Die Gemeindepräsidien-Konferenz AR (Verein „Vereinigung Region Appenzell Ausserrhoden“) will die Themenfelder Gemeindestrukturen, Kooperationen oder ggf. Fusionen verstärkt adressieren. Mittels eines gemeinsamen Workshops mit möglichst zahlreichen Ratsmitgliedern aus den Gemeinden soll eine breite Diskussion auf Stufe Gemeinden lanciert und damit die entsprechenden Themen schrittweise adressiert werden.
Am gemeinsamen Workshop vom 1. Oktober 2015 haben rund 80 Personen aus den verschiedenen Gemeinderäten im Casino Herisau teilgenommen. Im Anschluss von zwei Kurzreferaten mit Denkanstössen aus der Geschichte sowie der Betriebswirtschaft folgten Diskussionsrunden in Gruppen mit folgenden drei Schlüsselfragen:
Stehen die AR-Gemeinden heute am Scheideweg? Gibt es tatsächlich Handlungsbedarf?
Können Kooperationen weiter gestärkt werden?
Sind Fusionen ein wirklich gangbarer Weg?
Gemeinden: Denken in Kooperationen - eigenständig, aber gemeinsam effizient?
1. Gemeinden Appenzell Ausserrhoden
Denken in Kooperationen:
eigenständig, aber
gemeinsam effizient
Interaktiver Workshop mit Input-Referaten
www.pwc.ch
1. Oktober 2015
Casino Herisau
Kurzbericht
Rolle PwC: Moderation
2. PwC
Zusammenfassung
2
AR-Gemeinden: Denken in Kooperationen Oktober 2015
Die Gemeindepräsidien-Konferenz AR (Verein
„Vereinigung Region Appenzell Ausserrhoden“)
will die Themenfelder Gemeindestrukturen,
Kooperationen oder ggf. Fusionen verstärkt
adressieren. Mittels eines gemeinsamen Work-
shops mit möglichst zahlreichen Ratsmit-
gliedern aus den Gemeinden soll eine breite
Diskussion auf Stufe Gemeinden lanciert und
damit die entsprechenden Themen schrittweise
adressiert werden.
Am gemeinsamen Workshop vom 1. Oktober
2015 haben rund 80 Personen aus den ver-
schiedenen Gemeinderäten im Casino Herisau
teilgenommen. Im Anschluss von zwei Kurz-
referaten mit Denkanstössen aus der Geschich-
te sowie der Betriebswirtschaft folgten Diskus-
sionsrunden in Gruppen mit folgenden drei
Schlüsselfragen:
1. Stehen die AR-Gemeinden heute am
Scheideweg? Gibt es tatsächlich
Handlungsbedarf?
2. Können Kooperationen weiter ge-
stärkt werden?
3. Sind Fusionen ein wirklich gang-
barer Weg?
Ausgangslage und Zielsetzung
In intensiven Diskussionsrunden kam die «Unterschiedlichkeit» der einzelnen
Gemeinden wiederholt zu Tage. Dies manifestiert sich u.a. in teils unterschied-
lichen Herangehensweisen, Denkansätzen oder einem jeweils anders ge-
wachsenen Gemeindeleben. Zudem ist feststellbar, dass der Wissensstand zu
Kooperationen oder Fusionen ganz unterschiedlich ist. Die beiden Themen
(insbesondere Fusionen) wurden bisher selten strukturiert und aus einer
strategischen Perspektive durchdacht und bearbeitet.
Zur Frage, ob aktuell ein Handlungsbedarf besteht, zeigt die abschliessende
Umfrage, dass sich die „Ja“ und „Nein“-Stimmen etwa die Waage halten. Es
scheint, dass der Leidensdruck (noch) zu gering ist. Entsprechend hat das
Thema bisher in den Räten keine hohe Priorität.
Hingegen identifiziert eine deutliche Mehrheit ein Potenzial für die weitere
Stärkung von Kooperationen. Den Möglichkeiten zu Kooperationen werden
jedoch auch deutlich Grenzen gesetzt, gibt es doch «heilige Kühe» an Bereichen, in
welchen kaum eine Chance für Kooperationen gesehen wird (z.B. Primarschule).
Zur Frage, ob Fusionen ein wirklich gangbarer Weg sein könnten, zeigt sich, dass
eine fundierte (auch strategische) Herleitung und Auseinandersetzung mit dem
Thema in vielen Räten derzeit noch fehlt. Entsprechend bestehen noch viele
offene Fragen und Unklarheiten, und auch das abschliessende Stimmungs-
bild zeigt eine relativ ausgeglichene Bilanz zwischen "Ja/Nein".
