2015 heinz-repairing a non-marginal full-thickness auricular defect using a r...
Erfolgreiche Prolongation einer Geminigravität um 18 SSW durch Muttermundverschluss nach Spontanabort des ersten Geminus
1. Erfolgreiche Prolongation einer Geminigravidität
um 18 SSW durch Muttermundsverschluss (TMV)
nach Spontanabort des ersten Geminus
Möller D. | Leitz N. | Kollertz P. | Gruß J. | Hünerlage J. | Hansen T. | Luttkus AK.
Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Klinikum Lippe Detmold
Klinikum Lippe GmbH | Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe
Röntgenstraße 18 | 32756 Detmold | Tel. 0 52 31 . 72 - 31 41 | www.klinikum-lippe.de
Fragestellung
Ist der Einsatz des totalen Muttermundsverschlusses mit cervicaler Cerclage (TMV+CC) nach Spontanabort des ersten Geminus eine
Therapieoption?
Kasuistik
31 jährige Nullipara mit dichorial-diamnialer Geminigravidität. Schwangerschaftseintritt nach dem zweiten ICSI-Versuch. Familiäre
Belastung für Diabetes mellitus. Bei 7. SSW stationäre Behandlung wegen Abortus imminens. Weiterer stationärer Aufenthalt bei
12 SSW wegen maternaler Herzrhythmusstörungen nötig. Bei 20+4 SSW vorzeitiger Blasensprung beim führenden Zwilling. Bei drin-
gendem Kinderwunsch erfolgte ein TMV+CC am Tag der Aufnahme, ohne das Ergebnis des mikrobiologischen Abstrichs abzuwarten
(negativ). Trotz antibiotischer Abdeckung mit Sulbactam Ampicillin 3x1,5g i.v. entwickelte die Gravida abendliche Temperaturspitzen
(38,5°C) und es kam zu einer Erhöhung der Leukozyten und des CrP. Daraufhin wurde am dritten postoperativen Tag (21+0 SSW) der
Cerclagefaden gelöst. Es normalisierten sich Temperatur und Entzündungswerte. Fünf Tage später kam es zum Abort eines avitalen
Feten aus Beckenendlage bei 21+4 SSW. Die Plazenta wurde belassen und die Nabelschnur gekürzt, mit einem Vicrylfaden ligiert und
desinfiziert. Nach zwei weiteren Tagen, unauffälligem Cervixabstrich und negativen Entzündungswerten erfolgte ein Re-TMV+CC (siehe Abb. 2).
Die Therapie mit Amipicillin Sulbactam i.v. wurde fortgeführt und nachfolgend auf Amoclav oral umgestellt. Diese Therapie wurde bei 24+3 SSW
beendet.
Ab 23+0 SSW wünschte das Paar eine Maximaltherapie, so dass Lungenreifeförderung bei 22+6 SSW mit Celestan i.m. 2x8mg/24h erfolgte. Die
fetale Basalfrequenz diente als Hauptdiagnostikum zur Früherkennung eines FIRS. Daneben wurden wöchentliche Biometrie-, Doppler- und Ab-
strichkontrollen und tägliche Laborkontrollen (CrP + BB) eingesetzt.
Ein insulinpflichtige Gestationsdiabetes bei Insulinresistenz konnte mit Detemir, Protaphane und zusätzlicher Gabe von Metformin 2 x 1000 mg
befriedigend eingestellt werden. Als äußeres Zeichen der Insulinresistenz entwickelte sich eine Akanthosis nigricans. Ab 30+4 SSW ambulant Be-
treuung. Der Cerclagefaden wurde bei 34+3 SSW gelöst. Wegen Oligohydramnion und Wachstumsstillstand bei 37+4 SSW wurde die Geburt mit
einer Oxytocindauerinfusion eingeleitet. Nach schneller Eröffnungs- und Austreibungsperiode Spontanpartus eines Knaben (APGAR 9/10/10 NA-
pH 7,25 BE -3,0; Gewicht 2680 g) (s. Abb. 1 im Alter von 24 Monaten). Der Entwicklungszustand des Jungen ist körperlich und geistig völlig nor-
mal.) Beide fusionierten Plazenten kamen prompt und vollständig. Der Rest der Nabelschnur des ersten Zwillings war resorbiert . Die histologische
Aufarbeitung der Plazenta zeigte ein sehr ungewöhnliches Bild. Sämtliche Strukturen der Plazenta des ersten Geminus waren mit Ausnahme des
Bindegewebes aufgelöst (siehe Abb. 3). Die Pat. entwickelte postpartal einen Diabetes mellitus Typ II. Die Acanthosis nigricans ist mittlerweile
durch histologische Untersuchung bestätigt.
