Zurzeit werden verschiedene Wege diskutiert, um das „Problem Google“ zu lösen. Vordergründig geht es dabei darum, Maßnahmen zu ergreifen, um Googles Monopol auf dem Suchmaschinenmarkt einzudämmen. Weitergehend geht es allerdings darum, wer zu welchen Bedingungen Zugriff auf die im Web verstreut vorliegenden Daten bekommt.
Die bisherigen Vorschläge reichen dabei von einem schlichten Hoffen auf den Markt bis hin zur Forderung nach dem Aufbau einer öffentlich-rechtlichen Suchmaschine. Allerdings würde als Ergebnis stets nur ein weiterer Marktteilnehmer (oder bestenfalls ein paar wenige) entsteht. An diesem Punkt setzt die Idee des “Open Web Index” an: Der Index wird als eine Infrastrukturmaßnahme angesehen, die von allen zu fairen Bedingungen genutzt werden kann. Auf der Basis des Index kann dann eine Vielzahl von Diensten aufgebaut werden, darunter natürlich Suchmaschinen, aber auch jede andere Form von Dienst, der Web-Daten in großem Umfang benötigt.
Der Vortrag setzt sich mit den wirtschaftlichen und technischen Fragen eines solchen offenen Web-Index auseinander und berichtet von den Fortschritten der Initiative Open Web Index.
1. Perspektiven eines „Open Web Index“
Prof. Dr. Dirk Lewandowski
Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg
dirk.lewandowski@haw-hamburg.de
@Dirk_Lew
DGI-Forum Wittenberg „True Fiction: Die Digitalisierung unseres Alltags“
Wittenberg, 25. September 2015
2. Gliederung
1. Die Bedeutung der Suchmaschinen und der Suchmaschinenmarkt
2. Das „Problem Google“
3. Alternative Suchmaschinen
4. Lösungsvorschläge
5. Die Initiative „Open Web Index“ (OWI)
6. Fazit
5. Wer das Internet nutzt, nutzt Suchmaschinen
• Suchmaschinen sind der beliebteste Dienst des Internt (Purcell, Brenner &
Raine, 2012; van Eimeren & Frees, 2013)
van Eimeren, B.; Frees, B. (2013): Rasanter Anstieg des Internetkonsums – Onliner fast drei Stunden täglich im Netz:
Ergebnisse der ARD/ZDF-Onlinestudie 2013. Media Perspektiven 54(7-8), 358-372.
6. Entwicklung des Suchanfragevolumens (USA)
Daten von ComScore. Die Daten wurden aus den regelmäßig bei „Search Engine Land“ veröffentlichten Zahlen
zusammengestellt. (s. http:// searchengineland.com/library/stats/stats-comscore))
7. Es wird eigentlich nur eine Suchmaschine genutzt
ComScore-Zahlen Deutschland, März 2012;
http://www.focus.de/digital/internet/netzoekonomie-blog/suchmaschinen-googles-marktanteil-steigt-
auf-96-prozent-in-deutschland_aid_723240.html
95,9
1,1
0,9
0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100
Google
Bing
Yahoo
9. Durch Google bzw. seine Marktmacht verursachte Probleme
1. Nur eine von vielen möglichen algorithmischen Sichten auf die Inhalte
des Web
2. Bevorzugung eigener Angebote
3. Effekt der Suchmaschinenoptimierung
4. (Dominanz bei der Online-Werbung)
10.
11.
12. Desktop layout
593 clicks (59.3%)
0 clicks (0%)
358 clicks (35.8%)
49 clicks (4.9%)
Bevorzugung eigener Angebote
23
Lewandowski, D.; Sünkler, S.: Representative online study to evaluate the commitments proposed by Google as part of EU
competition investigation AT.39740-Google - Report for Germany
http://searchstudies.org/tl_files/Publikationen_PDFs/2013/Google_Online_Survey_DE.pdf
13.