In allen Diskussionsrunden wurde immer wieder erwähnt, dass sich die Gemeinden
steigenden Anforderungen an «Professionalität» ausgesetzt sehen, dies sowohl in
Bezug auf die Arbeit der Räte, wie auch in Bezug auf die erbrachten öffentlichen
Leistungen. Da sich gleichzeitig die Räte heute oft (zu) stark im operativen
Betrieb engagieren müssen, fehlt vielerorts die Kapazität, um sich fundiert
mit strategischen Fragestellungen, wie beispielsweise den zukünftigen
Gemeindestrukturen, zu befassen.
Zentrale Erkenntnisse
3. PwC
Einleitende Kurz-Referate
3
AR-Gemeinden: Denken in Kooperationen Oktober 2015
• Begrüssung und Einleitung:
• Agenda
- Dankanstösse durch Heidi Eisenhut
- Grundüberlegungen/Einführung BWL-Modell
zur Gemeindeführung durch PwC
- Workshops in 3 Gruppen, moderiert durch PwC
• Status aus Sicht Kanton (in Stichworten)
- ab 1.1.2016 für Gemeinden zuständig RR Paul Signer,
Departement Inneres und Sicherheit
- RR will Thematik rund um Gemeinden breit disku-
tieren und nicht auf einen Gesetzesartikel in Kantons-
verfassung reduzieren, Themenkreise: Wohnsitzfrage
vor Wahl neuer Behördenmitglieder, finanzielle
Anreize für Fusionen, zweckmässige Anpassung
Kantonsverfassung etc.
- gem. Kantonsverfassung wäre für einzelne Fusionen
Volksabstimmung über ganzen Kanton nötig
- RR will noch in 2015 Fahrplan definieren
- KMU-Strukturen setzen sich als Trend in Gemeinden
zunehmend durch: standardisierte Prozesse, harmoni-
sierte Rechnungslegung, professionelle Fachbereiche,
optimale IT-Landschaft für höhere Flexibilität/Er-
reichbarkeit für Bürgerwünsche, mobile Arbeitsplätze
etc.
• Denkanstösse: Entspricht Funktion Gemeinderat der
von Verwaltungsräten mit strategischem Auftrag?
Entschädigungen für Ehrenamtlichkeit anzupassen?
Inge Schmid, Präsidentin
Verein Vereinigung Region Appenzell Ausserrhoden
«Geschichte kann zu Einsichten führen – seien sie auf der Hut!»
• Leitbegriffe:
Wille:
Wieso sind die Gemeinden heute so strukturiert, wie sie sind? Warum sind
diese Gebiete kommunal so entstanden? Sinngemäss gilt das für die Schweiz
als Willensnation, die keine gemeinsame Sprache oder Religion hat. Haupt-
grund: Gefässe bilden sich, um gemeinsam Herausforderungen zu lösen, die
der Einzelne nicht so gut lösen kann. Der Wille ist somit auf ein konkretes Ziel
ausgerichtet. Historisch betrachtet waren es beim Herausbilden der ursprüng-
lichen 6-½ Rhoden der Wille nach Schutz, Sicherheit sowie gegenseitiger Hilfe
u.a. bei der Infrastruktur. Hierbei ist zu beachten, dass die demokratische
Willensbildung mit Meinungs- und Versammlungsfreiheit relativ jung ist,
zumal bis noch nicht allzu lange wenige Familien die Führung inne hatten.
Eigenständigkeit:
Die Schweiz ist auf 3 Staats-Ebenen organisiert, wobei Aufgaben jeweils auf der
zweckmässig tiefsten Staatsebene (also Gemeinde) zu lösten sind. Die Ebenen
sollen zudem zusammenarbeiten, wo sinnvoll auch mit den Nachbarn. Gemäss
Verfassung ist Appenzell Ausserrhoden ist ein freiheitlicher, demokratischer
und sozialer Rechtsstaat. Mannigfache Kooperationen unter den Gemeinden
haben auch zur Schaffung von Zweckverbänden geführt. Diese sind in sich
eigenständig und können daher die Souveränität der Bürger einschränken. Wie
eigenständig sind die 20 Ausserrhoder Gemeinden heute?
Identität:
Was sind wir? Wo gehören wir hin? Zur Beantwortung helfen Begriffe wie:
Landschaft, Bauwerke, Erinnerungen, Erlebnisse, Geschichten und Leiden-
schaften. Diese Aspekte stiften Identität. Bei sich verändernden äusseren
Bedingungen und beim Fortschreiten der Zeit wandelt sich Identität im
Idealfall ohne ihren Charakter zu verlieren.
