1. „HEBAMME IN DER GEBURTSHILFE –
HAFTUNG UND DOKUMENTATION OHNE ENDE?“
2. Zukunftsforum „Schwangerenmedizin“,
Tagungszentrum der Sächsischen Wirtschaft, Radebeul
12.05.2017
Dr. Roland Uphoff, Master of medicine, ethics and law
Fachanwalt für Medizinrecht
www.uphoff.de
2. O. Einführung, Büro, Vita, Literatur
I. Grundlagen der Arzthaftung (Behandlungsfehler,
Aufklärungsversäumnisse, Befunderhebungsmängel,
Dokumentationslücken), §§ 630a–h BGB (Patientenrechtegesetz)
II. Haftung nach unzureichender Dokumentation
Einzelne dokumentationspflichtige Maßnahmen
III. Medizin-/haftungsrechtliche Relevanz der CTG-Überwachung
IV. Delegation ärztlicher Leistungen und
Zusammenarbeit Arzt/Hebamme
V. Fazit
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Seite 237:
„Oftmals erscheint die Dokumentation eine Last für
den Praxisalltag zu sein …
Allerdings wird dabei übersehen, dass eine gut
geführte Krankenakte beispielsweise beim
Schichtwechsel der Hebammen durchaus auch
Erleichterungen mit sich bringt, weil sich so die den
Dienst übernehmende Hebamme vollumfänglich
über die Patientin informieren kann …“
II. Haftung nach unzureichender Dokumentation
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10. I. Grundlagen der Arzthaftung
1. Zivilrechtliche Haftung wegen Behandlungsfehlern
• Haftung wegen grober Behandlungsfehler
• Haftung nach unzureichender Dokumentation
2. Zivilrechtliche Haftung wegen unzureichender Aufklärung
3. Verstoß gegen Befunderhebungs- und Befundsicherungspflichten
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11. Behandlungsfehler und Aufklärungsversäumnisse
- in der Schwangerschaftsbetreuung
- beim perinatalen Management
- unter der Geburt
Insbesondere:
• CTG und MBU
• Aufklärung über alternative Entbindungsmöglichkeiten/Kaiserschnitt
• E-E-Zeit
• unzureichende Organisation/Zusammenarbeit zwischen
Hebamme und Facharzt
- bei der neonatologischen Neugeborenenversorgung
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12. II. Haftung nach unzureichender Dokumentation
§ 630 f BGB Dokumentation der Behandlung:
Abs. 1:
Der Behandelnde ist verpflichtet, zum Zweck der Dokumentation im
unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Behandlung eine
Patientenakte in Papierform oder elektronisch zu führen. Berichtigungen
und Änderungen von Eintragungen in der Patientenakte sind nur zulässig,
wenn neben dem ursprünglichen Inhalt erkennbar bleibt, wann sie
vorgenommen worden sind …
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13. Abs. 2:
„Der Behandelnde ist verpflichtet, in der Patientenakte sämtliche aus
fachlicher Sicht für die derzeitige und künftige Behandlung wesentlichen
Maßnahmen und deren Ergebnisse aufzuzeichnen, insbesondere die
Anamnese, Diagnosen, Untersuchungen, Untersuchungsergebnisse,
Befunde, Therapien und ihre Wirkungen, Eingriffe und ihre Wirkungen,
Einwilligungen und Aufklärungen.“
Abs. 3:
„Der Behandelnde hat die Patientenakte für die Dauer von 10 Jahren nach
Abschluss der Behandlung aufzubewahren, soweit nicht nach anderen
Vorschriften andere Aufbewahrungsfristen bestehen.“
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14. Die Dokumentation in den Krankenunterlagen muss
„wahr, vollständig und widerspruchsfrei“
sein.
Ist der medizinische Sachverhalt anhand der Dokumentation
rekonstruierbar?