14. Anfragetypen in der Websuche
nach Broder (2002)
• Informational (informationsorientiert)
– Nutzer möchte sich zu einem Thema informieren.
– Ziel sind mehrere Dokumente.
• Navigational (navigationsorientiert)
– Ziel ist es, eine bestimmte Seite (wieder) zu finden.
– Typisch: Suche nach Homepage („Ebay“).
– Ziel ist i.d.R. ein Dokument.
• Transactional (transaktionsorientiert)
– Ziel ist das Auffinden einer Website, auf der dann eine Transaktion stattfinden soll.
– Beispiele für Transaktionen: Kauf eines Produkts, Download einer Datei.
15. Zufriedenheit der Nutzer in Bezug auf die Anfragetypen
Tabelle 1: Eindeutige Bewertbarkeit von Suchanfragen nach Anfragetyp
Navigationsorientiert Informationsorientiert Transaktionsorientiert
Eindeutig bewertbar Suche nach einem bereits
bekannten Dokument
Suche nach einem Faktum
Suche nach Trivia
Informationsorientierte
Suche, zu der Informationen
aus einer bestimmten Quelle
erwartet werden (bspw.
Wikipedia)
Suche nach einer bekannten
Website, auf der eine
Transaktion durchgeführt
werden soll
Nicht eindeutig
bewertbar
- Klassische
Informationssuche mit dem
Anspruch, ein vollständiges
Bild zu gewinnen bzw. einen
umfassenden Überblick
Mehrere Varianten der
Transaktion möglich
16. Über was haben Suchmaschinen eigentlich Macht?
• Über das, was überhaupt in den Index
aufgenommen wird
– Technisch bedingte Probleme der Web-Indexierung
– Demokratisch legitimierter Ausschluss von Inhalten
– Willkürlicher Ausschluss von Inhalten
• Über das, was wir als Nutzer zu sehen
bekommen
– Reihung der Dokumente
– Anordnung der Suchergebnisseiten
– Direkte Antworten
17. Es kann keine verzerrungsfreie Suchmaschine geben
• Verzerrungen werden zum Problem durch die Kombination von
• Dominanz des Modells „algorithmische Web-Suchmaschine“
• Dominanz von Google in diesem Bereich
• Nutzerverhalten
• Probleme werden sich zukünftig noch verstärken durch
• Direkte Beantwortung von Suchanfragen
• Wandel von Suchanfragen und Dokumenten
20. Alternative Suchmaschinen
• Was ist eigentlich eine „alternative Suchmaschine“?
– Jede Suchmaschine außer Google? à „Google Killer“, Cuil†
– Suchmaschinen, die grundlegend dasselbe machen wie Google? à Bing
– Suchmaschinen, die sich durch regionale Kompetenz abheben? à Seekport†
– Suchmaschinen, die neue/alternative Ansätze zur Erschließung und
Durchsuchbarmachung des Web verfolgen?
• Keine Alternative: „Suchmaschinen“, die Ergebnisse einer anderen
Suchmaschine anzeigen.
22. Das Partnerindex-Modell hat den Suchmaschinenmarkt
ausgedünnt
• Geschäftsmodell Partnerindices
– Eine Suchmaschine mit eigenem Index stellt ihre Ergebnisse und
ihre Textanzeigen dem Partner zur Verfügung
– Das mit den Werbeklicks verdiente Geld wird nach einem vorher
festgelegten Schlüssel zwischen Suchmaschine und Partner
aufgeteilt
• Attraktivität des Modells
– Minimale zusätzliche Kosten pro Anfrage für die gebende
Suchmaschine
– Enorme Kostenersparnis für die nehmende Suchmaschine
(Betrieb einer eigenen Suchmaschine entfällt)
– Ergebnis: Ausdünnung des Suchmaschinenmarkts
24. Bias der Suchmaschinen
• Drei Ebenen von Suchmaschinen-Bias (Weber, 2011)