Dr. phil. Heidi Eisenhut, Leiterin Kantonsbibliothek
Departement Inneres und Kultur, Amt für Kultur
4. PwC
Status Quo: Ist man heute am Scheideweg?
Gibt es tatsächlich Handlungsbedarf?
4
AR-Gemeinden: Denken in Kooperationen Oktober 2015
1
Zentrale Aspekte aus den Diskussionsrunden
• Informelle Abstimmung: Das abschliessende Stimmungsbild zeigt, dass sehr unterschiedliche Auffassungen darüber
bestehen, ob aktuell ein dringender Handlungsbedarf besteht, die Gemeindestrukturen im Kanton Appenzell Ausserrhoden
zu verändern. Stimmen in Richtung Ja, bzw. Nein, halten sich die Waage.
• Durchgängig wurden steigende Anforderungen in Richtung «Professionalität» als grosse Herausforderung genannt, dies
sowohl in Bezug auf die Arbeit der Gemeinderätinnen und -räte, wie auch in Bezug auf die erbrachten öffentlichen
Leistungen. Als Treiber dieser Entwicklung wurde insbesondere eine steigende Komplexität der Rahmen-
bedingungen und Anforderungen identifiziert, welche von Seiten Bund und Kanton an die Gemeinden gestellt werden
(zunehmende Reglementierung, juristisch immer komplexere Sachverhalte). Ohne Beizug von Experten (ob als externe
Berater oder Verwaltungsangestellte) kann die geforderte Professionalität insbesondere von kleineren Gemeinden kaum
mehr gewährleistet werden.
• Als zweite zentrale Herausforderung bekunden verschiedene Gemeinden grosse Mühe, qualifizierte und motivierte
Personen für die Besetzung der Räte und der Verwaltung zu finden. Dies wird teilweise darauf zurückgeführt, dass
sich Einwohnerinnen und Einwohner immer weniger mit ihrer Gemeinde identifizieren und nicht mehr bereit sind, sich z.B.
ehrenamtlich zu engagieren, teilweise auch darauf, dass jungen Leuten in kleineren Gemeindeverwaltungen offenbar keine
für sie attraktiv erscheinende berufliche Perspektive geboten werden kann.
• Es bestehen stark unterschiedliche Auffassungen und Erwartungen darüber, ob diese Herausforderungen in
grösseren Gefässen (z.B. infolge Gemeindefusionen) effizienter, professioneller und auch wirklich kostengünstiger erbracht
werden könnten.
• Letztlich scheint aktuell der Leidensdruck in vielen Gemeinden (noch) nicht gross genug, damit tatsächlich auf einer
konkreteren Ebene, und auch gemeindeübergreifend über mögliche alternative Gemeindestrukturen diskutiert werden kann.
Dieser Umstand wird dadurch verstärkt, dass sich Ratsmitglieder heute in vielen Gemeinden stark im operativen Betrieb
engagieren müssen und damit die strategische Arbeit dabei häufig klar zu kurz kommt.
5. PwC
Elemente einer «erfolgreichen» Gemeinde
Schlüssel-
partner
• …
Schlüssel-
aktivitäten
• …
Schlüssel-
ressourcen
• …
Wertangebot
• …
Kunden-
beziehung
• …
Kanäle
• …
Kunden-
segmente
• …
Kostenstruktur
• …
Einnahmequellen
• …
5
Professionell erbrachte
öffentliche Leistungen
Effiziente
Leistungserstellung und
Mitteleinsatz
Stiften und Pflegen von
Identität und
Zusammengehörigkeit
AR-Gemeinden: Denken in Kooperationen Oktober 2015
Ausgeglichener
Haushalt
6. PwC
Drei Diskussionsrunden zu Schlüsselfragen
entlang der Geschäftsmodell-Logik
6
AR-Gemeinden: Denken in Kooperationen Oktober 2015
Ist man heute am Scheideweg? Gibt es Handlungsbedarf?
Können Kooperationen weiter gestärkt werden?
Sind Fusionen ein gangbarer Weg?
Heutiges Modell
Veränderungen?
«Erfolgreich?»
1
2
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Stimmungsbild
zum Ende der
Diskussionsrunden
(Informelle Abstimmung)
7. PwC
Geschäftsmodell: 9 Bausteine beschreiben die Logik
wie eine Institution Werte schaffen will
7
AR-Gemeinden: Denken in Kooperationen Oktober 2015
Quelle: Strategyzer AG
8. PwC
Status Quo: Ist man heute am Scheideweg?
Gibt es tatsächlich Handlungsbedarf?
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AR-Gemeinden: Denken in Kooperationen Oktober 2015
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9. PwC
Evolution: Können Kooperationen weiter
gestärkt werden?