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15. § 630 h BGB Beweislast bei Haftung für Behandlungs- und Aufklärungsfehler
Abs. 3:
„Hat der Behandelnde eine medizinisch gebotene wesentliche Maßnahme
und ihr Ergebnis entgegen § 630 f Abs. 1 oder Abs. 2 nicht in der
Patientenakte aufgezeichnet oder hat er die Patientenakte entgegen § 630 f
Abs. 3 nicht aufbewahrt, wird vermutet, dass er diese Maßnahme nicht
getroffen hat.“
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16. Einer ordnungsgemäßen Dokumentation kommt Indizwirkung zu,
d.h. der dokumentierte Behandlungsverlauf ist zu Grunde zu legen
(OLG Dresden, GesR 2005, 464).
Aus der Tatsache einer fehlenden, mangelhaften oder unvollständigen
Dokumentation einer aus medizinischen Gründen aufzeichnungspflichtigen
Maßnahme kann zurückgeschlossen werden, dass diese Maßnahme
unterblieben bzw. vom Arzt nicht getroffen worden ist
(BGH VersR 1999, 190).
DGGG, AG MedR, Das Partogramm:
„Was nicht dokumentiert ist, hat nicht stattgefunden.“
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DGGG, AG MedR – Empfehlung „Merksätze zur Dokumentation der Geburt“
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19. Einzelne dokumentationspflichtige Maßnahmen
• Empfehlung, eine möglicherweise komplizierte Geburt in einer anderen
Klinik (z.B. Perinatalzentrum) anstatt des aufgesuchten
Belegkrankenhauses vornehmen zu lassen (BGH NJW 2005, 888).
• Dokumentation einer Schulterentwicklung, wenn es bei der Geburt zu
einer Schulterdystokie kommt. Zu dokumentieren ist insbesondere, worin
die Schwierigkeit der Schulterentwicklung bestand und welche Maßnahme
zu ihrer Beseitigung getroffen wurden (McRoberts, Rubin, Woods etc.)
(OLG Oldenburg GesR 2007, 66; OLG Bremen VersR 1997, 1060; OLG
Saarbrücken VersR 1988, 916).
Der bloße Hinweis auf eine „erschwerte Schulterentwicklung“ oder „etwas
schwierige Schulterentwicklung“ genügt nicht (OLG Koblenz OLGR 2002,
303; OLG Köln VersR 1994, 1424).
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21. Einzelne dokumentationspflichtige Maßnahmen
• regelmäßige und sorgfältige Überwachung der Herztöne des Kindes bei
Geburtseinleitung (OLG Koblenz MDR 1993, 324).
• Wehentätigkeit und fetale Herztöne bei Risikogeburt (OLG Zweibrücken
NJW 1996, 63).
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III. Medizin-/haftungsrechtliche Relevanz der CTG-Überwachung
23. CTG und MBU
Die Kardiotokographie ist ein unverzichtbarer Teil der fetalen
Überwachung während der Schwangerschaft und unter der
Geburt. Bei Veränderungen der fetalen Herzfrequenz ist ein
abgestuftes und differenziertes Behandlungskonzept notwendig.
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24. OLG München, AHRS 3010/38; OLG Oldenburg, VersR 1997, 1236;
OLG Celle, AHRS 2500/71; OLG Stuttgart, AHRS 2500/56:
„Es gehört zum zwingenden geburtshilflichen Standard, den
Geburtsverlauf sorgfältig, insbesondere mittels CTG, zu überwachen.“
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25. OLG Oldenburg, VersR 1991, 1177; OLG Schleswig, VersR 1994, 1068;
OLG Oldenburg, VersR 1993, 1021:
„Der Abbruch einer CTG-Kontrolle trotz suspektem Verlauf ist grob
fehlerhaft; die weitere CTG-Kontrolle ist medizinisch zweifelsfrei
geboten.“
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26. OLG Oldenburg, VersR 1997, 1236; OLG München, VersR 1991, 586:
„Die Hebamme muss ein pathologisches CTG erkennen und die
ärztliche Entscheidung darüber herbeiführen, wie weiter verfahren
werden soll. Der Arzt ist sofort hinzuzuziehen und muss über die
weiteren Geburtsmaßnahmen entscheiden.“
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27. OLG Oldenburg, AHRS 3210/100:
„Die Hebamme muss auch Präpathologien im CTG erkennen
können und bei ihrem Vorliegen rechtzeitig den Arzt hinzuziehen.“
„Mikroblutuntersuchungen sind bei aufgetretenen CTG-Pathologien
Befunde, die medizinisch zweifelsfrei erhoben werden müssen
(Dokumentationslücke oder Befunderhebungsmangel!).“
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28. Nochmals: DGGG, AG MedR, Empfehlungen zur Dokumentation der Geburt
Wann ist das CTG angelegt worden?
