Dr. Hager 2021 Interview Roche in Deutschland (page 3)
1. Das Roche in Deutschland
Nr. 2 // Juni 2021
Magazin
OneRoche – Zauberformel für die Zukunft // 04
Alles im Loop! // 12
Wie eine App hilft, Nebenwirkungen in Schach zu halten // 20
Mit kleinen Schritten zum großen Wandel // 28
Jetzt auch im
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rid-magazin.roche.com
Vernetzung wird für Roche immer
wichtiger – auf vielen Ebenen
Die Kraft der
Kooperation
2. Inhalt // Das Magazin 2/2021 03
Inhalt
Nr. 2 // Juni 2021
Menschen
OneRoche – Zauberformel
für die Zukunft
04
Die Kraft des gemeinsamen Schaffens 08
Mit vielen reden, mit einer Stimme
sprechen
10
Wie eine App hilft, Nebenwirkungen
in Schach zu halten
20
Corona vorbei – und dann? 24
Was die Daten uns verraten 26
Mit kleinen Schritten zum
großen Wandel
28
Vermischtes 31
Alles im Loop! 12
Ein starker Wandel des Geschäfts 16
Die Lizenz zum Arbeiten 18
Business
Trends
Die Kraft der
Kooperation
Themenschwerpunkt
3. E
ine App, die Leben verlängert. Was wie ein utopischer Wunsch
klingt, ist bereits Realität. Der Onkologe Ethan Basch von der
Universität North Carolina in den USA hat eine solche App ge-
testet und die Fachwelt in Erstaunen versetzt. Krebspatienten, die
während einer Chemotherapie ihre Nebenwirkungen in eine App
eintrugen und an das Ärzteteam schickten, lebten im Durchschnitt fünf Monate
länger als Patienten, die diese App nicht nutzten. Vor diesem Hintergrund ent-
wickelt Roche jetzt eine spezielle App zum Monitoring der Nebenwirkungen
bei der Krebsimmuntherapie. Eine Pilotstudie dazu wurde bereits erfolgreich
abgeschlossen.
Wie eine App hilft,
Nebenwirkungen in
Schach zu halten
Digitales Patientenmonitoring soll die
Krebsimmuntherapie sicherer machen
20 Das Magazin 2/2021 // Trends
5. Dr. Oliver Schmalz, Chefarzt der Klinik für Hämatologie, Onkologie
und Palliativmedizin am Helios Universitätsklinikum Wuppertal,
hat im Rahmen der Pilotstudie Patientinnen und Patienten betreut,
die unter Lungenkrebs leiden und eine Krebsimmun
therapie
erhalten. „Bei einem meiner Patienten sah ich anhand der App,
dass seine Luftnot stärker wurde“, berichtet Dr. Oliver Schmalz.
„Ich bestellte ihn ein, da ich den Verdacht auf eine nicht-infektiöse
Lungenentzündung hatte, die sofort behandelt werden muss.
Der Patient dachte, dass es nur eine einfache Bronchitis sei, die
nächste Woche von selber wieder weggehen würde. Wenn wir
so lange gewartet hätten, wäre es für eine Therapie möglicher-
weise schon zu spät gewesen.“
Bei der Krebsimmuntherapie müssen Nebenwirkungen mög-
lichst schnell behandelt werden. Sie entstehen meist durch eine
überschießende Immunreaktion. Am häufigsten betroffen sind
die Haut, der Darm, die Lunge und die endokrinen Organe, wie
die Schilddrüse. Typische Symptome sind Hautausschlag, Durch-
fall, Kurzatmigkeit und Erschöpfung. Wenn die Nebenwirkungen
frühzeitig erfasst werden, lassen sie sich in der Regel gut mit
Cortison behandeln. Bleibt die Behandlung aus, kann sich zum
Beispiel eine schwere Leber- oder Lungenentzündung entwi-
ckeln. Im schlimmsten Fall muss die Krebsimmuntherapie unter-
brochen oder sogar abgesetzt werden.
Hatten Sie Durchfall?
Litten Sie unter Atemnot?
„Normalerweise kommen die Patienten einmal pro Woche zu
uns und werden von der onkologischen Fachschwester gese-
hen“, berichtet Dr. Oliver Schmalz. „Leichte Nebenwirkungen
schaut sich die Schwester an, bei schweren Symptomen zieht
sie mich hinzu.“ In der Pilotstudie wurden die Nebenwirkungen
dagegen zwei Mal pro Woche von den Patienten selbst per App
erfasst. Zum Einsatz kam eine App, die von dem finnischen
Unternehmen Kaiku Health
gemeinsam mit Roche speziell
für die Krebsimmuntherapie
entwickelt wurde. Daher zielten
die Fragen auf die typischen
Nebenwirkungen. Hatten Sie Foto:
Roche
Die Stärke aller Nebenwirkungen
auf einen Blick: Alle Symptome,
die der Patient zu Hause in die
App eingetragen hat, werden beim
betreuenden Arzt in einer Tabelle
angezeigt.
App auf Rezept
Mit dem Digitale Versorgungsgesetz (DVG) wurde
im Dezember 2019 die „App auf Rezept“ eingeführt.
Damit eine Digitale Gesundheitsanwendung (DiGA)
von Ärzten verordnet und durch eine Krankenkasse
erstattet werden kann, muss diese vom Bundesinstitut
für Arzneimittel und Medizinprodukte, kurz BfArM,
wissenschaftlich bewertet werden. Beim Nachweis eines
positiven Versorgungseffekts erfolgt die Aufnahme in
das DiGA-Verzeichnis, in dem alle erstattungsfähigen
digitalen Gesundheitsanwendungen gelistet sind.
