2. Mehr Patientensicherheit bei Hochrisiko-Medizinprodukten
Patientensicherheit ist ein hohes Gut. Dies gilt vor allem für die Anwen
dung von Medizinprodukten, mit deren Einsatz ein besonders hohes
methodisches Risiko verbunden ist. Als Beispiele zu nennen sind Herz
katheder, Stents, Hüftgelenke oder Silikonbrustimplantate. Die bestehen
den Qualitätsstandards in Deutschland und Europa, Anforderungen an
den Nachweis des Nutzens und der Sicherheit sowie an die Überwachung
von Medizinprodukten sind weiterzuentwickeln und müssen im Vergleich
höheren internationalen Standards entsprechen.
Für den Einsatz von Arzneimitteln wurden vor über 30 Jahren die notwen
digen Schlussfolgerungen aus den Ereignissen um das Medikament
Contergan gezogen und die Patientensicherheit durch neue Rahmen
bedingungen erhöht. Gleiches gilt es, für Hochrisiko-Medizinprodukte
in Form von Qualitätssicherungsmaßnahmen zu schaffen.
Drei Elemente führen bei Hochrisiko-Medizinprodukten zu einer erhöhten
Patientensicherheit:
√ Es dürfen nur Produkte angewendet werden, für die der gesundheitliche
Nutzen nachgewiesen wurde.
√ Es muss kontrollierbar sein, ob die erforderlichen Qualitätsstandards
in der Realität wirklich eingehalten werden.
√ Sollte es zu Qualitätsmängeln kommen, muss sichergestellt werden,
dass die davon betroffenen Personen identifiziert werden und frühzeitig
möglichen Risiken entgegengewirkt wird.
Die Patientensicherheit lässt sich nur dann wirksam erhöhen, wenn
gleichzeitig alle drei Elemente verbessert werden.
Positionspapier des Aufsichtsrates des AOK-Bundesverbandes · Berlin, März 2012
3. Der Aufsichtsrat des AOK-Bundesverbands fordert Qualitätsverbesserun
gen in der Zulassung, in der Kontrolle und bei den Reaktionsmöglichkeiten
im Schadensfall von Hochrisiko-Medizinprodukten:
√ Für die Zulassung von Hochrisiko-Medizinprodukten ist der Nachweis
notwendig, dass das Produkt einen Patientennutzen hat. Dies erfordert
vergleichende Studien gegenüber dem Behandlungsstandard. Eine bloße
Zertifizierung der Funktionalität und technischen Sicherheit – und das
sogar nur nach Aktenlage – wie bisher, genügt nicht. Während der Studien
kann eine begrenzte Zulassung für die Studienzentren erfolgen. Studien
protokolle müssen in einem öffentlich zugängigen Register veröffentlicht
werden.
√ Es sind unangemeldete Kontrollen von Hochrisiko-Medizinprodukten
bei den Herstellern erforderlich. Es muss sichergestellt werden, dass
Fehlfunktionen gemeldet und veröffentlicht werden und gehäufte Fehl
funktionen zu Warnhinweisen führen.
√ Verpflichtende Register über das Produkt und seine Verwendung sind
aufzusetzen, um Rückruf und Schadensbehebung von fehlerhaften Me
dizinprodukten schnell und effektiv durchführen und Probleme frühzeitig
identifizieren und beheben zu können. Als Blaupause für die Ausgestaltung
kann das Endoprothesenregister Deutschland (EPRD), das vom AOK-
Bundesverband gemeinsam mit der wissenschaftlichen Fachgesellschaft,
dem vdek und Herstellern initierte wurde, und das voraussichtlich Mitte
2012 seine Arbeit aufnehmen wird, dienen.