– Implementierung der Suchmaschine
– Verhalten der Anbieter von Inhalten
– Nutzung von Suchmaschinen
à Eine „verzerrungsfreie“ Suchmaschine kann es nicht geben
• Verzerrungen werden zum Problem durch die Kombination von
• Dominanz des Modells „algorithmische Web-Suchmaschine“
• Dominanz von Google in diesem Bereich
• Nutzerverhalten
25. Warum brauchen wir mehr als eine Suchmaschine?
• Meinungsvielfalt
• Wahl zwischen verschiedenen (algorithmischen) Sichten auf die Welt
• Ideologiefreie Suchmaschinen sind nicht möglich
27. Lösungsvorschläge
1. Der Markt wird‘s richten
2. Google zu fairer Ergebnisanzeige verpflichten
3. Google zerschlagen
4. Eine alternative Suchmaschine aufbauen
5. Google zwingen, seinen Index zu öffnen
6. Web-Index als Infrastrukturmaßnahme
28. Die “lokale Kopie” des Web
Risvik, K. M., & Michelsen, R. (2002). Search engines and web dynamics. Computer Networks, 39(3), 289–302.
29. Entkopplung von Index und Diensten
Risvik, K. M., & Michelsen, R. (2002). Search engines and web dynamics. Computer Networks, 39(3), 289–302.
Infrastruktur
(öffentlich)
Dienste
(Eigeninitiative)
30. Ein offener Web-Index schafft die Voraussetzungen für die
Informationsautonomie der europäischen Wirtschaft und
Gesellschaft
• „Ein für alle zu fairen Konditionen zugänglicher Index des Web“
– „Für alle“ meint, dass jeder Interessierte auf diesen Index zugreifen
kann.
– „Faire Bedingungen“ bedeutet nicht unbedingt kostenlos, sondern kann
auch ein faires Bezahlmodell vorsehen.
– Unter „zugänglich“ ist zu verstehen, dass der Index leicht automatisch
abgefragt werden kann. Weiterhin sollte tatsächlich alles im Index
enthaltene auch abfragbar sein.
– Und „Index des Web“ meint schließlich möglichst alle Inhalte des Web
(und ggf. darüber hinaus).
31. Finanzierung
• Finanzierung
– Aufgrund der immensen Kosten kann ein solcher Index nur auf europäischer
Ebene geschaffen werden.
• Wer kann einen solchen Index betreiben?
– Bestehende Forschungseinrichtung oder eine neu zu gründende Einrichtung
– Der Betreiber des Index darf nicht allein über die Art der Erschließung der
Dokumente und ihre Verfügbarmachung bestimmen. à Kuratorium aus
(potentiellen) Anwendern
33. Beteiligte
• Sprecher
– Dr. Wolfgang Sander-Beuermann, Suma e.V.
– Prof. Dr. Dirk Lewandowski, Hochschule für Angewandte Wissenschaften
Hamburg
• Beteiligte
– Wissenschaft
– Industrie (Deutsche Telekom, 1&1)
– Informationsinfrastruktureinrichtungen
– Public Relations
34. Arbeiten
• Konzeptpapier „An Open Web Index for Europe“
• Vernetzung von Interessierten aus unterschiedlichen Bereichen
• Workshops und Veranstaltungen
• Lobbyarbeit
• Website: www.openwebindex.eu
38. #3
Frei zugängliches Wissen ist die Quelle von
kontinuierlichem Wettbewerb, Innovation
und Unternehmertum auf der einen und
persönlicher und Meinungsfreiheit auf der
anderen Seite.
Der Open Web Index schafft dafür die
Voraussetzung.
39. #4
Diese Aufgabe ist mit Infrastrukturaufgaben
des Staates zu vergleichen – in Bezug auf
die Sammlung und Verfügbarmachung von
Wissen ist vor allem der Vergleich mit den
Bibliotheken zu ziehen.
40. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit
Prof. Dr. Dirk Lewandowski
Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg,
Department Information
dirk.lewandowski@haw-hamburg.de
Website:
www.searchstudies.org