Experten sind in den Medien heute nahezu omnipräsent. Als Fachperson für Interviews, Statements und Kommentare zur Verfügung zu stehen, heißt, sich einen guten Zugang zur Öffentlichkeit zu erarbeiten. Wissenschaftler und Organisationen können diesen Kanal für den Erkenntnistransfer ebenso nutzen wie für die Öffentlichkeitsarbeit.
1. E 4.5
Fachleute verzweifelt gesucht
Expertenvermittlung als Weg in die Öffentlichkeitsarbeit
Andreas Archut
Experten sind in den Medien heute nahezu omnipräsent. Als Fachperson für Interviews, Statements
und Kommentare zur Verfügung zu stehen, heißt, sich einen guten Zugang zur Öffentlichkeit zu
erarbeiten. Wissenschaftler und Organisationen können diesen Kanal für den Erkenntnistransfer
ebenso nutzen wie für die Öffentlichkeitsarbeit.
Gliederung Seite
1. Unseren täglichen Experten gib uns heute 2
2. Was ist eigentlich ein Experte? 2
3. Der Sonderfall – Journalisten als Experten 3
4. Wissenschaftler als Experten – Was springt für Sie dabei raus? 4
5. Und wo liegen die Nachteile? 5
6. Mit der Pressestelle in die Medien 5
7. Die Pressestelle als Vermittler und Experten-Scout 6
8. Bieten Sie sich als Experte an! 7
9. Best practise-Beispiel aus Kanada: The UofT Blue book 7
10. Drei Tipps für die Experten-Datenbank 8
11. Acht Fragen, die Sie sich stellen sollten: 10
12. Internetbasierte Expertendienste: der idw-Expertenmakler 13
13. Internationale Dienste 16
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2. E 4.5 Werkzeugkasten: Welche Instrumente wofür?
Was wollen Redaktionen?
1. Unseren täglichen Experten gib uns heute
Großer Bedarf an Er gehört zum Inventar der Medien wie Reporter, Moderator und Ka-
Expertise meramann: der Experte! Ohne ihn geht heute im Journalismus (fast)
gar nichts mehr. Seinesgleichen bevölkert die Nachrichtenstudios und
plaudert in Talkrunden, kommt per Einspielfilm und Telefonschalte in
Fernseh- und Radiosendungen. Experten erklären uns Börsenkurse,
Unwetter, die große Politik und das Seelenleben der Stars. Auf der
Glaubwürdigkeitsskala rangieren Experten seit Jahrzehnten beim Pub-
likum ganz weit oben – selbst wenn sie keinen weißen Kittel tragen.
Experten warnen, mahnen, erklären, beschreiben unaufhörlich das ver-
meintlich Unerklärliche. Auch Journalisten lieben sie, denn Experten
nehmen ihnen die Aufgabe ab, in der Rolle von Meinungsbildern,
Schiedsrichtern und unangreifbar scheinenden Autoritäten für eine
subjektive Einordnung von objektiv dargestellten Fakten zu sorgen.
Der Bedarf der Medien an Expertise ist riesengroß und muss täglich
aufs Neue befriedigt werden. Keine Bundestagswahl, kein großes Ge-
richtsverfahren, nicht einmal der runde Geburtstag von gekrönten
Häuptern findet heute in den Medien ohne sie statt.
Seriöse Einschätzung Schon jetzt ist der „Marktanteil“ von Wissenschaftlern unter den
der Dinge Experten der Medien nicht eben klein. Für die Wissenschaft bietet der
Expertenkult nämlich eine große Chance auf öffentliche Wahrneh-
mung, die ihr sonst kaum zuteil wird. Auch hat sie geradezu die Ver-
pflichtung, eine seriöse Einschätzung der Dinge den Sprechblasen der
selbst ernannten Durchblicker und notorischer Dampfplauderer entge-
gen zu setzen, die ebenfalls eine hohe „Einschaltquote“ besitzen.
Nicht jeder in den Medien präsentierte „Experte“ ist auch wirklich
eine Fachkraft auf dem betreffenden Gebiet, hat aber erkannt, dass
Medienpräsenz als Experte einen wertvollen Wettbewerbsvorteil
bringen kann.