Neben der App für die Krebsimmuntherapie entwickelt
Roche mit verschiedenen Herstellern weitere digitale
Gesundheitsanwendungen, zum Beispiel die App
Floodlight zur Verlaufskontrolle bei Multipler Sklerose
und das digitale Diabetes-Tagebuch mySugr.
22 Das Magazin 2/2021 // Trends
Durchfall? Litten Sie unter Atemnot? Auch die Häufigkeit und
Stärke der Symptome wurde abgefragt.
Die Antworten landeten sofort auf dem Computersystem des
Onkologie-Teams in der Klinik. Das Modul, das die Daten der
Patienten erfasst und auswertet, ist der zentrale Teil der digitalen
Gesundheitsanwendung, zu der die App gehört. In der Klinik
wurde für jeden Patienten ein Datensatz angelegt, darunter
eine Tabelle, die auf einen Blick zeigt, wann ein Patient welche
Nebenwirkungen in welcher Stärke hatte. „Wenn der Patient
zu uns kommt, können wir gleich gezielter behandeln“, erklärt
Dr. Oliver Schmalz. Gleichzeitig sinkt auch die Gefahr, dass
schwerwiegende Nebenwirkungen übersehen werden.
6. Enkelin hilft mit dem Smartphone
Um zu erfassen, wie die App von Patienten angenommen wird,
wurde der Teilnehmerkreis an der Studie in Wuppertal weit
gestreut – vom jungen Diplom-Ingenieur bis zum Dachdecker
in Rente. Auch eine 83-jährige Dame war dabei, die zusammen
mit ihrer Enkelin die Fragen auf dem Smartphone beantwortete.
„Die Resonanz war durchweg positiv. Die Patienten fühlten
sich gut betreut, da sie kontinuierlich ihre Beschwerden an
geben konnten und über die Chat-Funktion darauf auch eine
Antwort bekamen“, verdeutlicht Dr. Oliver Schmalz.
Ähnlich zufrieden wie das Wuppertaler Team äußerten sich
auch die anderen Studienteilnehmer. Die Pilotstudie lief an
insgesamt zehn Kliniken in Deutschland, Finnland und der
Schweiz. Teilgenommen haben 45 Patientinnen und Patienten,
elf Pflegekräfte sowie acht Ärztinnen und Ärzte. Die meisten
gaben an, dass die App die Kommunikation zwischen medizini-
schem Personal und Patienten deutlich verbessert. Positiv her-
vorgehoben wurde, dass Nebenwirkungen schneller erkannt
werden können.
Finnisches Unternehmen steht
für Datensicherheit
Aufbauend auf den Erfahrungen mit der Pilotstudie bereitet das
Team um Dr. Johannes Ammann, Medical Affairs in Basel, eine
globale Studie vor. Sie trägt den Namen ORIGAMA und soll den
medizinischen Nutzen des digitalen Patientenmonitorings bei
Krebsimmuntherapie nachweisen. Geplant ist, dass Patientinnen
und Patienten mit Brust-, Leber- und Lungenkrebs daran teil
nehmen. „Wir arbeiten zurzeit am Studienprotokoll. Der Einschluss
der Patienten beginnt im Herbst dieses Jahres“, erklärt Dr. Martin
Hager, medizinischer Leiter für personalisierte Gesundheitsver-
sorgung in Grenzach. Sein Team unterstützt die Implementierung
der Studie in Deutschland. Gleichzeitig entwickelt er die Fragen
zur Erfassung der spezifischen Nebenwirkungen, die dann in
der App abgefragt werden. Als Basis dient – wie schon im
Pilotprojekt – eine App von Kaiku Health. „Wir haben uns für
die Zusammenarbeit mit Kaiku Health entschieden, da die
Technologie bereits in vielen Märkten verfügbar ist und das
finnische Unternehmen bezüglich der Datensicherheit eine
hohe Expertise hat“, betont Dr. Martin Hager.
In der ORIGAMA Studie wird ermittelt, ob die Anwendung der
App schwerwiegende Nebenwirkungen signifikant vermindern
kann. Daneben wird ein Fragebogen konzipiert, der die therapie
bezogene Lebensqualität der Patienten erfasst. Dabei geht es um
verschiedene Aspekte: Wie nehmen Sie am sozialen Leben teil?
Blicken Sie positiv auf Ihr Leben? Fühlen Sie sich deprimiert?
Übergeordnetes Ziel ist die Zulassung der App als digitale
Gesundheitsanwendung (siehe Infokasten). In diesem Fall würde
die Nutzung der App von den Krankenkassen bezahlt und
könnte allen Patientinnen und Patienten zur Verfügung gestellt
werden. „Durch das verbesserte Nebenwirkungsmanagement
könnte die Sicherheit und Effektivität der Krebsimmuntherapie
insgesamt erhöht werden“, hofft Dr. Martin Hager. Die lebens-
verlängernde Wirkung der App wäre dann keine Utopie mehr. //
Autorin: Christine Broll
Mehr Informationen zum Thema bekommt Ihr bei
Dr. Martin Hager: martin.hager@roche.com
Dr. Martin Hager, medizinischer Leiter für personalisierte
Gesundheitsversorgung in Grenzach.
Foto:
Roche
Trends // Das Magazin 2/2021 23
„Die Patienten fühlten sich gut
betreut, da sie kontinuierlich
ihre Beschwerden angeben
konnten und über die
Chat-Funktion darauf auch
eine Antwort bekamen.“
Dr. Oliver Schmalz, Chefarzt der Klinik
für Hämatologie, Onkologie und Palliativmedizin
am Helios Universitätsklinikum Wuppertal