüglich einen Arzt hinzuzieht.“
56
„Grundlagen des Geburtsschadensrechts“, 5. Hebammenforum, Dresden, 21.10.2017
57. OLG Stuttgart, Urteil vom 04.01.2000:
„Der Klinikträger muss für einen neonatologischen Notfall ausreichende
organisatorische Vorkehrungen treffen, insbesondere sicherstellen,
dass beim Auftreten von Atemnot ein kompetenter Arzt hinzugezogen
wird.“
57
„Grundlagen des Geburtsschadensrechts“, 5. Hebammenforum, Dresden, 21.10.2017
59. Uphoff/Hindemith, Zivilrechtliche Haftung des Geburtshelfers,
ZGN, 2011, S. 229
„Die Erfahrung aus einer Vielzahl von Rechtsstreitigkeiten,
die wegen geburtshilflicher Katastrophen geführt wurden,
lehrt, dass die dem Kind drohenden Risiken im Allgemeinen
nicht nur erkennbar sind, sondern fast immer auch tatsächlich
erkannt werden.
Zu Haftungsprozessen kommt es regelmäßig immer dann,
wenn das geburtshilfliche Management bekannter Risiken
objektiv fehlgeschlagen ist, gegen ein Risiko also nicht
oder nicht rechtzeitig eingeschritten worden ist:
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„Grundlagen des Geburtsschadensrechts“, 5. Hebammenforum, Dresden, 21.10.2017
60. 1. Die abwartende Strategie ist immer die gefährlichere.
2. Eine abwartende Strategie ohne engmaschige Überwachung
ist häufig fehlerhaft.
3. Ein Strategiewechsel (Spontangeburt zur Sectio) muss früh-
zeitig erfolgen.
4. Der geburtsleitende Arzt muss die Gebärende beteiligen.
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„Grundlagen des Geburtsschadensrechts“, 5. Hebammenforum, Dresden, 21.10.2017
61. III. Fazit
Geburtshilfe und Kinderheilkunde finden nicht im rechtsfreien
Raum statt. Die fachmedizinischen Standards und deren rechtliche
Kontrolle dienen der Qualitätssicherung und Fehlervermeidung in
der Geburtshilfe/Kinderheilkunde.
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„Grundlagen des Geburtsschadensrechts“, 5. Hebammenforum, Dresden, 21.10.2017