2. Was ist eigentlich ein Experte?
Sachverstand Als „Experte“ kann theoretisch jeder fungieren, denn es gibt keine
klare Definition für dessen Rolle in den Medien. Auch das Lexikon
hilft nicht wirklich weiter. Es bezeichnet einen Experten als einen
„Sachverständigen“, über die Tiefe, Breite und den Umfang des Sach-
verstandes sagt das aber nichts aus. Darum kommt den Medien bei der
Auswahl ihrer Experten eine große Verantwortung zu, da dessen
bloßes Auftreten dem Zuschauer bereits suggeriert: Der weiß
Bescheid! Die muss es ja wissen!
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3. Werkzeugkasten: Welche Instrumente wofür? E 4.5
Was wollen Redaktionen?
Schlüsseleigenschaften, die Experten zugeschrieben werden:
• Sie erkennen große Bedeutungszusammenhänge.
• Sie arbeiten schneller und fehlerfreier.
• Sie haben ein besseres Kurzzeit- und Langzeitgedächtnis.
• Sie achten mehr auf Strukturen als auf oberflächliche Eigenschaften.
• Sie verwenden viel Zeit auf qualitative Analysen.
• Sie können ihre eigenen Fähigkeiten und Leistungen richtig be-
urteilen.
• All das gilt nur in ihrem jeweiligen Fachgebiet.
Quelle: M.T.H. Chi, R. Glaser & M.J. Farr (Hrsg.): The nature of ex-
pertise. Lawrence Erlbaum Associates, Hillsdale, NJ 1988 (zitiert
nach http://de.wikipedia.org/wiki/Experte)
Handout E 4.5-1 Schlüsseleigenschaften, die Experten
zugeschrieben werden
3. Der Sonderfall – Journalisten als Experten
Gerade, wenn es mal wieder ganz schnell gehen muss, interviewen
Redaktionen auch gerne einmal andere Journalisten, die dem Pub-
likum als Experte vorgestellt werden. Der Fernsehjournalist und Autor
Peter Scholl-Latour hat es beispielsweise meisterhaft verstanden, zu
einem Experten mal für diesen, mal für jenen Erdteil zu avancieren
und bis heute manche Plaudertasche bei Christiansen und Co. ganz
schön alt aussehen zu lassen. Oder steht bei den europäischen Königs-
häusern ein Großereignis an, ist ein Auftritt von Rolf Seelmann-Egge-
bert, dem Inbegriff des „Adels-Experten“ im öffentlich-rechtlichen
Fernsehen, praktisch unvermeidlich.
Manchmal ist der zum „Experten“ hoch stilisierte Journalistenkollege, Notlösungen
der einen aktuellen Bestechungsskandal im Lokalfernsehen kommen-
tiert, aber auch nur der Ausdruck redaktioneller Verzweiflung, weil ein
„echter“ Experte halt gerade nicht greifbar war, die Redaktion aber
glaubte, nicht ohne auskommen zu können. So wird der ehemalige
Paris-Korrespondent zum „Frankreich-Experten“, der Gerichtsreporter
zum „Rechtsexperten“ und der Wetterredakteur gibt Interviews als
„Wetter-Experte“.
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4. Werkzeugkasten: Welche Instrumente wofür? E 4.5
Was wollen Redaktionen?
Informationen zum Autor:
Dr. Andreas Archut ist seit 2000 Leiter der Abteilung Presse und Kommunikation und Presse-
sprecher der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Seit Herbst 2004 ist er Vorsitzender
der Arbeitsgemeinschaft der Hochschulpressestellen in Deutschland. Der promovierte Chemiker war
nach Abschluss seiner akademischen Ausbildung freier Mitarbeiter der Bonner Rundschau und ab
1998 als Redakteur im Bereich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Deutschen Forschungs-
gemeinschaft (DFG) für die Forschungskommunikation verantwortlich. Er unterrichtete in Medien-
trainings Kollegiaten von DFG-geförderten Graduiertenkollegs. Journalistische Erfahrung sammelte
Archut bereits als Schüler und Student als freier Mitarbeiter der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, der
Bonner Rundschau, der Honnefer Volkszeitung und bei Radio Bonn/Rhein-Sieg.
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