Eine seltene pränatale Diagnose: Fetus mit gleichzeitigem Down- und Klinefelter Syndrom
1. Eine seltene pränatale Diagnose:
Fetus mit gleichzeitigem
Down- und Klinefelter- Syndrom
Kollertz P.1
| Kraft K.1
| Dietze-Armana I.2
| Rettenberger G.2
| Luttkus A.K.1
1
Klinikum Lippe GmbH | Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe | Detmold | Deutschland
2
Genetikum | Neu-Ulm | Deutschland
P443
Einleitung
Die Prävalenz des Down-Syndrom (DS) beträgt 1:770 Geburten. Ein Klinefelter-Syndrom (KS) findet sich bei 1:500 der männlichen Neugeborenen. Das gleichzeitige Auftreten eines
Down-Syndroms und eines Klinefelter-Syndroms dagegen ist ein sehr seltenes Ereignis. Die statistische Wahrscheinlichkeit für die Geburt eines Jungen mit Down und Klinefeltersyndrom
(DKS) liegt bei 1:385000 männlichen Neugeborenen (9).
Kasuistik
Eine 41-jährige 2-Gravida und 0-Para wurde in der 20+5 SSW aus Altersindikation zur pränatalen Ultraschalldiagnostik in unserer Ambulanz vorgestellt. Wir diagnostizierten beim Feten einen
komplettem AVSD und einen ausgeprägten bilateralen Hydrocephalus. Weiterhin zeigte der Fetus ein mildes Nackenödem, einen hyperechogenen Papillarmuskel und einen Mikropenis.
Abb.1: AVSD Abb.2: bilateraler Hydrocephalus Abb.3: Mikropenis Abb.4: Nackenödem
Die Fetometrie war zeitgerecht (P50). Die Befunde ließen an eine Trisomie 21 denken, der auffällige Genitalbefund war nicht sicher
einzuordnen. Die Patientin stimmte einer vorgeschlagenen Karyotypisierung mittels Amniocentese zu. Die Chromosomenanalyse ergab
den Befund einer freien Trisomie 21 und eines Klinefelter-Syndroms, Karyotyp: 48, XXY,+21. Die PCR für Toxoplasmose und CMV aus dem
Fruchtwasser waren negativ. Es erfolgte die interdisziplinäre Beratung durch Pränatalmedizin, Kinderneurologie und Kinderkardiologie.
Die Patientin wünschte das Kind auszutragen. Eine angebotene psychosoziale Begleitung wurde nicht gewünscht. Im Verlauf kam es zu
einer deutlichen Regression des Hydrocephalus und zu einem dezelerierendem Wachstum. Bei 37+4 SSW erfolgte bei pathologischem
fetalen Doppler und suspektem CTG die Entbindung per Sectio caesarea. Der 2740g schwere (P14) und 50 cm lange (P38) Junge wies
einen Kopfumfang von 34 cm (P34) auf. Apgar 9/10/10 Na-pH 7,32. Er zeigte eine mongoloide Lidachse, einen Mikropenis bei descendier-
ten Testes und einen reduzierten Muskeltonus. Echokardiografisch fand sich ein kompletter AVSD Rastelli TypI. Die Schädelsonografie
zeigte einen Hydrocephalus internus, V.a. Balkenmangel und bds. periventrikuläre Zysten. Im Verlauf konnten keine Hirndruckzeichen
beobachtet werden. Der Junge wurde am siebten Lebenstag aus der stationären Behandlung entlassen. Im Alter von zwei Monaten erfolgte
die Vorstellung im Herzzentrum zur Planung der Operation des AVSD.
Diskussion
Die Erstbeschreibung eines Patienten mit Down-Klinefelter Syndrom erfolgte durch Ford et al. 1959 (3). Eine Doppelaneuploidie kann auf verschiedene Weise entstehen.
Die beiden zusätzlichen Chromosomen können sowohl maternaler als auch paternaler Herkunft sein oder rein zufällig von je einem Elternteil stammen. Bei Müttern höheren Alters
wird eine erhöhte Rate an Doppelaneuploidien beobachtet (6) Pränatale Fallbeschreibungen eines DKS sind selten.