Literatur
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Abb. 3: Plazenta, 507 g: Zwei Drittel der Pla-
zenta zeigen auf den Schnittflächen rötlich
schwammiges Parenchym. Ein Drittel zeigt
weißlich gelbliches und derbes Parenchym. Ein
T-Stück ist im Bereich der Eihäute nicht mehr
abzugrenzen. Ebenso findet sich keine zweite
Nabelschnur.
Abb. 1: Fruchtblasenprolaps Abb. 2: Moritz am 20.11.2017,
im Alter von 24 Monaten,
körperlich und geistig völlig
normal entwickelt
Diskussion
Die Entscheidung zur Prolongation einer dichorealen Zwillingsschwangerschaft nach Abort des ersten Ge-
minus ist eine immer eine individuelle Einzelfallentscheidung. Die Literatur zu dem Thema ist überraschend
umfangreich und hier nicht vollständig widergegeben. Dennoch scheinen die Ergebnisse ermutigend.
Die hier dargestellten Kasuistiken aus der Literatur berichten im Median den Abort des ersten Geminus bei
20+6 SSW und eine Prolongation der Gestation für den zweiten Geminus von 47 Tagen. Die Letalität des
zweiten Zwillings lag bei 30% (siehe Tab. 1). Erklärlich ist dies mit der Unreife der Kinder in einem Drittel
der Fälle mit einer kurzen Prolongation von wenigen Tagen.
Tokolyse und Antibiotikatherapie sind in der Mehrzahl der Fälle eingesetzt worden. Wobei nur selten eine
Cerclage gelegt wurde. In unserem Fall ist nach einer Latenzphase von drei Tagen unter antibiotischer
Abschirmung der TMV+CC durchgeführt worden. Damit ließ sich eine Verlängerung der Gestation um 119
Tage erreichen. Bei einer Reife von 37+4 SSW wurde war das Kind völlig unbeeinträchtigt und konnte bei
der Mutter bleiben. Die Entwicklung bis zum Alter von 2 Jahren ist soweit unauffällig.
• Da keine Langzeitdaten über die Entwicklung der meistens Frühgeborenen vorliegen, sollte zu viel Opti-
mismus vor dem Hintergrund dieses Falles vermieden werden.
• Infektionszeichen im Blut der Schwangeren beweisen nicht einen infizierten Abort (AIS), welche ohne
Frage eine Kontraindikation zur Prolongation der Zwillingsschwangerschaft darstellt.
• Die wenigen Fälle mit längerer Prolongation nach Cerclage im Vergleich zu nicht operativen Vorgehen
erlauben keine belastbare Behandlungsempfehlung.
• Innerhalb der ersten drei Wochen stationärer Beobachtung nach TMV erscheinen folgende Kontrollen
vernünftig: Täglich Entzündungsparameter im mütterlichen Blut, wöchentlich Abstriche der Cervix und
Vagina, mit Erreichen der Lebensfähigkeit des Feten dreimal CTG am Tag.
Zusammenfassung
Nach dem vorzeitigen Blasensprung und Spätabort des führenden Zwillings wurde unter Erhalt der Plazenta ein Re-TMV/CC bei 21+2 SSW durchgeführt. Damit wurde unter engma-
schigen sonografischen, laborchemischen und bakteriologischen Kontrollen die Schwangerschaft um 18 Wochen prolongiert. Die Mutter konnte ohne Komplikationen bei 37+4 SSW
von einem reifen Kind vaginal entbunden werden. In der Literatur finden sich Beschreibungen von erfolgreicher zweizeitiger Zwillingsgeburt. Allerdings konnte kein Kasus mit TMV
entdeckt werden.
Abb. 4: Schematischer Schwangerschaftsverlauf
Tab. 1: Literaturübersicht (exemplarisch): Geminischwangerschaften mit Abort des 1. Geminus