Wer hat das CTG befundet?
Wie ist das CTG befundet worden?
Wer hat wen über CTG-Pathologien unterrichtet?
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29. FRAUENARZT 51 (2010) Nr. 9
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IV. Delegation ärztlicher Leistungen und Zusammenarbeit Arzt/Hebamme
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Grundsätzliche Voraussetzungen und Grenzen der Delegation
Die Delegation an nichtärztliche Gesundheitsberufe ist abhängig
• von der Schwierigkeit/Gefährlichkeit/Vorhersehbarkeit
der Maßnahme
• von der Qualifikation (Kenntnisstand und Erfahrung),
abstrakt (Ausbildung) und konkret (individuell)
• von einer Anleitung
• von der Überwachung (in der Regel nicht nur
stichprobenartig)
• von der Erreichbarkeit des Arztes
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33. Facharzt- oder Oberarztindikation müssen im Organisationsstatut geklärt
und kommuniziert werden, insbesondere folgende Fälle/Konstellationen:
• nicht normales CTG,
• Blutung unter der Geburt,
• vorzeitiger Blasensprung,
• grünes oder blutiges Fruchtwasser,
• Erstgebärende über 40 Jahre,
• protrahierter Geburtsverlauf,
• Geburtseinleitung
…
(vgl. Empfehlung DGGG, Zusammenarbeit von Arzt und Hebamme, 2012)
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35. Notwendig ist eine
risikoadaptierte und prospektive geburtshilfliche Betreuung.
Siehe hierzu auch:
„Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett sind primär dann
regelrecht, normal oder physiologisch, wenn
• während der Schwangerschaft keine Risiken diagnostiziert
wurden und wenn
• keine geburtsrelevanten Risiken der Kataloge A und B des
Mutterpasses bestehen“.
Empfehlung zur Zusammenarbeit von Arzt/Hebamme, DGGG, 2012
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36. Feige/Rath/Schmidt, Kreißsaalkompendium, 2012, 13
„Nach Aufnahme einer schwangeren Frau in den Kreißsaal erfolgt
die weitere Betreuung durch Hebamme und Arzt gemeinsam,
wobei das Ziel aller Maßnahmen darin besteht, dass die
Schwangere nach wenigen Tagen als gesunde Mutter die Klinik mit
einem gesunden Kind zu Fuß verlässt. …
Die Hebamme dokumentiert Datum, Zeitpunkt und Grund der
stationären Aufnahme. Danach fällt die Entscheidung, ob sofort ein
Arzt mit Facharztstandard hinzugezogen werden muss oder ob
die Hinzuziehung des Arztes nach Vorliegen einer mindestens
30-minütigen CTG-Registrierung ausreichend ist …“
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37. „…
Spätestens eine Stunde nach Kreißsaalaufnahme wird der
zuständige Arzt mit Facharztstandard von der Hebamme
hinzugezogen …“
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38. V. Fazit
Die Dokumentation in den Krankenunterlagen ist ernst zu nehmen und ein
„scharfes Schwert“ für die Patientenseite.
Wird die Leitlinie der DGGG, AG MedR „Empfehlungen zur Dokumentation
der Geburt“, beachtet, lassen sich Dokumentationsfehler annähernd
ausschließen.
CTG und MBU sind unverzichtbarer Goldstandard in der modernen
Geburtshilfe.
Delegation und Zusammenarbeit Arzt/Hebamme sind genau zu regeln.
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39. Geburtshilfe findet nicht im rechtsfreien Raum statt.
Die fachmedizinischen Standards und deren rechtliche Kontrolle dienen
auch der Qualitätssicherung und Fehlervermeidung in der Geburtshilfe.
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42. DIE ELTERN KOMMEN ZU UNS MIT IHREM
WICHTIGSTEN: IHREN KINDERN
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