Studie Fallzahl Indikation zur pränatalen Diagnostik Pränatale Ultraschallbefunde Outcome
Glass et al (4) 1 Mütterliches Alter keine TOP
Smith et al (11) 1 Mütterliches Alter keine TOP
Moog et al (8) 1 Auffälliger Ultraschall Hygrom, thorakales Hautödem, kleines Herz IUFT 19 SSW
Caron et al (2) 1 Mütterliches Alter unbekannt unbekannt
Kovaleva and Mutton (6) 8 Mütterliches Alter(5), auffällige Ultraschallbefunde(3) unbekannt unbekannt
Metzenbauer et al(7) 1 unbekannt keine TOP
Sanz-Cortes et al (10) 1 Triple Test TOP
Jeanty et al.(5) 1 Biochemisches Screening, Ultraschallbefunde Fehlendes Nasenbein, bilaterale Brachymesophalangie DigitusV,
Kurzer Femur und Humerus, prominente Seitenventrikel
Lebend, 19 Monate
Ajdin et al (1) 1 Auffälliges Erstrimesterscreening, NT 5,2 mm Hyperechogener Darm, hyperechogener Papillarmuskel im LV TOP
Unser Fall 1 Erhöhtes mütterliches Alter AVSD, bilateraler. Hydrocephalus, Nackenödem, Mikropenis Lebend 3 Monate alt
Bisher wurden 16 Fälle eines pränatal diagnostizierten DKS beschrieben. In 10 von 16 Fällen erfolgte die Diagnose nach invasiver Diagnostik aus Altersindikation oder auffälligen serum-
biochemischen Befunden. In 6 Fällen war eine auffälliger Ultraschallbefund Anlass zur invasiven pränatalen Diagnostik. In den 3 ausführlich dokumentierten Fällen sind typische pränatale
Befunde für ein Down-Syndrom beschrieben. In unserem Fall wird erstmals neben den typischen Befunden eines Down-Syndroms, auch ein klinisches Zeichen (auffälliges Genitale) für ein
Klinefelter-Syndrom pränatal beschrieben. Bei Patienten mit DKS dominiert der Phänotyp des Down-Syndroms. Die Prognose wird im Wesentlichen durch das Down-Syndrom bestimmt.
Die Merkmale des Klinefeltersyndroms entwickeln sich in der späten Kindheit und Pubertät (5). Dies ist auch bei der pränatalen Beratung zu berücksichtigen.
Literaturverzeichnis
1. Aydin C, Eris S. An interisting prenatal Diagnosis: Double AneupoidyCase Rep Obstet Gynecol. 2013, 1-4
2. Caron L, Tihy F, Dallaire L. Frequencies of chromosomal abnormalities at amniocentesis: over 20 years of cytogenetic analyses in one laboratory. Am J Med Genet 1999; 82:149–154.
3. C. E. Ford, K. W. Jones, O. J. Miller et al., “The Chromosomes in a patient showing both mongolism and the Klinefelter syndrome,” The Lancet, vol. 273, no. 7075, pp. 709–710, 1959.
4. Glass IA, Li L, Cotter PD. Double aneuploidy (48,XXY,+21): molecular analysis demonstrates a maternal origin. Eur J Med Genet 2006; 49:346–348.
5. Jeanty C, Turner C. Prenatal diagnosis of double aneuploidy, 48, XXY,+21, and review of the literature. J Ultrasound Med 2009; 28(05):673–681
6. Kovaleva NV, Mutton DE. Epidemiology of double aneuploidies involving chromosome 21 and the sex chromosomes. Am J Med Genet A 2005;134A(01):24–32
7. Metzenbauer M, Hafner E, Schuchter K, Philipp K. First- trimester placental volume as a marker for chromosomal anomalies: preliminary results from an unselected population.
Ultrasound Obstet Gynecol 2002; 19:240–242.
8. Moog U, Hamers G, Hoogland H. Prenatal sonographic diag- nosis of nuchal edema and double aneuploidy (48,XXY,+21): discrepancy between results of chorionic villi and amniotic fluid
sampling. J Clin Ultrasound 1998; 26:228–229.
9. Rodriguez M.A. et al Down-Klinefleter syndrome ( 48,XXY,+21) in a neonate associated with congenital heart disease. Genetic ans Molecular Research 16(3) 1-7
10. Sanz-Cortés M, Raga F, Cuesta A, Claramunt R, Bonilla- Musoles F. Prenatally detected double trisomy: Klinefelter and Down syndrome. Prenat Diagn 2006; 26:1078–1080.
11. Smith A, Watson G, Michas J, Viersbach R, Ellwood D. Post-mortem findings in a fetus with 48,XXY,+21. Prenat Diagn 1991; 11:471–476.
Tabelle 1: Vorgeburtlich
diagnostizierte Fälle von
Down-Klinefelter Syndrom
IUFT = intrauteriner Fruchttod
TOP = Schwangerschaftsabbruch
SSL = Scheitelsteißlänge
IUGR = Wachstumsretardierung
LV = linker Ventrikel
Abb.5: Karyogramm 48,XXY+21