Darüber hinaus müssen die Rechte von Patienten und von Krankenkassen
im Schadensfall gestärkt werden. Hierzu gehören der Direktanspruch der
Patienten gegen den Haftpflichtversicherer des Produzenten, die Rück
verfolgbarkeit der Medizinprodukte über die Krankenkassen und der Zugang
von Patienten und Krankenkassen zu den zulassungsrelevanten Unter-
lagen. Bei einer Untersuchung von fehlerhaften Medizinprodukten durch
den Hersteller müssen die Ergebnisse dem Patienten übermittelt und das
Produkt unzerstört zurückgegeben werden. Zerstörende Untersuchungen
dürfen nur von staatlichen Stellen (z. . Materialprüfungsämter) durchge
B
führt werden.
Verantwortlich: AOK-Bundesverband, Geschäftsführender Vorstand, Rosenthaler Straße 31, 10178 Berlin
4. Endoprothesenregister
als Frühwarnsystem
Das Einsetzen von künstlichen Hüft- und Knie gesetzlich vorgeschriebenen Qualitätssicherung
gelenken gehört zu den häufigsten Operationen zurück. Zusätzlich erfassen die am EPRD betei
in Deutschland. Allein im Jahr 2010 haben Ärzte ligten Kliniken alle Hüft- und Knie-Endoprothesen
rund 390.000 Hüft- und Knie-Endoprothesen vor ihrem Einbau mit Hilfe einer neuen Software
eingebaut. Darin enthalten sind knapp 37.000 und eines Barcode-Systems. Der Aufwand lohnt
Wechseloperationen, bei denen die Kunstgelenke sich: Beispiele aus anderen Ländern zeigen, dass
ausgetauscht werden mussten. Über die Gründe sich mit Hilfe eines Registers die Zahl der Wech
dafür wollen Krankenkassen, Ärzteschaft und seloperationen deutlich senken lässt. So hat sich
Industrie mit Hilfe des Endoprothesenregisters in Schweden die Revisionsrate seit Einführung
Deutschland (EPRD) mehr erfahren, um so die eines Registers Ende der 70er Jahre fast halbiert.
Rate der Wechseloperationen zu senken und die Das EPRD befindet sich derzeit in der Testpha
Patientensicherheit zu erhöhen. Der AOK-Bundes se und nimmt seine Arbeit voraussichtlich Mitte
verband hat den Aufbau des Registers von Anfang 2012 auf. Die Teilnahme an dem neuen Register
unterstützt. ist für Patienten und Kliniken freiwillig: Bislang
Der Datenpool des EPRD gestattet es künftig, haben bereits mehr als 150 Krankenhäuser Inter
die Ursachen für einen eventuellen Misserfolg bei esse bekundet. Quelle: EPRD
einem Endoprothesen-Eingriff leichter als bisher
Auf einen Blick
aufzuschlüsseln. Es ist dann einfacher zu erken
Das Endoprothesenregister Deutschland (EPRD) ist eine
nen, ob die verwendeten Implantate, das opera
gemeinsame Initiative der Deutschen Gesellschaft für
tive Vorgehen oder patientenspezifische Merkma Orthopädie und Orthopädische Chirurgie, des Verbandes
der Ersatzkassen e. V., des AOK-Bundesverbandes, des
le für die erneute Operation verantwortlich sind.
Bundesverbandes Medizintechnologie und des BQS Ins-
Zugleich erleichtert es das EPRD, Patienten bei tituts für Qualität und Patientensicherheit. Geschäftsfüh-
rer der EPRD gGmbH mit Sitz in Berlin ist Prof. Dr. Joachim
Bedarf rasch und gezielt über fehlerhafte Implan
Hassenpflug, der zugleich Direktor der Klinik für Orthopädie
tate zu informieren: Das Register kann als Früh- am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein in Kiel ist. Das
EPRD wird die Ergebnisse seiner Arbeit regelmäßig veröf-
warnsystem für alle Beteiligten dienen.
fentlichen. Schon vor dem Start ist das Register auf großes
Das EPRD greift auf ohnehin vorhandene Ab Interesse bei Fachleutengestoßen: Im Juli 2011 hat das
EPRD den dfg-Award in der Kategorie „Innovation“ erhalten.
rechnungsdaten der Krankenkassen und ebenfalls
von den Kliniken bereits erhobene Daten aus der Mehr Informationen unter www.eprd.de