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AR-Gemeinden: Denken in Kooperationen Oktober 2015
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Zentrale Aspekte aus den Diskussionsrunden
• Informelle Abstimmung: Aus der Abstimmung geht hervor, dass eine deutliche Mehrheit ein eindeutiges Potenzial für
die Stärkung von Kooperationen sieht.
• Als mögliche Bereiche, wo Kooperationen bereits jetzt eingegangen werden bzw. zukünftig gestärkt werden könnten, sind
mehrmals die Technischen Betriebe (Wasser, Abwasser), die Feuerwehr, die Schule (Oberstufe) sowie die Sozialen Bereiche
(Spitex, Soziale Dienste, Altersheime) erwähnt worden.
• Ebenfalls wurden Bereiche erwähnt, die als «heilige Kühe» bezeichnet werden, in welchen die Gemeinden keine Möglich-
keiten zur Kooperation sehen bzw. Kooperationen nur unter Einbusse der Standortattraktivität eingegangen werden könn-
ten. Diese «heiligen Kühe» sind die vor allem die Primarschule, genannt wurde auch die Souveränität in Finanz-
fragen sowie die Raumentwicklung.
• Kooperationen sind aufgrund der geographischen Lage des Kantons dabei nicht nur innerkantonal denkbar, sondern vor
allem für Gemeinden an Kantonsgrenzen auch über diese hinweg eine bereits heute teils gut funktionierende Variante.
• Der Zweckverband ist das gängigste Konstrukt, wie Kooperationen eingegangen werden können. Als Nachteile eines solchen
Verbandes wurden die mangelnde Transparenz (Kosten) sowie die allfällige Beschränkung der direkten
Demokratie genannt. Als häufigsten Vorteil wird dagegen die Professionalisierung genannt.
• Die Vertreterinnen und Vertreter der Gemeinden sind sich einig, dass Kooperationen auf diversen Ebenen gestärkt werden
können. Über die Art und Weise, wie Kooperationen gestärkt werden können, scheinen sich die Anwesenden aber noch nicht
strukturiert Gedanken gemacht zu haben.
11. PwC
Revolution: Sind Fusionen ein wirklich
gangbarer Weg?
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AR-Gemeinden: Denken in Kooperationen Oktober 2015
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Zentrale Aspekte aus den Diskussionsrunden
• Informelle Abstimmung: Das abschliessende Stimmungsbild zur Schlüsselfrage zeigt ein relativ ausgeglichenes Bild,
jedoch ist eine leichte Mehrheit der Ansicht, dass Gemeindefusionen im Appenzell-Ausserrhodischen kein realistisch
gangbarer Weg sind. Dieser Auffassung sind sowohl Ratsmitglieder wie auch Präsidien.
• Diverse aktuelle Herausforderungen für die Gemeinden wurden intensiv diskutiert, verschiedenste stehen dabei in
einem (zumindest wahrgenommenen) direkten Zusammenhang zu fusionierten Gemeinden als Zukunftsalternative für die
Gemeindestrukturen in AR:
- Gemeindegebiete hängen geographisch teils gar nicht zusammen
- Gemeinden unterscheiden sich teils wesentlich in individueller Art und Weise
- Gemeinden funktionieren in vielen Belangen noch gut, es besteht kein eigentlicher Leidensdruck
- Gemeinden bekunden Probleme, Personen für Ämter zu finden – sei es in Räten oder in der Verwaltung.
• Die Diskussionen zeigten jeweils deutlichen, dass eine fundierte strategische Herleitung und Auseinandersetzung
mit der Schlüsselfrage «Fusionen» in der Mehrheit der Gemeinden bisher fehlt. Entsprechend wurden verschiedene
Fragestellungen genannt, welche in einer sauberen Aufarbeitung noch bearbeitet werden sollten:
- Gross heisst häufig nicht besser: Wo liegt Nutzen von Fusionen genau? Was ist eine gute Gemeinde-Grösse?
- Warum fusionieren? Grund? Effizienz? Gemeinschaften?
- Was passiert mit Identitäten einzelner Gemeinden? Wappen als Symbolfrage?
- Was für einen Effekt haben Fusionen konkret auf Finanzen? Können Effekte simuliert werden? Wird wirklich gespart?
• In der Gesamtsicht zeigte sich, dass eine konkrete strategische Auseinandersetzung mit dem Thema in vielen Räten bisher
noch fehlt. Argumente für oder gegen Fusionen wirken teils noch nebulös und kaum schlüssig hergeleitet. Folglich müsste
ein strukturierter und durchdachter Prozess gestartet werden, um die Fragen rund um das Thema Fusion
überhaupt beantworten zu können.